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Versicherungsvertrag – Widerspruchsrecht nach vollständiger Vertragsbeendigung

LG Dresden –  Az.: 8 O 109/13 – Urteil vom 08.01.2014

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Rechtsanwaltskosten für die außergerichtliche Tätigkeit in Höhe von  EUR 155,30 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit, das ist der 19.03.2013, zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist für die Beklagte hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Beschluss: Der Streitwert wird festgesetzt auf 23.873,33 EUR.

Tatbestand

Versicherungsvertrag - Widerspruchsrecht nach vollständiger Vertragsbeendigung
Symbolfoto: Von wavebreakmedia /Shutterstock.com

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückzahlung der geleisteten Prämien aus einer fondgebundenen Lebensversicherung mit garantierter Todesfallleistung sowie einer fondgebundenen Rentenversicherung, und hierzu hilfsweise, im Wege der Stufenklage, auf Auskunft über das jeweils zum Zeitpunkt der Kündigungen vorhandene Fondvermögen, ohne Verrechnung von Abschlusskosten, nebst der Höhe der abgezogenen Stornokosten und der ungezillmerte Abschlusskosten, die bis zum Zeitpunkt der Vertragsbeendigung entstanden wären, in Anspruch.

Zum 15.07.2004 vereinbarten die Parteien den Abschluss einer fondgebundene Lebensversicherung mit garantierter Todesfall-Leistung unter der Bezeichnung „Pro – Vorsorge Plus IV U“ unter der Versicherungschein-Nr: DE … . Versicherungsbeginn war der 15.07.2004 bei einer Beitragszahlungsdauer von 16 Jahren und einem jährlichen Beitrag von EUR 3.600. Nach einer Wartezeit von drei Jahren sollte die garantierte Todesfallleistung von EUR 34.5060,00 wirksam sein. Der Kläger zahlte insgesamt einen Betrag von EUR 25.200,00 ein.

Die Beklagte rechnete mit Schreiben vom 02.09.2011 einen Rückkaufswert von EUR 17.463,72 ab und überwies diesen Betrag an den Beklagten (Anlage B 5).

Zum 15.10.2004 schlossen die Parteien eine Fondgebundene Rentenversicherung unter der Bezeichnung „Pro – Pensionsplan IV U“ unter der Versicherungsschein-Nr. DE … . Versicherungsbeginn war der 15.10.2004 und der geplante Rentenbeginn nach 25 Jahren am 15.10.2029, bei einem monatlichen Beitrag von EUR 119,00 ohne Dynamik.

Der Kläger zahlte vom 01.04.2004 bis 30.06.2011 insgesamt EUR 9.639,00 ein. Mit Schreiben vom 02.09.2011 rechnete die Beklagte einen Rückkaufswert von EUR 5.269,55 ab und überwies diesen Betrag auf das Konto des Klägers.

Bei beiden Vertragsverhältnissen wurden dem Kläger bei Antragstellung weder die vollständigen Verbraucherinformationen nach § 10 a VaG a.F. noch die allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten übergeben. Der Versicherungsvertrag kam damit nach dem damals gängigen Policenmodell zustande.

Mit dem Versicherungsschein erhielt der Kläger dann aber – unstreitig – die Verbraucherinformationen der Beklagten nebst deren Versicherungsbedingungen.

In beiden Policen wird mit jeweils gleichem Wortlaut und in jeweils gleicher drucktechnischer Ausgestaltung folgende Widerspruchsbelehrung erteilt:

„Sie können den Versicherungsvertrag ab Antragstellung bis zum Ablauf von 14 Tagen nach Zugang des Versicherungsscheins einschließlich der Versicherungsbedingungen und der übrigen Verbraucherinformationen widersprechen. Zur Wahrung dieser Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs.“

In den ausgehändigten Verbraucherinformationen der Beklagten findet unter Nummer 6 folgende Widerspruchsbelehrung statt:

„6. Wie können Sie ihrem Vertrag widersprechen?

Sie können innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt des Versicherungsscheins ihren Versicherungsvertrag widersprechen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs an den Versicherer. Bei Widerspruch werden wir ihnen die geleisteten Beiträge zurückzahlen. Das Recht entfällt in jedem Jahr ein Jahr nach Zahlung des ersten Beitrages.“ (Bedingungsheft der Beklagten vorgelegt als Anlage B2).

Der Kläger ließ mit jeweils gleichlautenden Schreiben vom 26.09.2011 (Anlagen K 3a und 3b):

„(…) Den Widerspruch gemäß § 5 a VVG a.F. bzw. den Widerspruch nach § 8 VVG bzw. den Widerruf nach § 355 BGB höchst vorsorglich die Anfechtung nach § 119 I BGB, hilfsweise die Kündigung (…)“

erklären.

Nach Abrechnung des Rückkaufswertes und Auszahlung der ermittelten Beträge an den Kläger mit Schreiben der Beklagten vom 02.09.2011 erklärte der Kläger nochmals mit Schreiben vom 29.09.2011 bzw. 06.10.2011 vorsorglich den Widerspruch zum jeweiligen Vertragsschluss und forderte die Beklagte – jeweils vergeblich – auf, die Differenz zwischen dem erstatteten Rückkaufswert und der Summe aller Beitragszahlungen zuzüglich Zinsen und Kontokosten zu zahlen.

