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Leitungswasserversicherung – Spülwasser eingedrungen

Oberlandesgericht Schleswig-Holstein – Az.: 16 U 20/18 – Beschluss vom 18.07.2018

I. Die Klägerin wird gemäß § 522 Abs. 2 ZPO darauf hingewiesen, dass ihre Berufung gegen das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 2. Februar 2018 nach der einstimmigen Auffassung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg bietet, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil nicht erfordert und auch eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Der Senat beabsichtigt deshalb, die Berufung aus den nachfolgenden Gründen ohne mündliche Verhandlung durch einstimmigen Beschluss mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Klägerin auch die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens, Landgericht Lübeck, 4 OH 15/14 trägt.

II. Es besteht, sofern die Berufung nicht aus Kostengründen zurückgenommen werden sollte, Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen.

Gründe

I.

Die Klägerin, die ein Krankenhaus, betreibt, begehrt Leistung aus einer seit Mitte 2000 gehaltenen Industrie-Sachversicherung, in der u. a. Leitungswasserschäden versichert sind.

In § 4 der Allgemeinen Bedingungen für die Industrie-Sachversicherung (ABIS, Anlage 2 der beigezogenen Akte des selbstständigen Beweisverfahrens 4 OH 15/14, Bl. 7ff.) heißt es:

Leitungswasserversicherung

1. Der Versicherer leistet Entschädigung für versicherte Sachen, die durch Leitungswasser zerstört oder beschädigt werden oder abhandenkommen.

2. Leitungswasser ist Wasser, das aus

a) Rohren oder Schläuchen der Wasserversorgung (Zu- oder Ableitungen),

b) sonstigen mit den Rohrsystemen verbundenen Einrichtungen, (…)

bestimmungswidrig austritt.

In der Klinik befindet sich eine Großküche, deren Bestandteil wiederum eine Spülküche ist, in der das benutzte Geschirr gereinigt wird. Im Fußboden dieser Großküche befinden sich Ablaufrinnen aus Edelstahl zu dem Zweck, auf dem Fußboden der Großküche anfallendes Wasser abzuführen. Aufgrund fehlerhafter Abdichtungen zwischen Fußbodenbelag und diesen Rinnen drang Wasser in die Bodenkonstruktion unter der Großküche ein und durchfeuchtete diese. Das fiel im Februar 2013 auf. Die Beklagte, mit einem Anteil von 70% führender Versicherer (neben der ACE und der Württembergischen Versicherung mit je 15 %) versagte die Regulierung mit der Begründung, es sei weder Wasser aus Rohren oder Schläuchen der Wasserversorgung noch aus sonstigen mit den Rohrsystemen verbundenen Einrichtungen ausgetreten.

Die Klägerin hat sie danach klagweise auf Zahlung von 340.579,11 € nebst 7.832,46 € vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Anspruch genommen (die Hauptforderung hat sie nach bei ihr tatsächlich insgesamt angefallenen 486.541,58 € berechnet, wohingegen der Sachverständige im selbständigen Beweisverfahren von 117.100,- € [einschließlich eines mit 40.380,- € bezifferten Betriebsunterbrechungsschadens] ausgegangen ist). Die Klägerin hat vorgetragen, an nahezu allen Ablaufrinnen im Küchen- und Spülbereich sei das Wasser zum größten Teil zwar bestimmungsgemäß über die Rinnen abgelaufen, zum Teil aber über die Kanten der Ablaufrinnen bestimmungswidrig ausgetreten und habe so den Boden durchfeuchtet (Bl. 5). Sie hat unter Bezugnahme auf das Urteil des Senats vom 11. Juni 2015 (16 U 15/15, VersR 2016, 1495, betreffend das Eindringen von Wasser durch die Fliesen einer Dusche in die Wand) gemeint, die Spülküche sei rechtlich wie eine Duschkabine zu behandeln und unter einer „sonstigen mit dem Rohrsystem verbundene Einrichtung“ zu subsumieren. Später hat sie noch behauptet, es sei lebensfremd anzunehmen, dass das Wasser im Verlauf der jahrelangen Nutzung der Spülküche niemals aus den Ablaufrinnen übergelaufen und ausschließlich außerhalb der Rinnen in den Boden gelangt sei (Bl. 227).

