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Krankheitskostenversicherung – Kostenübernahme entsprechend Kostenvoranschlag

LG Saarbrücken – Az.: 14 O 275/17 – Urteil vom 31.01.2019

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.299,50 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.12.2017 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 655,69 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.12.2017 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 13 % und die Beklagte zu 87 %.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags. Der Beklagten bleibt es nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrags abzuwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Leistungen aufgrund eines zwischen ihnen bestehenden Krankenversicherungsvertrags hinsichtlich eines Krankenhausaufenthalts des Klägers.

Der Kläger unterhält bei der Beklagten einen Krankenversicherungsvertrag unter der Versicherungsscheinnummer … mit dem Tarifen AO, SE und Z1OO. Dem Vertrag liegen die Musterbedingungen der MB/KK 2009 zu Grunde, ergänzt durch die Tarifbedingungen der Beklagten für die Krankenversicherung sowie für die einzelnen Tarife (Anlage K2).

Im Jahr 2005 zog sich der Kläger einen Nasenbeinbruch zu. In Folge dieser Verletzung ließ er – vor der streitgegenständlichen Behandlung – insgesamt dreimal eine Septumplastik durchführen. Am 12.09.2016 stellte sich der Kläger bei Prof. Dr. … in der … klinik vor zwecks einer Nasenrekonstruktion. Unter gleichem Datum wurde ihm Kostenvoranschlag (Anlage K5) überreicht. Dieser Kostenvoranschlag beläuft sich auf insgesamt 10.454,60 € und setzt sich wie folgt zusammen:

– 1.   Nasenrekonstruktion: 5.400,00 €

– 2.   Anästhesie: 1.080,00 €

– 3.   Abzgl. 10 % Nachlass auf OP-Honorar gewährt

– 4.   OP-Sachkostenpauschale: 1.500,00 €

– 5.   4 Tage stationärer Klinikaufenthalt im Doppelzimmer: 1.200,00 €

– 6.   4 Tage Anschlussaufenthalt im Doppelzimmer (inkl. Frühstück): 640,00 €

– Zzgl. 19 % MwSt, für Positionen 4, 5, 6: 634,60 €

Dieser Kostenvoranschlag sowie ein Attest der HNO-Praxis Dres. … vom 30.09.2016 (Anlage K3) übersandte der Kläger der Beklagten zwecks vorheriger Auskunft zur Kostenübernahme entsprechend § 41 Abs. 7 der Versicherungsbedingungen. Hierauf antwortete die Beklagte mit Schreiben vom 28.10.2016 (Anlage K6). In diesem Schreiben heißt es u. a. einleitend:

„…wir übernehmen die tariflich vereinbarten Leistungen für den stationären Aufenthalt, diese sind:

Allgemeine Krankenhausleistungen: 100 %

Wahlärztliche Behandlung: 100 %

Ein-bzw. Zweibettzimmerzuschlag: 100%“

Weiter heißt es dort u. a.: „Diese Zusage gilt für den Zeitraum von 4 Tage ab Aufnahme. “

In der Folge ließ der Kläger die geplante Behandlung am 09.03.2017 in der … klinik durchführen. Es wurden daraufhin unter dem 09.02.2017 von der … klinik zwei Rechnungen mit den Nummern … (Anlage K9) und … (Anlage K10), die in der Summe und den Einzelposten dem Kostenvoranschlag entsprachen. Der Kläger reichte diese Rechnungen im Original bei der Beklagten zwecks Kostenerstattung ein. Zunächst mündlich, sodann mit Schreiben vom 24.07.2017 (Anlage K8) erklärte die Beklagte, dass dem Kläger lediglich ein Betrag in Höhe von 4.393,50 € zustehe und begründete dies damit, dass die Rechnungen nach keiner gültigen Gebührenordnung erstellt seien und diese zu Grunde gelegt dem Kläger nur der benannte Betrag zustünde. Diesen zahlte die Beklagte unter dem 28.11.2017 an den Kläger aus, sodass der Kläger vorliegend die Differenz zwischen Rechnungsbetrag und bereits ausgezahlter Erstattung begehrt.