Mit Schreiben vom 29.09.2011 teilte die Beklagte zur fondgebundenen Rentenversicherung den „Stornoabzug“ in Höhe von EUR 426,96 ergänzend mit (Anlage BLD10).

Der Kläger meint, er habe aufgrund seines Widerspruchs Anspruch auf Rückzahlung aller eingezahlten Prämien nebst Zinsen auf alle Prämien. Den genauen Betrag errechnet er wie folgt:

Summe Klageforderung: 16.561,83 € + 7.311,50 € = 23.873,33 €

Vertragsnummer: DE… – DE…

Summe aller eingezahlten Prämien:     25.200,00 € + 9.639,00 € = 34.839,00 €

Rückkaufswert: 17.463,42 € + 5.269,55 € = 22.733,27 €

Differenz: 7.736,28 € + 4.369,45 € = 12.105,73 €

Zinsen auf alle Prämien: 8.825,55 € + 2.942,05 € = 11.767,60 €

Die Klägerseite ist in erster Linie der Auffassung, dass ein Vertragsschluss nach dem sogenannten Policenmodell wegen Verstoßes gegen höherrangiges EU-Recht nichtig sei. Aus dem gleichen Grund sei auch die Vorschrift des § 5 a II S. 4 VVG a.F. nicht anzuwenden mit der Folge, dass dem Kläger ein zeitlich unbefristetes Widerspruchsrecht zustehe.

Jedenfalls aber habe er – aufgrund der neuen Rechtsprechung des BGH zur Unwirksamkeit von Klauseln, die vorsehen, dass die Abschlusskosten im Wege des sogenannten Zillmerverfahrens mit den ersten Beiträgen des Versicherungsnehmers verrechnet werden, insbesondere dem Urteil des BGH vom 25.07.2012, IV ZR 201/10 – einen Anspruch auf Auskunft über die Höhe des vorhandenen Fondvermögens zum Zeitpunkt der Beendigung der Verträge sowie über die Höhe der abgezogenen Stornokosten und über die Höhe der ungezillmerten Abschlusskosten, die bis zum Zeitpunkt der Vertragsbeendigung entstanden wären, weil er insoweit einen ergänzenden Zahlungsanspruch habe.

Der Kläger beantragt daher in der Hauptsache:

1. Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger 23.873,33 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.08.2011 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Rechtsanwaltskosten für die außergerichtliche Tätigkeit in Höhe von 2.388,81 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen,

und hierzu hilfsweise:

3. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft

a) über das jeweils zum Zeitpunkt der Kündigungen am 30.08.2011 und am 29.08.2011 vorhandene Fondsvermögen ohne Verrechnung von Abschlusskosten

b) zugleich über die Höhe der abgezogenen Stornokosten

sowie

c) über die ungezillmerten Abschlusskosten, die bis zum  Zeitpunkt der Vertragsbeendigung entstanden wären,

zu den Verträgen mit den Versicherungsnummern DE25011347 und DE20014989 zu erteilen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, die von ihr erteilten Auskünfte durch die Vorlage entsprechender Unterlagen zu belegen und gegebenenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskünfte an Eides statt zu versichern.

5. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen weitergehenden Rückkaufswert in einer nach Erteilung der Auskunft noch zu bestimmenden Höhe nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.08.2011 bzw. 29.08.2011 zu zahlen.

Nachdem die Beklagte mit ihrer Klageerwiderung – ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht – dem Kläger die jeweiligen Mindestrückkaufswerte durch Bekanntgabe der Hälfte des ungezillmerten Fondvermögens der jeweiligen Versicherungen zum Zeitpunkt der Kündigungen mitgeteilt hat (für die Versicherung mit der Nummer DE … in Höhe von EUR 10.640,20 und für die Versicherung DE … in Höhe von EUR 3.977,60) sowie den einbehaltenen Stornoabzug zum Zeitpunkt der Kündigung für den Vertrag DE … in Höhe von EUR 534,66 und für den Vertrag DE … – nochmals im Anschluss an das Schreiben vom 29.09.2011 (Anlage DE10) – in Höhe von EUR 426,96 mitgeteilt hatte (Seite 19 der Klageerwiderung, Bl. 48 d.A.) und hierauf dann auch den hieraus zu errechnenden Betrag von EUR 961,62 nebst den Zinsen hieraus an die Klägerseite ausbezahlt hatte, erklärte der Kläger den Zahlungsantrag nach Ziffer 1 in dieser Höhe (EUR 961,62) für erledigt.

Die Beklagte, stimmte dieser Teilerledigterklärung zu und beantragt im Übrigen die Klage abzuweisen.

Sie meint, ein weiterer Auskunftsanspruch (bezüglich der Höhe der ungezillmerten Abschlusskosten, die bis zum Zeitpunkt der Vertragsbeendigungen entstanden wären sowie gegebenenfalls weiterer Stornokosten) stünden der Klägerseite bereits deshalb nicht zu, weil ihr insoweit auch kein weiterer Zahlungsanspruch zustehen würde, dem eine weitere Auskunft weiterhelfen könnte. Denn – wie sich aus der erteilten Auskunft über die Höhe des ungezillmerten Fondvermögens zum Zeitpunkt der Kündigungen ergäbe – habe die Beklagte bereits mehr an die Klägerseite ausgezahlt als die Hälfte des ungezillmerten Fondvermögens betragen würde; nämlich zum Vertrag DE25011347 EUR 17.364,72 sowie zum Vertrag DE20014989 EUR 5,269,55.

