Nissan GT-R PS-Streit: Versicherer gewinnt Rücktrittsrecht durch falsche Leistungsangaben
Im Zentrum des Urteils steht der Rücktritt einer Kfz-Kaskoversicherung wegen falscher Angaben zur Motorleistung eines PKWs. Die Klägerin, eine Versicherungsgesellschaft, trat vom Vertrag zurück, nachdem festgestellt wurde, dass die tatsächliche Motorleistung des Fahrzeugs erheblich über der angegebenen lag. Der Beklagte, ein Kunde der Versicherung, wurde zur Rückzahlung der Entschädigungsleistung verurteilt, da bewiesen wurde, dass er die wahre Motorleistung des Fahrzeugs beim Abschluss des Versicherungsvertrags vorsätzlich verschwiegen hatte.
Übersicht
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✔ Das Wichtigste in Kürze
- Die Klägerin (Versicherungsgesellschaft) fordert die Rückzahlung von Entschädigungsleistungen.
- Grundlage ist der Rücktritt vom Kaskoversicherungsvertrag wegen falscher Angaben zur Motorleistung des PKWs.
- Der Beklagte (Versicherungsnehmer) verschwieg vorsätzlich die tatsächliche, höhere Motorleistung beim Abschluss des Vertrages.
- Das Gericht entschied zu Gunsten der Klägerin und verurteilte den Beklagten zur Rückzahlung.
- Wesentliche rechtliche Grundlagen sind §§ 19 Abs. 1, 20 und § 21 Abs. 2 VVG.
- Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der Anzeigepflicht vor Vertragsabschluss.
- Arglistige Täuschung und deren Konsequenzen wurden ebenfalls thematisiert.
- Die Rückforderung umfasste sowohl die Hauptsumme als auch die Verzugszinsen.
Motorleistungsangaben im Versicherungsantrag
Kfz-Kaskoversicherungen erfordern eine präzise Kalkulation des Risikos. Hierbei spielen Motorleistungsangaben eine zentrale Rolle, da Fahrzeuge mit höherer Leistung tendenziell ein größeres Schadensrisiko aufweisen. Falsche Angaben zur Motorleistung können daher Auswirkungen auf den Versicherungsvertrag haben.
Versicherungsnehmer sind verpflichtet, bei Vertragsabschluss wahrheitsgemäße und vollständige Angaben zu machen. Andernfalls kann der Versicherer von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch machen und den Vertrag rückgängig machen. Bei groben Fahrlässigkeiten oder Vorsatz bestehen zudem Leistungskürzungen oder gar kein Versicherungsschutz.
Falsche PS-Angaben in Versicherungsvertrag: Gericht stärkt Offenlegungspflicht
Im Kern des Falles standen unrichtige Angaben zur Motorleistung eines PKWs, die der Beklagte in einem Kaskoversicherungsvertrag machte. Ursprung des Streits war ein Nissan GT-R, dessen angegebene Motorleistung bei Vertragsschluss 357 kW (485 PS) betrug, obwohl das Fahrzeug tatsächlich über 530 kW (720 PS) verfügte. Diese Diskrepanz führte zu einer Auseinandersetzung, nachdem die Klägerin, eine Versicherungsgesellschaft, Entschädigungsleistungen aufgrund eines Schadensfalles erbracht hatte und daraufhin von ihrem Rücktrittsrecht Gebrauch machte.
Vom Kaufvertrag zur Klage: Der Weg in den Gerichtssaal
Der Fall nahm seinen Anfang mit dem Kauf des Fahrzeugs durch die Firma T. GmbH & Co. KG vom Autohaus D., wobei der Sohn des Beklagten, Zeuge E. T., die Vertragsverhandlungen führte und das Fahrzeug nachfolgend nutzte. Nach einem Diebstahlschaden, den der Beklagte bei der Klägerin geltend machte, zahlte diese unter Vorbehalt und forderte später, nachdem die tatsächliche Motorleistung bekannt wurde, die Rückzahlung der Entschädigungssumme. Die Klägerin argumentierte, sie wäre bei Kenntnis der wahren Motorleistung den Versicherungsvertrag nicht eingegangen. Daraus resultierte die rechtliche Auseinandersetzung.
