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Kfz-Kaskoversicherung – Verwirkung von Leistungsansprüchen durch Täuschung

LG Offenburg – Az.: 6 O 125/13 – Urteil vom 30.04.2014

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist in Ziffer 2 für die Beklagte gegen Sicherheitsleitung in Höhe von 110 % vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger macht gegenüber der Beklagten Leistungen aus einem Kaskoversicherungsvertrag geltend.

Der Kläger unterhält bei der Beklagten unter der Versicherungsscheinnummer … für das versicherte Fahrzeug … mit dem amtlichen Kennzeichen … eine Vollkaskoversicherung mit einer Selbstbeteiligung in Höhe von € 1.000,00.

Aufgrund eines Vorfalls vom 06.09.2012 macht der Kläger nunmehr Ansprüche gegenüber der Beklagten geltend. Dieser Vorfall meldete der Kläger mit Online-Formular noch am 06.09.2012 bei der Beklagten und machte den Schaden aus der Fahrzeugvollversicherung geltend (Anlage K 2 im gesonderten Anlagenband). Von der Beklagten wurde daraufhin die Begutachtung des versicherten Fahrzeugs in Auftrag gegeben. Mit der Unfallrekonstruktion wurde seitens der Beklagten deren Mitarbeiter, der Zeuge Schraft, beauftragt.

Kfz-Kaskoversicherung - Verwirkung von Leistungsansprüchen durch Täuschung
Symbolfoto: Von Africa Studio /Shutterstock.com

Der Kläger behauptet, sein Sohn, der Zeuge …, habe am … gegen … Uhr die Verbindungsstraße zwischen … und … aus … kommend in Fahrtrichtung … befahren. Circa 900 m nach dem Ortsausgangschild … sei ihm in einer Rechtskurve aus Richtung … ein Pkw entgegengekommen. Es sei zur Kollision bei der Beklagten versicherten Fahrzeugs mit dem entgegenkommenden Fahrzeug gekommen. Hierbei habe der Zeuge … noch versucht, dem Gegenverkehr auszuweichen und sein Fahrzeug nach links gezogen; die Kollision habe sich jedoch nicht vermeiden lassen, sodass infolge derer das Fahrzeug des Klägers in die nach links bewachsene Böschung gedrückt worden sei. Diese Kollision der beiden Fahrzeuge habe am Fahrzeug des Klägers einen erheblichen Schaden an der rechten Fahrzeugseite verursacht. Durch die Kollision mit der Böschung sei aber auch an der linken Fahrzeugseite ein Schaden entstanden.

Der Zeuge … sei nicht mit der erforderlichen Aufmerksamkeit in diese Rechtskurve hineingefahren und habe somit die Kollision nicht verhindern können. Er sei dementsprechend davon ausgegangen, dass sowohl er als auch der gegnerische Fahrer unachtsam und auch zu schnell in diese Kurve hineingefahren sei und es deswegen zur Kollision gekommen sei. Nach der Kollision seien beide Fahrer aus ihren Fahrzeugen ausgestiegen und hätten den Schaden gesichtet. Da sie beide davon ausgegangen seien, dass sie in gleicher Weise den Unfall verursacht hätten sei vereinbart worden, dass jeder für seinen eigenen Schaden haftet. Aus diesem Grund habe der Zeuge … Name und Anschrift des gegnerischen Fahrers nicht in Erfahrung gebracht. Er habe sich auch das KfZ-Kennzeichen des gegnerischen Fahrzeugs nicht gemerkt; aus der Erinnerung heraus wisse er lediglich, dass es sich bei dem gegnerischen Fahrzeug wahrscheinlich um einen gründen Passat gehandelt habe. Unfallbedingt sei an dem Fahrzeug ein Schaden in Höhe von € 6.125,24 entstanden, sodass der Kläger unter Berücksichtigung des Selbstbehaltes von € 1.000,00 noch einen Restbetrag in Höhe von € 5.125,24 verlangen könne.

