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Leistungsfreiheit des Versicherers bei Täuschung des Versicherungsnehmers

Leistungsverweigerung der Versicherung bei mutmaßlicher Täuschung des Versicherten: Schlüsselurteil

In diesem bedeutenden Versicherungsfall dreht sich alles um eine Frage der Glaubwürdigkeit und der Beweisführung. Es geht um einen behaupteten Raubüberfall, dessen Validität das Herzstück eines Rechtsstreits zwischen einem Versicherungsnehmer und seiner Versicherungsgesellschaft bildet. Der Knackpunkt der Rechtsfrage liegt in der Behauptung der Versicherungsgesellschaft, dass der Überfall fingiert worden sei, um eine Leistung aus dem abgeschlossenen Versicherungsvertrag zu erzwingen. In diesem spezifischen Fall geht es nicht nur um die materiellen Fragen von Schaden und Entschädigung, sondern auch um das Thema der Aktivlegitimation und das tiefgründige Problem des Beweises von Täuschung im Versicherungsrecht.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 11 U 80/19 >>>

Der Beginn des Streits: Die Weigerung der Versicherung, Leistungen zu erbringen

Nachdem mehrere Beweisaufnahmen, einschließlich der Vernehmung von Zeugen und der Einholung eines Sachverständigengutachtens, durchgeführt wurden, wies das Landgericht die Klage der Versicherungsgesellschaft ab. Die Behauptung des Versicherungsnehmers, dass ein Raubüberfall stattgefunden hat, wurde durch die Beweisführung des Gerichts nicht eindeutig widerlegt. Es wurde jedoch klar, dass der Versicherungsnehmer nicht ausreichend Beweise für seine Aktivlegitimation im Zusammenhang mit der Widerklage der Versicherungsgesellschaft vorlegen konnte.

Die Frage der Täuschung und der Versicherungsfall

Laut Rechtsprechung ist der Versicherungsnehmer grundsätzlich nur verpflichtet, den äußeren Rahmen des Versicherungsfalls zu beweisen, d. h. zu belegen, dass ein Ereignis eingetreten ist, das nach dem Versicherungsvertrag versichert ist. Sollte es jedoch der Versicherung gelingen, konkrete Tatsachen zu beweisen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit darauf hindeuten, dass der Versicherungsfall nicht eingetreten ist und somit eine Täuschung vorliegt, muss der Versicherungsnehmer den Vollbeweis führen.

Die Entscheidung des Gerichts und die Berufungsbegründung

In diesem Fall stützte sich das Landgericht maßgeblich auf die Aussagen der Steuerberaterin und des Gerichtssachverständigen, die keine Hinweise darauf fanden, dass der Versicherungsnehmer einen fingierten oder in Auftrag gegebenen Raubüberfall vorbereitet hätte. Eine Überraschungsentscheidung des Landgerichts lag hier nicht vor. Es wurde festgestellt, dass die Versicherungsgesellschaft ihre Behauptung, dass der Raubüberfall inszeniert wurde, nicht ausreichend belegen konnte.

Der Rechtsweg und seine Konsequenzen

Die Rechtsprechung in diesem Fall zeigt die Komplexität der Beweisführung im Versicherungsrecht und die Herausforderungen, die mit dem Nachweis von Täuschung oder Betrug verbunden sind. Die Tatsache, dass das Gericht den Beweisen der Versicherungsgesellschaft, dass der Raubüberfall fingiert wurde, nicht ausreichend Gewicht beimaß, hebt die Bedeutung von eindeutigen und schlüssigen Beweisen im Rahmen solcher Verfahren hervor. Es verdeutlicht auch die potenziellen Folgen für Versicherungsnehmer, die sich gegenüber Vorwürfen der Täuschung verteidigen müssen.


Das vorliegende Urteil

Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 11 U 80/19 – Urteil vom 15.07.2020

Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 26.03.2019 verkündete Urteil der Einzelrichterin des Landgerichts Cottbus, Az.: 6 O 40/15, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an den Beklagten Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 70.000,00 € für den Zeitraum vom 27.10.2012 bis 11.03.2013 zu zahlen.

Die weitergehende Widerklage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 75 % und der Beklagte zu 25 %.

Das Urteil ist für die Klägerin ohne Sicherheitsleistung und für den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 75 % und der Beklagte 25 % zu tragen. Der Streithelfer der Beklagten hat die Kosten seiner Streithilfe zu tragen.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Den jeweiligen Vollstreckungsschuldnern bleibt nachgelassen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 95.181,76 € festgesetzt.

Gründe

I.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Das Landgericht hat nach Durchführung mehrerer Beweisaufnahmen durch Vernehmung von Zeugen und Einholung eines Sachverständigengutachtens über die von der Klägerin behaupteten Umstände, die ihrer Ansicht nach zu einer Fingierung des Raubüberfalls am 03.10.2011 führten, die Klage insgesamt abgewiesen. Auf die Widerklage des Beklagten hat es die Klägerin verurteilt, an den Beklagten Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den vorprozessual an den Beklagten gezahlten Betrag in Höhe von 70.000 € zu zahlen. Im Übrigen hat das Landgericht auch die Widerklage abgewiesen.