Ferner sei, entgegen der Ansicht der Klägerseite, der Vertrag nicht durch Widerspruch beendet worden, weil bereits der Kläger über sein Widerspruchsrecht nach § 5 a I VVG a.F. ordnungsgemäß belehrt worden und diese Frist verstrichen sei, und die obergerichtliche Rechtsprechung, trotz der Vorlageentscheidung des BGH mit Beschluss vom 28.03.2012 an den EuGH, von einer Europarechtskonformität von § 5 a II S. 4 VVG a.F. ausginge, aber auch bei Annahme einer Europarechtswidrigkeit des § 5 a II S. 4 VVG a.F. keine Auslegung contra legem in Betracht käme und vorliegend die Klägerseite ihr Widerspruchsrecht verwirkt habe, weil neben dem Zeitablauf auch die problemlose Vertragserfüllung über etwa 7 Jahre allein bereits ein ausreichendes Umstandsmoment darstelle, ohne dass es auf einen sonstigen Bestätigungsakt der Klägerseite zu dem Versicherungsverhältnis (wie beispielsweise Beleihung desselben und Abtretung des Vertragsanspruchs als Sicherheit, oder eine vor Widerspruch erklärte Kündigung, oder die turnusmäßige Inanspruchnahme einer Dynamik) ankäme und eine erfolgte Kündigung einen Widerspruch ausschließe und dies auch für den vorliegenden Fall gelte, indem die Kündigung erst zeitgleich und hilfsweise zum Widerspruch erfolgte, weil die Beklagte ausdrücklich nur die Kündigung akzeptiert habe und schließlich auch der Klägerseite kein Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 280,241,311 BGB bzw. aus den Grundsätzen der culpa in contrahendo zur Seite stehe, weil die Vorschrift des § 5 a VVG a.F. insoweit eine abschließende Regelung getroffen habe.

Zum weiteren Parteivorbringen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten und zur Akte genommenen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die jeweils zulässigen Haupt- und Hilfsanträge sind jeweils unbegründet.

I.

Zum Hauptantrag:

Ein Bereicherungsanspruch des Klägers auf Rückzahlung der auf die jeweils fondgedeckten Lebens- bzw. Rentenversicherung bei der Beklagten geleisteten Beiträge aus § 812 I S. 1 BGB ist nicht gegeben, weil die streitgegenständliche Versicherungsverträge aufgrund des Antrags des Klägers und der Annahme der Beklagten, durch unstreitige Übersendung des Versicherungsscheins gemäß § 5 a I S. 1 VVG a.F. – zunächst schwebend unwirksam – geschlossen wurden und der Kläger unstreitig nicht innerhalb eines Jahres nach Zahlung der ersten Prämie widersprochen hat und die Verträge mit Anwaltschreiben vom 26.07.2011 (vergleiche Anlage K3a und 3b) nicht mehr widerrufen werden konnten. Denn dem Widerspruchsrecht der Klagepartei stehen Verwirkungsgesichtspunkte nach § 242 BGB entgegen. Damit sind auch bereicherungsrechtliche Ansprüche auf Zinsen und Nutzungsentschädigungen sowie ein Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten – mit Ausnahme des Anteils, der auf den übereinstimmend für erledigt erklärten Teil der Klageforderung entfällt – nicht gegeben.

1.

Der Abschluss eines Versicherungsvertrages nach § 5 a I VVG a.F. in der Form des Policenmodells (Übersendung der notwendigen Informationen erst mit der Versicherungspolice) ist im Anwendungszeitraum dieser Vorschrift möglich und – sofern kein Widerspruch erhoben wurde – wirksam.

Die Regelung des § 5 a I S. 1 VVG a.F., wonach der Versicherungsvertrag auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Versicherungsinhalt maßgeblichen Informationen als geschlossen gilt, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassung dieser Unterlagen in Textform widerspricht, entspricht den Vorgaben des Art. 31 I der Richtlinie 92/96/EWG, nach der vor Abschluss des Versicherungsvertrages dem Versicherungsnehmer mindestens die im Anhang II A der in der Richtlinie aufgeführten Angaben mitzuteilen sind. Aus dem Umstand, dass die Widerrufslast beim Versicherungsnehmer liegt, folgt nichts Gegenteiliges (vergleiche hierzu OLG München vom 10.10.2013, 14 U 1804/13 Rdnr. 36 ff. nebst der dort angegebenen weiteren Rechtsprechung hierzu).

2.

