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Berufsunfähigkeitsrente – Dynamisierung nach Eintritt des Leistungsfalls

OLG Dresden – Az.: 4 U 2848/19 – Beschluss vom 31.03.2020

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.

2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von drei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.

Gründe

Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch – einstimmig gefassten – Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Klägers bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht. Das Landgericht hat die geltend gemachten Auskunfts- und Leistungsansprüche aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung und den unter Nr. 3 ergänzend gestellten Antrag auf „Beauskunftung und Berücksichtigung“ bezüglich der Hauptversicherung im Ergebnis zutreffend abgelehnt.

1. Der Antrag Nr. 1, mit dem eine Dynamisierung der dem Kläger rechtskräftig zugesprochenen Berufsunfähigkeitsversicherung auf 1.545,20 € begehrt wird, ist bereits unschlüssig, da sich dieser Betrag unter Berücksichtigung einer jährlichen Dynamisierung von 5 % ab dem 1.11.2007 rechnerisch nicht ergibt und weder erstinstanzlich noch mit der Berufung nachvollziehbar hergeleitet wird.

Ein Anspruch auf eine solche Dynamisierung steht dem Kläger aber ohnehin nicht zu. Wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, folgt dies allerdings noch nicht aus der Rechtskraft des Urteils des Landgerichts Leipzig vom 10.5.2013 (3 O 1714/09). Die Rechtskraft beschränkt sich auf den Streitgegenstand des früheren Rechtsstreits, der durch den dortigen prozessualen Anspruch und den ihm zu Grunde liegenden Lebenssachverhalt bestimmt wird (st. Rspr., vgl. BGH, Urteile vom 26. Juni 2003 – I ZR 269/00 – NJW 2003, 3058 unter II 1 a; vom 11. November 1994 – V ZR 46/93 – NJW 1995, 967 unter II 1). Vorliegend war dies die vorgelagerte Frage der Berufsunfähigkeit des Klägers sowie der Zahlungsanspruch ab dem 1.10.2007. Zu möglichen Dynamisierungen hatte sich der Kläger dort nicht erklärt. Vor diesem Hintergrund kommt auch den Ausführungen auf S. 16 des o.a. Urteils keine Bindungswirkung zu. Dort hatte das Landgericht zwar ausgeführt: „Da Berufsunfähigkeit.. bereits zum 1.10.2007 eintrat, war der bis zu diesem Zeitpunkt geltende Betrag maßgebend, da die Dynamikanpassung tatsächlich wegen des Eintritts des Leistungsfalls nicht mehr wirksam werden konnte“. Ersichtlich bezogen sich diese Ausführungen jedoch lediglich auf die ab dem 1.11.2007 beanspruchte Dynamisierung auf 1379,10 €. Über die sich daran anschließenden Dynamisierungszeiträume wurde insofern keine Entscheidung getroffen, die Bindungswirkung für das vorliegende Verfahren entfalten könnte (vgl. allgemein zur Abgrenzung nicht bindender Vorfragen BGH, Urteil vom 24.06.1993 – III ZR 43/92 – juris; (Zöller/Vollkommer, ZPO, 33. Aufl. vor § 322 Rz. 28).

Berufsunfähigkeitsrente - Dynamisierung nach Eintritt des Leistungsfalls
(Symbolfoto: umaruchan4678/Shutterstock.com)

