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Restschuldversicherung – Wirksamkeit einer Versicherungsausschlussklausel

Restschuldversicherung und Ausschlussklauseln: Ein Blick auf das LG Potsdam-Urteil

Die Restschuldversicherung ist ein Instrument, das Kreditnehmer vor finanziellen Belastungen schützen soll, falls sie ihre Kredite aufgrund unvorhergesehener Umstände nicht mehr bedienen können. Das Landgericht Potsdam hatte sich mit einem solchen Fall zu befassen, bei dem es um die Wirksamkeit einer Ausschlussklausel in den Versicherungsbedingungen ging.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 2 O 358/18 >>>

Hintergrund des Falles

Die Klägerin trat als Alleinerbin eines Versicherungsnehmers auf, der im Zuge des Kaufs eines PKWs eine Restschuldversicherung abgeschlossen hatte. Nach dem Tod des Versicherungsnehmers durch eine dialysepflichtige Niereninsuffizienz verweigerte die Versicherung die Leistung. Grund hierfür war eine Klausel in den Versicherungsbedingungen, die besagte, dass kein Anspruch besteht, wenn der Tod durch bestimmte, bei Vertragsabschluss bereits bekannte Krankheiten verursacht wurde.

Die strittige Klausel

Die Klausel in den Versicherungsbedingungen besagte, dass kein Anspruch besteht, wenn der Tod durch eine Krankheit verursacht wurde, die dem Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss bereits bekannt war. Hierbei handelte es sich um ernsthafte Erkrankungen, die abschließend aufgelistet wurden. Die Klausel sollte sicherstellen, dass der Versicherungsschutz nur dann versagt wird, wenn bei Offenbarung der Krankheit vor Vertragsschluss ebenfalls kein oder nur ein mit Zuschlägen versehener Versicherungsschutz gewährt worden wäre.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Gericht stellte fest, dass die Klage gegen die richtige Versicherungsgesellschaft gerichtet war, obwohl es zuvor Unklarheiten über die genaue Bezeichnung der Beklagten gab. In der Sache selbst entschied das Gericht, dass der Klägerin kein Anspruch zusteht. Die streitgegenständliche Ausschlussklausel wurde als wirksam erachtet. Sie verstieß nicht gegen das Bürgerliche Gesetzbuch und war nicht intransparent. Die Klausel war klar formuliert und beschränkte den Versicherungsschutz nur bei ernsthaften, dem Versicherungsnehmer bekannten Erkrankungen.

Beweiskraft des Totenscheins

Ein zentrales Beweismittel im Verfahren war der Totenschein des Versicherungsnehmers. Dieser wies als Todesursache eine „kardiale Arrhythmie“ infolge einer „terminalen Niereninsuffizienz dialysepflichtig“ aus. Das Gericht erkannte den Totenschein als öffentliche Urkunde an, die vollen Beweis für den beurkundeten Vorgang erbringt. Somit konnte nachgewiesen werden, dass die Voraussetzungen des Ausschlusstatbestands der Versicherungsbedingungen erfüllt waren.

Abschließende Bemerkungen

Das Urteil des Landgerichts Potsdam verdeutlicht die Bedeutung klar formulierter Versicherungsbedingungen und die Beweiskraft öffentlicher Urkunden. Es zeigt auch, dass Versicherungsnehmer sich genau über die Bedingungen ihrer Verträge informieren sollten, um im Schadensfall nicht vor unerwarteten Hürden zu stehen.


Das vorliegende Urteil

LG Potsdam – Az.: 2 O 358/18 – Urteil vom 12.03.2020

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird auf 13.760,97 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Leistung aus einer Restschuldversicherung.

Die Klägerin ist Alleinerbin nach dem am 23. Januar 1948 geborenen und am 16. Oktober 2017 verstorbenen F. L. (im folgenden: „Versicherungsnehmer“). Dieser hatte im Rahmen der Anschaffung eines Personenkraftwagens am 14. November 2016 bei der X. Lebensversicherung eine Restschuldversicherung zur Absicherung des Kaufpreises des Fahrzeuges abgeschlossen.

Die Versicherungsbedingungen enthalten unter § 13 unter anderem folgende Regelung:

Es besteht kein Anspruch, wenn der Tod durch eine der folgenden Erkrankungen verursacht ist;

– (…)

– Dialysepflichtige Niereninsuffizienz.

Die Einschränkung gilt nur, wenn die vorgenannte Erkrankung bei Unterzeichnung der Anmeldeerklärung bereits vorlag, ärztlich diagnostiziert und der versicherten Person bekannt war. Ein Leistungsanspruch besteht jedoch, wenn die Erkrankung nach Unterzeichnung der Anmeldeerklärung vollständig ausheilte und für mehr als drei Monate nicht mehr auftrat.

