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Lebensversicherung – Verjährung eines Auszahlungsanspruchs

Rechtsstreit um Verjährung eines Auszahlungsanspruchs aus Lebensversicherung

Ein aktueller Fall, der vor dem Landgericht Dortmund verhandelt wurde (Az.: 2 O 180/18), berührt die komplexe Materie der Versicherungsverträge, insbesondere im Hinblick auf Lebensversicherungen und deren Auszahlungsansprüche. In diesem Fall wurde der Antrag auf Auszahlung eines Lebensversicherungsvertrags abgelehnt, da der Versicherungsnehmer den Anspruch erst nach Ablauf der gesetzlichen Verjährungsfrist geltend gemacht hat. Die Hauptproblematik in diesem Fall liegt in der Frage, ob der Kläger rechtzeitig Kenntnis über den Fälligkeitstermin der Versicherungsleistung und den Beginn der Verjährungsfrist hatte.

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Bezugsrecht und Kenntnis des Versicherungsnehmers

Der Kläger war der unwiderrufliche Bezugsberechtigte des Versicherungsvertrags. Laut der Beklagten war der Kläger seit 1988 als Antragsteller und ursprünglicher Versicherungsnehmer bekannt und hatte Kenntnis über den streitgegenständlichen Anspruch durch die jährlich übersandten Kontoauszüge. Die Beklagte argumentierte, dass der Kläger aufgrund dieser Umstände Kenntnis von der Fälligkeit der Versicherungsleistung hatte und somit die Verjährungsfrist rechtzeitig hätte einhalten können.

Unbegründete Klage und Verjährung

Das Gericht entschied, dass die Klage unbegründet sei. Für den Beginn der Verjährungsfrist sei es nicht relevant, ob der Versicherungsschein vorgelegt wurde oder nicht. Dies ergibt sich für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer aus den Versicherungsbedingungen. Der Kläger kannte den Inhalt des Vertrags und war auch über die Laufzeit informiert, da er den Antrag auf Abschluss der Versicherung gestellt hatte und Geschäftsführer der insolventen GmbH war.

Fahrlässige Unkenntnis des Klägers

Die Tatsache, dass der Kläger möglicherweise keine Kenntnis von dem im Schreiben der Beklagten genannten Betrag hatte, war unerheblich, da diese Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit beruht. Es war seine Pflicht, sich nach Ablauf der Versicherung bei der Beklagten zu erkundigen. Er kannte unstreitig die Kontoauszüge, insbesondere die Anlage B4.

Schlussbemerkung und Erkenntnis aus dem Fall

Insgesamt offenbart der Fall wichtige Aspekte rund um den Anspruch auf Auszahlung von Lebensversicherungsverträgen und deren Verjährung. Es wurde deutlich, dass Versicherungsnehmer verpflichtet sind, sich selbst über ihre Rechte und Pflichten im Klaren zu sein und diese zeitgerecht geltend zu machen. Andernfalls riskieren sie, ihre Ansprüche durch Verjährung zu verlieren.


Das vorliegende Urteil

LG Dortmund – Az.: 2 O 180/18 – Urteil vom 02.07.2020

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger nach einem Streitwert von 61.835,87 EUR.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die A1 unterhielt bei der Beklagten eine Lebensversicherung. Versicherungsbeginn war am 01.06.1988 und Versicherungsablauf am 01.01.2011. Grundlage waren der formularmäßige Antrag des Klägers vom 04.05.1988 (Anlage B1, Blatt 30 und 31 der Akten) und die Versicherungsbedingungen (Blatt 66 und 67 der Akten) u.a. mit folgenden Regelungen:

㤠9

Was ist bei Fälligkeit der Versicherungsleistung zu beachten?

1.  Leistungen aus dem Versicherungsvertrag erbringen wir gegen

Vorlage des Versicherungsscheins. Zusätzlich können wir auch den Nachweis der letzten Beitragszahlung verlangen. …

§ 11

Welche Bedeutung hat der Versicherungsschein?

1.  Den Inhaber des Versicherungsscheins können wir als

berechtigt ansehen, über die Rechte aus dem Versicherungsvertrag zu verfügen, insbesondere Leistungen im Empfang zu nehmen. Wir können aber verlangen, dass uns der Inhaber des Versicherungsscheins seine Berechtigung nachweist. …

§ 13

Wer erhält die Versicherungsleistung?