Der Kläger behauptet, die streitgegenständliche Behandlung sei medizinisch notwendig gewesen, da trotz der dreimaligen Septumplastik eine ausgeprägte Restdeviation fortbestanden habe und diese nur durch eine erneute Revision und entsprechende Septumplastik behandelt haben werden könne, wobei hierfür eine Nasenrekonstruktion erforderlich gewesen sei. Die endgültige Revision durch Operation sei erforderlich gewesen, weil die vorherigen Behandlungen nicht erfolgreich gewesen seien.

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte habe mit ihrem Schreiben vom 28.10.2016 eine bindende Zusage hinsichtlich der Kostenübernahme für die gesamte Behandlung entsprechend dem Kostenvoranschlag vom 12.09.2016 erteilt. In diesem Schreiben sei nicht mitgeteilt worden, dass die Beklagte den Kostenvoranschlag nicht erfüllen werde. Die dort erteilten Hinweise auf den Tarif hätten dem Kläger signalisiert, dass eine vollständige Kostenübernahme genau der geplanten Operation entsprechend dem Kostenvoranschlag erfolgen würde. Selbst wenn man zu einem anderen Ergebnis käme, so hätte man den Kläger in diesem Schreiben darauf hinweisen müssen, dass der eingereichte Kostenvoranschlag nicht den Voraussetzungen für eine Kostenübernahme entsprochen hat. Die Beklagte hätte den Kläger als medizinischen und juristischen Laien darüber belehren müssen, dass dieses Schreiben gerade keine Zusage einer Kostenübernahme darstelle. Dies ergebe sich im Hinblick auf § 4 I Abs. 7 der Versicherungsbedingungen.

Der Kläger beantragt,

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.060,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 746,73 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, die streitgegenständliche Behandlung sei nicht medizinisch notwendig gewesen. Hiervon habe die Beklagte durch ein von ihr eingeholtes Gutachten vom 07.11.2017 Kenntnis erlangt. Unter Zugrundelegung des Operationsberichts sei eine medizinische Indikation nicht erkennbar, der Behandler habe selbst mehrfach festgehalten, dass es sich um eine ästhetische Nasenkorrektur handele und Strukturen, die funktionelle Bedeutung haben, nicht operiert worden seien.

Selbst wenn man die Notwendigkeit des Eingriffs unterstelle, sei allenfalls ein Aufenthalt von vier Tagen medizinisch notwendig und vertretbar gewesen. Insofern bestehe für die vier Tage Anschlussbehandlung kein Versicherungsschutz.

Die Beklagte ist der Ansicht, ein Anspruch, der über die bereits geleistete Erstattung hinausgeht, bestehe nicht. Die Berechnung der Honorare in den eingereichten Rechnungen sei nicht nachvollziehbar. Bei korrekter Berechnung nach GOÄ und DRG-System bestünde sogar nur ein Honoraranspruch in Höhe von 3.350,64 €.

Mit dem Schreiben vom 28.10.2016 sei gerade keine vollständige Kostenzusage erteilt worden, was sich insbesondere aus den Hinweisen auf Seite 2 des Schreibens ergebe. Somit habe die Beklagte auch im Hinblick auf § 4 I Abs. 7 der Versicherungsbedingungen eindeutig erklärt, was sie erstattet.

Die mündliche Verhandlung fand am 29.11.2018 statt. Es wurde Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin … .

Im Übrigen wird hinsichtlich des Sach- und Streitstands auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet.

A.

Die Klage ist zulässig.

Das Landgericht Saarbrücken ist nach § 215 Abs. 1 VVG örtlich und nach §§ 71 Abs. 1, 23 Nr. 1 GVG sachlich zuständig.

Gründe, die der Zulässigkeit der Klage entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich.

B.

Die Klage ist überwiegend begründet und nur hinsichtlich eines Betrags von 761,60 € unbegründet.