Zwischen Offenbarungspflicht und Rücktrittsrecht
Die rechtliche Herausforderung lag in der Bewertung der vorvertraglichen Anzeigepflichten und des daraus resultierenden Rücktrittsrechts der Versicherung. Dabei standen die Offenlegung der tatsächlichen Motorleistung und die Frage im Mittelpunkt, inwieweit die Klägerin bei Vertragsabschluss über diese informiert war oder hätte sein müssen. Das Gericht musste bewerten, ob die unrichtigen Angaben zur Motorleistung eine erhebliche und vorsätzliche Verletzung der Anzeigepflicht darstellten, die den Rücktritt der Klägerin rechtfertigen.
Urteil und Begründung: Die Entscheidung des Gerichts
Das Landgericht Bielefeld gab der Klägerin Recht und verurteilte den Beklagten zur Rückzahlung der Entschädigungsleistung zuzüglich Zinsen. Die entscheidenden Punkte waren die Feststellung, dass die tatsächliche Motorleistung des Fahrzeugs einen erheblichen Gefahrumstand darstellte und der Beklagte beziehungsweise sein Vertreter diese beim Abschluss des Versicherungsvertrags vorsätzlich nicht korrekt angegeben hatte. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Klägerin bei Kenntnis der tatsächlichen Umstände den Vertrag entweder nicht oder nur unter anderen Konditionen abgeschlossen hätte.
Zum Abschluss dieser Analyse ist festzuhalten, dass das Gericht eine klare Linie in Bezug auf die Offenlegungspflichten bei Versicherungsverträgen zog. Es unterstrich die Bedeutung der wahrheitsgemäßen Angabe relevanter Risikofaktoren und bestätigte das Recht der Versicherung, bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit seitens des Versicherungsnehmers vom Vertrag zurückzutreten.
✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt
Wann liegt eine vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung vor?
Eine vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung liegt vor, wenn ein Versicherungsnehmer bei der Antragstellung für einen Versicherungsvertrag relevante, gefahrerhebliche Umstände nicht, falsch oder unvollständig angibt. Diese Umstände müssen dem Versicherungsnehmer bekannt sein und vom Versicherer in Textform abgefragt worden sein. Die Anzeigepflicht endet mit der Abgabe des Versicherungsantrags.
Die vorvertragliche Anzeigepflicht ist im § 19 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) geregelt. Sie dient dazu, dem Versicherer eine angemessene Risikoeinschätzung zu ermöglichen, damit dieser entscheiden kann, ob und zu welchen Konditionen er den Vertrag abschließt. Gefahrerhebliche Umstände sind solche, die die Entscheidung des Versicherers über den Vertragsabschluss beeinflussen können, wie beispielsweise Vorerkrankungen oder gefährliche Hobbys.
Die Rechtsfolgen einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung hängen vom Grad des Verschuldens des Versicherungsnehmers ab. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit kann der Versicherer vom Vertrag zurücktreten oder ihn anfechten. Bei einfacher Fahrlässigkeit oder schuldloser Verletzung der Anzeigepflicht kann der Versicherer den Vertrag anpassen, etwa durch Erhöhung der Prämie oder Ausschluss bestimmter Risiken. Bei arglistiger Täuschung, also wenn der Versicherungsnehmer bewusst falsche Angaben macht, um den Versicherer zu täuschen, kann der Versicherer den Vertrag anfechten, was zur Nichtigkeit des Vertrages führt.
Es ist wichtig, dass der Versicherungsnehmer alle Fragen des Versicherers wahrheitsgemäß und vollständig beantwortet, um späteren Problemen, wie dem Verlust des Versicherungsschutzes oder Rückforderungen bereits erbrachter Leistungen, vorzubeugen.
Welche Folgen hat das Verschweigen relevanter Informationen beim Abschluss einer Versicherung?
Das Verschweigen relevanter Informationen beim Abschluss einer Versicherung kann schwerwiegende Folgen haben, die je nach Grad des Verschuldens des Versicherungsnehmers variieren. Die Konsequenzen reichen von der Anpassung der Versicherungsbedingungen über den Rücktritt oder die Kündigung des Vertrags bis hin zur Anfechtung des Vertrags durch den Versicherer. Im Folgenden werden die möglichen Folgen detailliert erläutert:
Arglistige Täuschung
Bei arglistiger Täuschung, also wenn der Versicherungsnehmer bewusst falsche Angaben macht, um den Versicherer zu täuschen, kann der Versicherer vom Vertrag zurücktreten und/oder diesen anfechten. In diesem Fall ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, behält aber den Anspruch auf die bis dahin gezahlten Prämien.