Der Kläger beantragt wie folgt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 5.125,24 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.03.2013 zu bezahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von € 747,80 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.03.2013 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, gegenüber einem Mitarbeiter der Beklagten, dem Zeugen …, habe der Zeuge … nach dem Unfall angegeben, er wolle den Namen des Unfallgegners und  das Kennzeichen des von ihm gefahrenen Fahrzeugs deswegen nicht mitteilen, weil die Beteiligten Fahrer nach dem Unfall vereinbart hätten, jeder komme für den eigenen Schaden auf.

Das Gericht hat aufgrund der Verfügung vom 13.01.2014 (As. 61-63) im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 16.04.2014 die Zeugen … und Wolfgang … vernommen. Darüber hinaus hat das Gericht ein mündliches Unfallrekonstruktionsgutachten eingeholt. Im Hinblick auf das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.04.2014 (As. 95-117) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

Der Kläger kann nicht gem. § 1 VVG i.V.m. der Vollkasko-Versicherungsvertrag von der Beklagten Zahlungen in geforderter Höhe verlangen. Die Beklagte ist nämlich wegen schwerwiegender Verletzung der vertraglichen Obliegenheiten durch den Kläger von ihrer Leistung frei (§ 28 VVG).

1. Zwar spricht nach den Darlegungen des Sachverständigen Einiges dafür, dass sich der Unfall so zugetragen hat, wie ihn der Kläger vorträgt. Ob für den Unfall zumindest mit ursächlich war, dass der Zeuge … unmittelbar vor der Kollision unaufmerksam war ließ sich nach Auffassung des Gerichts hingegen nicht feststellen.

2. Unabhängig davon ist die Beklagte jedoch gem. § 28 VVG leistungsfrei. Leistungsfreiheit im Sinne von § 28 VVG tritt bei vertraglich vereinbarten Obliegenheiten grundsätzlich nur dann ein, wenn sie in den Versicherungsbedingungen als Folge der Verletzung ausdrücklich vorgesehen ist (OLG Brandenburg VersR. 2005, 820; Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 28. Auflage, RN 106 zu § 28).  a) So verhält es sich hier. Aus der im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 16.04.2014 vorgelegten Seite 3 zur Schadensanzeige ergibt sich, dass nach den getroffenen vertraglichen Vereinbarungen die Beklagte von dem Kläger nach Eintritt des Versicherungsfalles verlangen kann, dass er ihr jede Auskunft erteilt, die zur Feststellung des Versicherungsfalles oder des Umfangs ihrer Leistungspflicht erforderlich ist. Dies, um der Beklagten die sachgerechte Prüfung ihrer Leistungspflicht insoweit zu ermöglichen, als der Kläger ihr alle Angaben zu machen hat, die zur Aufklärung des Tatbestandes dienlich sind. Macht der Kläger entgegen dieser vertraglichen Vereinbarungen vorsätzlich keine oder nicht wahrheitsgemäße Angaben verliert er seinen Anspruch auf die Versicherungsleistung.