I.

Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch besteht gemäß §§ 1, 4 Abs. 7 MB/KK 2009 i. V. m. § 192 Abs. 1, 8 VVG, der einzigen in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage, allerdings nur in der Höhe von 5.299,50 €.

1.

Voraussetzung für einen Leistungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte ist der Eintritt eines Versicherungsfalls. Gemäß § 1 Abs. 2 MB/KK 2009 ist der Versicherungsfall die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Eine Heilbehandlung ist medizinisch notwendig, wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und wissenschaftlichen Maßstäben zum Zeitpunkt der Behandlung vertretbar ist, die medizinische Notwendigkeit zu bejahen (BGH, Urt. v. 10.07.1996, Az.: IV ZR 133/95; Langheid/Rixecker/Muschner, VVG, 6. Aufl. 2019, § 192, Rn. 8). Dies ist im Allgemeinen dann der Fall, wenn eine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode zur Verfügung steht, die geeignet ist, die Krankheit zu heilen oder zu lindern (BGH. Urt. v. 12.03.2003, Az.: IV ZR 278/01; OLG Nürnberg, Urt. v. 23.11.2015, Az.: 8 U 935/14). Zwischen den Parteien ist die medizinische Notwendigkeit der streitgegenständlichen Behandlung des Klägers streitig. Sie kann jedoch – mit Ausnahme des Anschlussaufenthalts von vier Tagen – dahinstehen.

2.

Denn die Beklagte hat mit ihrem Schreiben vom 28.10.2016 (Anlage K8) eine bindende Zusage für die Kostenübernahme hinsichtlich der in dem Kostenvoranschlag vom 12.09.2016 (Anlage K5) dargelegten Behandlungsmaßnahme – mit Ausnahme des viertägigen Anschlussaufenthalts – abgegeben. Gemäß § 4 I Abs. 7 MB/KK 2009 bzw. § 192 Abs. 8 VVG muss der Versicherer auf Verlangen des Versicherungsnehmers binnen längstens vier Wochen Auskunft über den Umfang des Versicherungsschutzes für eine beabsichtigte Heilbehandlung vor deren Beginn erteilen, wenn deren Kosten 2.000,00 € voraussichtlich übersteigen werden. Auf einen vorgelegten Kostenvoranschlag ist im Rahmen der Beantwortung einzugehen, § 4 i Abs. 7 S. 3 MB/KK 2009 bzw. § 192 Abs. 8 S. 2 VVG.

a)

Rechtsfolge einer solchen Bestätigung des Versicherungsschutzes ist, dass der Versicherer an seine Zusage gebunden ist, solange und soweit der Versicherer seine Zusage nicht vor Durchführung der Heilbehandlung korrigiert bzw. revidiert (Prölss/Martin/Voit, VVG, 30. Aufl. 2018, § 192, Rn. 77g; Langheid/Rixecker/Muschner, VVG, 6. Aufl. 2019, § 192, Rn. 51; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Rogler, VVG, 3. Aufl. 2014, § 192, Rn. 50). Gegen eine solche Bindungswirkung wird zwar eingewandt, dass aus dem Auskunftsanspruch weder Anspruch noch Möglichkeit auf die Zusage einer Kostenübernahme resultierten, weil eine Stellungnahme zu medizinischer Notwendigkeit und Angemessenheit von Behandlungsmaßnahmen nicht intendiert sei (Heyers, VersR 2016, 421, 425; Mandler, VersR 2013, 1104, 1106 f.). Ein solches Verständnis des Auskunftsanspruchs würde jedoch dessen Sinn und Zweck zuwider laufen. Dieser ist es, dass der Versicherungsnehmer vorab in die Lage versetzt wird, von seinem Versicherer zu erfahren, ob und inwieweit die Kosten einer geplanten Heilbehandlung übernommen werden (BT-Drucks. 17/11469, S. 13). Würde die erteilte Auskunft, zumindest bis zu einer Revidierung vor Durchführung der geplanten Behandlung, keine Bindungswirkung zu Gunsten des Versicherungsnehmers und zu Lasten des Versicherers entfalten, wäre sie für den Versicherungsnehmer im Ergebnis wertlos und würde für diesen sogar die Gefahr besorgen, Behandlungsleistungen wahrzunehmen, die trotz Auskunft letztlich nicht ersetzt würden. Es erscheint insofern nicht gerechtfertigt, den Versicherungsnehmer diesbezüglich auf schadensersatzrechtliche Sekundäransprüche zu verweisen (so BeckOK-VVG/Gramse, 4. Ed., Stand: 01.01.2018, § 192, Rn. 204).

