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Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung – Zahlungsanspruch aufgrund vorläufigen Versicherungsschutzes

LG Kassel, Az.: 1 S 245/15, Beschluss vom 15.10.2015

Gründe

I.

Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass die Kammer beabsichtigt, das Prozesskostenhilfegesuch sowie die Berufung des Beklagten gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, weil die Berufung nach Überzeugung der Kammer offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.

Das am 30.07.2015 verkündete Urteil des Amtsgerichts Kassel beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO). Vielmehr hat das Amtsgericht der Klage im angefochtenen Umfang zu Recht stattgegeben.

II.

Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung - Zahlungsanspruch aufgrund vorläufigen Versicherungsschutzes
Symbolfoto: Von Andrey_Popov /Shutterstock.com

Wegen des Sach- und Streitstandes wird auf die Feststellungen im Tatbestand des angefochtenen Urteils (UA S. 3 – 4) Bezug genommen. Der entscheidungserhebliche Sachverhalt kann dahingehend zusammengefasst werden, dass die Klägerin von dem Beklagten die Zahlung einer Versicherungsprämie für eine vorläufige Deckungszusage im Rahmen der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung für den Zeitraum 25.05.2013 bis 17.09.2013 – nach teilweiser Klagerücknahme – in Höhe von 3.376,78 € nebst Zinsen sowie Ersatz vorgerichtlicher Kosten begehrt hat.

Das Amtsgericht hat der Klage ohne Beweisaufnahme in Höhe von 3.376,78 € nebst Zinsen seit dem 12.07.2014 stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung der Versicherungsprämie in Höhe von 3.376,78 € aus dem zwischen den Parteien geschlossenen vorläufigen Versicherungsvertrag. Unstreitig sei zwischen den Parteien ein Vertrag über einen vorläufigen Deckungsschutz in der Kfz-Haftpflichtversicherung zustande gekommen. Der Beklagte habe bei der Klägerin um vorläufigen Deckungsschutz nachgesucht und eine eVBN von der Klägerin erhalten, mit der er den VW-„……“ bei der Zulassungsstelle auf sich als Halter zugelassen/umgemeldet habe.

Ebenfalls unstreitig sei das Fahrzeug am 17.09.2013 abgemeldet worden. Bis zu diesem Zeitpunkt habe das Fahrzeug bei der Klägerin auch unter vorläufigem Deckungsschutz gestanden.

Gemäß B.2.7 der Anlage K11 stehe der Klägerin für den Zeitraum des vorläufigen Versicherungsschutzes ein Anspruch auf einen der Laufzeit entsprechenden Teil des Betrags zu. B.2.5 bestimme, dass der Versicherungsnehmer und die Klägerin berechtigt seien, den vorläufigen Versicherungsschutz jederzeit zu kündigen.

In der Abmeldung des Fahrzeugs und der Kenntniserlangung der Klägerin hiervon könne eine derartige Kündigung gesehen werden, mit der Folge, dass eine Beitragspflicht für den dazwischenliegenden Zeitraum des Beklagten wirksam entstanden sei. Es sei in diesem Zusammenhang deshalb unerheblich, ob der Beklagte das Kündigungsschreiben und die weiteren Schreiben der Klägerin erhalten habe oder nicht.

Zu der Berechnung der Versicherungsprämie und den berücksichtigten Merkmalen und Vertragseinstufungen habe die Klägerin detailliert vorgetragen. Dabei sei es auch unstreitig, dass der Beklagte sich bei der Klägerin nicht gemeldet und seine persönlichen Merkmale nicht mitgeteilt habe. Insofern sei es nicht zu beanstanden und für die Klägerin auch gar nicht anders möglich gewesen, wie geschehen eine Einstufung in die SF-Klasse 0 vorzunehmen (entsprechend I.2.1. (Anlage K 10)).

