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Voraussetzungen zu Krankentagegeldzahlung

LG Köln – Az.: 23 O 489/16 – Urteil vom 21.02.2018

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag von 10.737,20 EUR nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.09.2016 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 887,03 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.09.2016 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der am 25.05.1963 geborene Kläger unterhält bei der Beklagten eine private Krankentagegeldversicherung nach dem Tarif TV42 mit einer Karenzzeit von 42 Tagen und einem Tagessatz von 147,82 EUR. Auf die zugrundeliegenden AVB (Anlage BLD 1, Bl. 63 ff. d. A.) und die Tarifbedingungen (Anlage BLD 2, Bl. 71 ff. d. A.) wird Bezug genommen.

Der Kläger ist Hubschrauberpilot im Rettungsdienst des ADAC. Seine Tätigkeit besteht im Wesentlichen aus der Vor- und Nachflugkontrolle, der Einsatzvor- und Nachbereitung sowie dem Einsatzflug und dessen Dokumentation. Öffentlich-rechtliche Bedingung für die Ausübung dieser Tätigkeiten ist eine gültige Fluglizenz, die wiederum u.a. von der sog. flugmedizinischen Tauglichkeit abhängig ist.

Im Jahr 2015 wurde der Kläger aufgrund einer Venenthrombose im Bereich des linken Beins arbeitsunfähig. Das Luftfahrt-Bundesamt bestand mit Bescheid vom 13.01.2016 darauf, dass der Kläger für einen weiteren Zeitraum bis zum 12.12.2016 sicherheitshalber das blutverdünnende Präparat Marcumar einnimmt und Messungen vornimmt. Aufgrund dieser Vorgaben wurde der Kläger für weitere sechs Monate arbeitsunfähig krankgeschrieben.

Neben der streitgegenständlichen Krankentagegeldversicherung verfügt der Kläger bei der C AG über eine Lizenzverlustversicherung (so genannte „Loss of Licence“-Versicherung bzw. LOL-Versicherung), eine spezielle Berufsunfähigkeit-Zusatzversicherung, mit einer versicherten Monatsrente von 1.894,97 EUR. Für den Zeitraum vom 01.10.2015 bis einschließlich März 2016 bezog der Kläger deshalb sechs Monatsrenten in Höhe von insgesamt 11.369,84 EUR. Die C AG bat dabei um sofortige Mitteilung, wenn der Kläger wieder flugtauglich ist (Bl. 25 d. A.).

Im Zeitraum vom 14.10.2015 bis 31.03.2016 bezog der Kläger zudem Krankentagegeld von der Beklagten. Unter dem 18.08.2016 (Bl. 26 d. A.) teilte die Beklagte dem Kläger deshalb mit, die Rentenzahlung durch die C AG führe zur Beendigung des streitgegenständlichen Krankentagegeldvertrags zum 31.12.2015. Im Nachleistungszeitraum vom 14.10.2015 bis 31.03.2016 habe der Kläger lediglich Anspruch auf die Differenzzahlung zwischen Krankentagegeld (147,82 EUR pro Tag) und der Berufsunfähigkeitsrente (63,16 EUR pro Tag) aus der LOL-Versicherung, mithin auf 84,66 EUR pro Tag. Daher forderte die Beklagte, die volles Krankentagegeld in Höhe von 25.129,40 EUR gezahlt hatte, die Differenz von 10.737,20 EUR zurück. Ihre etwaigen Rückzahlungsansprüche verrechnete sie in der Folgezeit – so etwa unter dem 07.09.2016 (Bl. 135 f. d. A.) – mit Ansprüchen des Klägers.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Nichtausübung seiner beruflichen Tätigkeit im streitgegenständlichen Zeitraum aufgrund des medizinischen Befunds der Flugmediziner zu einer bedingungsgemäßen Arbeitsunfähigkeit führt. Er ist ferner der Ansicht, der Krankentagegeldvertrag sei nicht durch den Leistungsbezug aus der LOL-Versicherung beendet. Diese Versicherung sei keine klassische Berufsunfähigkeitsversicherung im Sinne der AVB der Beklagten. Der befristete Entzug der Fluglizenz könne auch aus rein formalen und nicht medizinischen Gründen erfolgen. Anders als bei anderen beruflichen Tätigkeiten könnten bereits kleinste medizinische Gründe, z.B. auch eine Erkältung, die Berechtigung zum Führen einer Fluglizenz betreffen.

Nachdem der Kläger den Antrag zu 1) zwischenzeitlich in einen Feststellungsantrag umgestellt hatte, beantragt er nunmehr,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag von 10.737,20 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.09.2016 zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag von 887,03 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.09.2016 zu zahlen; hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an die D Rechtsschutz Versicherungs AG, V-Straße, ##### E zur Schaden Nr. ############# einen Betrag von 887,03 EUR an außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.09.2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, der Kläger sei nicht arbeitsunfähig gewesen. Wenn der Kläger damit argumentiere, dass eine BU-Rentenzahlung lediglich aus formellen Gründen – wie dem befristeten Entzug der Flugerlaubnis – nicht den Krankentagegeldvertrag beende, dann müsse er sich dies im Hinblick auf die Arbeitsunfähigkeit entgegenhalten lassen, so dass er aus denselben „formellen Gründen“ auch nicht arbeitsunfähig sei. Unabhängig vom Fehlen bedingungsgemäßer Arbeitsunfähigkeit bestehe eine Leistungspflicht der Beklagten aber auch wegen des Rentenbezugs nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist begründet.