Die Abweisung der Klage beruhe – so das Landgericht – darauf, dass die Klägerin weder einen bereicherungsrechtlichen noch einen deliktischen Rückerstattungsanspruch in Höhe der an den Beklagten ausgekehrten Versicherungsleistungen habe, denn die vorprozessuale Leistung des Abschlagsbetrages in Höhe von 70.000,00 € auf den geltend gemachten Versicherungsfall vom 03.10.2011 sei mit Rechtsgrund erfolgt, weil an diesem Tag ein Raubüberfall auf den vom Beklagten betriebenen Autohof und die dortige Tankstelle tatsächlich erfolgt sei und dessen Schadensfolgen bei der Klägerin versichert gewesen seien. Allein die Ungereimtheiten, die die von der Klägerin vorprozessual beauftragte Gutachterin K… herausgefunden habe, begründeten nicht die Annahme eines „Hinarbeitens auf den Raubüberfall“ des Beklagten durch Vorhalten hoher Geldbeträge im Tresor der Tankstelle. Ebenso reichten atypische Verkäufe von alkoholfreien Getränken und Ersatzteilen sowie erhöhte Erlöse bei der Waschanlage ebenso wenig aus, wie ein erhöhter Wechselgeldbestand während des verlängerten Wochenendes um den 03.10.2011. Auch die Aussagen der vor dem Landgericht vernommenen Zeugen hätten ein gezieltes „Hinarbeiten“ des Beklagten auf den Raubüberfall nicht ergeben. Für die Beendigung des Pachtverhältnisses habe es wirtschaftliche Differenzen zwischen den Parteien des Pachtvertrages gegeben. Schließlich haben weder die Steuerberaterin des Beklagten noch der gerichtlich beauftragte Sachverständige M… Hinweise für eine unplausible Buchführung des Beklagten, also für eine Manipulation von Kassenberichten oder Bargeldbeständen durch den Beklagten im Tresor der Tankstelle, feststellen können. Deshalb sei auch ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB zu verneinen.

Die Widerklage sei lediglich hinsichtlich des geltend gemachten Zinsanspruchs begründet. Weitere Forderungen stünden dem Beklagten nicht zu, weil unstreitig gewesen sei, dass der Beklagte die Forderungen abgetreten hatte. Soweit der Beklagte vorgetragen habe, die Forderungen seien an ihn rückabgetreten worden, habe die Klägerin diesen Vortrag bestritten und der Beklagte hierfür keinen Beweis angetreten, so dass nicht feststehe, dass dieser Inhaber etwaiger weiterer Forderungen sei.

Das Urteil des Landgerichts ist beiden Parteien jeweils am 16.05.2019 zugestellt worden.

Mit ihrer am 14.06.2020 eingegangenen und mit am 13.09.2020 innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründeten Berufung wendet sich die Klägerin gegen die Abweisung ihrer Klage. Sie meint, sie sei aufgrund einer Täuschung des Beklagten und eines damit verbundenen Verstoßes gegen § 13 Nr. 1 der dem Versicherungsverhältnis zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen von ihrer Leistung frei geworden und könne die erbrachten Leistungen daher nach § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt BGB zurückfordern. Insoweit habe das Landgericht die Darlegungs- und Beweislast unzutreffend bestimmt und angewendet. Der Versicherer müsse in solchen Fällen nicht den Vollbeweis dafür führen, dass ein Einbruchsdiebstahl nicht stattgefunden habe, wenn es – wie hier – schon am äußeren Erscheinungsbild eines Einbruchsdiebstahls fehle. Im Streitfall seien die als verlustig gemeldeten Gelder nämlich nicht (tatsächlich) abhandengekommen. Deshalb sei der Beklagte als Versicherungsnehmer voll beweispflichtig. Diesen Beweis habe er indessen nicht führen können. Insoweit gebe es Ungereimtheiten beim Bar- und Wechselgeldbestand. Zudem sprächen erhebliche Umstände für das Vorliegen eines vorgetäuschten Raubes (Unstimmigkeiten im Bereich der Buchhaltung, der verbuchten Tagesumsätze, der vorgenommenen Einkäufe und der eingebuchten Umsätze). Die Durchführung der Beweisaufnahme durch das Landgericht sei insoweit unzureichend gewesen, weil der vom Landgericht beauftragte Sachverständige M… nicht über die für eine sachgerechte Auswertung der Informationssysteme der (X)… AG erforderlichen Kenntnisse verfüge. Auch habe das Landgericht es verabsäumt, ein weiteres Gutachten einzuholen. Auch der Beweisaufnahmetermin vor dem Landgericht am 11.12.2018 habe insoweit keine Klarheit verschafft. Schließlich hätte das Landgericht die Widerklage in vollem Umfang abweisen müssen, weil der Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von Versicherungsleistungen habe und deshalb auch keinen Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen geltend machen könne, die hier im Übrigen vom Landgericht zu hoch bemessen worden seien.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie 70.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 11.03.2013 zu zahlen und sie von den Forderungen ihrer Prozessbevollmächtigten in Höhe von 2.085,95 € nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage am 19.02.2015 freizustellen sowie die Widerklage abzuweisen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung hinsichtlich der erfolgten Klageabweisung und meint, dass das Landgericht zutreffend angenommen habe, dass die an ihn erbrachten Leistungen zu Recht auf der Grundlage der Vereinbarungen des Versicherungsvertrages ausgekehrt worden seien.

Mit seiner am 12.06.2019 eingelegten und am 13.09.2019 beim Berufungsgericht innerhalb nachgelassener Frist begründeten, eigenen Berufung wendet sich der Beklagte gegen die Abweisung der weitergehenden Widerklage. Insoweit stelle das Urteil eine unzulässige Überraschungsentscheidung des Landgerichts dar, da dieses bezüglich der Beweisbedürftigkeit der Aktivlegitimation des Klägers einen richterlichen Hinweis nach § 139 Abs. 2 ZPO hätte erteilen müssen, denn diese Frage sei vom Prozessbevollmächtigten erster Instanz erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden. Dem Beklagten sei nicht bewusst gewesen, dass er zur Begründung seines Anspruchs nicht alles Erforderliche getan habe. Einen dementsprechenden Eindruck habe das Landgericht allerdings bei ihm erweckt, als es über die Leistungsansprüche des Beklagten gegen die Versicherung Beweis erhoben habe. Klage und Widerklage seien insoweit als Einheit zu verstehen. Die Frage der Aktivlegitimation habe hier auch keine zentrale Rolle gespielt. Wäre das Landgericht seiner Hinweispflicht nachgekommen, hätte er die Abtretungserklärungen, die nunmehr mit der Berufungsbegründung vorgelegt werden, bereits erstinstanzlich eingereicht und die Abtretungsvorgänge jeweils – wie in der Berufungsbegründung geschehen – unter Beweis gestellt. Auf die Ausführungen auf Seite 4, 5 der Berufungsbegründung vom 11.09.2019 wird insoweit Bezug genommen.