Aus der Anlage K 9 ergäben sich individuelle Tarifmerkmale (gefahrerhebliche Umstände). Solche seien danach die jährliche Fahrleistung, der regelmäßige nächtliche Abstellplatz, selbstgenutztes im Inland liegendes Wohneigentum, die Fahrzeugnutzer, das Alter des Versicherungsnehmers und der Fahrzeugnutzer, das Alter des Fahrzeugs beim Erwerb, auf wen die Zulassung erfolgt sei, die berufliche Tätigkeit zum Zeitpunkt der Antragstellung, der Zahlungsmodus, Aufbauart und Fahrtzweck, d. h. ob das Fahrzeug auch nur gelegentlich zur entgeltlichen Beförderung von Waren genutzt werde.

Gemäß AKB Anhang 2 Nr. 1.3 seien die Parameter im Falle fehlender Angaben so zu wählen, als habe der Beklagte die ihm ungünstigsten Angaben gemacht bzw. seien keine Angaben vorhanden.

Mangels irgendwelcher Angaben des Beklagten, dessen Angelegenheit es gewesen sei, sich um den Abschluss eines endgültigen Versicherungsvertrages zu kümmern und ggf. auch bei der Klägerin nachzuhaken, habe die Klägerin die folgenden Merkmale berücksichtigt:

„Pkw zur Eigenverwendung, VW, Herstellerschlüssel „……“, Typschlüssel „……“, 44 KW, Erstzulassung 02.01.1990, Regionalklasse1:29, Typklasse 16, SF-Klasse 0, Beitragssatz 110 %“,

sowie als weitere Tarifierungsmerkmale:

„Abwahl Schutzbriefleistungen, Fahrzeugalter, Beruf/Branche, Fahrzeug ist nicht als Betriebsausgabe anerkannt, Sie sind am 08.01.1981 geboren, Fahrer neben Ihnen sind beliebige Personen, keine Angaben zum Fahrtzweck, öffentlicher Parkplatz/Straßenrand, kein selbstgenutztes Wohneigentum, Jahreskilometer keine Angabe, jährliche Zahlungsperiode“.

Es bedürfe dabei keiner Darlegung durch die Versicherung, wie sich im Einzelnen die Parameter auswirkten. Dieses stelle einen Teil der Preisbildung/Kalkulation der Klägerin dar.

Schließlich könne sich der Beklagte auch nicht wirksam auf eine Sittenwidrigkeit und daraus resultierend eine Nichtigkeit des Vertrages nach § 138 BGB berufen. Anhaltspunkte für eine Sittenwidrigkeit seien nicht ersichtlich. Denn insoweit genüge die diesbezügliche pauschale Behauptung des nach allgemeinen Grundsätzen dafür darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten nicht. Auch gäben die von ihm mitgeteilten Umstände wie sein derzeitiger Versicherungsbeitrag und die vorgelegte Beitragsberechnung seines Prozessbevollmächtigten über den Tarifrechner der Klägerin kein Anlass für die Annahme von Sittenwidrigkeit oder Wucher im Sinne von § 138 BGB. Hierbei sei nämlich entscheidend zu berücksichtigen, dass diese Gesichtspunkte nicht miteinander vergleichbar seien. Der Vertrag des Beklagten mit der „……“-Versicherungs-AG betreffe offensichtlich einen Hauptversicherungsvertrag, um den sich der Beklagte gekümmert habe, d. h. bei dem er entsprechende Angaben gemacht habe. So ergebe sich daraus beispielsweise eine Einstufung in SF-Klasse 1/2 und eine Typklasse 17. Auch die vorgelegte Berechnung unter Benutzung des Tarifrechners der Klägerin durch den Prozessbevollmächtigten des Beklagten sei für einen direkten Vergleich ungeeignet. Denn darin seien abweichende Angaben eingestellt, die der Klägerin – mangels entsprechender Information durch den Beklagten – nicht bekannt gewesen seien und hätten bekannt sein können.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsbegründung wird auf die Urteilsausführungen (UA S. 4- 6) Bezug genommen.

Gegen dieses seinem Prozessbevollmächtigten am 14.08.2015 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 18.08.2015, am selben Tage bei Gericht eingegangen, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 25.08.2015, am 26.08.2015 bei Gericht eingegangen, begründet.