Vorsatz
Bei vorsätzlichem Verschweigen relevanter Informationen kann der Versicherer ebenfalls vom Vertrag zurücktreten. Sollte die vorsätzliche Anzeigepflichtverletzung im Zusammenhang mit einem Versicherungsfall aufgedeckt werden, ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet. Der Versicherungsnehmer muss bereits empfangene Leistungen zurückzahlen, wenn der verschwiegene Umstand ursächlich für den Versicherungsfall geworden ist.
Grobe Fahrlässigkeit
Bei grober Fahrlässigkeit hat der Versicherer das Recht, den Vertrag anzupassen, etwa durch Erhöhung der Prämie oder Ausschluss bestimmter Risiken. Sollte der Versicherer den Vertrag unter Kenntnis der verschwiegenen Informationen nicht abgeschlossen haben, kann er vom Vertrag zurücktreten.
Leichte Fahrlässigkeit
Bei leichter Fahrlässigkeit kann der Versicherer ebenfalls eine Anpassung der Versicherungsbedingungen verlangen. Dies kann eine Prämienerhöhung oder den Ausschluss bestimmter Risiken beinhalten. Der Versicherer ist in diesem Fall weiterhin zur Leistung verpflichtet, sofern der Versicherungsfall nicht direkt mit dem verschwiegenen Umstand zusammenhängt.
Allgemeine Folgen
Unabhängig vom Grad des Verschuldens kann das Verschweigen relevanter Informationen dazu führen, dass der Versicherungsschutz im Ernstfall nicht gewährt wird. Dies kann existenzielle finanzielle Folgen für den Versicherungsnehmer haben, insbesondere wenn es sich um Versicherungen handelt, die im Krankheits- oder Schadensfall hohe Kosten abdecken sollen, wie beispielsweise eine private Krankenversicherung oder eine Berufsunfähigkeitsversicherung. Es ist daher von größter Wichtigkeit, dass der Versicherungsnehmer alle Fragen des Versicherers wahrheitsgemäß und vollständig beantwortet, um späteren Problemen und dem Verlust des Versicherungsschutzes vorzubeugen.
Wie wird die Motorleistung eines Fahrzeugs rechtlich bewertet?
Die rechtliche Bewertung der Motorleistung eines Fahrzeugs bezieht sich auf verschiedene Aspekte, darunter die Genauigkeit der Leistungsangaben, die Einhaltung von Normen und Vorschriften sowie die Auswirkungen von Leistungsänderungen auf die Zulassung und den Versicherungsschutz des Fahrzeugs. Hier sind die wichtigsten Punkte zusammengefasst:
Genauigkeit der Leistungsangaben
Die Motorleistung wird üblicherweise auf einem Leistungsprüfstand gemessen. Diese Messungen können jedoch aufgrund verschiedener Faktoren wie Luftdruck, Raumtemperatur und Luftfeuchte variieren. Es gibt gesetzliche Toleranzen für die Abweichung der tatsächlichen Motorleistung von den Herstellerangaben, wobei oft von einer akzeptierten Toleranz von 5% ausgegangen wird. Diese Toleranz berücksichtigt natürliche Schwankungen in der Produktion und Messung.
Rechtliche Vorschriften und Normen
Die EWG-Norm 80/1269 regelt die Messung der Motorleistung und berücksichtigt dabei Umgebungsfaktoren wie Luftdruck und Ansauglufttemperatur. Diese Norm wurde für Motoren entwickelt, die kein Kennfeld hatten, und muss bei modernen Motoren, die eine Anpassung an solche Faktoren selbstständig vornehmen, entsprechend angewendet werden.
Auswirkungen von Leistungsänderungen
Leistungssteigerungen, beispielsweise durch Chiptuning, können die Betriebserlaubnis des Fahrzeugs beeinflussen. Abhängig vom Grad der Leistungssteigerung sind verschiedene Prüfungen und Nachweise erforderlich. Eine Leistungssteigerung von mehr als 20% erfordert in der Regel ein Abgasgutachten, fahrwerktechnische Gutachten und Leistungsmessungen auf dem Leistungsprüfstand. Die Leistungsänderung muss zudem der Zulassungsbehörde und der Versicherung mitgeteilt werden, um den Versicherungsschutz nicht zu gefährden.
