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Krankheitskostenversicherung: Beurteilungsmaßstab für den Wegfall gefahrerhöhender Umstände

LG Berlin, Az.: 23 O 261/11

Urteil vom 17.04.2013

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 20 % vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Herabsetzung von Prämienzuschlägen bei einem privaten Krankheitskostenversicherungsvertrag.

Krankheitskostenversicherung: Beurteilungsmaßstab für den Wegfall gefahrerhöhender Umstände
Symbolfoto: Kurhan/Bigstock

Den Antrag der Klägerin vom 20.11.2007 (Anlage B 3) auf Abschluss einer privaten Krankenversicherung nahm die Beklagte mit Versicherungsschein vom 5.12.2007 (Anlage B 4) mit Beginn zum 1.1.2008 an.

Im Mai 2008 teilte der Vorversicherer der Klägerin, die Signal Krankenversicherung a.G., der Beklagten folgende Behandlungszeiträume wegen Wirbelsäulenbeschwerden aus dem im Antrag erfragten Zeitraum mit (Anlage B 5):

– 9.5. – 9.7.2007 – wegen Wirbelsäulenbeschwerden

– 20.5. – 30.8.2007 – wegen Kreuzschmerzen (Hexenschuss, Lumbago, Lumbalgie)

– 12. – 15.11.2007 – wegen Kreuzschmerzen (Hexenschuss, Lumbago, Lumbalgie)

– 2.11. – 27.12.2007 – Zervikalsyndrom, Wirbelsäulensyndrom

Unter dem 1.7.2008 erklärte die Beklagte daraufhin den Rücktritt vom Vertrag, da die Klägerin diese Wirbelsäulenerkrankungen nicht angegebenen habe, und bot der Klägerin zugleich „eine Neugestaltung des Vertrages“ mit einem Risikozuschlag. für Wirbelsäulenerkrankungen iHv. 125,22 €/Monat an, was die Klägerin annahm (Anlage B 6).

Unter dem 11.3.2010 erklärte die Beklagte – wiederum gestützt auf Angaben des Vorversicherers der Klägerin (Anlage B 8) – wegen im Antrag vom 20.11.2007 nicht angegebener Hypertrophie der Nasenmuschel (Behandlungen vom 3.-20.2.2006) die rückwirkende Vertragsanpassung in Form eines Risikozuschlages iHv. 73,65 € bzw. insges. 202,54 € wegen der Hypertrophie der Nasenmuschel und der Wirbelsäulenerkrankungen (Anlagen B 9 und B 10).

In einem ärztlichen Attest Prof. Dr. M. vom 6.4.2010 (Anlage K 5) heißt es:

„Frau B. ist hier Patientin seit dem 18.2.2008. Hier wurde von mir keine „Hypertrophie der Nasenmuscheln“ gesehen. …“

Mit Erklärung vom 21.4.2010 reduzierte die Beklagte den Risikozuschlag wegen Hypertrophie aufgrund des Attests Dr. …. auf 18,41 € (Anlage B 13).

Unter dem 16.7.2010 nahm die Beklagte – aufgrund der Arztauskunft Dr. B. (Anlage B 12; 8 Behandlungsdaten vom 15.1.-3.2.2003 und 11 Behandlungsdaten vom 5.4.-15.10.2004) – eine weitere Vertragsanpassung in Form eines rückwirkenden Risikozuschlages iHv. 128,89 € wegen bei Antragstellung nicht angegebenen Kopfschmerzes vor (Anlage B 11).

Mit vorprozessualem Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 3.8.2010 ließ die Klägerin die Beklagte auffordern, die Prämienerhöhung wegen des Kopfschmerzes rückgängig zu machen (Anlage K 2). Die Beklagte reagiert darauf mit Schreiben vom 27.8.2010 und hielt an der Vertragsanpassung fest (Anlage K 3).

Gemäß Versicherungsschein vom 15.11.2010 (Anlage K 1 und B 1) betrug der Risikozuschlag ab dem 1.1.2011 insgesamt 311,64 €.

Wegen des Inhalts eines fachärztlichen Attest Dr. H. vom 18.11.2010 wird auf die Anlage K 9 Bezug genommen.

Die Beklagte äußerte sich dazu mit Schreiben vom 20.1.2011 wegen dessen Inhalt auf die Anlage K 12 verwiesen wird.

In einem ärztlichen Attest vom 20.4.2011 (Anlage K 10) heißt es:

Die Klägerin „ist bei uns seit dem 4.10.2001 unregelmäßig in allgemeinfachärztlicher Behandlung.

Letzter Behandlungstermin war am 07.07.2008.