Sofern vorgebracht wird, der Gesetzesbegründung sei eine explizite Verneinung eines verbindlichen Rechtscharakters der Auskunft zu entnehmen (so Mandler, VersR 2013, 1104, 1106), kann dem nicht gefolgt werden. In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu wörtlich: „Ein Konflikt mit den Erwägungen, die hinter §14 VVG stehen, dass nämlich der Versicherer über seine Leistungspflicht erst abschließend entscheiden kann (und muss), wenn der Versicherungsnehmer ihm alle erforderlichen Unterlagen zur Verfügung gestellt hat, ergibt sich angesichts der Ausgestaltung der Regelung als Verpflichtung zur Antwort nicht. Wollte man im Übrigen die Regelung so ausgestalten, dass der Versicherer stets eine verbindliche Auskunft geben müsste, wäre entsprechend §14 VVG zu regeln, dass Fristen erst dann zu laufen beginnen, wenn der Versicherungsnehmer alle erforderlichen Unterlagen zur Prüfung seines Begehrens vorgelegt hat; eine Zusage der Kostenübernahme könnte auf der Grundlage unvollständiger Angaben nicht ergehen.“ (BT-Drucks. 17/11469, S. 14) Eine solche explizite, grundsätzliche Verneinung der Bindungswirkung ergibt sich hieraus gerade nicht. Der Gesetzgeber stellt mit dieser Begründung viel mehr klar, dass für eine abschließende Entscheidung hinsichtlich der Leistungsübernahme eine Vorlage sämtlicher Unterlagen erforderlich ist. Dies korrespondiert damit, dass der Versicherungsnehmer beispielsweise einen Kostenvoranschlag für die Auskunft nicht vorlegen muss, aber kann. Der Versicherer ist in der Lage, seine Auskunft anhand der ihm vorgelegten Unterlagen zu erteilen oder aber weitere Unterlagen anzufordern, wenn ihm eine Auskunft anhand der eingereichten noch nicht möglich erscheint (BT-Drucks. 17/11469, S. 13). Somit stehen die Erwägungen in der Gesetzesbegründung einer Bindungswirkung gerade nicht entgegen, sondern sprechen eher für diese, soweit der Versicherungsnehmer die vom Versicherer benötigten Unterlagen einreicht und dieser sich hierauf bezieht. Erteilt der Versicherer Auskunft anhand der eingereichten Unterlagen, so muss der Versicherungsnehmer sich auf diese Auskunft auch verlassen dürfen, um Sinn und Zweck des Auskunftsanspruchs nicht zu unterlaufen. Insofern sprechen die besseren Argumente dafür, einer solchen Auskunft insoweit Bindungswirkung zuzusprechen, wie sie sich auf die eingereichten Unterlagen bezieht, eine Behandlung anhand dieser Unterlagen bejaht und die tatsächlich durchgeführte Heilbehandlung diesen entspricht.

b)

Die Beklagte hat hier eine solch bindende Auskunft hinsichtlich der Kostenübernahme der streitgegenständlichen Heilbehandlung – mit Ausnahme des viertägigen Anschlussaufenthalts – erteilt.

Der Inhalt des Schreibens der Beklagten vom 28.10.2016 ist gemäß §§ 133, 157 BGB durch Auslegung zu bestimmen. Hiernach ist maßgeblich, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer in der Position des Klägers das Schreiben der Beklagten verstehen musste. Hiernach war das Schreiben als bindende Auskunft zu verstehen.

