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Lebensversicherungsvertrag – Auslegung einer Bezugsrechtsbestimmung

Lebensversicherung: Gericht entscheidet über Bezugsrechtsbestimmung

Das Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart befasst sich mit der Auslegung einer Bezugsrechtsbestimmung in einem Lebensversicherungsvertrag. Es geht um die Frage, wem die Versicherungsleistung nach dem Tod der Versicherungsnehmerin zusteht. Die Kläger, Kinder einer vorverstorbenen Tochter der Versicherungsnehmerin, fordern einen Teil der Versicherungsleistung, die an die andere Tochter (Beklagte) ausgezahlt wurde. Das Gericht entscheidet, dass die Kläger aufgrund der Bezugsrechtsbestimmung berechtigt sind, einen Teil der Versicherungssumme zu beanspruchen.

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Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Auslegung der Bezugsrechtsbestimmung: Zentral ist die Interpretation der Bezugsrechtsbestimmung in der Lebensversicherung der Verstorbenen.
  2. Beteiligte Parteien: Die Beklagte ist die Tochter der Versicherungsnehmerin, während die Kläger die Kinder einer bereits verstorbenen Tochter der Versicherungsnehmerin sind.
  3. Streitgegenstand: Die Kläger fordern einen Teil der Versicherungsleistung, die an die Beklagte ausgezahlt wurde.
  4. Rechtsgrundlage: Wichtig ist der Bezug auf die Paragraphen § 160 Abs. 3 VVG und § 2068 BGB zur Auslegung der Bezugsrechtsbestimmung.
  5. Ergebnis der ersten Instanz: Das Landgericht Ulm gab der Klage mit Hauptantrag statt.
  6. Entscheidung des OLG Stuttgart: Das OLG bestätigt die Entscheidung des Landgerichts und weist die Berufung der Beklagten zurück.
  7. Rechtsanspruch der Kläger: Die Kläger sind berechtigt, einen Anteil der Versicherungssumme von der Beklagten zu fordern.
  8. Keine Revision zugelassen: Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, und eine Revision wird nicht zugelassen.

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Der Streit um das Bezugsrecht in einem Lebensversicherungsvertrag

Im Zentrum dieses Falles steht ein Lebensversicherungsvertrag, genauer gesagt die Auslegung einer Bezugsrechtsbestimmung nach dem Tod der Versicherungsnehmerin. Die Beklagte, Tochter der verstorbenen Versicherungsnehmerin, erhielt die Versicherungsleistung. Die Kläger, Kinder einer bereits verstorbenen weiteren Tochter, forderten jedoch einen Teil dieser Leistung für sich, da sie argumentierten, dass ihnen aufgrund der Bezugsrechtsbestimmung ein Recht auf die Versicherungssumme zustehe.

Die juristische Ausgangslage und erste Gerichtsentscheidung

Das Landgericht Ulm entschied im Mai 2021 zugunsten der Kläger. Es legte die Bezugsrechtsbestimmung so aus, dass bei Vorversterben eines der Kinder der Versicherungsnehmerin deren Anteil an die Nachkommen gehen sollte. Diese Auslegung stützte sich auf die ergänzende Heranziehung des § 2068 BGB. Die Beklagte, die die Klageabweisung beantragt hatte, berief sich auf § 160 Abs. 1, Satz 2 VVG, welcher besagt, dass ihr Anteil durch das Vorversterben ihres Geschwisters angewachsen sei.

Die Berufung und Entscheidung des OLG Stuttgart

Die Beklagte legte Berufung gegen das Urteil des Landgerichts ein, doch das Oberlandesgericht Stuttgart wies diese im Januar 2022 zurück. Das Gericht bestätigte die Auslegung des Landgerichts Ulm, wonach die Kläger als Ersatzbezugsberechtigte zu betrachten sind. Es wurde festgestellt, dass die Versicherungsnehmerin beabsichtigte, im Todesfall die Versicherungssumme ihren Kindern und, im Falle ihres Vorversterbens, deren Nachkommen zu übertragen.

Die rechtlichen Feinheiten und das abschließende Urteil

Das OLG Stuttgart erklärte, dass die Kläger ihren Anspruch nicht aus § 812 Abs. 1, Satz 1, Alt. 1 BGB, sondern aus § 816 Abs. 2 BGB ableiten können. Bei Verfügungen unter Lebenden zugunsten Dritter auf den Todesfall muss zwischen Deckungs- und Valutaverhältnis unterschieden werden. Da die Kläger nicht das Fehlen eines Rechtsgrunds im Valutaverhältnis, sondern eine nicht der Bezugsrechtsbestimmung entsprechende Auszahlung geltend machten, ist der Anspruch auf Herausgabe des Betrags durch die Beklagte gerechtfertigt.