1.  Die Leistung aus dem Versicherungsvertrag erbringen wir an

Sie als unseren Versicherungsnehmer oder an Ihre Erben, falls Sie uns keine andere Person genannt haben, die bei Eintritt des Versicherungsfalls die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag erwerben soll (Bezugsberechtigter). Bis zum Eintritt des Versicherungsfalls können Sie das Bezugsrecht jederzeit widerrufen.

2  Wenn Sie ausdrücklich bestimmen, dass der Bezugsberechtigte

die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag unwiderruflich und damit sofort erwerben soll, werden wir Ihnen schriftlich bestätigen, dass der Widerruf des Bezugsrechtes ausgeschlossen ist. Sobald Ihnen unsere Bestätigung zugegangen ist, kann das bis zu diesem Zeitpunkt noch widerrufliche Bezugsrecht nur noch mit Zustimmung des von Ihnen Benannten aufgehoben werden. …“

Der Kläger war unwiderruflicher Bezugsberechtigter.

Mit Beschluss vom 12.05.2006 eröffnete das Amtsgericht Offenburg das Insolvenzverfahren über das Vermögen der A1. Nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens erfolgte am 00.00.2013 die Löschung der A1 im Handelsregister (Anlage K2, Blatt 8 der Akten).

Der Kläger war Geschäftsführer der A1.

Mit Schreiben vom 29.04.2011 (Anlage K1, Blatt 6 und 7 der Akten) teilte die Beklagte der A1 mit, dass 61.835,87 EUR am 01.06.2011 ausgezahlt werden, mit folgenden Hinweisen:

„Um die Zahlung anweisen zu können, benötigen wir vorab jedoch den Versicherungsschein und alle eventuell vorhandenen Nachträge als Original. Bitte geben Sie uns auch die beiliegende Auszahlungsverfügung zurück. …

Leistungen aus Lebens- und Rentenversicherungen können für Mitglieder einer gesetzlichen Krankenversicherung beitragspflichtig sein.

Nach der derzeitigen Rechtslage unterliegen Leistungen aus betrieblichen Versicherungen der Beitragspflicht, da es sich um Versorgungsbezüge handelt. Es gilt der volle Beitragssatz der jeweiligen Krankenkasse. Eine Auszahlung von Versicherungsbezügen müssen wir nach § 202 des Sozialgesetzbuches (SGB V) der jeweiligen zuständigen Krankenkasse melden.

Wir bitten Sie, die für diese Meldung benötigten Daten auf dem beigefügten Fragebogen für Leistungsempfänger bekannt zu geben. ….“

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Zahlung dieses Betrages.

Die Beklagte beruft sich auf die Einrede der Verjährung. Sie lehnte ihre Leistungspflicht mit Schreiben vom 15.12.2017 (Anlage K4, Blatt 10 der Akten) ab.

Der Kläger behauptet, er habe erstmals im November 2017 bei Aufräumarbeiten in den Geschäftsräumen der A1 von dem Schreiben der Beklagten vom 29.04.2011, dem Ablauf der Versicherung und dem Auszahlungsbetrag Kenntnis erlangt.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn, den Kläger, 61.835,87 EUR nebst Zinsen in Höhe von  5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.12.2017 zu zahlen und die Beklagte zu verurteilen, an die B1, C1-straße 00, D1, zur Schadennummer 01 außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.622,40 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, der Kläger habe seit 1988 als unstreitiger Antragsteller und ursprünglicher Versicherungsnehmer und Geschäftsführer der späteren Versicherungsnehmerin und aufgrund der jährlich übersandten Kontoauszüge (zuletzt Anlage B4, Blatt 37 der Akten) Kenntnis von dem streitgegenständlichen Anspruch gehabt.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nicht begründet.

Die Beklagte darf die Leistung nach §§ 214, 199 Abs. 1 BGB verweigern, weil Verjährung eingetreten ist und die Beklagte die Einrede der Verjährung erhebt.

Die Verjährung begann nach § 199 Abs. 1 BGB Ende 2011 und lief damit nach § 195 BGB 3 Jahre später Ende 2014 ab.

Der Anspruch war mit dem Ablauf der Versicherung im Jahr 2011 entstanden. Entstanden ist der Anspruch, sobald er im Wege der Klage geltend gemacht werden kann. Voraussetzung ist grundsätzlich Fälligkeit des Anspruchs (Palandt § 199 Rd. 3).