Entgegen der Ansicht der Beklagten sind die streitgegenständlichen Versicherungsverträge jedoch nicht bereits wegen Ablauf der Widerspruchsfrist gem. § 5 a I S. 1 VVG a.F. (zwei Wochen) wirksam geworden. Denn die danach vorgeschriebene Belehrung über das Widerspruchsrechts bei Aushändigung des Versicherungsscheines in drucktechnisch deutlicher Form ist jeweils nur unzureichend erfolgt.

a)

So sind diese Hinweise zwar fettgedruckt ausgestaltet, aber im fortlaufenden, nahtlosen Zusammenhang mit anderen ebenfalls fettgedruckten Hinweisen, so dass diese Hinweise nicht mehr „in drucktechnisch deutlicher Form“ abgehoben und damit für den Betrachter herausstechend sind, was aber gem. § 5 a II S. 1 VVG a.F. notwendig gewesen wäre (vergleiche hierzu OLG München vom 20.06.2013, 14 U 103/13, Rdnr. 20).

b)

Ferner ist in der Belehrung kein Hinweis auf die Form der Widerspruchseinlegung „in Textform“ enthalten, was ebenfalls gem. § 5 a I S. 1 VVG a.F. notwendig gewesen wäre (vergleiche hierzu OLG München vom 20.06.2013, 14 U 103/13 Rdnr. 20 ff sowie OLG München vom 10.10.2013, 14 U 1804/13, Rdnr. 38, wo selbst ein Hinweis auf die Form der „Schriftlichkeit“ nicht als ausreichend zur Erfüllung des Hinweises auf die eigentlich ausreichende „Textform“ erachtet wurde).

3.

Nach der Entscheidung des EuGH, Urteil vom 19.12.2013, C-209/12, steht die Regelung des § 5 a II S. 4 VVG a.F. nicht im Einklang mit dem Europarecht.

Ob diese Norm, trotz Europarechtswidrigkeit, vorliegend anzuwenden wäre (vergleiche OLG München vom 20.06.2013, 14 U 103/13 sowie vom 10.10.2013, 14 U 1804/13, Rdnr. 59 – wegen fehlender unmittelbarer horizontaler Wirkung von Richtlinien zwischen Privaten), kann dahingestellt bleiben, weil die Klagepartei vorliegend ihr Widerspruchsrecht verwirkt hat (§242 BGB) bzw. überwiegende Gesichtspunkte nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) einer Ausübung des Widerspruchsrechts durch den Versicherungsnehmer, nach vorangegangener mehrjähriger beanstandungsloser Vertragsdurchführung,  entgegenstehen.

4.

Die Klägerseite hat in den streitgegenständlichen Fällen ihr etwaiges Widerspruchsrecht, unter den konkreten vorliegend gegebenen Umstände des Einzelfalles, verwirkt.

Die Verträge sind vorliegend beanstandungslos von Juli/Oktober 2004 bis zum 26.07.2011 geführt worden.

a)

Ein Recht ist dann verwirkt, wenn der Berechtigte es über einen längeren Zeitraum hindurch nicht geltend gemacht hat, der Verpflichtete sich hierauf eingerichtet hat und sich auch hierauf einrichten durfte, weil er nach dem Verhalten des Berechtigten annehmen konnte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde (vergleiche etwa BGHZ 84, 280, 281; BGH NJW 2008, 2254; Palandt, 72. Aufl., § 242 Rdnr. 87).

Sinn und Zweck des zeitlich befristeten Widerspruchsrechts nach § 5 a VVG a.F. war es, dem Versicherungsnehmer eine Überlegungsfrist einzuräumen und es ihm zu ermöglichen, sich von einem gegebenenfalls übereilt getroffenen Entschluss, sich vertraglich gegenüber einem Versicherer zu binden, ohne Angabe von Gründen wieder lösen zu können.

Die Klägerseite hat hier aber nach Vertragsbeginn über die gesamt Vertragslaufzeit von ca. 7 Jahre hinweg beanstandungslos die vereinbarten Prämien gezahlt und hat dadurch zu erkennen gegeben, dass sie an dem Vertrag festhalten will. Darauf durfte sich die Beklagte einrichten.

Der Umstand, dass dei Klägerseite von ihrem Widerspruchsrecht keine Kenntnis gehabt hatte, steht dem nicht entgegen. Die Verwirkung kann auch eintreten, wenn der Berechtigte von seinem (Widerspruchs-) Recht keine Kenntnis hat. Es genügt, dass der Berechtigte Kenntnis hätte haben können, es sei denn der Verpflichtete (die Beklagte) hätte den Anspruch des Klägers auf Widerspruch treuwidrig verheimlicht (vergleiche Palandt, a.a.O., § 242, Rdnr. 97).

Vorliegend hatte bei objektiver Betrachtung weder der Kläger noch die Beklagte Kenntnis von einer eventuell bestehenden Unwirksamkeit der Widerspruchs-Ausschlussfrist des § 5 a II S. 4 VVG a.F.

aa)

Bei einer solchen Konstellation, sind weitere Billigkeitsgesichtspunkte im Rahmen des Verwirkungstatbestandes nach § 242 BGB ausschlaggebend. Diese ergeben sich vorliegend aus dem Versicherungsvertragsverhältnis selbst.

Wollte man dem Versicherungsnehmer bei unterbliebener bzw. vom Versicherer auch aufgrund des Zeitablaufs ggf. nun nicht mehr beweisbare Belehrung über das Widerspruchsrecht eine zeitlich unbegrenzte Widerspruchsmöglichkeit zugestehen, könnte der Versicherungsnehmer quasi kostenlosen Versicherungsschutz in  Anspruch nehmen. Tritt der Versicherungsfall während der Vertragslaufzeit ein, entscheidet man sich für die Inanspruchnahme der Leistungen; falls nicht, entscheidet man sich für den Widerspruch nach durch Kündigung erfolgter Vertragsbeendigung. Nach dieser „Rosinentheorie“ erhält der Versicherungsnehmer lediglich Vorteile, der Versicherer nur die Nachteile, was zu einem massiven Ungleichgewicht der beiderseitigen Leistungspflichten führt (OLG Celle vom 02.02.2012, 8 U 125/11 Rn 47, zitiert nach JURIS; LG Bielefeld v. 02.03.2011, 5 O 173/10; LG Hamburg v. 23.12.2010, 306 O 208/10; AG Braunschweig v. 09.02.2011, 115 C 1928/19).