Dieser komplexe Fall zeigt, wie entscheidend die genaue Auslegung von Vertragsklauseln in Lebensversicherungsverträgen sein kann. Das Urteil des OLG Stuttgart stellt einen wichtigen Bezugspunkt für ähnliche Fälle dar und unterstreicht die Bedeutung sorgfältiger Vertragsgestaltung und -interpretation.

Mit diesem Urteil leitet das Oberlandesgericht Stuttgart zu einer weiteren wichtigen Entscheidung im Bereich des Versicherungsrechts über.

Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt


Was ist eine Bezugsrechtsbestimmung in einem Lebensversicherungsvertrag und wie wirkt sie sich auf die Verteilung der Versicherungsleistung aus?

Eine Bezugsrechtsbestimmung in einem Lebensversicherungsvertrag legt fest, wer im Versicherungsfall, wie etwa dem Tod des Versicherungsnehmers, die vereinbarte Leistung erhält. Dies kann für den Todesfall und den Erlebensfall festgelegt werden, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden. Das Bezugsrecht kann entweder widerruflich oder unwiderruflich sein. Bei einem widerruflichen Bezugsrecht kann der Versicherungsnehmer die Begünstigten jederzeit ändern, während bei einem unwiderruflichen Bezugsrecht eine Änderung nur mit Zustimmung des Bezugsberechtigten möglich ist.

Die Verteilung der Versicherungsleistung wird durch das Bezugsrecht direkt beeinflusst, da es bestimmt, an wen die Leistung ausgezahlt wird. Ist kein Bezugsberechtigter benannt, fällt die Versicherungsleistung in den Nachlass und wird unter den Erben aufgeteilt. Ist ein Bezugsberechtigter benannt, erhält dieser die Leistung direkt und außerhalb des Nachlasses. Dies kann Auswirkungen auf Pflichtteilsrechte und testamentarische Beschränkungen haben, da die Versicherungsleistung nicht zum Nachlass zählt und somit nicht diesen Regelungen unterliegt. Steuerrechtlich kann die Versicherungsleistung jedoch der Erbschaftsteuer unterliegen, wobei es Freibeträge gibt, die je nach Verhältnis zum Erblasser variieren.

Es ist ratsam, das Bezugsrecht klar zu formulieren und den Versicherer rechtzeitig zu informieren, um Unklarheiten und Streitigkeiten zu vermeiden. Eine Bezugsrechtserklärung wird nur wirksam, wenn sie dem Versicherer vorliegt. Im Falle einer Scheidung oder Trennung ist es besonders wichtig, das Bezugsrecht zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen.

Wie wird der Wille des Versicherungsnehmers bei der Festlegung einer Bezugsrechtsbestimmung rechtlich beurteilt und welche Rolle spielt dabei die Auslegung nach §§ 133, 157, 242 BGB?

Die Festlegung einer Bezugsrechtsbestimmung in einem Versicherungsvertrag ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung des Versicherungsnehmers. Diese wird wirksam, wenn sie dem Versicherer zugeht. Bei der Auslegung dieser Willenserklärung spielt der Wille des Versicherungsnehmers eine entscheidende Rolle. Es ist der bei der Festlegung des Bezugsrechts vorhandene und dem Versicherer gegenüber zum Ausdruck gebrachte Wille des Versicherungsnehmers maßgeblich. Spätere Umstände sind grundsätzlich unerheblich.

Die §§ 133, 157 BGB sind die zentralen Normen für die Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen im deutschen Recht. Nach § 133 BGB ist bei der Auslegung von Willenserklärungen der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen. § 157 BGB ergänzt diese Regelung und bestimmt, dass Verträge so auszulegen sind, wie Treu und Glauben es mit Rücksicht auf die Verkehrssitte erfordern. Beide Bestimmungen werden bei der Auslegung von Willenserklärungen grundsätzlich gemeinsam herangezogen.

Die Auslegung nach §§ 133, 157 BGB erfolgt aus der Sicht eines objektiven Dritten in der Rolle des Erklärungsempfängers. Dabei ist der wirkliche Wille des Erklärenden maßgeblich, wie er sich in der Erklärung ausdrückt.