Mit der Berufung verfolgt der Beklagte unter Abänderung der amtsgerichtlichen Entscheidung eine vollständige Klageabweisung.

Er rügt, ein Kfz-Haftpflichtversicherungsvertrag sei nicht durch Antrag und Annahme nach dem Policen-Modell zustande gekommen. Er, der Beklagte, habe nach der Zulassung seines Fahrzeugs keinerlei Vertragsunterlagen von der Klägerin erhalten. Er habe deswegen die bei ihm vorliegenden individuellen Daten gegenüber der Klägerin nicht zum Gegenstand des Vertrages machen können.

Es erschließe sich auch nicht, warum die Klägerin im Nachhinein eine Neuberechnung des Versicherungsbeitrages unter Einbeziehung der bei dem Beklagten bestehenden Merkmale verweigert habe, obwohl ihr mit Schriftsatz vom 05.11.2014 die Beitragsberechnung der Nürnberger Versicherung vorgelegt worden sei, welche belege, dass für den Beklagten die SF Klasse 1/2 mit einem Beitragssatz von nur 67% möglich gewesen sei.

Soweit die Klägerin meint, nach der Schadenfreiheitsklasse 0 (entspricht 110%) Anspruch auf einen Jahresbeitrag in Höhe von 10.863,93 € zu haben, was für die versicherte Zeit zu einem Betrag in Höhe von 3.376,78 € führen solle, sei das Amtsgericht rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass die Beitragsbestimmung rechtswirksam sei. Die Bemessung des Beitrages leite sich aus dem Bedingungswerk der Klägerin ab und unterliege der Prüfung des § 307 BGB. Ein Beitrag in der verlangten Höhe weiche derart stark von dem gewöhnlichen Beitrag der Schadenfreiheitsklasse 0 ab, dass er als überraschend und grob unbillig, mithin als sittenwidrig im Sinne des §138 BGB eingeordnet werden müsse. Er, der Beklagte, habe insoweit mit Schriftsätzen vom 10.09.2014, 22.10.2014 und 20.03.2015 dezidiert dazu vorgetragen, wie sich der Jahresbeitrag nach den Tarifen anderer Versicherer und nach dem eigenen Tarifrechner der Klägerin für identische oder nahezu identische Tarifmerkmale in der Klasse 0 gestalte. Aus welchen sachlichen Gründen sich die enorme Abweichung im Fall des Beklagten ergebe, habe die Klägerin nicht verständlich darzulegen vermocht.

Bezüglich der vorgetragenen Sittenwidrigkeit der Beitragsbemessung seien die Tatsachenfeststellungen des Amtsgerichts unvollständig, soweit nur lapidar bemerkt werde, die von dem Beklagten vorgebrachten Tarifberechnungen seien nicht vergleichbar, da es Unterschiede bezüglich des Alters des Versicherungsnehmers, der beruflichen Tätigkeit und der entgeltlichen Beförderung von Waren durch den Versicherungsnehmer etc. gebe. Das Amtsgericht verkenne insoweit, dass er, der Beklagte, als Versicherungsnehmer nicht darlegen könne, ob und in welchem Umfang diese Merkmale die Beitragsberechnung überhaupt beeinflussten. Dies könne nur die Klägerin als Versicherer, weshalb dieser hätte aufgegeben werden müssen, darzulegen, welche fehlenden Angaben zu welcher Beitragserhöhung führten. Derartige Hinweise seien durch das Amtsgericht unterblieben. So habe die Klägerin nur erklärt, dass insgesamt 10.863,93 € zu berechnen seien. Wie sich dieser Wert erkläre und wie sich insbesondere der signifikante Unterschied zu dem sonst üblichen Tarif der Klägerin rechtfertige, erschließe sich in keiner Weise.