Zwar mag das Risiko einer unzureichenden oder nicht nachgewiesenen Widerspruchsbelehrung (allein) beim Versicherer liegen, aber nicht das Risiko einer unwirksamen gesetzlichen Regelung, die ein „ewiges“ Widerspruchsrecht zu Lasten des Versicherers zur Folge hat. Dieses Risiko ist vielmehr nach Billigkeitsgesichtspunkten angemessen auf beide Vertragsteile zu verteilen, und führt in der Bewertung nach § 242 BGB zu einer Berücksichtigung zugunsten des Versicherers, wenn dieser bis zur Beendigung des Vertragsverhältnisses durch Kündigung bedingungsgemäßen Versicherungsschutz gewährt hat (vergleiche LG Dresden vom 11.07.2012, 8 S 588/11, derzeit: BGH IV ZR 248/12; LG Köln vom 13.02.2013, 26 S 8/12, Rdnr. 23ff, Juris, im Revisionsverfahren IV ZR 114/13 allerdings nicht anhängig gemacht, vergleiche BGH vom 11.09.2013, IV ZR 114/13, Juris).

bb)

Die Kammer hält ferner die vom OLG Karlsruhe in seinem Urteil vom 19.02.2013, 12 U 151/12, aufgeführten Aspekte des „gelebten Vertrages“ nach §242 BGB auch auf den vorliegenden Fall übertragbar. Sie stellen auch Gesichtspunkte dar, die im weiteren Sinne als „Verwirkungsgesichtspunkte“ angesehen werden können.

Die Kammer hält diese auch auf die vorliegend streitgegenständlichen Fälle übertragbar, auch wenn diesen nicht eine Kündigungserklärung des Versicherungsnehmers zeitlich vor dem erklärten Widerruf vorausgegangen ist und auch weitere Aspekte einer „bewussten Vertragsbestätigung“ durch den Versicherungsnehmer vor dessen Widerrufserklärung (wie beispielsweise die Verwendung des Versicherungsvertrages als Sicherheit für ein Darlehen und dessen Sicherungsabtretung an die finanzierende Bank oder die Wahrnehmung einer in dem Vertrag vorgesehenen Dynamik durch turnusmäßige Erhöhung der Versicherungsbeiträge) vorliegend nicht gegeben sind.

b)

Ausschlaggebend sind in dieser Beurteilung der wechselseitigen Interessen nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB letztlich – nach Auffassung der Kammer – die Grundgedanken des Versicherungsverhältnisses,  insbesondere das Prinzip der Solidargemeinschaft. Es widerspricht dem – auch und gerade – im Versicherungsvertragsverhältnis herrschenden Grundsatz von Treu und Glauben, einerseits den Versicherungsschutz über längere Zeit in Anspruch zu nehmen, um sich dann nach Jahren folgenlos (auf Kosten der verbliebenen Versicherungsnehmer, die eine geringere Überschussbeteiligung o.ä. erhalten) davon lösen zu können.

Insbesondere widerspricht dem Grundsatz von Treu und Glauben, einseitig nur die Interessen der (aus welchen Gründen auch immer) ausscheidenden Versicherungsnehmer (wobei auch nicht alle den „Widerrufs- und Prozessweg“ – aus welchen Gründen auch immer – beschreiten) auf Kosten der verbleibenden Versicherungsnehmer zu optimieren.

Wenn dies auch als „Sanktion“ des Versicherers für die nicht erfolgte Aufklärung bei Vertragsabschluss hinnehmbar sein könnte, sofern man nur die beiden Vertragspartner im Auge hat, so bleibt hierbei unberücksichtigt, dass Versicherungen auf dem Prinzip der Solidargemeinschaft der Versicherten beruhen und damit der

„eigentliche Interessengegensatz (…) hier nicht zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer, sondern zwischen den Interessen der den Vertrag nicht zu Ende führenden Versicherungsnehmer einerseits und den Interessen derer, die an ihrem Auftrag festhalten, andererseits“ (bestehe). Beiden komme angesichts der zahlenmäßig ungefähr gleichen Größe beider Gruppen auch gleiches Gewicht zu“ (vgl. OLG München vom 10.10.2013, 14 U 1804/13 Rdnr. 47 unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 12.10.2005, IV ZR 162/03, RN 58 ff., Juris, dieser unter Hinweis auf die Entscheidung des BVerfG vom 27.07.2005, 1 BvR 80/95, RN 95, Juris).