Zusätzlich spielt § 242 BGB eine Rolle, der das Prinzip von Treu und Glauben im deutschen Zivilrecht verankert. Dieser Grundsatz kann bei der Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen eine Rolle spielen, insbesondere wenn es um die Berücksichtigung der Interessen der Vertragsparteien geht.

In welchem Zusammenhang steht § 160 Abs. 3 VVG mit der Auslegung einer Bezugsrechtsbestimmung und wie wirkt sich das auf die Rechtsansprüche der Erben aus?

§ 160 Abs. 3 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) regelt die Situation, in der das Recht auf die Versicherungsleistung von dem bezugsberechtigten Dritten nicht erworben wird. In diesem Fall steht das Recht auf die Versicherungsleistung dem Versicherungsnehmer zu.

Diese Regelung hat direkte Auswirkungen auf die Rechtsansprüche der Erben. Wenn der Bezugsberechtigte das Recht auf die Versicherungsleistung nicht erwirbt, geht dieses Recht auf den Versicherungsnehmer über und fällt somit in den Nachlass. Die Erben des Versicherungsnehmers können dann entsprechend ihrer Erbquote Anspruch auf diesen Teil des Nachlasses erheben.

Die Auslegung einer Bezugsrechtsbestimmung und die Anwendung von § 160 Abs. 3 VVG können jedoch komplex sein und hängen stark vom Einzelfall ab. Es ist daher ratsam, in solchen Fällen rechtlichen Rat einzuholen.


Das vorliegende Urteil

OLG Stuttgart – Az.: 7 U 172/21 – Urteil vom 27.01.2022

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Ulm vom 04.05.2021, Az. 2 O 623/20, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziff. 1 bezeichnete Urteil des Landgerichts Ulm ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann eine Vollstreckung der Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden sofern nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leisten.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 76.346,22 €

Gründe

I.

Die Kläger nehmen die Beklagte auf teilweise Auskehr einer Leistung aus einer Lebensversicherung in Anspruch, weil die Beklagte diese ohne Rechtsgrund erlangt habe.

Die Beklagte ist die Tochter der am 23.11.2019 verstorbenen Versicherungsnehmerin. Die Kläger sind die drei Kinder einer weiteren, am 01.03.2017 vorverstorbenen Tochter der Versicherungsnehmerin. Diese hatte zum 01.02.2014 eine Rentenversicherung mit Rentenbeginn zum 01.02.2026 und einem Garantiekapital in Höhe von 306.713 € im Falle des vorherigen Todes abgeschlossen. Der Versicherungsschein enthält folgende Regelung zum Bezugsrecht (Anl. B 1, Bl. 33 d.A.):

„Für fällig werdende Leistungen haben Sie als Bezugsberechtigte benannt:

Solange die versicherte Person lebt: die Versicherungsnehmerin.

Bei Tod der versicherten Person: die Kinder der versicherten Person zu gleichen Teilen.

Sie können das Bezugsrecht ändern, solange der Versicherungsfall noch nicht eingetreten ist. Hierzu benötigen wir eine schriftliche Erklärung von Ihnen. Sofern Sie die Nutzung des Online Service Meine … mit uns vereinbart haben, können Sie das Bezugsrecht dort jederzeit online ändern.“

Die Versicherungsnehmerin wurde von den Klägern zu je 1/6 und von der Beklagten zu 1/2 beerbt (Anl. A 1, Bl. 10 d.A.). Mit Schreiben vom 17.02.2020 (Anl. A 3, Bl. 12 d.A.) teilte der Versicherer der Beklagten mit, dass er die auch Überschussanteile enthaltende Versicherungssumme in Höhe von 307.384,84 € an die Beklagte überwiesen habe.

Die Kläger sind der Auffassung, die Zahlung sei in Höhe von 76.346,22 € zu Unrecht und ohne Rechtsgrund erfolgt. Denn das Vorversterben ihrer Mutter habe zur Folge gehabt, dass die auf diese entfallene Bezugsrechtsbestimmung ins Leere gegangen sei, weshalb das Bezugsrecht insoweit gem. § 160 Abs. 3 VVG in den Nachlass der Versicherungsnehmerin gefallen sei. Sie haben die Beklagte daher in der Hauptsache auf Zahlung eines Kopfteils in Höhe von 25.448,74 € je Klagepartei, hilfsweise auf Rückzahlung von 76.346,22 € an die aus den Parteien bestehende Erbengemeinschaft und hilfsweise dazu auf die Feststellung der Zustimmungspflicht der Beklagten zur Entnahme eines Betrags in Höhe von 25.448,74 € je Klagepartei aus dem Nachlass der Versicherungsnehmerin in Anspruch genommen.