Der Versicherungsnehmer war bei Abschluß des Versicherungsvertrages aufgrund einer Niereninsuffizienz dialysepflichtig. Der für den Versicherungsnehmer ausgestellte Totenschein vom 16. Oktober 2017 weist als unmittelbare Todesursache „kardiale Arrhythmie“ als Folge von „Hyperkaliämie“ als Folge von (Grundleiden) „terminaler Niereninsuffizienz dialysepflichtig“ aus.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte dazu zu verurteilen, an die S. Bank einen Betrag in Höhe von 13.760,97 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27. April 2 18 zu zahlen, hilfsweise

die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 13.760,97 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27. April 2018 zu zahlen.

2. die Beklagte weiterhin zu verurteilen, an die Klägerin die außergerichtlich angefallene Geschäftsgebühr gemäß §§ 13, 14 Nr. 2300 VV RVG in Höhe von 1.029,35 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 3. September 2018 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, der Versicherungsnehmer sei infolge einer dialysepflichtigen Niereninsuffizienz verstorben.

Die Klageschrift bezeichnet als Beklagte die „X. Allgemeine Versicherung“. Die Klägerin hat beantragt, das Rubrum dahingehend zu berichtigen, daß Beklagte die unter derselben postalischen Adresse residierende und über denselben Telefon- und Faxanschluß verfügende und sich einen Internetauftritt teilende X. Lebensversicherung sei.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist weder in ihren Hauptanträgen noch im Hilfsantrag begründet.

Die Klage ist wirksam gegen die X. Lebensversicherung erhoben. Das Rubrum war zu ändern. Eine Parteibezeichnung ist als Teil einer Prozeßhandlung grundsätzlich der Auslegung zugänglich. Dabei ist maßgebend, wie die Bezeichnung bei objektiver Deutung aus der Sicht der Empfänger (Gericht und Gegenpartei) zu verstehen ist. Es kommt darauf an, welcher Sinn der von der klagenden Partei in der Klageschrift gewählten Bezeichnung bei objektiver Würdigung des Erklärungsinhalts beizulegen ist (BGH, Urteil vom 26. Februar 1987 – VII ZR 58/86 –, juris). Insoweit ist die Parteibezeichnung anhand des Klagevorbringens einschließlich der angegebenen Beweismittel auszulegen. Nach Feststellung der Partei, die unzweifelhaft verklagt werden sollte, ist das Rubrum entsprechend von Amts wegen zu berichtigen (OLG Nürnberg, Urteil vom 11. Januar 2008 – 5 U 1617/07 –, juris). Wenn die Versicherungsunternehmen – aus welchen Gründen auch immer – derart agieren, daß sie für verschiedene Versicherungszweige jeweils selbständige juristische Personen, aber unter gleichartigem Namen und gleicher Adresse unterhalten, so gehen Verwechslungen, die aufgrund dieser nur schwer durchschaubaren Verflechtung entstehen, zu Lasten des Versicherungsunternehmens (LG Marburg, Urteil vom 24. September 1992 – 1 O 247/92 –, juris). Vorliegend traten die in der Klageschrift bezeichnete und die tatsächlich gemeinte Versicherung nach außen gemeinsam auf, teilten sich einen Internetauftritt, verfügten über die gleiche postalische, fernschriftliche und fernmündliche Erreichbarkeit und damit offensichtlich eine einheitliche Infrastruktur. Welche der beiden Versicherungen verklagt sein sollte, erschloß sich der Beklagten im übrigen zweifelsfrei aus der Mitteilung des Lebenssachverhaltes, der Benennung des Versicherungsnehmers und den übersandten Anlagen. Daß die Beklagte auch tatsächlich nicht im Zweifel darüber war, wer verklagt sein sollte, ergibt sich auch aus der Klageerwiderung vom 6. Dezember 2018. Die Beklagte vermochte in der Klageerwiderung zum Versicherungsverhältnis vorzutragen. Sie war daher offensichtlich nicht im Zweifel darüber, um welches Versicherungsverhältnis und damit auch um welche Versicherungsgesellschaft es sich handele.