Ihm, dem Beklagten, hätte auch ein rechtlicher Hinweis dahingehend erteilt werden müssen, dass die Vergleichbarkeit der vorgelegten Beitragskalkulationen nicht gesichert und deswegen zu bestimmten Einzelheiten noch vorzutragen sei. In diesem Fall hätte er die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Vergleichbarkeit der genannten Tarife angeboten. Bis auf unwesentliche Details sei nämlich die Vergleichbarkeit zwischen den von der Klägerin verwendeten Daten und den tatsächlichen bei ihm, dem Beklagten, gegebenen Merkmale gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen in der Berufungsbegründungsschrift vom 25.08.2015 (Bl. 90 – 94 d. A.) verwiesen.

III.

Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

Auch die Kammer gelangt zu dem Ergebnis, dass das Amtsgericht der Klage im angefochtenen Umfang zu Recht stattgegeben hat.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch für den Zeitraum 25.05.2013 bis 17.09.2013 in Höhe von 3.376,78 € zu.

Die Kammer macht sich zur Vermeidung von Wiederholungen die rechtlich zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts im angefochtenen Urteil vollumfänglich zu Eigen (UA S. 4 – 6).

Unter Berücksichtigung der Berufungsangriffe ist lediglich ergänzend anzumerken:

Die Zusage vorläufigen Versicherungsschutzes ist ein eigenständiger Versicherungsvertrag, wie sich aus § 49 Abs. 1 S. 1 VVG ergibt (so schon bislang BGH VersR 1995, 409 ). Werden bei Abschluss des Vertrags über den vorläufigen Versicherungsschutz die AVB nicht ausgehändigt, so gelten nach § 49 Abs. 2 VVG die vom Versicherer üblicherweise bei vorläufigen Versicherungsschutz verwendeten AVB oder, wenn für den vorläufigen Versicherungsschutz keine speziellen AVB verwendet werden – was im Kfz-Versicherungsgeschäft regelmäßig der Fall ist – die für den Hauptvertrag bestimmten AVB (Feyock/Jacobsen/Lemor, Kraftfahrtversicherung, 3. Auflage 2009, 3. Teil, AKB/AKB 2008, B. 2., Rn. 16). Demgemäß gelangen, was zwischen den Parteien vorliegend auch nicht im Streit steht, die von der Klägerin zur Akte gereichten Versicherungsbedingungen (vgl. Bl. 39f. und Bl. 56 – 61 d. A.) zur Anwendung. Die Regelungen nach §§ 49 ff. VVG zur Einbeziehung von AVB in den Vertrag für vorläufigen Versicherungsschutz gehen den Einbeziehungsvoraussetzungen nach § 305 Abs. 2 BGB als lex specialis vor. D. h., die AVB des Versicherers werden Inhalt des Vertrags über den vorliegenden Versicherungsschutz, ohne dass der Versicherer auf seine AVB hingewiesen hat und ohne dass der Versicherungsnehmer davon Kenntnis nehmen konnte und sein Einverständnis dazu erklärt hat. Dies gilt auch, wenn der Hauptvertrag nicht zustande kommt und insoweit eine Aushändigung der AVB und der sonstigen Verbraucherinformation unterbleibt (Feyock/Jacobsen/Lemor, a. a. O., Rn. 17).

Bei der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung kommt der Vertrag über vorläufigen Versicherungsschutz, wenn das Fahrzeug noch nicht auf den Versicherungsnehmer zugelassen ist, dadurch zustande, dass der Versicherer dem Versicherungsnehmer die für die Zulassung des Fahrzeugs erforderliche Versicherungsbestätigung (VB) nach § 23 FZV in Papierform oder, wie ab dem 01.03.2008 obligatorisch ist, die VB-Nummer für den elektronischen Datenaustausch zwischen Versicherern und Zulassungsbehörden aushändigt (VB zum Abruf § 23 Abs. 2 Satz 1 FZV). Dieses Verfahren beruht auf § 9 S. 1 KfzPflVV und § 5 Abs. 6 PflVG (Feyock/Jacobsen/Lemor, a. a. O., Rn. 19).