Die Beklagte hat sich dem entgegengestellt. Sie hat gemeint, unter Zugrundelegung des anfänglichen Vortrags der Klägerin liege ein versicherter Leitungswasserschaden nicht vor. Die Küche sei nicht – was der Begriff der Einrichtung aber erfordere – ein Behältnis, das bestimmungsgemäß Wasser durchlasse oder aufnehme und durch eine Zu- oder Ableitung mit dem Rohrsystem verbunden sei. Es fehle schon an einem spezifischen Zulauf. Es werde durch die Küche auch bestimmungsgemäß kein Wasser gelassen oder aufgenommen; während in einer Dusche Dinge gereinigt würden, wozu der Wasserdurchfluss diene, werde in der Küche lediglich Reinigungswasser über den Bodenablauf abgeführt, das der Reinigung der Küche selbst diene, oder aber Planschwasser (Bl. 116f.). Im Übrigen hat sie sich darauf berufen, dass die erste Schädigung bei von Anfang mangelhafter Einbindung der Ablaufrinnen bereits vorvertraglich erfolgt sei, deswegen seien etwaige Ansprüche auch verjährt. Schließlich seien die geltend gemachten Reparaturkosten deutlich übersetzt und betrügen gemäß ihrer sachverständig beratenen Nachberechnung der von der Klägerin im Prozess vorgelegten Rechnungen einschließlich des Betriebsunterbrechungsschadens allenfalls 159.762,15 € (Bl. 115).

Das Landgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Das Vorbringen der Klägerin, dass Wasser aus den Ablaufrinnen auch übergelaufen sei, sei gemäß § 296 Abs. 2 ZPO verspätet und daher nicht zu berücksichtigen. Der verbleibende Vortrag, dass auf dem Boden befindliches Wasser aufgrund unzureichender Abdichtung der Ränder der Ablaufrinnen in den Boden eingetreten sei, ergebe keinen bestimmungsgemäßen Leitungswasserschaden im Sinne des Austretens von Wasser aus einer sonstigen mit dem Abwasserrohrsystem verbundenen Einrichtung. Der Großküchenfußboden selbst stelle – auch am Maß der Entscheidung des Senats vom 11. Juni 2015 – keine solche Einrichtung dar. Er sei nicht als Teil einer Gesamtanlage anzusehen, welche einen „eingehegten“ und geschützten Wasserverbrauch ermögliche. Er diene – anders als die in der Rechtsprechung erörterten Beispiele von Badewannen und Duschen – gerade nicht dazu, einen Wassergebrauch erst zu ermöglichen und zu sichern.

Hiergegen richtet sich die Berufung, die ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt.

Sie macht, ohne auf die Möglichkeit des Austritts von Wasser aus den Ablaufrinnen zurückzukommen, geltend, aus der Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers, der § 4 Nr. 2 ABIS lese, sei einzige Voraussetzung für die Annahme eines versicherten Leitungswasserschadens, dass die sonstigen Einrichtungen mit dem Rohrsystem verbunden sein müssten. Dass die Einrichtung primär dem Ge- oder Verbrauch von Wasser zu dienen habe oder den Wassergebrauch erst ermöglichen und sichern müsse (wie das Landgericht meine), erschließe sich für ihn nicht (Bl. 278R). Die in der Großküche gelegene Spülküche setze zwangsläufig Wasser ein, wobei, wie in professionellen Spülküchen üblich, sowohl sauberes Leitungswasser als auch Brauchwasser auf den Boden gelange, das dann bestimmungsgemäß über die im Boden befindlichen Edelstahlauffangwannen abgeleitet werde (Bl. 279).

Die Klägerin beantragt,

1.

das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen,

2.

hilfsweise das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 340.579,11 € nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit (25. Januar 2017, Bl. 103R) sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosen von 7.832,46 € nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die Berufung hat nach der einstimmigen Auffassung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, § 522 Abs. 2 ZPO.

Zu Recht hat der Einzelrichter der 4. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck die Klage auf Leistung aus der Industrie-Sachversicherung (hier Leitungswasserversicherung) abgewiesen. Die Berufung geht fehl; weder beruht das angefochtene Urteil auf einem Rechtsfehler, § 546 Abs. 1 ZPO, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung, § 513 Abs. 1 ZPO.

Auszugehen ist im Tatsächlichen allein von einem Hergang dergestalt, dass das in der Spülküche auf den Boden gelangende Brauch-(=Abwasch-), Spritz- und Reinigungswasser zunächst auf den Boden gelangt ist und sodann wegen der mangelhaften Andichtungen der Ablaufrinnen nicht in diese, sondern in den Fußbodenaufbau eingedrungen ist. Bei diesem Hergang liegt kein versicherter Leitungswasserschaden vor.

Unzweifelhaft ist nicht im Sinne von § 4 Nr. 2 ABIS Wasser aus Rohren oder Schläuchen der Wasserversorgung ausgetreten. Es liegt aber auch ein bestimmungswidriger Austritt aus sonstigen mit den Rohrsystemen verbundenen Einrichtungen nicht vor.

