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Lebensversicherung – Auszahlung in Unkenntnis des Versterbens des Versicherungsnehmers

OLG Hamm – Az.: I-20 U 25/19 – Beschluss vom 13.02.2019

Der Antrag des Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Berufung gegen das Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 05.12.2018 wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Der Antragsteller (Beklagter) begehrt Prozesskostenhilfe für eine von ihm beabsichtigte Berufung gegen ein Urteil des Landgerichts Essen vom 05.12.2018.

Der Beklagte ist Nachlasspfleger nach dem Tod eines Versicherungsnehmers, für den bei der Klägerin eine Kapitallebensversicherung bestand. Der Versicherungsnehmer hatte eine dritte Person als Bezugsberechtigte bezeichnet.

Unter dem 27.05.2015 überwies die Klägerin die von ihr errechnete Ablaufleistung auf das Konto des Versicherungsnehmers in dem Bewusstsein, dass die Vertragslaufzeit erst zum 01.06.2015 endete. Bereits am 21.05. oder 22.05.2015 war allerdings der Versicherungsnehmer bereits verstorben. Daraufhin zahlte die Klägerin die Todesfallleistung an die Bezugsberechtigte aus.

Das Kreditinstitut, bei dem der Versicherungsnehmer sein Konto führte, hinterlegte die dort eingezahlte Ablaufleistung beim Amtsgericht Gelsenkirchen.

Mit der Klage hat die Klägerin eine Verurteilung des Beklagten zur Auszahlung der Ablaufleistung an sie, hilfsweise zur Zustimmung zur Auskehr des hinterlegten Betrages an sie begehrt. Das Landgericht hat den Hauptantrag abgewiesen, den Beklagten aber nach dem Hilfsantrag verurteilt. Dagegen richtet sich die beabsichtigte Berufung des Beklagten.

II.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist zurückzuweisen, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht im Sinne von § 114 Abs. 1 ZPO hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

Zu Recht hat das Landgericht den Beklagten nach dem Hilfsantrag verurteilt.

1.

Es kann dahinstehen, ob sich der geltend gemachte Anspruch der Klägerin auf Zustimmung zur Freigabe des hinterlegten Betrages wegen Nichterreichung des mit dem Rechtsgeschäft bezweckten Erfolges (auch) aus § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB ergibt, für den § 814 BGB nach allgemeiner Meinung nicht gilt (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 78. Aufl. 2019, § 814 Rn. 2). Der genaue Anwendungsbereich von § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB ist – insbesondere bei der Erbringung von Leistungen im Rahmen gegenseitiger Verträge – umstritten (vgl. ausführlich Staudinger/Lorenz, BGB, Neubearbeitung 2007, § 812 Rn. 110; für die Anwendbarkeit von § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB auf Fälle der Leistung auf eine künftige Verpflichtung z.B. OLG Hamm, Urteil vom 09.061993 – 33 U 14/93, FamRZ 1994, 380; OLG Koblenz, Urteil vom 18.06.2007 – 12 U 1799/05, NJW-RR 2007, 1548), was aber im vorliegenden Fall keiner näheren Erörterung bedarf.

2.

Denn jedenfalls steht der Klägerin ein entsprechender Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB zu.

a)

Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass der Beklagte durch die Hinterlegung des gezahlten Betrages seitens der Bank S als vermögenswertes „Etwas“ die Stellung als Hinterlegungsbeteiligter erlangt hat und dass dies nicht auf einer Leistung der Klägerin beruhte, sondern in sonstiger Weise geschah. Dagegen wendet sich die Berufung (richtigerweise) auch nicht.

b)

Ebenfalls zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Leistung der Klägerin ohne rechtlichen Grund erfolgte.

Im Zeitpunkt der Zahlung durch die Klägerin (27.05.2015) auf das Konto des Versicherungsnehmers war dieser bereits verstorben (21. oder 22.05.2015). Mit dem Eintritt des Versicherungsfalls war aber der Anspruch auf die Versicherungsleistung aus dem Vermögen des Versicherungsnehmers abgespalten worden und endgültig dem Vermögen der Bezugsberechtigten zugefallen (Prölss/Martin-Schneider, VVG, 30. Aufl. 2018, § 159 Rn. 17). Auch in der eigenen Todesfallversicherung fällt mit Eintritt des Versicherungsfalls der Anspruch nicht in den Nachlass, sondern steht dem Bezugsberechtigten mit dem Tod des Versicherungsnehmers unmittelbar zu (BGH, Urteil vom 08.05.1996 – IV ZR 112/95, VersR 1996, 877, juris Rn. 12).