Die VB ist eine öffentlich-rechtlich vorgeschriebene Erklärung des Versicherers über das Bestehen des gesetzlichen Kraftfahrzeughaftpflichtversicherungsschutzes für den Halter des zuzulassenden Fahrzeugs und ist daher kein Vertragsdokument. Allerdings dokumentieren die vom Versicherer oder Vermittler vorgenommenen Eintragungen in der VB wie Name und Anschrift des Versicherungsnehmers, Art Fahrzeuges, Beginn des Versicherungsschutzes den wesentlichen Inhalt des Vertrags über den vorläufigen Versicherungsschutz in der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung, obwohl der Vertrag durch konkludentes Handeln der Partei geschlossen, also kein Antragsformular verwendet worden ist. Diese Funktion der VB als Träger wesentlicher Informationen gibt es in ähnlicher Form auch, wenn der Versicherer dem Versicherungsnehmer die VB-Nummer aushändigt, mit welcher die Zulassungsbehörde den Inhalt der VB elektronisch beim Versicherer abruft. Denn im Zuge der Erzeugung einer VB-Nummer muss der Versicherer die Daten in das elektronische System für den Datenaustausch zwischen den Kraftfahrzeughaftpflichtversicherern und den Zulassungsbehörden eingeben, wobei der Versicherungsnehmer eine Information – je nach Vertriebsweg auf Papier oder per E-Mail – zum Inhalt der VB erhält (Feyock/Jacobsen/Lemor, a. a. O., Rn. 20).

Von der Zusage des vorläufigen Versicherungsschutzes in der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung mittels Aushändigung der VB ist dessen Beginn zu unterscheiden, welche regelmäßig mit dem Tag der Zulassung – hier dem 25.05.2013 – beginnt. In der Kfz-Versicherung ist der vorläufige Versicherungsschutz regelmäßig auf unbestimmte Zeit abgeschlossen (Feyock/Jacobsen/Lemor, a. a. O., Rn. 37).

Nach § 1 S. 2 VVG hat der Versicherer auch beim Vertrag über vorläufige Versicherungsschutz Anspruch auf Beitrag. Dies gilt unabhängig davon, ob der Hauptvertrag zustande kommt oder nicht. Im Fall des Nichtzustandekommens des Hauptvertrags hat der Versicherer jedenfalls nach § 50 VVG bzw. B.2.7 der AKB (vgl. Bl. 61 d. A.) einen Beitragsanspruch aus dem Vertrag über den vorläufigen Versicherungsschutz, dessen Höhe sich pro rata temporis nach dem Jahresbeitrag entsprechend dem Tarif des Versicherers für den Hauptvertrag und dem Zeitraum, während dem der vorläufige Versicherungsschutz bestanden hat, bemisst (Feyock/Jacobsen/Lemor, a. a. O., Rn. 41).

Vor diesem Hintergrund ist es auch nach Auffassung der Kammer nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung von einem Vertragsschluss zwischen den Parteien ausgegangen ist. In diesem Zusammenhang erweist es sich, da nach § 49 Abs. 2 VVG die AVB der Klägerin trotz Nichtkenntnis des Beklagten von diesen Vertragsgrundlage werden, als im Ergebnis unbeachtlich, dass der Beklagte von der Klägerin ggf. im Weiteren keine Versicherungsunterlagen erhalten haben möchte. Die Kammer hält die Angaben, obgleich es in diesem Punkt nicht darauf ankommen dürfte, zudem für wenig glaubhaft. Denn dieser hat ausweislich der vorgelegten Anlage K3 (Bl. 15 d. A.) sein Fahrzeug am 17.09.2013 abgemeldet und der Zulassungsstelle eine neue Versicherungsbestätigungsnummer eines anderen Versicherers vorgelegt, nachdem die Klägerin dem Beklagten mit Schreiben vom 04.09.2013 (Anlage K2 = Bl. 14 d. A.) die vorläufige Deckung zum 19.09.2013 gekündigt hatte. Jedenfalls dieser Geschehensablauf lässt für die Kammer darauf schließen, dass nicht unerhebliche Bedenken hinsichtlich des Vortrags des Beklagten bestehen, von der Klägerin im Jahre 2013 keine Post erhalten zu haben. Es oblag daher letztlich dem Beklagten, die allein ihm bekannten individuellen Daten gegenüber der Klägerin mitzuteilen, um einen günstigeren Versicherungstarif als nunmehr in Anspruch genommen, zu erhalten. Da dies nicht geschehen ist, war die Klägerin entsprechend I.2.1 AVB (vgl. Bl. 57 d.- A.) berechtigt, eine Einstufung in die Klasse 0 vorzunehmen, die bei der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung gemäß „Anhang 1 Tabellen zum Schadensfreiheitsrabatt-System“ bei Pkws einen Beitragssatz von 110% vorsieht (vgl. Bl. 39 d. A.).