Mit seiner Berufungsbegründung beantragt der Beklagte, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klägerin im Wege der Widerklage zu verurteilen, an ihn 25.181,76 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz für die Zeit vom 27.10.2012 bis 29.07.2014 sowie in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 30.07.2014 sowie weiteren 1.780,20 € zu zahlen, hilfsweise die Sache unter Aufhebung des die Widerklage abweisenden Urteils an das Landgericht Cottbus zurückzuverweisen.

Der Streithelfer des Beklagten ist auf die Berufungsverfahren erfolgte Streitverkündung des Beklagten dem Rechtsstreit auf Seiten des Beklagten beigetreten und hat sich den Anträgen des Beklagten aus dessen Berufungsbegründung angeschlossen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Sie meint, die Berufung des Beklagten sei schon deshalb unbegründet, weil ein Leistungsanspruch insgesamt nicht bestehe. Zutreffend sei das Landgericht jedoch davon ausgegangen, dass der Beklagte die Aktivlegitimation für die geltend gemachten Widerklageansprüche nicht dargelegt und unter Beweis gestellt habe, weil sie die Aktivlegitimation des Beklagten erstinstanzlich bestritten habe. Eine weitergehende Hinweispflicht der Kammer habe insoweit nicht bestanden. Jedenfalls werde die Echtheit der im Berufungsverfahren benannten Abtretungsurkunden sowie der vorgelegten Bargeldquittung bestritten. Zudem bestreitet die Klägerin, dass die in der Anlage B 6 genannten Abtretungsvoraussetzungen überhaupt gegeben gewesen seien.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 517, 519, 520 ZPO.

Die Berufung ist jedoch nur in einem geringen Umfang begründet; im Übrigen ist sie unbegründet.

A. Zutreffend hat das Landgericht die Klage der Klägerin in vollem Umfang abgewiesen. Die Klägerin hat keinen der von ihr geltend gemachten Ansprüche.

1. Ein Rückzahlungsanspruch der von der Klägerin unstreitig geleisteten 70.000,00 € folgt nicht aus einer Leistungskondiktion gem. § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB. Die Leistungen der Klägerin erfolgten nicht rechtsgrundlos im Sinne der genannten Vorschrift.

a) Eine Leistungsfreiheit der Klägerin und eine darauf beruhende unberechtigte Leistung an den Beklagten ergibt sich nicht bereits aufgrund eines Verstoßes des Beklagten gegen § 13 Nr. 1 der Versicherungsbedingungen der Klägerin. Nach dieser Vorschrift wird der Versicherer von der Entschädigungspflicht frei, wenn der Versicherungsnehmer versucht, den Versicherer über Tatsachen arglistig zu täuschen, die für den Grund oder die Höhe der Entschädigung von Bedeutung sind.

Die Klägerin, die für diese Arglisteinrede die volle Beweislast trägt, hat die von ihr behauptete arglistige Täuschung durch den Beklagten nicht nachgewiesen. Worin eine Täuschung des Beklagten im Streitfall über die Schadenshöhe bestehen soll, zeigt die Klägerin in der Berufungsbegründung nicht auf. Soweit sie auf die in der Klageschrift enthaltene Behauptung einer arglistigen Täuschung durch den Beklagten verweist, ist bereits nicht klar, auf welchen Punkt des von der Klägerin geleisteten Abschlags in Höhe von insgesamt 70.000 € sich die Täuschung des Beklagten überhaupt beziehen soll. Hierzu verhält sich die Berufungsbegründung nicht.

b) Eine Leistungsfreiheit der Klägerin gegenüber dem Beklagten folgt auch nicht aus dem Umstand, dass dem Beklagten der Vorwurf eines fingierten Raubüberfalls gemacht werden könne, auf den dieser auf eine wie auch immer geartete Weise „hingearbeitet“ habe. Nach den Regeln der Beweislastverteilung zum bedingungsgemäßen Versicherungsfall in der Sachversicherung, war die Klägerin gegenüber dem Beklagten aufgrund des Raubüberfalls in dem von diesem betriebenen Autohof in W… zur Leistung auf der Grundlage des unstreitig abgeschlossenen Versicherungsvertrages, gegen dessen Wirksamkeit Einwände von den Parteien nicht vorgebracht worden sind, verpflichtet.

aa) Grundsätzlich muss der Versicherte bei der Sachversicherung im Rahmen eines in Rede stehenden Raubes durch Dritte bei der ihm obliegenden Beweislast lediglich einen sogenannten Anzeichenbeweis führen. Ein Anzeichenbeweis ist weit weniger als ein Anscheinsbeweis. Es braucht daher weder ein typischer Geschehensablauf vorzuliegen, noch muss eine hohe Wahrscheinlichkeit für den Eintritt eines Versicherungsfalles sprechen (Jula in: Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. 2012, § 3 Einbruchdiebstahl, Rn. 67). Für eine Entwendung durch Raub oder räuberische Erpressung gelten nach der Rechtsprechung des BGH, der sich auch der Senat anschließt, insoweit die für die Fälle des Kraftfahrzeugdiebstahls und des Einbruchdiebstahls entwickelten bedingungsgemäßen Beweiserleichterungen zum Beweismaß gleichermaßen (vgl. BGH, Urt. v. 05.10.1983 – IVa ZR 19/82 – VersR 1984, 29; zum Nachschlüsseldiebstahl vgl. Urt. v. 09.01.1991 – IV ZR 15/90, jeweils zit. n. juris). Demgemäß führt der Versicherungsnehmer den ihm obliegenden Beweis dafür, dass der Versicherungsfall eingetreten ist, in aller Regel bereits dadurch, dass er dafür das äußere Bild dartut. Er beweist also Umstände, aus denen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf eine bedingungsgemäß versicherte Entwendung geschlossen werden kann (BGH, Urteil vom 13.03.1991 – IV ZR 74/90, Rn. 8, juris). Für Anzahl und Wert der von der Entwendung betroffenen Sachen gilt diese Beweiserleichterung zwar nicht; hier steht dem Gericht jedoch die Möglichkeit der Schätzung gemäß § 287 ZPO offen (Urteil vom 13.03.1991 – IV ZR 74/90, Rn. 8, juris; Urt. v. 11.11.1987 – IVa ZR 137/86, VersR 1988, 75). Wenn es dem Versicherer gelingt, demgegenüber konkrete Tatsachen zu beweisen, aus denen mit erheblicher Wahrscheinlichkeit zu schließen ist, dass der Versicherungsfall nicht eingetreten, also dass etwa das äußere Bild vorgetäuscht ist, dann muss allerdings der Versicherungsnehmer den Vollbeweis führen (BGH, Urt. v. 13.03.1991 – IV ZR 74/90, Rn. 8, juris). Nichts anderes ergibt sich insoweit aus der von der Berufung vorgebrachten Entscheidung des OLG Koblenz (Urt. v. 14.01.2010 – 10 U 411/09, Rn. 4, zit. n. juris).