Die Beklagte, die Klageabweisung beantragt hat, hat geltend gemacht, dass den Klägern keinerlei Ansprüche zustünden. Folge des Vorversterbens des zweiten Kindes der Versicherungsnehmerin sei, dass der entsprechende Anteil der Beklagten gemäß § 160 Abs. 1, Satz 2 VVG angewachsen sei, weshalb die Auszahlung der Versicherungssumme an die Beklagte der Rechtslage entsprochen habe.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in erster Instanz und den dort gestellten Anträgen wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung sowie die dort gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Das Landgericht hat der Klage durch Urteil vom 04.05.2021, auf welches wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, mit dem Hauptantrag stattgegeben. Die Anwachsungsregel des § 160 Abs. 1 Satz 2 VVG komme nur zum Tragen, wenn sich aus der Auslegung der Bezugsrechtsbestimmung kein anderes Ergebnis ergäbe. Dies sei hier der Fall, weil die Einräumung des Bezugsrechts unter ergänzender Heranziehung des § 2068 BGB dahin gehend auszulegen sei, dass an die Stelle der vorverstorbenen Halbschwester der Beklagten deren Abkömmlinge, also die Kläger treten sollten. Der geltend gemachte Bereicherungsanspruch stehe den Kläger daher zu.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit welcher sie geltend macht, dass die Auslegung des Landgerichts rechtsirrig sei. Unabhängig davon stünde den Klägern der geltend gemachte Anspruch schon deshalb nicht zu, weil eine etwaige Rückabwicklung ausschließlich im Verhältnis zum Versicherer zu erfolgen habe.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beklagten wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung vom 23.07.2021.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Ulm vom 04.05.2021, Az. 2 0 623/20 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Die Kläger verteidigen die angefochtene Entscheidung. In der Berufungsverhandlung, welche am 13.01.2022 vor dem Senat stattfand, haben die Kläger die Leistung des Versicherers an die Beklagte ausdrücklich genehmigt. Wegen der Einzelheiten der mündlichen Verhandlung, wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

II.

Der zulässigen Berufung der Beklagten bleibt der Erfolg versagt. Die Auslegung der Bezugsrechtsbestimmung durch das Landgericht trifft zu. Nachdem die Kläger die Leistung an die Beklagte genehmigt haben, können sie von dieser die Auszahlung des geltend gemachten Betrags beanspruchen (§ 816 Abs. 2 BGB).

1.

Zu Recht hat das Landgericht die Bezugsrechtsbestimmung dahin gehend ausgelegt, dass diese die Kläger als Ersatzbezugsberechtigte ausweist.

a) Soweit die Kläger erstinstanzlich eine Anwendung der Vorschrift des § 160 Abs. 3 VVG geltend gemacht haben und die Beklagte eine Anwendung des § 160 Abs. 1 Satz 2 VVG erreichen will, so ist das Landgericht dem zu Recht nicht gefolgt. Denn es handelt sich insoweit jeweils um gesetzliche Auslegungsregeln, welche nur zur Anwendung gelangen, sofern nicht die vorrangige Auslegung der Bezugsrechtsbestimmung zu einem anderen Ergebnis führt (vgl. Winter in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl., § 160 Rn. 11; Brambach in HK-VVG, 4. Aufl., § 160 Rn. 1). So aber liegt es hier.

b) aa) Die Bestimmung der Bezugsberechtigung durch den Versicherungsnehmer ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, die auf den Zeitpunkt ihrer Abgabe abstellend aus Sicht des Versicherers als objektivem Empfänger gemäß §§ 133, 157, 242 BGB auszulegen ist. Maßgeblich ist daher der bei der Festlegung des Bezugsrechts vorhandene und dem Versicherer gegenüber zum Ausdruck gebrachte Wille des Versicherungsnehmers, spätere Umstände sind grundsätzlich unerheblich (vgl. etwa BGH, Urteil vom 22.07.2015 – IV ZR 437/14, VersR 2015, 1148 Rn. 14 mwN; Senatsurteil vom 11.10.2018 – 7 U 109/18, VersR 2019, 22 juris Rn. 22 f.).