Danach ist der Gesichtspunkt der „Solidargemeinschaft der Versicherten“ auch in dem privatrechtlich organisierten Versicherungsverhältnis in der Interessenabwägung der Vertragspartner entscheidend; so stellt das BVerfG  fest:

„Allerdings ist der Gesetzgeber gehindert, die Feststellung des Schlussüberschusses ausschließlich am Interesse der oder eines einzelnen Versicherten oder gar an dem Interesse eines aus dem Versicherungsverhältnis Ausscheidenden an der Optimierung der an ihn auszukehrenden Leistungen auszurichten. Dies widerspräche dem für das Versicherungsrecht typischen Grundgedanken einer Risikogemeinschaft und damit des Ausgleichs der verschiedenen, weder im Zeitablauf noch hinsichtlich des Gegenstands stets identischen Interessen der Beteiligten. (…)“, BVerfG vom 27.07.2005, 1 BvR 80/95, RN 95, Juris.

Wenn aber der Gesetzgeber diesen Umstand im Rahmen der Gesetzgebung zu berücksichtigen hat, so kommt dem auch im Rahmen der Beurteilung der Gesichtspunkte nach § 242 BGB entsprechende Bedeutung zu.

5.

a)

Ein Anspruch der Klägerseite auf Schadensersatz gem. § 280 BGB bzw. den Grundsätzen der culpa in contrahendo, wegen Verletzung der Pflicht zur ordnungsgemäßen Belehrung über das Widerspruchsrecht, scheitert bereits daran, dass ein solcher Anspruch durch die Regelung des § 5 a II S. 4 VVG a.F. ausgeschlossen ist.

Der Gesetzgeber hat durch diese Regelung zum Ausdruck gebracht, dass Mängel der Widerspruchsbelehrung folgenlos bleiben sollen, wenn ein Versicherungsnehmer binnen eines Jahres nach Zahlung der ersten Prämie keinen Widerspruch erklärt. Andernfalls würde das gesetzlich vorgesehene Erlöschen des Widerspruchsrechts, trotz mangelhafter Belehrung, ein Jahr nach Zahlung der Erstprämie ins Leere laufen, wenn der Kläger, trotz Ablaufs dieser Frist, im Wege des (negativen) Schadensersatzes verlangen könnte, so gestellt zu werden, wie wenn er den Vertrag nicht abgeschlossen hätte (vergleiche OLG München a.a.O., Rdnr. 60 unter Hinweis auf Prölls/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, § 5 a VVG, Rdnr. 72).

Darüber hinaus ist nicht dargetan, was der Kläger bei einer – unterstellt – anderen und umfänglicheren Belehrung tatsächlich anders gemacht hätte. Es ist insbesondere weder substantiiert behauptet noch sonst ersichtlich, dass der Kläger andernfalls eine andere oder gar keine Versicherung abgeschlossen hätte. Hiergegen spricht schon die jahrelange beanstandungslose Fortführung des Vertrages.

b)

Ein Widerrufsrecht nach dem Verbraucherkreditgesetz besteht schon deshalb nicht, weil der Kläger entgegen dem ausdrücklichen Vortrag der Beklagten nicht dargelegt hat, dass die Beklagte im streitgegenständlichen Vertrag Ratenzahlungszuschläge erhoben hätte.

Zudem geht die Rechtsprechung selbst dann (Ratenzahlungszuschläge unterstellt) nicht von einem entgeltlichen Zahlungsaufschub aus (vgl. BGH vom 06.02.2013, IV ZR 230/12, Juris; OLG Stuttgart, Beschluss vom 31.01.2011, 7 U 199/10, Juris; OLG Dresden, Urteil vom 12.06.2013, 7 U 1825/12).

II.

Zum Hilfsantrag der Stufenklage:

Die Anträge auf Auskunftserteilung wurden insgesamt aufrecht erhalten und trotz der von der Beklagten während des Verfahrens erteilten Auskunft auch nicht teilweise für erledigt erklärt.

Die Anträge auf Auskunftserteilung sind jedoch unbegründet, weil sie zum Teil durch Auskunftserteilung während des Verfahrens erfüllt wurden (§ 362 BGB) und zum anderen Teil der ihnen vorgehende Zahlungsanspruch bereits vor oder während des Verfahrens vollständig erfüllt worden war und kein weitergehender Zahlungsanspruch substantiiert dargelegt worden ist, wofür der Auskunftsanspruch als Hilfsanspruch desselben in Betracht kommen könnte (vergleiche hierzu Palandt, 73. Aufl., Rdnr. 4, 6 zu § 260 BGB; OLG Köln, Hinweisbeschluss vom 25.06.2010, 20 U 199/09, Rdnr. 3 ff, zitiert nach Juris).

1.

Der Auskunftsanspruch zu 3.a.), Auskunft zu erteilen,

„über das jeweils zum Zeitpunkt der Kündigungen am 30.08.2011 und am 29.08.2010 vorhandene Fondvermögen ohne Berechnung von Abschlusskosten“

ist durch die von der Beklagten hierüber mit Klageerwiderung vom 23.05.2013, Seite 29, Bl. 48 d.A., erteilten Auskunft erfüllt worden; der Auskunftsanspruch ist damit gem. § 362 S. 1 BGB erloschen.

Der kündigende Versicherungsnehmer hat Anspruch auf eine Mindestleistung in Höhe der Hälfte des ungezillmerten Deckungskapitals (vergleiche BGH, Urteil vom 12.10.2005, IV ZR 162/03, Rdnr. 62, zitiert nach Juris). Bei der fondgebundenen Lebensversicherung wird der Rückkaufswert durch die Hälfte des ungezillmerten Fondguthabens bestimmt (vergleiche BGH, Urteil vom 26.09.2007, IV ZR 321/054).