Die Motorleistung eines Fahrzeugs wird rechtlich unter Berücksichtigung der Genauigkeit der Leistungsangaben, der Einhaltung von Normen und Vorschriften sowie der Auswirkungen von Leistungsänderungen bewertet. Es ist wichtig, dass Fahrzeughalter sich an die gesetzlichen Vorgaben halten und Änderungen der Motorleistung ordnungsgemäß melden, um die Betriebserlaubnis und den Versicherungsschutz ihres Fahrzeugs nicht zu riskieren.
§ Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil
- § 19 VVG (Versicherungsvertragsgesetz) – Anzeigepflicht
- Dieser Paragraph regelt die Pflicht des Versicherungsnehmers, vor Abschluss des Versicherungsvertrages alle bekannten Gefahrumstände, die für die Übernahme der Gefahr erheblich sind, dem Versicherer anzuzeigen. Im Kontext des Falles ging es um die unrichtigen Angaben zur Motorleistung eines PKWs, welche eine wesentliche Information für den Versicherer darstellt.
- § 21 Abs. 2 VVG – Leistungsfreiheit bei Rücktritt
- Dieser Abschnitt erklärt, dass der Versicherer von der Leistungspflicht frei wird, wenn er vom Vertrag zurücktritt. Im Fallbeispiel nutzte die Versicherung ihr Rücktrittsrecht aufgrund einer Anzeigepflichtverletzung durch den Versicherungsnehmer, was zu einer Leistungsfreiheit führte.
- § 24 VVG – Kündigung wegen Gefahrerhöhung
- Beschreibt das Recht des Versicherers, den Vertrag zu kündigen, wenn sich die Gefahr nach Vertragsabschluss erhöht. Im vorliegenden Fall wurde argumentiert, dass durch nachträgliche Tuningmaßnahmen eine solche Gefahrerhöhung stattfand.
- § 19 Abs. 5 S. 2 VVG – Ausschluss des Rücktrittsrechts
- Erläutert, unter welchen Umständen das Rücktrittsrecht des Versicherers ausgeschlossen ist, z.B. wenn der Versicherer den nicht angezeigten Gefahrumstand kannte. Im vorliegenden Fall war dieser Punkt relevant, da diskutiert wurde, ob die Versicherung Kenntnis von den unrichtigen Angaben hatte.
- § 346 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) – Rücktrittsfolgen
- Regelt die Folgen eines Rücktritts vom Vertrag, insbesondere die Rückgewähr der empfangenen Leistungen. Im Kontext wurde der Beklagte zur Rückzahlung der von der Versicherung geleisteten Entschädigungszahlungen verurteilt.
- § 288 BGB – Verzugszinsen
- Bestimmt die Höhe der Zinsen, die bei Zahlungsverzug zu entrichten sind. Dies war relevant für die Berechnung der Zinsen auf den Rückzahlungsbetrag, den der Beklagte schuldete.
Das vorliegende Urteil
LG Bielefeld – Az.: 8 O 40/14 – Urteil vom 08.06.2015
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 15.642,54 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.08.2013 zu zahlen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt vom Beklagten Rückzahlung erbrachter Entschädigungsleistungen nach Rücktritt vom Kaskoversicherungsvertrag.
Mit Kaufvertrag vom 03.06.2012 kaufte die Firma T. GmbH & Co. KG einen PKW Nissan GT-R, Fahrgestellnummer …, Erstzulassung November 2009, mit einer Laufleistung von 28.000 km zu einem Preis von 58.000 EUR vom Autohaus D. in N. . Die Firma T. wurde als Käuferin im Kaufvertrag genannt, da das Autohaus D. aus haftungsrechtlichen Gründen den PKW nicht an eine Privatperson verkaufen wollte. Die Vertragsverhandlungen führte der Sohn des Beklagten, der Zeuge E. T.. Dieser nutzte das Fahrzeug in der Folge auch ausschließlich.
In dem Kaufvertrag vom 03.06.2012 ist die Motorleistung des PKWs mit 357 kW (485 PS) angegeben. Weiter heißt es in dem Vertrag: „Fahrzeugzustand zum Zeitpunkt der Übergabe: Tuningmaßnahmen sind nicht eingetragen.“ Die tatsächliche Motorleistung des PKWs betrug zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses 530 kW (720 PS).
Am 11.08.2012 schloss der Beklagte, vertreten durch den Zeugen E. T., bei der Klägerin eine Kfz-Haftpflichtversicherung sowie eine Vollkaskoversicherung für den streitgegenständlichen PKW ab. Am 16.08.2012 wurde der PKW zum Kennzeichen M… auf den Halter E. T. angemeldet.