Im Rahmen der Auslegung der Bezugsrechtsbestimmung ist gem. § 133 BGB „der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften“. Die einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung ist so auszulegen, wie der Versicherer sie nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte von seinem Empfängerhorizont aus verstehen musste. Innerhalb dieses normativen Rahmens kommt es darauf an, was der Erklärende gewollt und inwieweit er seinen Willen für den Erklärungsempfänger erkennbar zum Ausdruck gebracht hat. Der Empfänger darf der Erklärung dabei nicht einfach den für ihn günstigsten Sinn beilegen, sondern muss unter Berücksichtigung aller ihm bekannten Umstände mit gehöriger Aufmerksamkeit prüfen, was der Erklärende gemeint hat (vgl. BGH, Urteil vom 21.05.2008 – IV ZR 238/06, VersR 2008, 1054 Rn. 30 mwN).

bb) Danach war die Bezugsrechtsbestimmung dahin gehend auszulegen, dass die Versicherungsnehmerin mit ihr die Versicherungssumme im Todesfall ihren beiden Kindern und im Falle des Vorversterbens eines Kindes an die diesen Stamm repräsentierenden Abkömmlinge zuwenden wollte (ebenso: Winter in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl., § 160 Rn. 11, 17; aA: Prölss/Martin-Schneider, VVG, 31. Aufl., § 160 Rn. 7 und Ortmann in Schwintowski/Brömmelmeyer, PK-VVG, 2. Aufl., § 160 Rn. 5 jew. unter Berufung auf die – eine im entscheidenden Punkt nicht vergleichbare Abonnentenversicherung betreffende – Entscheidung des OLG Nürnberg, JR 1931, 44; Leitzen, RNotZ, 2009, 129, 139). Dieser Sinngehalt der Bezugsrechtsbestimmung entspricht dem für den Versicherer erkennbaren gewöhnlichen Willen eines Versicherungsnehmers, der seinen Kindern die Todesfallleistung zu gleichen Teilen zuwendet. Denn jedenfalls der Versicherungsnehmer, der sich von dem formalen Kriterium der Gleichbehandlung leiten lässt und alle seine Kinder zu gleichen Teilen an der Versicherungssumme teilhaben lassen will, bringt damit zum Ausdruck, dass er nicht das – ob namentlich bezeichnete, oder nicht – Kind als Person, sondern als Erstes seines Stammes benennt. Dies entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung (vgl. OLG München, Beschluss vom 25.07.2016 – 31 Wx 156/15, FamRZ 2016, 2154 juris Rn. 10, 14; KG Berlin, Beschluss vom 17.01.2020 – 6 W 58/19, ZEV 2020, 485 Rn. 10; vgl. auch BGH, Urteil vom 05.07.1972 – IV ZR 125/70, BGHZ 59, 343, juris Rn. 44). Da diese allgemeine Lebenserfahrung ihren Niederschlag auch in der gesetzlichen Auslegungsregel des § 2069 BGB gefunden hat, welche im Rahmen der Auslegung von Testamenten Anwendung findet, ist nicht zu beanstanden, dass sich das Landgericht zur Gewinnung seines Auslegungsergebnisses ergänzend auch auf die erbrechtliche Auslegungsvorschrift des § 2068 BGB gestützt hat (ebenso: Winter in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl., § 160 Rn. 11, 17; BeckOK/Reich, VVG, § 160 Rn. 4 [Stand: 30.06.2016]), welche auf den gleichen Erwägungen beruht (vgl. Staudinger/Otte, BGB, 2019, § 2069 Rn. 1), wenngleich sie den Fall betrifft, dass das bedachte Kind schon zur Zeit der Errichtung der letztwilligen Verfügung verstorben war.

2.