Die Beklagte hat mit Klageerwiderung für die Versicherung mit der Nummer DE25011347 mitgeteilt, dass zum Zeitpunkt der Kündigung die Hälfte des ungezillmerten Fondvermögens 10.640,20 EUR betragen habe. Damit liegt dieser Betrag unterhalb der für diesen Betrag ausgezahlten EUR 17.463,72.

Ferner hat die Beklagte mit der Klageerwiderung für die Versicherung mit der Nummer DE20014898 mitgeteilt, dass das ungezillmerte Fondvermögen zum Zeitpunkt der Kündigung EUR 3.977,60 betragen habe. Damit lag dieses ebenfalls unterhalb der von der Beklagten bereits ausgezahlten EUR 5.269,55.

Die Klägerseite hat die Richtigkeit dieser Mitteilung über die Höhe des ungezillmerten Fondguthabens nicht angegriffen, insbesondere nicht die Richtigkeit der Berechnung bestritten.

Damit aber ist der Auskunftsanspruch bereits durch diese Auskunftserteilung erfüllt. Ein weitergehender Anspruch ist weder geltend gemacht noch ersichtlich.

2.

Zum Auskunftsantrag unter 3 b,

„Auskunft zugleich über die Höhe der abgezogenen Stornokosten zu erteilen“:

Mit Klageerwiderung hat die Beklagte auch über die Höhe der abgezogenen Stornokosten – teilweise – Auskunft erteilt, indem sie zum Vertrag mit der Nummer DE … mitgeteilt hat, dass zum Zeitpunkt der Kündigung ein Stornoabzug in Höhe von EUR 534,66 und zum Vertrag mit der Nummer DE … (wie bereits zuvor mit Schreiben vom 29.09.2011, Anlage BLD 10) mitgeteilt, ein Stornoabzug von EUR 426,96 einbehalten worden war.

Auch in Anbetracht dieser nur teilweisen Auskunftserteilung besteht jedoch gleichwohl kein weiterer Auskunftsanspruch des Klägers mehr, weil dem Kläger jedenfalls kein über den von der Beklagten an ihn bereits ausbezahlten Beträgen von

zum Vertrag DE…: 17.463,72 EUR

sowie 534,66 EUR

nebst Zinsen hieraus und

zum Vertrag DE…: 5.269,55 EUR

und 426,96 EUR

nebst Zinsen hieraus

ausbezahlt worden sind und diese Beträge jeweils mehr als die Hälfte des ungezillmerten Fondvermögens von EUR 10.640,20 (DE …) bzw. von EUR 3.977,60 (DE …) ausmachen.

Denn der Kläger hat keinen weitergehenden Anspruch auf Erstattung eines – über die Hälfte des ungezillmerten – Fondvermögens hinausgehenden Rückkaufswertes.

Mit anderen Worten ist die Beklagte also berechtigt, die die vom Kläger gekündigten Verträge betreffenden Vertragsabschlusskosten dem Kläger in Rechnung zu stellen, soweit dadurch ein Mindestwert von 50 % des nicht um diese Kosten geminderten Deckungskapitals nicht unterschritten wird. Daran hat sich die Beklagte gehalten.

Entgegen der Ansicht des Klägers ist dem Urteil des BGH vom 25.07.2012, IV ZR 201/10 nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Der Kläger trägt dem widersprechende Gesichtspunkte weder substantiiert vor noch sind solche sonst ersichtlich.

Mit der hierzu – soweit ersichtlich – ergangenen Rechtsprechung

– Kammergericht, 23.04.2013, 6 U 95/12, Anlage BLD 26,

– OLG-Schleswig Holstein, 07.02.2013, 16 U 72/12, Anlage BLD 27

– OLG Köln, 21.12.2012, 20 U 133/12, Anlage BLD 28

– OLG Naumburg, 14.02.2013, 4 U 63/12,

– OLG Karlsruhe, 20.12.2012, 12 U 42/12, zitiert nach Juris

– LG Köln vom 13.02.2013, 26 S 8/12 und hierzu ergangen

– BGH, 11.09.2013, IV ZR 114/13, Rz 22,

geht die Kammer davon aus, dass für die Zeit vor dem 01. Januar 2008 die vom BGH entwickelte (insbesondere mit der Entscheidung des BGH vom 12.10.2005, IV ZR 162/03, Tz 54 ff.; BGH vom 25.07.2012, IV ZR 201/10) und vom Bundesverfassungsgericht (1 BvR 1317/96, NJW 2006, 1783, Fn. 75ff, Juris) gebilligte Rechtsprechung zur Abrechnung, auf der Grundlage der Hälfte des ungezillmerten Deckungskapitals als Mindestbetrag, generelle Geltung hat, ohne dass es darauf ankommt, wann die Verträge geschlossen wurden und aus welchem Grund die Klausel über die Abschlusskostenverrechnung unwirksam ist (so BGH vom 11.09.2013, IV ZR 114/13, Tz 22).

Dem Versicherungsnehmer steht nach dieser Rechtsprechung grundsätzlich ein Mindestrückkaufswert in Höhe von 50 % des ungezillmerten Deckungskapitals zu, wenn dieser höher ist als der nach den Versicherungsbedingungen errechnete Rückkaufswert (BGH, Urteil vom 12.10.2005, IV ZR 162/03, Rn. 51, Juris).