In der Nacht vom 01.10. auf den 02.10.2012 wurden die vier Reifen des in der Garage des Beklagten abgestellten streitgegenständlichen PKWs samt Felgen und Bremssätteln entwendet. Nachdem die Ehefrau des Beklagten am 02.10.2012 Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt hatte, machte der Beklagte den Schaden im Rahmen der bei der Klägerin bestehenden Teilkaskoversicherung geltend.
Auf Grundlage des Gutachtens des KfZ-Sachverständigen R. vom 29.10.2012 regulierte die Klägerin den Schaden und überwies an den Beklagten einen Betrag von 16.527,30 EUR unter Rückforderungsvorbehalt, da ihr die polizeiliche Ermittlungsakte zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorgelegen hatte.
Im Juni und Juli 2013 bot der Zeuge E. T. den streitgegenständlichen PKW auf verschiedenen Onlineportalen zum Verkauf an. Die Laufleistung des PKWs betrug zu diesem Zeitpunkt 33.000 respektive 34.000 km. In den Fahrzeugbeschreibungen heißt es:
„Das Fahrzeug ist komplett getuned von GTC (Europas Experten für den Nissan GT-R35). Unter anderem mit kompletter Titan Abgasanlage ab Turbo in 3,5 Zoll. Extrem leistungsfähiges Hybrid Turbolader Upgrade. Ebenso wie die effiziente deutlich größere Ladeluftkühlung mit großem Kühler der Extraklasse und dazu größere Verrohrungen sowie Forge Blowoff Ventile. Auch die Spritzufuhr wurde angepasst mit 1000ccm Injektoren und leistungsstarker und sehr leiser Benzinpumpe (nicht zu hören). Vollendet wird das Leistungsupgrade mit der perfekten und per Knopfdruck wechselbaren Cobb Software von GTC in 2 Leistungsvarianten von 720 PS & 800 Nm per Knopfdruck bis zu 860 PS und über 1.000 Nm.“
Mit Schreiben vom 10.07.2013 erklärte die Klägerin gegenüber dem Beklagten den Rücktritt vom Versicherungsvertrag wegen vorvertraglicher Obliegenheitsverletzung. Hilfsweise erklärte sie die Anfechtung des Vertrages und kündigte den Vertrag wegen Gefahrerhöhung. Sie forderte den Beklagten zur Rückzahlung von ihr geleisteter Entschädigungszahlungen in Höhe von 17.736,22 EUR abzüglich vom Beklagten gezahlter Versicherungsprämien in Höhe von 2.093,68 EUR, mithin 15.642,54 EUR bis zum 01.08.2013 auf.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 19.07.2013 wies der Beklagte die Rückforderungsansprüche der Klägerin zurück.
Der Zeuge E. T. hat das streitgegenständliche Fahrzeug inzwischen veräußert.
Die Klägerin behauptet, der Beklagte respektive E. T. hätten ihnen bekannte Gefahrumstände, nämlich die tatsächliche Motorleistung des PKWs, beim Vertragsschluss vorsätzlich verschwiegen. Ihr habe beim Vertragsschluss lediglich der Fahrzeugbrief, der für den PKW eine Motorleistung von 357 kW auswies, vorgelegen. Der Kaufvertrag vom 03.06.2012 habe ihr hingegen nicht vorgelegen. Sie hätte den Versicherungsvertrag bei Kenntnis der tatsächlichen Motorleistung nicht abgeschlossen.
E. T. habe auch nach Vertragsschluss Leistungssteigerungen am PKW vorgenommen. Er habe den PKW auch mehrere tausend Kilometer auf öffentlichen Straßen bewegt.
Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagte respektive E. T. habe seine vorvertragliche Anzeigepflicht aus § 19 VVG verletzt. Weiter liege auch eine arglistige Täuschung zulasten der Klägerin vor. In der Leistungssteigerung nach Vertragsschluss liege eine weitere Gefahrerhöhung, die zur sofortigen Kündigung gem. § 24 VVG berechtige. Durch die Tuningmaßnahmen sei auch die Betriebserlaubnis gem. § 19 Abs. 2 S. 2 Nr. 1-3 StVZO erloschen.
Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 15.642,54 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.08.2013 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte behauptet, der Klägerin habe der Kaufvertrag vom 03.06.2012 bei Abschluss des Versicherungsvertrages vorgelegen. Ihr sei auch bekannt gewesen, dass E. T. an Fahrzeugen „schraubte“.