In der Sache steht der Klägerin jedoch kein Anspruch zu. Die streitgegenständliche Ausschlußklausel ist wirksam. Sie verstößt nicht gegen § 305 ff. BGB. Insbesondere ist sie nicht intransparent im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die vorliegende Klausel unterscheidet sich von den von der Rechtsprechung behandelten und verworfenen Klauseln in wesentlichen Punkten. Sie stellt zum einen klar, daß der Versicherungsschutz nur bei Erkrankungen eingeschränkt ist, die dem Versicherungsnehmer beziehungsweise der versicherten Person bei Vertragsschluß bekannt sind. Zum anderen wird der Versicherungsschutz nur bei ernstlichen Erkrankungen beschränkt, die abschließend aufgezählt werden (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 30. Juni 2005 – 4 U 232/05 –, juris – dort sogar nur beispielhafte Auflistung der Krankheiten). Durch die Beschränkung des Risikoausschlusses auf bekannte und ernsthafte Erkrankungen wird deutlich, daß die Ausschlußklausel nur eingreift, wenn es sich um eine Gesundheitsstörung handelt, deretwegen der Versicherer den Vertrag im Falle der Risikoprüfung vor Vertragsschluß nicht oder nur mit erheblichen Risikozuschlägen geschlossen hätte. Mithin ist sichergestellt, daß der Versicherungsschutz nur versagt wird, wenn bei Offenbarung der Krankheit vor Vertragsschluß ebenfalls kein oder nur ein mit Zuschlägen versehener Versicherungsschutz gewährt worden und bei Verschweigen Leistungsfreiheit eingetreten wäre (OLG Koblenz, Urteil vom 1. Juni 2007 – 10 U 1321/06 –, juris). Es liegt auch keine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers im Sinne des § 307 Abs. 2 BGB vor. Die Entbindung von der vorvertraglichen Risikoprüfung allein führt nicht zu einer Abweichung vom gesetzlichen Leitbild des Versicherungsvertrages, da nur solche Erkrankungen zum Leistungsausschluß führen, die nach dem gesetzlichen Leitbild ebenfalls zur Versagung des Versicherungsschutzes führen. Bei positiver Risikoprüfung kommt es hier von vornherein nicht zum Vertragsschluß; bei Verschweigen der Erkrankung tritt nachträglich Leistungsfreiheit ein. Die Klausel formuliert also nur einen generalisierenden Ausschluß für diejenigen eng begrenzten Fälle, in denen auch nach dem gesetzlichen Leitbild keine Leistungspflicht bestünde (OLG Dresden, Urteil vom 30. Juni 2005 – 4 U 232/05 –, juris).

Die Beklagte hat bewiesen, daß die Voraussetzung des Ausschlußtatbestandes des § 13 der Versicherungsbedingungen gegeben ist. Der Versicherungsnehmer ist an einer dialysepflichtige Niereninsuffizienz verstorben. Dies belegt der Totenschein vom 16. Oktober 2017. Beim Totenschein handelt es sich um eine öffentliche Urkunde im Sinne des § 415 ZPO, die vollen Beweis des beurkundeten Vorganges erbringt. Der Totenschein dient unter anderem dem Nachweis der Todesursache (§ 17 Abs. 1 des Gesetzes über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen im Land Brandenburg [BbgBestG]). Der den Totenschein ausstellende Arzt wird auch behördlich tätig. Behörde im Sinne der Zivilprozeßordnung ist ein in den allgemeinen Organismus der Behörden eingefügtes Organ der Staatsgewalt, das dazu berufen ist, unter öffentlicher Autorität für die Erreichung der Zwecke des Staates oder der von ihm geförderten Zwecke tätig zu sein, gleichviel, ob das Organ unmittelbar vom Staate oder einer dem Staate untergeordneten Körperschaft zunächst für deren eigene Zwecke bestellt ist, sofern die Angelegenheiten zugleich in den Bereich der bezeichneten Zwecke fallen (MüKoZPO/Schreiber, 5. Aufl. 2016, ZPO § 415 Rn. 14). Der den Totenschein ausstellende Arzt ist nimmt Aufgaben der unteren Gesundheitsbehörde wahr, die den Landkreisen und kreisfreien Städte als Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung zugewiesen sind (§ 36 Abs. 1 BbgBestG). Er ist mit Hoheitsbefugnissen ausgestattet. Nach § 6 Abs. 1 BbgBestG ist er berechtigt, jederzeit den Ort zu betreten, an dem sich die Leiche befindet. Auch kann er von Angehörigen und Personen, die die verstorbene Person während einer dem Tod vorangegangenen Krankheit behandelt oder gepflegt haben, Auskunft über behandelnde Ärzte, Krankheiten und andere Gesundheitsschädigungen der verstorbenen Person und über sonstige, für ihren Tod möglicherweise ursächlichen Ereignisse verlangen (§ 6 Abs. 2 BbgBestG). So ist bereits das Reichsgericht im Jahre 1882 davon ausgegangen, daß dem Totenschein als öffentliche Urkunde Beweiskraft zukomme, die sich lediglich auf solche Tatsachen nicht beziehe, die dem „Leichenschauer“ lediglich durch dritte Personen mitgeteilt wurden und die nicht auf seinen eigenen Feststellungen beruhen (RGSt 7, 335).

Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung.

Die Entscheidung zu den Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 Abs. 1, 2 ZPO.

 

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