Ausweislich der Überschrift des Schreibens („Ihr geplanter stationärer Aufenthalt in der … Klinik … „) hat die Beklagte in dem Schreiben ausdrücklich auf den durch den Kläger eingereichten Kostenvoranschlag vom 12.09.2016 Bezug genommen. Reicht der Versicherungsnehmer einen Kostenvoranschlag ein, muss der Versicherer, hier nach § 4 I Abs. 7 S. 3 MB/KK 2009, auf diesen und dabei auch auf den Umfang der Kostenübernahme eingehen (Prölss/Martin/Voit, VVG, 30. Aufl. 2018, § 192, Rn. 77d). Sodann wird die 100 %-ige Übernahme tariflich vereinbarter Leistungen „für den Aufenthalt“ erklärt mit der Einschränkung, dass die Zusage „für den Zeitraum von vier Tagen ab Aufnahme“ gilt. Hierauf folgen allgemeine Erläuterungen zum Umfang des Versicherungsschutzes, ohne Bezugnahme auf die vom Kläger begehrte Heilbehandlung. Auf der zweiten Seite erfolgen Erläuterungen Satzhöhe nach Gebührenordnung. Die einzige weitere explizite Bezugnahme auf den Kostenvoranschlag des Klägers lautet: „Für den viertägigen Anschlussaufenthalt im Doppelzimmer nach Beendigung Ihrer stationären Behandlung erfolgt unsererseits keine Kostenübernahme.“ Im Übrigen handelt es sich weiter um allgemeine Ausführungen zum Umfang des Versicherungsschutzes.

Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer musste dieses Schreiben als Bestätigung der Kostenübernahme für die Heilbehandlung entsprechend dem Kostenvoranschlag vom 12.09.2016 – mit Ausnahme des viertägigen Anschlussaufenthalts – verstehen. Zunächst ist für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht ohne weiteres erkennbar, wann die auf S. 2 des Schreibens aufgeführten Einschränkungen – keine erhöhten Gebührensätze, kein auffälliges Missverhältnis zum Marktpreis – greifen. Sinn und Zweck des Auskunftsanspruchs ist es für den Versicherungsnehmer aber gerade Sicherheit hinsichtlich der Kostenübernahme zu erlangen um die Entscheidung über die Vornahme einer kostspieligen Behandlung treffen zu können. Insofern kann ohne ausdrückliche Aufforderung durch den Versicherer – wozu dieser berechtigt ist – nicht vom Versicherungsnehmer verlangt werden, nach der Auskunftserteilung eigenmächtig weitere Nachforschungen anzustellen um den tatsächlichen Umfang der Kostenübernahme festzustellen. Denn gerade das soll mit der Auskunft ja zu seinen Gunsten bewerkstelligt werden. Des Weiteren hat der Kläger hier einen nach Einzelposten aufgeschlüsselten Kostenvoranschlag für die Auskunftserteilung eingereicht, auf den die Beklagte explizit Bezug nimmt („Ihr geplanter Aufenthalt…“) und ausdrücklich erklärt „wir übernehmen die tariflich vereinbarten Leistungen für den stationären Aufenthalt.“ Dies kann der durchschnittliche Versicherungsnehmer nur als Zusage der Kostenübernahme hinsichtlich der im Kostenvoranschlag aufgeführten Heilbehandlung verstehen. Denn wenn diese Aussage, wie es die Beklagte vorträgt, bedeuten soll, dass der Kläger anhand seiner Tarifbedingungen den Umfang der Übernahme feststellen kann und muss, verkommt sie einerseits zu einer bloßen Leerformel – denn die Übernahme der tariflich vereinbarten Leistungen ist gerade der Gegenstand eines Versicherungsvertrags – und andererseits entwertet sie den Auskunftsanspruch des Klägers, der ja gerade (Rechts-)Sicherheit hinsichtlich der ganz bestimmten, in dem Kostenvoranschlag aufgeführten Behandlung begehrt. Demnach kann von einem durchschnittlichen und verständigen Versicherungsnehmer, der Auskunft anhand eines solchen Kostenvoranschlags wie hier begehrt, nicht verlangt werden, trotz der Bezugnahme auf diesen eigenständig weitere Nachforschungen anhand der Tarifbedingungen vorzunehmen; wäre es ihm ohne weiteres möglich, bräuchte es den Auskunftsanspruch nicht.