Für die Klägerin besteht auch keine Verpflichtung, nachträglich eine Neuberechnung des Versicherungsbeitrages unter Einbeziehung der bei dem Beklagten bestehenden Merkmale entsprechend der mit Schriftsatz vom 05.11.2014 vorgelegten Beitragsberechnung der Nürnberger Versicherung (vgl. Bl. 42 d. A.: SF Klasse 1/2 mit einem Beitragssatz von nur 67%) vorzunehmen, da entsprechend „Anhang 2 Merkmale zur Beitragsberechnung“ (Bl. 40 d. A.) Ziff. 1.3 für den Fall des Fehlens von Angaben – wie vorliegend der Fall – der Beitrag berechnet werden darf, als hätte der Beklagte die für die Beitragsrechnung ungünstigsten Angaben gemacht, zumal auch etwaige Pflichtverletzungen der Klägerin vorliegend nicht zu erblicken sind.

Die Kammer vermag auch einen Verstoß gegen § 307 BGB bzw. § 138 BGB vorliegend nicht zu erblicken.

Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten geht auch die Kammer davon aus, dass der von der Klägerin in der streitgegenständlichen Rechnung (Bl. 16f. d. A.) angegebene Jahres-Beitrag (100%) in Höhe von 9.876,30 € einer näheren Substantiierung durch die Klägerin nicht bedurft hat. Einer Darstellung, wie sich die einzelnen Parameter (Regionalkasse, Typenklasse, Fahrzeugalter, Beruf/Branche, Kilometerleistung etc.) in ihrer Gesamtheit auf den Jahresbeitrag auswirken, d. h. mit welchem Gewicht die Tarifierungsmerkmale den Preis beeinflussen und wie sich eine Veränderung eines gesetzten Parameters innerhalb eines Tarifierungsmerkmals auswirkt, bedarf es nicht, weil dies der ureigenen Preisbildung bzw. Kalkulation der Klägerin unterliegt. Die Erarbeitung ausreichender Kalkulationsgrundlagen gehört zum Kern unternehmerischen Handelns in der Versicherungswirtschaft, wobei eine richtige Prämienkalkulation sicher nur auf der Basis ausreichender statistischer Erkenntnisse möglich ist (Feyock/Jacobsen/Lemor, Kraftfahrtversicherung, 3. Auflage 2009, 2. Teil, B. Vorbemerkungen zu § 9 PflVG, Rn. 2). Unzweifelhaft bemisst sich die Höhe des jeweiligen Jahresbeitrages unter Berücksichtigung der einzelnen Indikatoren/ Kriterien, der sich u. a. je nach voraussichtlicher Schadenhäufigkeit unter Berücksichtigung des Schadendurchschnitts bemisst. Dabei ist anerkanntermaßen der Versicherungsbeitrag umso höher, je höher sich das Risiko für die Versicherung darstellt, im Schadensfall in Anspruch genommen zu werden bzw. Ausgleich leisten zu müssen. Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar und muss vom jeweiligen Versicherungsnehmer hingenommen werden, dass für den Fall, dass zu seinen Lasten – aus welchen Gründen auch immer – die für die Versicherung ungünstigsten Risiken (z. B. keine Kilometerbegrenzung, weitere Fahrer unter 25 Jahre etc.) angenommen werden müssen, ein hoher Versicherungsbetrag zu verzeichnen ist, welcher einer kalkulatorischen Kontrolle allein unter engen Grenzen – wie z. B. § 138 BGB – unterliegt.