1.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von weiterem Krankentagegeld in Höhe von 10.737,20 EUR für den Zeitraum vom 14.10.2015 bis 31.03.2016 (170 Tage x 63,16 EUR = 10.737,20 EUR) aus § 192 Abs. 5 VVG i. V. m. § 1 Abs. 1, Abs. 3 MB/KT 09.

Versicherungsfall ist gemäß § 1 Abs. 2 AVB die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen, in deren Verlauf Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird. Der Versicherungsfall beginnt mit der Heilbehandlung; er endet, wenn nach medizinischem Befund keine Arbeitsunfähigkeit und keine Behandlungsbedürftigkeit mehr bestehen. Arbeitsunfähigkeit liegt gemäß § 1 Abs. 3 AVB vor, wenn die versicherte Person ihre berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben kann, sie auch nicht ausübt und keiner anderweitigen Erwerbstätigkeit nachgeht.

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Kläger – und damit der Versicherte selbst – litt an einer Krankheit, d.h. einem regelwidrigen körperlichen Zustand, der eine Heilbehandlung zur Folge hatte und aufgrund der er seiner beruflichen Tätigkeit als Hubschrauberpilot zeitweise nicht nachgehen konnte. Denn der befristete Entzug der Fluglizenz durch das Luftfahrt-Bundesamt im streitgegenständlichen Zeitraum war maßgeblich in der Thromboseerkrankung des Klägers im Jahr 2015 und der sich anschließenden Einnahme des Medikaments Marcumar begründet. Dabei spielt nach Ansicht der Kammer weder der Umstand, dass der Versicherte die Krankschreibung nicht selbst durch einen Besuch bei einem Arzt initiiert hat, sondern diese aufgrund eines behördlichen Verbots erfolgte eine Rolle, noch ist in diesem Zusammenhang relevant, dass im Rahmen der Flugsicherung aus gewichtigen Gründen höhere Sicherheitsstandards verfolgt werden, als dies in vielen anderen Berufen der Fall ist und eine Krankschreibung deswegen eventuell auch bei weniger gravierenden Krankheiten erfolgt. Entscheidend ist allein, dass medizinische Gründe die Ursache der Arbeitsunfähigkeit darstellen. Die naturgemäß auch Sicherheitsaspekte berücksichtigende Einschätzung der Flugmedizinerin, deren Kompetenz die Parteien nicht in Zweifel ziehen, stellt eben maßgeblich auf solche Gründe – nämlich die Venenthrombose und deren Heilbehandlung – zur Begründung der Fluguntauglichkeit des Klägers ab.

Der Versicherungsvertrag ist vorliegend auch nicht wegen des zeitgleichen Bezugs einer Berufsunfähigkeitsrente gem. Nr. 30 Abs. 2 zu § 15 lit. b) MB/KT 09 beendet. Berufsunfähigkeit liegt nach § 15 Abs. 1 lit. b) MB/KT 2009 lediglich vor, wenn die versicherte Person nach medizinischem Befund im bisher ausgeübten Beruf auf nicht absehbare Zeit mehr als 50 % erwerbsunfähig ist.

Das war hier nicht der Fall. Unstreitig bezog der Kläger zwar Leistungen aus der abgeschlossenen LOL-Versicherung bei der C AG. Diese erbrachte ihre Leistungen dabei ausweislich des Schreibens vom 03.03.2016 allerdings zunächst nur für einen begrenzten Zeitraum von sechs Monaten und bat um sofortige Mitteilung, sofern der Kläger wieder flugtauglich ist (Bl. 25 d. A.). Insofern ist der Wortlaut des Schreibens eindeutig. Die Leistungen sollten mithin gerade nicht einen Erwerbsausfall auf unabsehbare Zeit ausgleichen, sondern die Einbußen des – für vorübergehend gehaltenen – Verlusts der Fluglizenz ausgleichen.

2.

Die geltend gemachte Zinsforderung ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB. Spätestens mit Schreiben vom 07.09.2016, mit dem die Beklagte weitere Verrechnungen des zurückgeforderten Krankentagegelds vornahm, hat sie eine Leistung ernsthaft und endgültig im Sinne von § 286 Abs. 2 Nr.3 BGB verweigert und befand sich mithin in Verzug.

3.

Ein Anspruch auf die Erstattung vorgerichtlicher Kosten ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB. Die Beklagte befand sich im Zeitpunkt der Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Klägers, die die Beklagte mit anwaltlichen Schreiben vom 06.10.2016 gegenüber der Beklagten bestellten, mit der Leistung in Verzug. Nach unbestrittenem Vortrag des Klägers hat zwar dessen Rechtsschutzversicherung die vorprozessuale Honorarnote ausgeglichen. Sie hat allerdings den Kläger zur Geltendmachung ermächtigt.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

III.

Der Streitwert wird auf 10.737,20 EUR festgesetzt.

 

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