Infolgedessen können die Kläger von der Beklagten die Auskehr des beantragten Betrags beanspruchen (§ 308 ZPO). Entgegen der Auffassung der Kläger ergibt sich dieser Anspruch aber nicht aus § 812 Abs. 1, Satz 1, Alt. 1 BGB, sondern aus § 816 Abs. 2 BGB.

a) Bei Verfügungen unter Lebenden zugunsten Dritter auf den Todesfall muss zwischen dem Deckungsverhältnis – hier dem im Rahmen des Lebensversicherungsvertrages abgeschlossenen Vertrags (§§ 328, 331 BGB), kraft dessen den Parteien ein anteiliges Bezugsrecht für die Todesfallleistung eingeräumt wurde – und dem Zuwendungsverhältnis (Valutaverhältnis) zwischen dem Verfügenden und den Begünstigten unterschieden werden. Beide Rechtsverhältnisse unterliegen sowohl hinsichtlich der durch sie begründeten Rechtsbeziehungen als auch mit Blick auf die Anfechtung von Willenserklärungen dem allgemeinen Schuldrecht. Erbrechtliche Bestimmungen finden insoweit keine Anwendung. Die von einem Verstorbenen, wie hier, zu Lebzeiten begründete Bezugsberechtigung für die Todesfallleistung aus einer Lebensversicherung verschafft dem Begünstigten im Versicherungsfall eine im Deckungsverhältnis jedenfalls insoweit unentziehbare Rechtsstellung, als die Erben des Versicherungsnehmers die Bezugsberechtigung nicht mehr ändern oder widerrufen können (vgl. etwa BGH, Urteil vom 21.05.2008 – IV ZR 238/06, VersR 2008, 1054 Rn. 19 mwN).

b) Vor diesem Hintergrund kann zwar in Betracht kommen, dass die Erben des Versicherungsnehmers den Begünstigten gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB in Anspruch nehmen, weil es für den Erwerb der Versicherungssumme an einem Rechtsgrund im Valutaverhältnis fehlt (vgl. etwa BGH, Urteile vom 21.05.2008 – IV ZR 238/06, VersR 2008, 1054 Rn. 21ff; vom 01.04.1987 – IVa ZR 26/86, VersR 1987, 659 juris Rn. 13ff jew. mwN). Einen solchen, in einem Mangel des Valutaverhältnisses wurzelnden Anspruch verfolgen die Kläger aber nicht. Sie machen der Sache nach vielmehr geltend, dass die Auszahlung des auf sie entfallenden Anteils der Versicherungssumme an die Beklagte durch die Bezugsrechtsbestimmung nicht gedeckt gewesen sei. Dies trifft zwar nach dem oben Gesagten zu, berechtigt die Kläger im Ausgangspunkt aber nicht zur Inanspruchnahme der Beklagten. Denn eine Auszahlung des Versicherers, die nicht der vertraglichen Vereinbarung entspricht, ist dem Verfügenden, bzw. seinen Erben nicht zurechenbar, da es an einer Anweisung zur Leistung fehlt. Der Bereicherungsausgleich vollzieht sich in diesen Fällen, worauf die Beklagte mit Recht hinweist, grundsätzlich im Wege der Nichtleistungskondiktion zwischen dem irrtümlich auszahlenden Versicherer und dem Empfänger der Zahlung (vgl. BGH, Urteile vom 29.10.2020 – IX ZR 212/19, WM 2020, 2287 Rn. 25; vom 20.03.2001 – XI ZR 157/00, juris Rn. 21; vom 20.06.1990 – XII ZR 93/89, NJW-​RR 1990, 1200 juris Rn. 9; MüKo/Schwab, BGB, 8. Aufl., § 812 Rn. 94 jew. mwN; vgl. auch Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 4. Aufl., Kap. 4 Rn. 136ff, 139).

c) Die Kläger können die Herausgabe des von der Beklagten als Nichtberechtigten Erlangten aber gem. § 816 Abs. 2 BGB beanspruchen.

Ob sich im Streifall bereits aus der Erhebung der Klage mit der erforderlichen Sicherheit der Schluss hätte ziehen lassen, dass die Kläger damit die bis dahin für sie nicht schuldbefreiende Leistung des Versicherers an die Beklagte schlüssig genehmigen wollten (vgl. dazu etwa BGH, Beschluss vom 12.07.2012 – IX ZR 213/11, NJW-​RR 2012, 1129 Rn. 16 f.), kann insoweit dahinstehen. Denn die Kläger haben die Genehmigung nunmehr ausdrücklich erklärt (eAkte, Bl. 47) und können folglich im begehrten Umfang die Herausgabe des wirksam an die Beklagte als Nichtberechtigte geleisteten Betrags beanspruchen (vgl. etwa dazu MüKo/Schwab, BGB, 8. Aufl., § 816 Rn. 98 mwN).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ein Grund, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO), liegt nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

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