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Krankheitskostenversicherung – intensitätsmodulierte Strahlentherapie

LG Düsseldorf – Az.: 9 O 201/15 – Urteil vom 29.05.2018

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine private Krankenversicherung. Er wurde durch Professor Dr. I wegen eines Parotistumors behandelt. Über die Behandlung verhält sich die aus Anlage K 2 ersichtliche Rechnung vom 20. Juli 2014 über insgesamt 14.744,53 EUR. Mit der Rechnung werden intensitätsmodulierte Strahlentherapien an 33 Tagen berechnet und zwar jeweils mit Nummer 5855 GOÄ. Die Beklagte erstattete die Rechnung nur bis auf den hier streitigen Betrag von 8.784,16 EUR. Sie übernahm von den 33 Sitzungen 15, meint allerdings, dass sie auch insoweit keine Rechtspflicht zur Erstattung getroffen habe.

Die Parteien streiten darüber, ob die Berechnung nach Nummer 5855 GOÄ richtig ist, insbesondere die Voraussetzungen nach § 6 Abs. 2 GOÄ vorliegen, also die intensitätsmodulierte Strahlentherapie einer intraoperativen Strahlenbestrahlung mit Elektronen nach Art, Kosten und Zeitaufwand gleichwertig ist.

Der Kläger meint, dass die Voraussetzungen nach § 6 Abs. 2 GOÄ gegeben seien. Er bezieht sich insbesondere auf eine als Anlage K 5 vorgelegte Stellungnahme der Ärztekammer Nordrhein sowie auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17. September 2012 – 12 K …/….

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 8.784,16 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. Dezember 2014 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, ihn von der Zahlung weiterer 808,13 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die Prozessbevollmächtigten, die Rechtsanwälte N, freizustellen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie meint, die intensitätsmodulierte Strahlentherapie sei nach Art, Kosten und Zeitaufwand der fraktionierten stereotaktischen Präzisionsbestrahlung mittels Linearbeschleuniger am Körperstamm vergleichbar und dementsprechend abzurechnen wie auf Blatt 6 unten der Klageerwiderung wiedergegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst den diesen beigefügten Anlagen verwiesen.

Die Kammer hat Beweis durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Privatdozent Dr. H, Berlin, erhoben. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten vom 29. November 2017 (Bl. 226 ff. d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Beklagte ist zur Erstattung des vom Kläger geltend gemachten Betrages derzeit nicht verpflichtet. Sollte Professor Dr. I gegen den Kläger noch ein über die von der Beklagten geleistete Erstattung hinausgehender Vergütungsanspruch zustehen, so ist dieser mit einer Einrede behaftet.

Der Bundesgerichtshof hat zur Fälligkeit ärztlicher Vergütung ausgeführt, dass Fälligkeit gegeben sei, wenn die Rechnung die formellen Voraussetzungen in § 12 II bis IV GOÄ erfülle; die Fälligkeit werde nicht davon berührt, dass die Rechnung mit dem materiellen Gebührenrecht nicht übereinstimme (BGH, NJW-RR 2007, 494, beck-online). Andererseits gerate der Patient mit der Bezahlung der Rechnung nicht in Schuldnerverzug, solange ihm diese nicht zuvor berechnet worden ist. Denn unabhängig von dem Eintritt der Fälligkeit komme ein Zahlungspflichtiger nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibe, den er nicht zu vertreten habe (§ 286 IV BGB). Dem Zahlungspflichtigen obliege es nicht, eine ärztliche Gebührenrechnung unter dem Gesichtspunkt zu prüfen, ob der verlangte Betrag auch nach anderen Gebührenpositionen begründet sein könnte (BGH, NJW-RR 2007, 494, beck-online).

Steht dem Versicherungsnehmer im Verhältnis zum Arzt ein Leistungsverweigerungsrecht hinsichtlich der Vergütung zu, welches seinen Grund darin hat, dass er wegen der materiellen Unrichtigkeit der Rechnung nicht erkennen kann, welchen konkreten Betrag er dem Arzt schuldet, so sind die Voraussetzungen nach § 192 Abs. 1 VVG für die Erstattungspflicht des Versicherers im Umfang der fehlenden Erkennbarkeit nicht erfüllt. Denn aus der Rechtsnatur der Krankheitskostenversicherung als Passivenversicherung leitet sich ab, dass der Versicherer dem Versicherungsnehmer nur zum Ersatz derjenigen Kosten verpflichtet ist, die diesem in Bezug auf das versicherte Risiko zur Erfüllung von Verpflichtungen aus berechtigten Ansprüchen Dritter erwachsen sind (Langheid/Rixecker/Muschner VVG § 192 Rn. 4, beck-online). Unter berechtigten Ansprüchen versteht die Kammer solche, die frei von Einreden sind.

Im Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass die Arztrechnung vom 20. Juli 2014 materiell unrichtig ist. Dem Kläger steht im Anschluss an die oben zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs gegen den noch im Streit stehenden Vergütungsanteil des Professor Dr. I ein Leistungsverweigerungsrecht zu, da bislang nicht feststeht, ob die geltend gemachte Vergütung über die von der Beklagten geleistete Erstattung hinaus berechtigt ist.