bb) Gemessen daran ist auf der Grundlage des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes zunächst davon auszugehen, dass der Beklagte das äußere Erscheinungsbild eines Raubes hinreichend dargetan hat. Diesen äußeren Eindruck hat sogar die Klägerin ausweislich der Eingangsausführungen auf Seite 3 ihrer Klageschrift (vgl. dort unter Ziffer 2.a) selbst so vorgebracht und damit im Sinne von § 138 Abs. 3 ZPO zugestanden. Unstreitig ist zudem, dass dieser Ablauf durch die ebenfalls von der Klägerin in der Klageschrift benannte Überwachungskamera der Tankstelle aufgezeichnet worden war. Insoweit sind die Ausführungen der Klägerin in ihrer Berufungsbegründung nicht so recht verständlich. Denn darin begründet sie Zweifel am äußeren Rauberscheinungsbild mit Überlegungen zum geltend gemachten Schadensumfang, der hiervon jedoch nach den von der Rechtsprechung angesetzten Kriterien zu trennen ist. Der Schadensumfang betrifft nämlich erst die Rechtsfolge eines dem Grunde nach begründeten Leistungsanspruchs aus der Versicherung. Der äußere Verlauf, dass nämlich bei dem Ereignis am 03.10.2010 an der Tankstelle des vom Beklagten betriebenen Autohofs Geldbestände an sich entwendet wurden, stellt auch die Klägerin, nicht in Frage.

Der Klägerin ist hingegen der ihr obliegende Nachweis nicht gelungen, dass der Beklagte den äußeren Geschehensablauf eines Raubes und damit den objektiven Geschehensablauf am 03.10.2011 beauftragt oder sonst vorgetäuscht hat.

aaa) Einen unmittelbaren Beweis dafür, dass der Beklagte hier einen Raubüberfall auf die von ihm betriebene Tankstelle des Autohofs in W… vorgetäuscht habe, hat die Klägerin schon nicht angetreten. Sie verfügt unstreitig über kein unmittelbares Beweismittel, das ihre dahingehende Vermutung bzw. Behauptung stützt. Die Klägerin hat keinen Zeugen für die Tatsache benannt, dass der Beklagte den Unfall eigenständig beauftragt und durch Dritte hat durchführen lassen. Auch Urkunden oder sonstige Augenscheinsobjekte bestehen insoweit (unstreitig) nicht. Ein Sachverständigengutachten wäre für eine solche Tatsachenbehauptung offensichtlich ungeeignet und das insoweit einzig in Betracht kommende Beweismittel des Strengbeweises, die Vernehmung des Beklagten als Partei gem. § 445 Abs. 1 ZPO hat die Klägerin weder erstinstanzlich noch mit der Berufungsbegründung angebracht.

bbb) Der Beweis kann hier auch nicht auf eine hinreichende Verdichtung von Indizien gestützt werden, die eine Überzeugungsbildung auf der Grundlage des gem. § 286 ZPO anzuwendenden Beweismaßes ermöglicht.

i) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es zwar anerkannt, dass § 286 Abs. 1 ZPO nicht zu entnehmen ist, dass in jedem Einzelfall eine eine mathematisch lückenlose Gewissheit zur Beweisführung voraussetzt werden kann (BGH, NJW 1978, 2154). Selbst nach dem strengen Maßstab des § 286 ZPO genügt vielmehr ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der verbleibenden Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (st. Rspr. vgl. BGH, Urt. v. 1.10.2019 – VI ZR 164/18, NJW 2020, 1072). In dieser Aufforderung zur lebensnahen Würdigung einer Häufung von Beweisanzeichen liegt – wie auch in den Fällen einer behaupteten Manipulation von Verkehrsunfällen keine Absenkung des erforderlichen Beweismaßes der vollen Überzeugung. Irrig wäre daher die Annahme, der Tatrichter dürfe sich in Fällen dieser Art mit einer bloßen, wenn auch erheblichen Wahrscheinlichkeit begnügen (vgl. BGH, a.a.O.). Denn nach § 286 ZPO muss der Tatrichter aufgrund der Beweisaufnahme entscheiden, ob er eine Behauptung für wahr oder nicht für wahr hält, er darf sich also gerade nicht auf eine bloße Wahrscheinlichkeit stützen. § 286 ZPO stellt dabei nur darauf ab, ob der Tatrichter selbst die Überzeugung von der Wahrheit einer Behauptung gewonnen hat. Diese persönliche Gewissheit ist für die Entscheidung notwendig, und allein der Tatrichter hat die Entscheidung zu treffen, ob er die an sich möglichen Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugen kann. Eine von allen Zweifeln freie Überzeugung setzt das Gesetz dabei wie ausgeführt nicht voraus. Insofern kann die objektiv erhebliche Wahrscheinlichkeit eines bestimmten Geschehens zwar im Einzelfall zur Begründung der persönlichen Gewissheit des Tatrichters ausreichen, wenn dieser an sich mögliche Zweifel überwindet (vgl. insgesamt BGH, a.a.O.). Hält der Tatrichter ein bestimmtes Geschehen selbst nur für hinreichend oder überwiegend wahrscheinlich, ohne sich dessen gewiss zu sein, kann dies für eine Überzeugungsbildung nur im Rahmen des § 287 ZPO genügen (vgl. BGH, a.a.O. m.w.N.).