Während dieser Zeit wurde sie nicht wegen „Spannungskopfschmerz“ behandelt.“

In einem ärztlichen Attest Prof. Dr. M. vom-27.4.2011 (Anlage K 11) heißt es auszugsweise:

„Die Spiegeluntersuchung (…) war unauffällig (…) Die Angabe von Frau B., eine Nasenatmungsbehinderung liege nicht vor, ist glaubhaft.“

Die Beklagte verwendet bei ihrer Risikoprüfung das Risikoprüfungssystem „AktuarMed“. Aufgrund der dabei vorgenommenen mehrdimensionalen Betrachtung verschiedener Kombinationen von Vorerkrankungen bildet der Gesamtrisikozuschlag rechnerisch nicht die Summe der einzelnen Risikozuschläge ab. Für Vorerkrankungen, die nicht zu 100 % beendet sind oder ausgeheilt sein können, sondern Folgebeschwerden oder andere Arten von Beschwerden begünstigen, wird ein Risikozuschlag zeitlich nicht begrenzt. Bei den Diagnosen der Klägerin handelt es sich insgesamt um Umstände, die durch eine einmalige Behandlung nicht beseitigt werden können, weswegen unbefristete Zuschläge verlangt wurden.

Die Klägerin behauptet: Sie sei längerem beschwerde- und behandlungsfrei, die mit den Risikozuschlägen belegten Erkrankungen seien zwischenzeitlich alle ausgeheilt.

Sie meint, die Risikozuschläge seien daher nach § 41 VVG zu streichen.

Die Klägerin beantragt mit ihrer am 22.7.2011 der Beklagten zugestellten Klage,

1. die Beklagte zu verurteilen, die monatlichen Risikozuschläge in dem zwischen den Parteien bestehenden privaten Krankenversicherungsvertrag zur Nr. … von derzeit 311,64 € auf 0,00 € herabzusetzen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 899,40 € nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Aufhebung oder Reduzierung des aktuellen Risikozuschlages iHv. insges. 311,64 € wegen Wirbelsäulenerkrankungen, Hypertrophie der Nasenmuschel und Kopfschmerzen nach § 41 VVG zu. Nach § 41 S. 1 VVG kann der Versicherungsnehmer vom Versicherer eine angemessene Herabsetzung der Prämie verlangen, wenn wegen bestimmter gefahrerhöhender Umstände eine höhere Prämie vereinbart war und diese Umstände nach Antragstellung des Versicherungsnehmers oder nach Vertragsschluss weggefallen oder bedeutungslos geworden sind. Die danach notwendigen Voraussetzungen für eine Prämienherabsetzung liegen jedoch nicht vor. Die (Gefahr-) Umstände, auf die die Beklagte ihre Prämienzuschläge gestützt hat, sind weder weggefallen noch bedeutungslos geworden; zumindest hat die Klägerin – trotz gerichtlicher Hinweise – dazu nichts vorgetragen.

Maßstab für die Beurteilung, ob gefahrerhöhende Umstände weggefallen oder bedeutungslos geworden sind, kann nur die der vorangehenden Prämienerhöhung zugrundeliegende subjektive Risikoeinschätzung des Versicherers gemäß § 19 Abs. 1 VVG sein. Die Beklagte hat ihre Risikoprüfungsgrundsätze (die Erhöhung an sich ist auch unstreitig) dargelegt und substantiiert im Einzelnen vorgetragen, dass die Prämienzuschläge auf prognostischen Erwägungen beruhen, da es sich hier insgesamt um Erkrankungen der Klägerin handelt, die nicht durch einmalige Behandlungen beseitigt werden können und das Risiko von Folgebeschwerden beinhalten oder andere Arten von Beschwerden begünstigen können. Damit lassen allein von der Klägerin behauptete beschwerde- oder behandlungsfreie Zeiten die Risikoerheblichkeit nicht entfallen. Vielmehr hätte die Klägerin vortragen müssen, dass ein potentiell erhöhtes Risiko insgesamt nicht (mehr) besteht und letztlich ausschließen müssen, dass zukünftig (irgendwelche) Folgen der Erkrankungen zu erwarten sind. Dazu vermochte sie aber nichts vorzubringen.

Da die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung ausdrücklich klargestellt hat, dass Streitgegenstand allein die Herabsetzung der Prämien nach § 41 VVG ist, kommt es darauf nicht an, ob die Beklagte überhaupt wirksam vom Vertrags zurückgetreten ist oder wirksam Vertragsanpassungen vorgenommen hat (§ 19 VVG).

Ein Schadensersatzanspruch auf die verlangten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten besteht mangels Hauptanspruch nicht (§ 280 BGB).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1, 2 ZPO.

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