Im Einzelnen gilt folgendes:

Nummer 5855 des Leistungsverzeichnisses bezeichnet die intraoperative Strahlenbehandlung mit Elektronen. Einigkeit besteht zwischen den Parteien dahin, dass die intensitätsmodulierte Strahlentherapie sich dem nicht unmittelbar zuordnen lässt.

Nach § 6 Abs. 2 GOÄ könnte allerdings dennoch eine Berechnung anlog Nummer 6855 GOÄ erfolgen, wenn die intensitätsmodulierte Strahlentherapie einer intraoperativen Strahlenbehandlung mit Elektronen nach Art, Kosten und Zeitaufwand gleichwertig wäre. Im Ergebnis lässt sich jedenfalls die Gleichwertigkeit nach Art nicht feststellen. Der Sachverständige hat beschrieben, dass bei der intraoperativen Strahlenbehandlung mit Elektronen es sich meist um eine einzige Behandlung mit deutlich höherer Dosis handele, welche nicht perkutan, sondern gezielt und relativ kleinvolumig direkt im Tumorbett, im Körperinneren, appliziert werde. Die intensitätsmodulierte Strahlentherapie hingegen sei ein perkutanes Verfahren, welches werktäglich und über mehrere Wochen durchgeführt werde. Mittels der intraoperativen Strahlenbehandlung könne das Tumorbett kleinvolumig behandelt werden, während mittels intensitätsmodulierter Strahlentherapie größere und komplex-geformte Zielvolumina hochkonformal abgedeckt werden könnten.

Die sich ergebende Schlussfolgerung, dass eine Vergleichbarkeit hinsichtlich der Art der Behandlung nicht bestehe, ist jedenfalls nicht von der Hand zu weisen. Im Schrifttum wird dazu ausgeführt, dass ein entscheidender Unterschied darin liege, dass die intraoperative Strahlenbehandlung in der Regel nur einmal durchgeführt werde, während sich die intensitätsmodulierte Strahlentherapie auf durchschnittlich 20 bis 40 Fraktionen verteile. Außerdem werde die intensitätsmodulierte Strahlentherapie im Laufe der Behandlung jeweils in identischer Form wiederholt, während es sich bei der intraoperativen Strahlentherapie grundsätzlich immer um eine individuell gestaltete Bestrahlungsleistung handele. Es biete sich deutlich eher an, die intensitätsmodulierte Strahlentherapie analog der fraktionierten stereotaktischen Präzisionsbestrahlung nach den Nummern A 5865 (für die Planung) und A 5866 (für die Durchführung) zu honorieren (Golder, Versicherungsmedizin 2014, 35, zitiert nach Juris). Auf diese Art der Berechnung hat bereits die Beklagte in ihrer Erwiderung vom 2.9.2015 (Bl. 6) hingewiesen.

Dem entspricht in Teilen wiederum die im Urteil des Landgerichts Lübeck vom 15. November 2017 – 4 O 92/16 – wiedergegebene Stellungnahme des dort beauftragten Sachverständigen, der ebenfalls angegeben hat, dass keine Vergleichbarkeit zwischen der intraoperativen Strahlentherapie und anderen Bestrahlungstechniken deshalb bestehe, weil die intraoperative Strahlentherapie im Wesentlichen auf ein einmaliges Bestrahlungsereignis im Rahmen einer Operation ausgerichtet sei und nicht wie bei der intensitätsmodulierten Strahlentherapie bzw. der stereotaktischen Präzisionsbestrahlung auf einen sich wiederholenden erheblichen technischen Aufwand.

Die Kammer gelangt unter Berücksichtigung dieser Ausführungen ebenfalls zu dem Ergebnis, dass sich die intraoperative Strahlentherapie und die intensitätsmodulierte Strahlentherapie ihrer Art nach unterscheiden und deshalb § 6 Abs. 2 GOÄ nicht zur Anwendung gelangen kann. Verbindendes Element ist lediglich, dass es sich in beiden Fällen um eine Strahlentherapie handelt. In dem einen Fall handelt es sich indessen um ein einmaliges, individuell abgestimmtes Ereignis, welche eine bestimmte Vergütung, die dem angemessen ist, nach sich zieht. In dem anderen Fall handelt es sich um eine sich stetig wiederholende Behandlung und jedenfalls die wiederholende Behandlung kann mit der erst- und einmaligen intraoperativen Strahlentherapie nicht verglichen werden.

Der Kläger hat nicht, was gegebenenfalls mit Hilfe des ihn behandelnden Arztes möglich gewesen wäre, aufgezeigt, dass unter Zugrundelegung der Nummern A 5865 (für die Planung) und A 5866 (für die Durchführung) der fraktionierten stereotaktischen Präzisionsbestrahlung analog ein Anspruch des Arztes besteht, der über den von der Beklagten geleisteten Erstattungsbetrag hinaus geht.

Dem entsprechend erweist sich die Klage als unbegründet. Die Nebenforderungen teilen das Schicksal des unbegründeten Hauptanspruchs.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Streitwert wird auf 8.784,16 EUR festgesetzt.

 

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