Eine Dynamisierung der Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung ist in den vorliegenden Versicherungsbedingungen jedoch an keiner Stelle vorgesehen. Der Versicherungsschein regelt eine solche Anpassung nicht, sondern verweist unter dem Punkt „Dynamische Anpassungen“ insofern auf die maßgeblich für die Hauptversicherung geltenden Besonderen Bedingungen für die Rentenversicherung (B3R). Dort ist in § 4 Abs. 3 B3R aufgenommen, dass „auch im Leistungsfall Erhöhungen für die Rentenversicherung und eine gfs. eingeschlossene Unfallzusatzversicherung“ aufgenommen werden können; eine gleichgelagerte Regelung für die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung findet sich dort nicht. In gleicher Weise sieht § 1 Abs. 5 der für die Berufsunfähigkeitsversicherung geltenden Bedingungen B2R lediglich vor, dass bei Eintritt einer BU nur „Leistungen der Hauptversicherung und Unfall-Zusatzversicherung“ auf Vereinbarung erhöht werden können. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird hieraus bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs auch ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse (vgl. allgemein zur Auslegung von AVB BGH, Urteil vom 03.07.2002 – IV ZR 145/01 Rz. 25 m.w.N. – nach juris) aus diesem „beredten Schweigen“ ohne weiteres entnehmen können, dass Leistungen der BU-Versicherung im Leistungsfall keiner Dynamisierung unterliegen. Zu diesem Verständnis wird er auch deswegen gelangen, weil sowohl der Versicherungsschein als auch die AVB der Beklagten die Dynamisierung der Leistungsansprüche durchgängig mit einer entsprechenden Erhöhung der Beiträge verbinden und damit zum Ausdruck bringen, dass das eine condicio sine qua non für das andere ist. Es liegt angesichts dessen für einen verständigen Versicherungsnehmer ohne weiteres auf der Hand, dass ihn die Befreiung von der Prämienzahlung während des Leistungszeitraums auch von der weitergehenden Dynamisierung der BU-Rente ausschließt und dass das Leistungsversprechen der Versicherung von vornherein auf die Beträge beschränkt ist, die bis zum Eintritt der Berufsunfähigkeitsversicherung erreicht sind. Dies stellt auch keine überraschende Klausel dar, sondern entspricht dem Leitbild der Berufsunfähigkeitsversicherung. Nach § 3 Abs. 2 Satz 4 BBUZ wird eine laufende Berufsunfähigkeitsrente während der Berufsunfähigkeit – abgesehen von etwaigen Erhöhungen aufgrund der Überschussbeteiligung, die hier nur für die Hauptversicherung, nicht aber für die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung vorgesehen war – nicht erhöht. Damit endet die Dynamisierung im Leistungsfall, (BGH, Beschluss vom 23. November 2016 – IV ZR 502/15 –, juris). Dass die Dynamisierung ohne erneute Gesundheitsprüfung erfolgt, kann der verständige Versicherungsnehmer angesichts dessen nicht in dem Sinne fehlverstehen, dass auch ohne Beitragszahlung und im Falle der Berufsunfähigkeit eine Dynamisierung in jedem Fall stattfindet oder auch nur angeboten werden müsste (BGH, Urteil vom 3.7.2002 – IV ZR 145/01 juris, Rz. 25).

2. Im Anschluss an die o. a. Ausführungen steht dem Kläger auch kein auf § 242 BGB gestützter Auskunftsanspruch bezüglich der Berufsunfähigkeitsversicherung zu. Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass einem solchen Anspruch für die Dynamisierung ab dem 1.11.2007 auch entgegenstünde, dass diese Dynamisierung dem Kläger bereits im Vorprozess bekannt war, von diesem entsprechend eingeklagt und insofern vom Landgericht rechtskräftig abgewiesen wurde.

3. Der unter Ziff. 3 auch im Berufungsverfahren noch geltend gemachte Antrag bezieht sich demgegenüber nicht auf die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung, sondern auf den Hauptvertrag. Insofern wäre grundsätzlich eine Dynamisierung auch nach Eintritt der Berufsunfähigkeit in Betracht gekommen, wie sich aus § 4 Abs. 3 B3 R ergibt. Eine solche Erhöhung erfolgt jedoch gem. § 1 Abs. 1 B3R nur nach Vereinbarung, zu der der insofern beweisbelastete Kläger hier nichts vorgetragen hat. Die Berufung nimmt zu den Voraussetzungen einer Dynamisierung des Hauptvertrages überhaupt nicht Stellung, die Klageschrift leitet diese aus § 3 Abs. 1 S. 4 der „Besonderen Bedingungen für die Rentenversicherung“ ab, der hierzu jedoch nichts enthält. Die Beklagte hat überdies unbestritten vorgetragen, dass Voraussetzung für eine Dynamisierung der Hauptversicherung nach Eintritt des Leistungsfalls ein entsprechendes Verlangen des Versicherungsnehmers gewesen sei. Dass es ein solches Verlangen gegeben habe, hat der Kläger indes weder behauptet noch unter Beweis gestellt. Unterbliebene Erhöhungen können nach § 5 Abs. 2 B 3 R nur mit Zustimmung der Versicherung nachgeholt werden. Eine solche Zustimmung hat die Beklagte jedoch im Schreiben vom 15.2.2019 (K 1) für die Vergangenheit abgelehnt. Angesichts dessen kann dahinstehen, ob der mit Schreiben vom 30.7.2013 (B1) erteilte Hinweis, wonach Erhöhungen der Versicherungsleistung solange entfallen, wie Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung erbracht werden, sich auch auf die Hauptversicherung beziehen sollte und ob infolgedessen dem Anspruch auf Dynamisierung der Hauptforderung die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegensteht.

Der Senat rät angesichts dessen zu einer Rücknahme der Berufung, die zwei Gerichtsgebühren spart.

 

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