Daraus folgt, dass die Klägerin durch die Zahlung auf das Konto des – schon verstorbenen – Versicherungsnehmers nicht von ihrer Leistungspflicht frei werden konnte, sondern erst durch die spätere, nochmalige Zahlung an die Bezugsberechtigte. Die erste Zahlung erfolgte mithin ohne Rechtsgrund, wogegen sich der Beklagte in seinem Berufungsentwurf ebenfalls nicht wendet.

c)

Entgegen dem Vorbringen in dem Prozesskostenhilfeantrag ist das Landgericht schließlich auch zu Recht davon ausgegangen, dass dem hilfsweise geltend gemachten Anspruch der Klägerin auf Zustimmung zur Freigabe des hinterlegten Betrages nicht § 814 BGB entgegensteht.

Unstreitig wusste die Klägerin im Zeitpunkt der Erbringung der Zahlung auf das Konto des Versicherungsnehmers nicht, dass dieser bereits verstorben war. Die bloße Kenntnis davon, in diesem Zeitpunkt noch nicht zur Leistung verpflichtet zu sein, weil die Vertragslaufzeit erst zum 01.06.2015 endete, genügt für eine Anwendung von § 814 BGB nicht.

Die Vorschrift des § 814 BGB ist eine Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben und beruht auf dem Gedanken des Verbots widersprüchlichen Verhaltens (Palandt/Sprau, a.a.O., § 814 Rn. 3). Sie ist deshalb nicht anwendbar, wenn eine Leistung in der Erwartung erbracht wird, dass eine wirksame Verpflichtung später entsteht (BGH, Urteil vom 02.07.1999 – V ZR 167/98, NJW 1999, 2892; OLG Hamm, Urteil vom 07.10.2002 – 13 U 119/02, NJW-RR 2003, 971). Denn auch dann verhält sich der Schuldner nicht widersprüchlich, wenn er in dem Fall, dass die Leistungspflicht entgegen seiner Erwartung doch nicht entsteht, das Geleistete zurückfordert. Wer erkennbar auf eine künftige Verpflichtung leistet in der Erwartung, diese werde zu einem späteren Zeitpunkt entstehen, setzt für den (vermeintlichen) Gläubiger keinen Vertrauenstatbestand dahingehend, dass dieser die Leistung in jedem Fall und unabhängig vom tatsächlichen späteren Entstehen der Leistungspflicht werde behalten dürfen.

Entgegen dem Vorbringen in dem Prozesskostenhilfeantrag beruht diese Sichtweise nicht auf dem Zusammenwirken zweier Parteien und setzt eine solche daher auch nicht voraus. Vielmehr hat sie ihre Grundlage in einer Auslegung der Vorschrift des § 814 BGB nach ihrem Sinn und Zweck, nur ein widersprüchliches Verhalten des Schuldners zu sanktionieren. Ein solches widersprüchliches Verhalten liegt aber wie gezeigt auch dann nicht vor, wenn lediglich die leistende Partei die Erwartung hat, die Verpflichtung werde später entstehen, und dies für die Gegenseite zumindest erkennbar ist (vgl. auch BGH, Urteil vom 16.03.1983 – VIII ZR 346/8, NJW 1983, 1905, juris Rn. 30 zu einem Fall, in dem kein Zusammenwirken von Leistendem und Empfänger vorlag).

Da § 814 BGB mithin im vorliegenden Fall schon tatbestandlich nicht erfüllt ist, kommt es auf die weitere Frage, ob eine Berufung auf diese Vorschrift seitens des Beklagten im konkreten Fall treuwidrig wäre, nicht an.

Ebenso wenig bedarf einer Erörterung, ob der Beklagte nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung aufzubringen.

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