Versicherungsbedingungen sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer versteht, der die Bedingungen aufmerksam und verständig im Hinblick auf den Sinnzusammenhang und dabei nicht zuletzt auch mit Rücksicht auf seine eigenen Interessen liest. Ein solcher Versicherungsnehmer, der sich die Leitungswasserbedingungen vornimmt, wird davon ausgehen, dass diese Versicherung ihn vor Gefahren schützen will, die für sein Objekt durch die Tatsache geschaffen werden, dass in diesem Wasser benutzt wird, das in Zuleitungen einer Verbrauchsstelle zugeführt und in Ableitungen von dort wieder weggeführt wird. Er wird daher erwarten, dass das gesamte technische Standard-System, in dem sich planmäßig und geordneterweise die Benutzung von Wasser in seinem Objekt abspielt, gegen Schäden geschützt wird, die nässebedingt in der Umgebung dieser Nutzungsstellen auftreten können und auftreten. In diesem Sinne wird er die Gesamtheit der Anlagen, die einen derart „eingehegten“ und geschützten Wasserverbrauch ermöglichen und sichern, als versichert ansehen (vgl. Senat, Urteil vom 11. Juni 2015, VersR 2016, 1495, juris Rn 27). Wenn er liest, dass in erster Linie Schäden versichert sind durch Wasser, das aus Rohren oder Schläuchen der Wasserversorgung (Zu- oder Ableitungen) bestimmungswidrig austritt, so wird er erkennen, dass auch der versicherte bestimmungswidrige Austritt von Wasser aus mit den Rohrsystem verbundenen Einrichtungen es erfordert, dass diese Einrichtungen die planmäßige und geordnete Benutzung von Wasser in gewisser Weise „einhegen“ oder „engführen“ (in diesem Sinne spricht Martin, Sachversicherungsrecht, 3. Auflage, E I Rn 35 zutreffend von einem Behältnis, das bestimmungsgemäß Wasser durchlässt oder aufnimmt). Nur bei einer solchen Engführung, wie sie bei einer Leitung vorliegt, die der Leitungswasserversicherung den oberbegrifflichen Namen gibt, lässt sich sinnvoll davon sprechen, dass aus der Einrichtung Wasser austrete. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird daher von einer „Einrichtung“ erwarten, dass sie im Sinne der Einhegung oder Engführung Wasser im Hause geregelt zuführt oder abführt oder aber – zeitlich und sachlich dazwischen – einen geordneten Gebrauch planmäßig ausgetretenen Wassers ermöglicht und sichert. In eben diesem Sinne sind Hähne, Ventile und Filter, Waschbecken, Badewannen, Schwimmbecken und – jedenfalls nach Auffassung des Senats – auch Duschkabinen oder geflieste Duschbereiche als Einrichtungen mitversichert.

Hingegen geht es, wie das Landgericht zutreffend befunden hat, zu weit darüber hinaus, die gesamte Spülküche oder doch jedenfalls noch ihren Fußboden als eine solche Einrichtung anzusehen. Der Fußboden der Spülküche dient nicht der geordneten Benutzung ausgetretenen Wassers, bewirkt keine Einhegung oder Engführung dieses Wassers und dient primär auch nicht dessen Ableitung in das Rohrsystem. Ein fester Fußboden ist vielmehr allgemein und in jederlei Räumen nötig, damit Menschen ihn nutzen können. Der Umstand allein, dass er (wie der Fußboden der Spülküche) an sich wasserdicht auszuführen ist, damit über ihn das Wasser schadensfrei in die Ablaufrinnen gelangen kann, macht ihn noch nicht zu einer für die Wasserführung bestimmten Einrichtung. Naturgemäß sind auch die gefliesten Böden von Badezimmern, von Küchen oder (um ein Beispiel der Beklagten, Bl. 117, aufzugreifen) von Kellern, in denen sich ein Bodenablauf befindet, sinnvollerweise wasserdicht auszuführen; vernünftigerweise muss das für alle Räumlichkeiten gelten, in denen sich irgendwo wasserführende Vorrichtungen befinden oder die auch nur regelmäßig nass gewischt werden. Dass dies in der Spülküche in sehr viel größerem Umfang geschieht, kann es nicht rechtfertigen, die Spülküche insgesamt als eine Art „Nassraum“ im Sinne einer Einrichtung anzusehen, und entsprechend ist etwa auch anerkannt, dass ein vollständig gefliester (oder sonst wasserdicht gestalteter) Raum nicht als eine mit dem Rohrsystem verbundene Einrichtung angesehen werden kann (vgl. OLG München, Beschluss vom 27. Juli 2017, RuS 2017, 527 für den kompletten Duschbereich in einem Fitnessstudio).

III.

Allerdings ist das angefochtene Urteil um eine Entscheidung über die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens zu ergänzen.

Über die Kosten hat das Gericht auch ohne Antrag von Amts wegen zu erkennen, § 308 Abs. 2 ZPO. Kommt es, wie hier, zum Hauptsacheprozess, sind die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens Teil der Kosten dieses Rechtsstreits und nach Maßgabe ihrer Notwendigkeit zu erstatten (vgl. nur Zöller/Herget, ZPO, Kommentar, 32. Auflage, § 490 Rn 7). Im Falle des Unterliegens des Antragstellers im Hauptsacheprozess sind sie daher diesem aufzuerlegen.

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