ii) Auf dieser Grundlage hat das Landgericht nach durchgeführter Beweisaufnahme zu den von der Klägerin behaupteten und vom Beklagten bestrittenen Umständen, die die Klägerin als Anzeichen für einen vom Beklagten beauftragten oder vorgetäuschten Raub herangezogen hat, auch für den Senat überzeugend entschieden, dass ein solches Geschehen am 03.10.2011 durch das Gericht nicht festgestellt werden könne. An diese Feststellungen ist der Senat gem. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden, da sie rechtsfehlerfrei zustandegekommen sind und keine durchgreifenden Argumente dafür bestehen, dass der Senat bei eigener, neuer Tatsachenfeststellung zu einem anderen Ergebnis gelangen würde. Das Berufungsgericht hat eine erneute Feststellung nur zu treffen, wenn konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen bestehen (BeckOK ZPO/Wulf, 36. Ed. 1.3.2020, ZPO § 529 Rn. 8). Konkrete Anhaltspunkte in diesem Sinne sind alle objektivierbaren rechtlichen oder tatsächlichen Einwände gegen die erstinstanzlichen Feststellungen. Derartige konkrete Anhaltspunkte können sich unter anderem aus dem Vortrag der Parteien, vorbehaltlich der Anwendung von Präklusionsvorschriften auch aus dem Vortrag der Parteien in der Berufungsinstanz ergeben. Zweifel i.S.v. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO liegen vor, wenn aus der Sicht des Berufungsgerichts eine gewisse – nicht notwendig überwiegende – Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt (BGH, Beschl. v. 04.09.2019 – VII ZR 69/17, NJW-RR 2019, 1343 Rn. 11).

Die Berufungsbegründung der Kläger zeigt durchgreifende Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der erstinstanzlich getroffenen Feststellungen nicht auf:

Weder einzelne noch kumulierte Umstände deuten hier darauf hin, dass die Würdigung des Landgerichts nicht richtig sein könnte.

Verfahrensfehlerfrei ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die vom Landgericht gem. § 414 ZPO vernommenen Zeugin K…, die im Auftrag der Klägerin die zur Verfügung gestellten Kassenberichte und Bankauszüge des Beklagten gesichtet und ausgewertet habe, zwar am Wochenende vom 29.09.2011 bis zum 03.10.2011 ungewöhnlich hohe Barbestände und Umsatzerlöse im Betrieb des Beklagten festgestellt habe. Nach der insoweit zutreffenden Würdigung durch das Landgericht, genügt ein solcher Umstand allein nicht, um hieraus einen beauftragten Raub begründen zu können. Insoweit hat die Einzelrichterin ausgeführt, dass die von der Klägerin angeführten Ungereimtheiten, die vor allem auf die Begutachtung durch die Zeugin K… zurückgeführt würden, nicht ausreichten, um insgesamt ein „Hinarbeiten des Beklagten auf den Raubüberfall“ und damit auf einen fingierten oder beauftragten Raubüberfall am 03.10.2011 belegen zu können. Dies gelte sowohl für die erhöhten Umsätze und die Barentnahmen als auch für den von dem Beklagten zunächst im Rahmen seiner Schadensmeldung angeführten Wechselgeldbestand zum Raubzeitpunkt sowie für die ca. zwei Monate vor dem Raubüberfall erhöhte Versicherungssumme durch den Beklagten.

Zweifel an der Richtigkeit dieser Gesamtwürdigung zeigt die Berufung, die weitgehend pauschal auf ihren erstinstanzlichen Vortrag verweist (vgl. Seite 5 vierter Absatz der Berufungsbegründung) nicht auf.

Insbesondere ergibt sich – entgegen der von der Berufung vertretenen Auffassung – auch nicht aus dem Umstand, dass ein zunächst vom Beklagten ermittelter und gegenüber der Klägerin mitgeteilter Wechselgeldbestand (BLD 4), den das Landgericht in seine Würdigung einbezogen hat, später korrigiert wurde, nichts anderes. Insoweit konnte das Landgericht der von ihm vernommenen Zeugin Dr. Kü…, die seinerzeit für den Beklagten als Steuerberaterin tätig war, folgen. Die genannte Zeugin hat in ihrer Einvernahme nachvollziehbar dargelegt, dass es sowohl in der Abrechnungspraxis nicht nur beim Beklagten, sondern auch bei anderen vergleichbaren Unternehmen, dazu komme und tatsächlich auch gekommen sei, dass – etwa bei nachträglicher Feststellungen von Tippfehlern die Kassenbuchung korrigiert werden könne und es insoweit plausibel sei, wenn hier nachträgliche Korrekturen erfolgt seien. Insoweit sei es auch üblich, wenn die Korrektur im selben Monat erfolge, die Steuerberaterin hiervon nicht einmal eine Mitteilung erhalten müsse. Maßgeblich sei insoweit die eigentliche Buchhaltung. Die Richtigkeit dieser von der Zeugin geäußerten Annahme greift die Berufung nicht an. Soweit die Klägerin unter Bezugnahme auf ihre Privatgutachterin K… allerdings ein anderes Ergebnis rechtfertigen möchte, hat sie damit keinen Erfolg. Auch die Privatgutachterin K… behauptet nämlich nicht, dass die Finanzbuchhaltung des Beklagten insoweit unrichtig sei, denn sie entnimmt ihre Aussage auf Seite 26 des Privatgutachtens (dort 2.3.7) vom 30.07.2013 zum Wechselgeldbestand gerade der Finanzbuchhaltung des Beklagten. Allein der Umstand, dass der Beklagte die ursprüngliche Wechselgeldsumme von 10.000 angenommen hatte (BLD 4) und diese dann später in seiner Buchhaltung korrigierte, begründet angesichts der Umstände um das Raubgeschehen Anfang Oktober 2010 weder ein durchgreifendes Indiz für einen fingierten Raub noch für eine arglistige Täuschung des Beklagten gegenüber der Klägerin. Hierbei handelt es sich ganz offensichtlich auch nicht um eine abschließende Bezifferung des Schadensumfangs, sondern um eine kursorische, knappe und handschriftlich abgefasste Kurzmitteilung zum Schadenshergang.