Zudem kann ihm auch ein höherer Rückkaufswert zustehen, wenn sich dieser aus den Versicherungsbedingungen ergibt. Die Darlegungs- und Beweislast für einen solchen nach den Versicherungsbedingungen zu errechnenden höheren Rückkaufswert hat der Versicherungsnehmer, wenn der Versicherer substantiiert Abrechnung zum Rückkaufswert vorgelegt hat.

Vorliegend hat der Kläger einen bereits diesen Mindestrückkaufswert übersteigenden Betrag erhalten, zwar zunächst unter Berücksichtigung eines Stornoabzuges, den die Versicherung allerdings zwischenzeitlich ebenfalls ermittelt und an den Kläger ausgezahlt hat.

Aufgabe des Klägers wäre es nun gewesen, einen ihm nach den Versicherungsbedingungen zustehenden (höheren) Rückkaufswert zu errechnen, der diese Auszahlungssumme noch übersteigt. Denn wenn er nach den vereinbarten Bedingungen zum Beendigungszeitpunkt des Vertrages durch Kündigung einen über den Mindestrückkaufswert übersteigenden Anspruch hat, so steht ihm – vereinbarungsgemäß – auch dieser zu.

Demgegenüber geht die Berechnung des Klägers in seiner Klageschrift (schlicht) davon aus, dass ihm nicht nur (mindestens) die Hälfte, sondern das gesamte ungezillmerte Deckungskapital als Rückkaufswert zusteht, was indes nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht der Fall ist.

3.

Zum Anspruch auf Auskunftserteilung unter Ziffer 3 c

„über die ungezillmerten Abschlusskosten, die bis zum Zeitpunkt der Vertragsbeendigung entstanden wären“:

Hierzu gelten die gleichen Ausführungen wie vorstehend.

Nachdem der Kläger von der Beklagten jeweils mehr als die Hälfte des ungezillmerten Fondvermögens ausbezahlt bekommen hat, nebst während des Prozesses auch die bis zum Zeitpunkt der Kündigung einbehaltenen Stornoabzüge nebst Zinsen ist ein weitergehender Zahlungsanspruch des Klägers weder ersichtlich noch von der Klägerseite substantiiert vorgetragen (unter Berechnung eines höheren Rückkaufswertes zum Kündigungszeitpunkt nach den vereinbarten Bedingungen).

III.

Der Kläger hat Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Kosten, berechnet aus einem Streitwert von EUR 961,62 unter Ansetzung einer 1,3 Gebühr, gemäß §§ 284, 286, 288; 280 BGB.

Dem Kläger stand ein Anspruch auf Auskunft über die bis zum Zeitpunkt der Kündigung einbehaltenen Stornoabzüge, welche dann während des Prozesses von der Beklagten in Höhe von EUR 961,62 mitgeteilt und ausbezahlt worden sind, zu. Denn nach der Entscheidung des BGH vom 26.06.2013, IV ZR 39/10 ist der Mindestrückkaufswert nach der Hälfte des ungezillmerten Deckungskapitals ohne Berücksichtigung von Abschlusskosten zu berechnen, weil der Versicherer insoweit auch nicht zu einer ratierlichen Verrechnung von Abschlusskosten berechtigt ist.

Die Beklagte befand sich auch in Verzug.

Eine 1,3 Geschäftsgebühr (§§ 13, 14 RVG, Nr. 2300 VV RVG) aus dem Geschäftswert von € 961,62 beträgt € 110,50, zuzüglich Auslagenpauschale sind dies € 130,50, zuzüglich 19% USt ergeben dies € 155,30.

Entgegen der Ansicht der Klägerseite besteht vorliegend kein Anlass zu einer Erhöhung des Gebührensatzes auf 1,9,. Weder Umfang noch Schwierigkeit liegen über dem Durchschnitt. Allein das bausteinmäßige Aufwerfen von Rechtsfragen macht eine Sache nicht überdurchschnittlich umfangreich oder schwierig (vergleiche OLG Stuttgart vom 23.12.2010, 7 U 187/10).

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 91 a,92 II Nr. 1 ZPO.

Hinsichtlich der übereinstimmenden Teilerledigterklärungen über den Betrag von insgesamt EUR 961,62 war über die Kosten des Rechtsstreits insoweit gem. § 91 a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Hiernach hätte die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, weil sie zur Auskunftserteilung über die einbehaltenen Stornoabzüge zu verurteilen gewesen wäre. Denn nach der Entscheidung des BGH vom 26.06.2013, IV ZR 39/10 ist der Mindestrückkaufswert nach der Hälfte des ungezillmerten Deckungskapitals ohne Berücksichtigung von Abschlusskosten zu berechnen, weil der Versicherer insoweit auch nicht zu einer ratierlichen Verrechnung von Abschlusskosten berechtigt ist.

Die hieraus resultierende Kostenlast der Beklagten ist allerdings nur verhältnismäßig geringfügig im Sinne des § 92 II Nr. 1 ZPO und rechtfertigt damit eine Auferlegung der Prozesskosten auf die Klägerseite insgesamt gemäß § 92 II Nr. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709S.1, 2 ZPO.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes hat ihre Rechtsgrundlage in § 3 ZPO in Verbindung mit dem Klageantrag.

 

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