Die Vorlage des Versicherungsscheins ist keine Fälligkeitsvoraussetzung. Bei dem Versicherungsschein handelt es sich nach § 4 Abs. 1 VVG um ein „qualifiziertes Legitimationspapier“ im Sinne von § 808 BGB (BGH IV ZR 23/99, Urteil vom 22.03.2000) mit der Rechtsfolge, dass der Schuldner, nämlich der Versicherer, nach § 808 Abs. 2 BGB nur gegen Aushändigung der Urkunde, nämlich des Versicherungsscheins, zur Leistung verpflichtet ist. Die Herausgabe des Papiers ist eine besondere Ausgestaltung des Rechts auf Quittung (BGH VII ZB 74/07, Beschluss vom 08.07.2008, BGH XI ZR 160/12, Urteil vom 14.05.2013 Rd. 10, Palandt § 797 Rd. 1).

Da die Verjährung der im Versicherungsschein verbrieften Ansprüche nach §§ 808 Abs. 2 Satz 2, 802 BGB durch eine Zahlungssperre gehemmt werden muss denknotwendig Fälligkeit und der Beginn der Verjährung eingetreten sein, weil anderenfalls eine Hemmung keinen Sinn ergibt.

Dass die Vorlage des Versicherungsscheins keine Voraussetzung der Fälligkeit ist, ergibt sich für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer auch ohne Weiteres aus der Überschrift des § 9 der Versicherungsbedingungen mit folgenden Wortlaut:

„Was ist bei Fälligkeit der Versicherungsleistung zu beachten?“

§ 9 der Versicherungsbedingungen setzt also die Fälligkeit voraus.

Die Voraussetzungen von § 14 VVG lagen im Jahr 2011 vor, denn die Beklagte hatte mit Schreiben vom 29.04.2011 die Zahlung zum 01.06.2011 angekündigt. Sie hatte damit ihre Prüfungen zur Leistungspflicht abgeschlossen.

Die Meldung bei der zuständigen Krankenkasse ist keine Auszahlungsvoraussetzung/Fälligkeitsvoraussetzung, sondern eine aus § 202 SGB 5 folgende Verpflichtung der Beklagten. Die Fälligkeit ergibt sich aus der vereinbarten Laufzeit und den Versicherungsbedingungen und § 14 VVG.

Maßgebend ist die Kenntnis des Klägers von den anspruchsbegründenden Umständen, weil er unwiderruflicher Bezugsberechtigter war (Palandt § 199 Rd. 24). Er kannte den Versicherer und den Inhalt des Versicherungsvertrages insbesondere auch die Laufzeit, denn er hat den Antrag auf Abschluss der Versicherung gestellt und war Geschäftsführer der insolventen GmbH.

Unerheblich ist, dass er möglicherweise keine Kenntnis von dem im Schreiben der Beklagten vom 29.04.2011 genannten Betrag hatte, denn diese Unkenntnis beruht mangels Nachfrage bei der Beklagten nach Ablauf der Versicherung auf grober Fahrlässigkeit. Der Kläger kannte unstreitig die Kontoauszüge insbesondere die Anlage B4.

Wenn der Kläger nicht unwiderruflicher Bezugsberechtigter war, gilt nichts anderes, weil er als Geschäftsführer der Versicherungsnehmerin Kenntnis hatte.

Der Beklagten fällt kein Verstoß gegen § 242 BGB, nämlich eine unzulässige Rechtsausübung, zur Last (dazu Palandt, vor § 194 Rd. 17 ff.). Die Einrede ist nicht schon deshalb missbräuchlich, weil der Schuldner weiß, dass der Anspruch zu Recht besteht oder weil der Gläubiger wegen des Ansehens oder der Stellung des Schuldners nicht mit der Verjährungseinrede gerechnet hat (Palandt vor § 194 Rd. 17). Die Beklagte hat den Kläger nicht von der vorliegenden Klage abgehalten oder beim Kläger falsche Vorstellungen über den Lauf der Verjährung erweckt. Unkenntnis vom Beginn und der Dauer der Verjährung gehen grundsätzlich zu Lasten des Gläubigers also des Klägers (Palandt, vor § 194 Rd. 19).

Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 91 ZPO abzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

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