Im Übrigen hat die Klägerin weder erstinstanzlich noch in der Berufungsbegründung dargelegt, dass und weshalb die Bekundungen der Steuerberaterin Dr. Kü… und auch des Gerichtssachverständigen M…, auf die sich das Landgericht hinsichtlich der Feststellung, dass der Buchhaltung keine Anhaltspunkte für ein Hinarbeiten des Beklagten auf einen fingierten oder beauftragten Raubüberfall zu entnehmen seien, ganz maßgeblich gestützt hat, im Ergebnis oder im Einzelnen unzutreffend seien (vgl. Gutachten des Sachverständigen M… vom 28.11.2018 sowie die Angaben im Sitzungsprotokoll vom 11.12.2018). Dies entspricht im Übrigen nicht nur den Ermittlungsergebnissen der Staatsanwaltschaft Potsdam und der abschließenden Verfahrenseinstellung gem. § 170 Abs. 2 StPO, die insoweit beim Beklagten keinerlei Anhaltspunkte für eine manipulierte Kassen- oder Buchführung gefunden hat. Auch der insoweit im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen betraute Polizist und Zeuge O… W… hat im Rahmen seiner zeugenschaftlichen Vernehmung am 14.11.2017 (Seite 7 des Sitzungsprotokolls) bekundet, dass er – soweit überhaupt noch rudimentäre Erinnerungen an die damaligen Ermittlungen bei ihm vorhanden gewesen waren – keine Auffälligkeiten im Zusammenhang mit den untersuchten Kontounterlagen habe feststellen können, da er sonst auch das jeweilige Gegenkonto geprüft haben würde, was jedoch nicht geschehen sei.

Im Übrigen waren die Aussagen der vom Landgericht vernommenen Zeugen, worauf die Kammer in der angefochtenen Entscheidung auch zutreffend abgestellt hat, ganz überwiegend unergiebig. Dies hat die Berufung ebenfalls nicht weiter angegriffen. Allenfalls wäre hierzu noch die Aussage des Zeugen A… O… heranzuziehen, der im Rahmen seiner Vernehmung angegeben hatte, dass während seiner Schicht an der Tankstelle am 01.10.2011 eine größere Charge Red-Bull-Dosen verkauft worden sei und der Käufer dies bar mit 50er Scheinen bezahlt habe. Dies spricht jedoch nicht für die Annahme der Klägerin, sondern stützt eher noch den Vortrag zum anlassbezogenen, erhöhten Umsatz des Beklagten am in Rede stehenden Feiertagswochenende.

Soweit sich die Klägerin allgemein auf ihren erstinstanzlichen Vortrag bezieht, begründet dies keine konkreten Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen gem. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

cc) Soweit sich die Klägerin gegen die Annahme des Schadensumfangs durch das Landgericht wendet, bleibt auch dies im Ergebnis ohne Erfolg. Insoweit gilt – wie bereits dargelegt – das Beweismaß des § 287 ZPO.

i) § 287 Abs. 1 ZPO stellt an das Maß der Überzeugungsbildung des Tatrichters geringere Anforderungen als die Vorschrift des § 286 ZPO (vgl. BGH, Urt. v. 17.9.2019 – VI ZR 494/18, BeckRS 2019, 28496 Rn. 13, beck-online). Im Rahmen des § 286 ZPO hat der Richter seiner Überzeugungsbildung – wie bereits dargelegt – zu Grunde zu legen, dass es dafür keiner absoluten oder unumstößlichen Gewissheit im Sinne des wissenschaftlichen Nachweises, sondern nur eines für das praktische Leben brauchbaren Grades von Gewissheit bedarf, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen. Nach § 287 ZPO ist der Richter hingegen ermächtigt, sich mit einer mehr oder minder hohen (mindestens aber überwiegenden) Wahrscheinlichkeit zu begnügen. Bei der Schadensschätzung steht ihm ein Ermessen zu, wobei in insoweit Kauf genommen wird, dass das Ergebnis unter Umständen mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt (vgl. insgesamt hierzu BGH, a.a.O., m.w.N.).

ii) Hier konnte das Landgericht im Ergebnis zutreffend davon ausgehen, dass der Schaden des Beklagten die Höhe des von der Klägerin geleisteten Abschlags in Höhe von 70.000,00 € umfasste. Dass die ursprüngliche Schadensmitteilung des Beklagten in seiner Schadensanzeige zum Wechselgeldstand (BLD 4) einen zirka-Betrag von 10.000 € angegeben hatte, steht dem nicht entgegen, denn der Tresorbestand und der daraus resultierende Schaden des Beklagten überstieg zunächst jedenfalls den von der Klägerin geleisteten Betrag von 70.000,00 €. Hinreichende Anhaltspunkte für diese Annahme und eine dahingehende Schätzung gem. § 287 ZPO bilden schon die Ausführungen des Sachverständigen M… in seinem Gutachten vom 28.11.2018. Danach hat der Sachverständige ausgeführt, dass sich aus der Auswertung des Kontos 1030 sowie der ihm übergebenen Unterlagen ergebe, dass keine Manipulationen der Barbestände im Tresor am 03.10.2011 festgestellt werden könnten (Seite 10 des Gutachtens) und sich im Zeitpunkt des Raubes mehr als 100.000 € befunden haben müssen, die dem Betrieb des Beklagten zugeordnet werden können und von denen 98.564,61 € geraubt worden seien. Daran hat er auch in der mündlichen Verhandlung am 11.12.2018 festgehalten. Einwände gegen die gutachterlichen Feststellungen, denen auch das Landgericht gefolgt ist, wurden wie bereits dargelegt – erstinstanzlich nicht geltend gemacht. Auch Einwände gegen die fachliche Befähigung des Sachverständigen wurden nach seiner Begutachtung von der Klägerin nicht verfolgt. So hat die Beklagte – entgegen des Vorbehalts im Schriftsatz vom 05.11.2018 – auch keinen weiteren Antrag zur ergänzenden Begutachtung im Termin am 11.12.2018 gestellt. Ein entsprechender Antrag ist auch nicht im Nachgang zur mündlichen Verhandlung gestellt worden, weshalb die Klägerin hiermit im Berufungsverfahren ausgeschlossen ist, § 531 Abs. 2 ZPO.