Davon ausgehend hat das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung entsprechend der Rechnung der Klägerin in nicht zu beanstandender Weise einen Jahresbeitrag in Höhe von 10.863,93 € zu Grunde gelegt. Anhaltspunkte dafür, dass dieser Betrag gegen § 138 BGB verstoßen könnte, hat der Beklagte im Ergebnis nicht ausgezeigt. Soweit der Beklagte in diesem Zusammenhang mit der Berufung rügt, der Beitrag in der verlangten Höhe weiche derart stark von dem gewöhnlichen Beitrag der Schadenfreiheitsklasse 0 ab, dass er als sittenwidrig im Sinne des §138 BGB eingeordnet werden müsse, weil er, der Beklagte, mit Schriftsätzen vom 10.09.2014, 22.10.2014 und 20.03.2015 dezidiert dazu vorgetragen habe, wie sich der Jahresbeitrag nach den Tarifen anderer Versicherer und nach dem eigenen Tarifrechner der Klägerin für identische oder nahezu identische Tarifmerkmale in der Klasse 0 gestalte, geht dies fehl. Das Amtsgericht hat rechtsfehlerfrei, ohne gegen etwaige Hinweispflichten verstoßen zu haben, darauf abgestellt, dass die vom Beklagten mitgeteilten Vergleichstarife – über den Tarifrechner der Klägerin (Bl. 64 – 68 d. A.), einen Preisvergleich über „Toptarif“ (Bl. 28f. d. A.) oder hinsichtlich der „……“-Versicherungs-AG (Bl. 42 d. A.) – für einen direkten Vergleich bereits nicht geeignet gewesen sind, weil die Berechnungen jeweils nicht unter Annahme der gleichen oder annähernd gleichen Kriterien wie denjenigen, denen die Berechnung der Klägerin in der streitgegenständlichen Rechnung zu Grunde liegen, erfolgt sind. So ist es unter Berücksichtigung der o. g. dargelegten Umstände der jeweils vom Versicherer erfolgten Kalkulation – vorliegend lassen sich die genauen Parameter auch für den Beklagten ersichtlich sämtlich aus der streitgegenständlichen Rechnung Anlage K4 (Bl. 16ff. d. A.) entnehmen – dem Beklagten, der schließlich auch einen Versicherungsvergleich über das Internetportal „Toptarif“ vorgenommen hat, bereits von sich aus möglich gewesen, einen tatsächlich Versicherungsvergleich, mithin unter Berücksichtigung der gleichen Tarifkriterien, vorzunehmen, was indessen nicht geschehen ist. In diesem Zusammenhang verkennt der Beklagte, dass die von ihm vorgelegten Vergleiche nicht nur in unwesentlichen Details von dem streitgegenständlichen Tarif der Klägerin abweichen, weil die einzelnen Tarifkriterien wie Kilometerleistung, Anzahl und Alter der Fahrer, SF-Klasse, ausgeübter Beruf etc. bekanntermaßen von ausschlaggebender Bedeutung für die Höhe der Versicherungsprämie sind. Schließlich hat der Beklagte im ersten Rechtszug auch nicht behauptet und dementsprechend auch nicht unter Beweis gestellt, dass die Jahresversicherungsprämie von 9.876,30 € (100%) bei SF-Klasse 0 unter Berücksichtigung der allein in der streitgegenständlichen Rechnung angesetzten Tarifierungsmerkmale im Verhältnis zu tatsächlich vergleichbaren Tarifen anderer Versicherer sittenwidrig seien.

Demgemäß ist auch die Verurteilung zur Zahlung von Verzugszinsen nicht zu beanstanden (§§ 291, 288 Abs. 1 BGB i. V. m § 696 Abs. 3 ZPO).

IV.

Der Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme und gegebenenfalls Rücknahme der Berufung sowie des Prozesskostenhilfegesuchs binnen einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses. Soweit nach Fristablauf eine Beschlussentscheidung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO ergeht, löst dies die Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO aus. Eine Gebührenermäßigung nach Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG tritt dann nicht ein.

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