Für den Kläger war hier bezüglich einer eventuellen Leistungsverweigerung ausschließlich erkennbar, dass der Anschlussaufenthalt laut Kostenvoranschlag – 640,00 € zzgl. Mehrwertsteuer = 761,60 € – nicht übernommen werden wird. Im Übrigen durfte und musste er, in Anbetracht der Bezugnahme auf den Kostenvoranschlag, das Schreiben als für die Beklagte bindende Kostenübernahme der begehrten Heilbehandlung verstehen, soweit diese dem Kostenvoranschlag entsprach.

3.

Die eingereichten Rechnungen (Anlagen K9 und K10) entsprechen dem Kostenvoranschlag. Aufgrund der bindenden Zusage hinsichtlich der Kostenübernahme durch die Beklagte – mit Ausnahme des Anschlussaufenthalts – ergibt sich demnach ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte in Höhe von 10.454,60 € – 761,60 € = 9.693,00 €. Dieser ist in Höhe der bereits geleisteten Zahlung von 4.393,50 € gemäß § 362 Abs. 1 BGB wegen Erfüllung erloschen, sodass ein restlicher Anspruch für den Kläger in Höhe von 5.299,50 € verbleibt.

II.

Kein Anspruch zu Gunsten des Klägers besteht hingegen hinsichtlich des viertägigen Anschlussaufenthalts, für den 640,00 € zzgl. Mehrwertsteuer = 761,60 € geltend gemacht werden.

Wie bereits dargelegt, hat die Auskunft bzgl. der Kostenübernahme durch die Beklagte diesen explizit von der Leistungsübernahme ausgeschlossen, sodass diesbezüglich keine Selbstbindung unabhängig von der medizinischen Notwendigkeit eingetreten ist.

Somit ist Voraussetzung für den Anspruch gegen die Beklagte, dass der Anschlussaufenthalt medizinisch notwendig war. Die Beweislast hierfür trägt der Kläger (Prölss/Martin/Voit, VVG, 30. Aufl. 2018, § 192, Rn. 78). Dieser ist er nicht nachgekommen. Die Beklagte hat die medizinische Notwendigkeit des Anschlussaufenthalts bestritten und nachvollziehbar dargelegt, dass dieser in Kostenvoranschlag und Rechnung gerade nicht als stationärer Klinikaufenthalt, sondern eben als bloßer „Anschlussaufenthalt“ deklariert ist, wofür kein Versicherungsschutz bestehe. Der Kläger ist dem nicht substantiiert entgegengetreten. Vortrag hinsichtlich der medizinischen Notwendigkeit ist ausschließlich in Bezug auf den operativen Eingriff erfolgt, aber gerade nicht in Hinblick auf den Anschlussaufenthalt. Ein Zusammenhang bzw. ein Grund, aus dem sich die medizinische Notwendigkeit eines „Anschlussaufenthalts“ nach dem – offensichtlich in unmittelbarem Zusammenhang mit dem operativen Eingriff stehenden „stationären Klinikaufenthalt“ – sind für das Gericht aus dem Vortrag des Klägers nach explizitem Bestreiten durch die Beklagte nicht ersichtlich, sodass es auch einer Beweisaufnahme diesbezüglich nicht bedurfte.

III.

Der Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1 ,2, 286 BGB. In der Höhe besteht er entsprechend den Gebühren, die für den begründeten Teil der Klage angefallen sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 Var. 2 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 709 S. 2, 711 ZPO.

 

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