B. Aus den vorgenannten Gründen scheidet auch ein deliktischer Anspruch der Klägerin gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB aus. Wie bereits dargelegt, kann nicht festgestellt werden, dass der Beklagte die Klägerin hinsichtlich des Raubüberfalls auf die Tankstelle des von ihm betriebenen Autohofs in W… getäuscht hat.

C. Dementsprechend kann die Klägerin von dem Beklagten auch nicht die Erstattung vorprozessualer Rechtsverfolgungskosten verlangen, wozu sich die Berufungsbegründung der Klägerin im Übrigen auch nicht weiter verhält.

D. Erfolg hat die Berufung der Klägerin allerdings soweit das Landgericht zugunsten des Beklagten den gem. § 288 Abs. 2 BGB erhöhten Zinssatz von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf die Widerklageforderung zugrundegelegt hat.

1. Die Klägerin war aufgrund der Mahnung des Beklagten vom 22.10.2012 gem. § 286 BGB mit der Zahlung der Versicherungsentschädigung seit dem 27.10.2012 in Verzug. Die dahingehenden Feststellungen des Landgerichts werden mit der Berufung auch nicht weiter angegriffen.

2. Die vom Landgericht zugesprochene Zinshöhe übersteigt jedoch den bestehenden Verzugszinsanspruch, da die Voraussetzungen des § 288 Abs. 2 BGB im Streitfall nicht vorliegen.

a) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen nach § 288 Abs. 2 BGB a.F. acht Prozentpunkte über dem Basiszinssatz und seit der ab dem 29.07.2014 geltenden Neufassung neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Im Streitfall liegt eine Entgeltforderung des Klägers indessen nicht vor. Der Begriff der Entgeltforderung bestimmt sich nach den gleichen Grundsätzen wie im Rahmen des § 286 Abs. 3 BGB (BeckOGK/Dornis, 1.3.2020, BGB § 288 Rn. 43). Danach ist es erforderlich, dass die Forderung auf die Zahlung eines Entgelts als Gegenleistung für die vom Gläubiger erbrachte oder erst noch zu erbringende Leistung gerichtet ist. Die Leistung muss dabei in der Lieferung von Gütern oder in der Erbringung von Dienstleistungen bestehen (BeckOGK/Dornis, a.a.O., § 286 Rn. 202).

b) Der Anspruch auf Versicherungsleistung gegen den Versicherer stellt keine Entgeltforderung im Sinne von § 288 Abs. 2 BGB dar (OLG Koblenz, Urt. v. 15.01.2010 – 10 U 376/09, BeckRS 2010, 14215, beck-online; BeckOK BGB/Lorenz, 54. Ed. 1.5.2020, § 286 Rn. 41; BeckOGK/Dornis, a.a.O., § 286 Rn. 202.4 m.w.N.). Für den insoweit mit der klägerischen Berufung auch nicht weiter angegriffenen Zeitraum vom 27.10.2012 bis zum 11.03.2013 besteht daher ein Zinsanspruch des Beklagten lediglich in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gem. § 288 Abs. 1 BGB.

III.

Die Berufung des Beklagten ist ebenfalls zulässig; auch sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Die Berufung des Beklagten hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Zurecht hat das Landgericht die weitergehende Widerklage abgewiesen.

Der Beklagte hat gegen die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung weitergehender Versicherungsleistungen aufgrund des Raubüberfalls vom 03.10.2011 in Höhe von 25.181,76 € nebst geltend gemachter Zinsen. Er hat für diesen Teil der Widerklage, der den von der Klägerin geleisteten Abschlag übersteigt, jedenfalls seine hierfür erforderliche Forderungsinhaberschaft nicht nachgewiesen. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Beklagten diesen von ihm behaupteten Forderungsteil an Dritte abgetreten. Für die Rückabtretung ist der Beklagte indessen nach den erstinstanzlichen Feststellungen beweisfällig geblieben. An diese Feststellungen ist der Senat nach Maßgabe der unter II. 2.b.bb.bbb.ii genannten Voraussetzungen des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden.

Entgegen der vom Beklagten vertretenen Auffassung liegt insoweit weder eine Überraschungsentscheidung noch eine Verletzung richterlicher Hinweispflichten durch das Landgericht vor. Schließlich ist der Beklagten mit seinem (zudem immer noch unzureichenden) Berufungsvortrag hierzu nach dem Novenrecht der §§ 529, 531 ZPO präkludiert.

A. Eine Überraschungsentscheidung des Landgerichts lag hier nicht vor. Zwar ist aus verfassungsrechtlichen Gründen zur Wahrung des rechtlichen Gehörs und zur Vermeidung von Überraschungsentscheidungen ein richterlicher Hinweis geboten, wenn ein Gericht von seiner in einer gerichtlichen Verfügung geäußerten Auffassung später abweichen will (BGH, Urt. v. 27.09.2006 – VIII ZR 19/04, NJW 2007, 2414). Solche Hinweise hat das Landgericht hier weder explizit noch durch schlüssiges Vorbringen gegeben. Insbesondere stellt die durchgeführte Beweisaufnahme keinen mittelbaren Hinweis auf eine hinreichend nachgewiesene Aktivlegitimation des Beklagten für die von ihm erhobene Widerklageforderung dar, denn die Beweisaufnahme bezog sich hier auf die Einstandspflicht der Klägerin dem Grunde nach und war daher mit Blick auf die Klageforderung geboten. Für die Widerklageforderung kann daraus kein richterlicher Hinweis entnommen werden.