b) Dies war im vorliegenden Fall anzunehmen. So steht nach der Aussage des Zeugen … zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Unfallgegner dem Zeugen … Name und Anschrift mitgeteilt hat. Hierbei stützt das Gericht seine Entscheidung auf die Aussage des Zeugen …. Im Rahmen der Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) war zu sehen, dass der Zeuge als Mitarbeiter der Beklagten keinerlei wirtschaftliches Eigeninteresse am Ausgang des Rechtsstreits besitzt. Seine Aussage war klar und widerspruchsfrei und fügt sich in das weitere Ergebnis der Beweisaufnahme zwanglos ein.   Der -insoweit entgegenstehende- Aussage des Zeugen … begegnen von Seiten des Gerichts erhebliche Bedenken: So erscheint es wenig nachvollziehbar, dass ein Führer eines Pkws nach einem Unfall, der nicht lediglich einen Blechschaden unterster Kategorie zum Gegenstand hat sich zumindest nicht das Pkw-Kennzeichen des unfallgegnerischen Fahrzeug gemerkt oder zumindest aufschreibt. Gleiches gilt im Hinblick auf die Angaben zum Unfallgegner. So trifft man es in der täglichen Pra.is an, dass selbst bei leichtesten Schäden auf Parkplätzen umfassend die Personalien ausgetauscht werden. Das dies bei einem Schaden, der bereits dem äußeren Anschein nach sich im gehobenen vierstelligen Bereich bewegt nicht gemacht wurde ist für das Gericht schlicht weg nicht nachvollziehbar.  Demgemäß steht nach durchgeführter Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest, dass anlässlich des Unfallereignis entweder die Personalien ausgetauscht wurden oder der Zeuge … seitens des Unfallgegners eindeutige Informationen erlangte, die zur Identifizierung des Unfallgegners zwingend führen (z.B. Telefonnummer oder Autokennzeichen). Weiter geht das Gericht zwingend davon aus, dass der Zeuge … diese Informationen auch an den Kläger weiter gab. Im Rahmen der Beweisaufnahme wirkten Vater und Sohn vertraut, sodass es aus Sicht des Gerichts keinerlei Grund geben kann, dass der Zeuge … derartige Informationen gegenüber seinem Vater verschweigt. Daraus folgt, dass der Kläger diese für die Schadensbearbeitung entscheidend wichtigen Informationen entgegen seiner vertraglichen Verpflichtungen nicht an die Beklagte weitergegeben hat, was eine erhebliche Obliegenheitsverletzung im Sinne des Vertragsverhältnisses zur Beklagten darstellt.

3. Selbst wenn zwischen dem Kläger einerseits und der Beklagten andererseits keine diesbezügliche Abrede im Hinblick auf eine Leistungsfreiheit bei Verletzung derartiger Obliegenheit getroffen wäre, wäre dennoch eine Leistungsfreiheit anzunehmen. Versicherungsnehmer kann nach zutreffender Auffassung auch ohne entsprechende Abrede seinen Anspruch ausnahmsweise unter Heranziehung von § 242 BGB ganz oder teilweise verlieren, wenn ihm eine grobe Verletzung der Interessen des Versicherers anzulasten ist, die das vertragliche Vertrauensverhältnis erheblich stört (BGH Versr. 1987, 1182; OLG Brandenburg, VersR 2005, 820; OLG Hamburg Versr. 1954, 398; LG Essen VersR. 1968, 193; Prölls/Martin, aaO) und daher dem Versicherer die Erfüllung seiner Vertragspflichten unzumutbar macht (BGH VersR. 1991, 1129; OLG Celle VersR. 2006, 397; Prölls/Martin, aaO). So soll insbesondere eine Täuschung bei der Schadensermittlung unter dieser Voraussetzung zur Leistungsfreiheit führen (BGH VersR. 1991, 1129; AG Köln VersR. 2006, 1681).  Auch derartige war vorliegend anzunehmen: Nach oben gesagtem ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger erhebliche Umstände, nämlich die Identität des Unfallgegners -bewusst nicht weitergegeben hat und stattdessen der Beklagte gegenüber wahrheitswidrig erklärte, seinem Sohn als Unfallbeteiligten und ihm seinen diese Umstände nicht bekannt. Dies stellt einen gravierenden Verstoß gegen den Grundsatz von Treue und Glaube dar, sodass die Beklagte auch unter Zugrundelegung dieses Gesichtspunktes leistungsfrei ist.

4. Die Klage war daher bereits aus diesem Grund mit der Kostenfolge des § 91 ZPO abzuweisen. Auf die Schadenshöhe kam es demnach nicht mehr an. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergab sich im Hinblick auf die Kosten des Rechtsstreits aus § 709 S. 1 ZPO.

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