B. Auch eine Verletzung der richterlichen Hinweispflicht ist insoweit nicht gegeben.

Gem. § 139 Abs. 2 und Abs. 3 ZPO müssen richterliche Hinweise nur dann und soweit erteilt werden, als sie erforderlich sind (BeckOK ZPO/von Selle, 36. Ed. 1.3.2020, § 139 Rn. 35). Erforderlich ist nach § 139 Abs. 2 ZPO ein Hinweis, wenn für das Gericht erkennbar ist, dass eine oder beide Parteien einen entscheidungserheblichen Gesichtspunkt übersehen oder für unerheblich gehalten haben. Aus den Schriftsätzen oder mündlichen Erklärungen ergibt sich, ob ein tatsächlicher oder rechtlicher entscheidungserheblicher Gesichtspunkt übersehen wurde (MüKoZPO/Fritsche, 6. Aufl. 2020, § 139 Rn. 42). Davon kann ausgegangen werden, wenn der Gesichtspunkt nicht erwähnt wird (MüKoZPO/Fritsche, a.a.O). Ein gerichtlicher Hinweis ist hingegen entbehrlich, wenn die Partei von der Gegenseite die gebotene Unterrichtung erhalten hat (BGH, Beschl. v. 20.12.2007 – IX ZR 207/05, Rn. 2, juris).

Im Streitfall hat der Beklagte aus der Sicht des Landgerichts die Frage der Aktivlegitimation – entgegen der mit der Berufungsbegründung vertretenen Rechtsauffassung – weder übersehen noch für unerheblich gehalten. Die Frage der Aktivlegitimation für die Widerklageforderung wurde bereits ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 19.01.2016 vom Landgericht mit dem Beklagtenvertreter erörtert und dessen Erklärung wurde zu Protokoll genommen. Diesen Vortrag hat die Klägerin im Schriftsatz vom 06.03.2017 an prominenter Stelle, nämlich unter „1.“ Im ersten Absatz unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung und die dortige Behauptung des Beklagten zu einem etwaigen Rückerwerb und der damit verbundenen Aktivlegitimation zulässiger Weise gem. § 138 Abs. 4 ZPO mit Nichtwissen bestritten. Dem anwaltlich vertretenen Beklagten musste daher klar sein, dass er, wenn er sich das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor Augen geführt hätte, dort keinen Beweis angetreten hatte und es insoweit eines (erstmaligen) geeigneten Beweisantritts bedurft hätte. Es bedurfte daher eines (weiteren Hinweises) durch das Landgericht auch deshalb nicht, weil dem Beklagten durch das genannte Bestreiten die fehlende Aktivlegitimation ein zweites Mal, diesmal von der Klägerin, entgegen gehalten worden war (vgl. zu einer vergleichbaren Konstellation BGH, Urt. v. 22.11.2006 – VIII ZR 72/06, Rn. 19, zit. n. juris).

C. Soweit der Beklagte nunmehr mit der Berufung seinen Vortrag zur Rückübertragung der zunächst unstreitig abgetretenen Forderung ergänzt und unter Beweis stellt, ist er damit gem. § 531 Abs. 2 ZPO präkludiert, mit der Folge, dass dieser Vortrag nicht zu berücksichtigen ist.

1. Es handelt sich sowohl bei dem Vortrag aus der Berufungsbegründung als auch bei den damit zusammen eingereichten Anlagen B 2 bis B 5, auf die insoweit ergänzend Bezug genommen wird, um neue, von der Beklagten zulässigerweise gem. § 138 Abs. 4 ZPO mit Nichtwissen auch hinsichtlich der Echtheit der vorgelegten Urkunden, bestrittene Angriffsmittel im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO. Neu“ im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO ist ein Angriffs- und Verteidigungsmittel, wenn es bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung erster Instanz nicht vorgebracht worden und daher im erstinstanzlichen Urteil gem. § 296a ZPO zu Recht unberücksichtigt geblieben ist (BeckOK ZPO/Wulf, 36. Ed. 01.03.2020, § 531 Rn. 10). Sowohl der Vortrag, wann und unter welchen Umständen die vom Beklagten erstinstanzlich behauptete Rückübertragung der streitgegenständlichen Forderung auf ihn erfolgt sei, als auch die in der Berufungsbegründung hierzu erstmals enthaltenen Beweisangebote des Beklagten zu den von ihm behaupteten Rückabtretungen der in Rede stehenden Forderungen sind daher als „neu“ anzusehen.

2. Der Beklagte ist mit diesen Beweisangeboten nach § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen, weil er einen Grund für die Zulassung nach § 531 Abs. 2 Nr. 1-3 ZPO nicht vorgetragen hat. Nach den Ausführungen unter III.B lag ein Verfahrensfehler des Landgerichts im Sinne des § 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht vor. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die vorgenannten Ausführungen verwiesen.

3. Im Übrigen würde auch eine Berücksichtigung des Vortrags aus der insoweit gem. § 520 Abs. 3 ZPO maßgeblichen Berufungsbegründung des Beklagten hierzu nichts ändern. Da die Beklagte die Abtretung als solche und somit den dinglichen Rückerwerb der Forderung durch den Beklagten bereits in erster Instanz bestritten hatte, hätte der Beklagte insbesondere für den letzten Übertragungsvorgang von Herrn E… Sch… auf den Beklagten in der Berufungsbegründung einen Beweisantritt dafür liefern müssen, dass es eine solche Abtretung tatsächlich gegeben hat. Einen geeigneten Beweisantritt hierfür enthalten jedoch weder die Berufungsbegründung noch der Schriftsatz des Beklagten vom 19.06.2020, die sich jeweils auf eine Privaturkunde, nicht aber auf die dahinstehende (bestrittene) Rechtshandlung beziehen.

IV.

A. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 101 Abs. 1 (2. Alt), 708 Nr. 10, 711 ZPO.

B. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Es war keine klärungsbedürftige Frage zu entscheiden, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist und die deshalb das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Revisionsgerichts.

C. Die Festsetzung des Gebührenstreitwerts für das Rechtsmittelverfahren beruht auf §§ 47 Abs. 1 S. 1; 45 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 S. 1 GKG.

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