Die Leistungssteigerung an dem PKW sei mittels eines COBB-Gerätes mit entsprechender Software erfolgt, mit dessen Hilfe die Motorleistung innerhalb weniger Minuten von 485 PS auf über 800 PS zu steigern sei. Der PKW sei niemals in aufgetunter Form im normalen Straßenverkehr bewegt worden, sondern lediglich auf Rennstrecken.
Der Beklagte ist der Ansicht, etwaige Gefahrerhöhungen spielten bei dem aufgrund eines Diebstahls eingetretenen Kaskoschaden überhaupt keine Rolle.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch die uneidliche Vernehmung des Zeugen E. T. . Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 09.03.2015 Bezug genommen.
Wegen des Sachvortrages der Parteien im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 09.03.2015 verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage ist zulässig und begründet.
1. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 15.642,54 EUR aus § 346 Abs. 1 BGB.
a) Die Klägerin hat mit Schreiben vom 10.07.2013 den Rücktritt vom Versicherungsvertrag gem. § 349 BGB erklärt.
b) Der Rücktrittsgrund der Klägerin ergibt sich aus § 19 Abs. 2 VVG, da E. T. als Vertreter des Beklagten seine Anzeigepflicht aus §§ 19 Abs. 1, 20 VVG verletzt hat.
aa) Es liegt ein anzeigepflichtiger Gefahrumstand in Form der Motorleistung des streitgegenständlichen PKWs vor.
(1) Bei der Motorleistung eines PKWs handelt es sich um eine objektive Tatsache betreffend die Eigenschaften des zu versichernden Objekts.
(2) E. T. hatte auch Kenntnis von dem Gefahrumstand. §§ 19 Abs. 1, 20 VVG verpflichtet den Vertreter des Versicherungsnehmers, die „ihm bekannten Gefahrumstände“ anzuzeigen. Das bedeutet grundsätzlich, dass er positive Kenntnis von dem entsprechenden Umstand haben muss. Dem Zeugen E. T. war die Motorleistung des PKWs ausweislich seiner Aussage in der mündlichen Verhandlung vom 09.03.2015 bekannt.
(3) Bei der Motorleistung eines PKW handelt es sich auch um einen erheblichen Gefahrenumstand. Die Anzeigeobliegenheit erstreckt sich nur auf diejenigen Gefahrumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind. In diesem Sinne erheblich sind alle Umstände, die den Versicherer – hätte er sie gekannt – veranlasst haben könnten, den Versicherungsvertrag entweder gar nicht oder nur mit einem vom Üblichen abweichenden Inhalt abzuschließen, weil sie nach der Lebenserfahrung die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Versicherungsfalles oder der unberechtigten Inanspruchnahme des Versicherers nicht nur völlig unwesentlich erhöhen. Die Motorleistung eines PKWs ist im Rahmen der Kaskoversicherung ein entscheidender Umstand im Hinblick auf die Frage, ob ein Versicherer einen PKW überhaupt und falls ja, zu welchen Konditionen versichert, da eine höhere Motorleistung mit höheren Geschwindigkeiten und mit einem höheren Unfallrisiko einhergeht.
bb) E. T. hat seine Anzeigepflicht aus §§ 19 Abs.1, 20 VVG objektiv verletzt, indem er gegenüber der Klägerin unrichtige Angaben zur Motorleistung des PKWs machte.
(1) E. T. hat die Motorleistung des PKWs bei Abschluss des Versicherungsvertrages gegenüber dem Vertreter der Klägerin, Herrn …, mit 357 kW angegeben. Diese Erklärung erfolgte durch die Übermittlung des Fahrzeugbriefs, der eine Leistung von 357 kW für den PKW auswies. Unterstellt man die zwischen den Parteien streitige Übermittlung des Kaufvertrages, so ergibt sich auch aus diesem eine Leistung von 357 kW. Nach der Aussage des Zeugen T. wurde auch nichts Weiteres mehr bezüglich des PKWs besprochen.
(2) Die tatsächliche Motorleistung des PKWs betrug nach der Zeugenaussage des E. T. zum Zeitpunkt des Ankaufs im Juni 2012 aufgrund verschiedener Tuningmaßnahmen, die sowohl in Form von Hardwaretuning (u.a. Abgasanlage) als auch Softwaretuning (COBB-Gerät) vorlagen, ca. 530 kW. Dass es mittels der in dem PKW vorhandenen Tuningsoftware durch Überschreiben der Computerchips in den Steuergeräten des Motors möglich war, die Leistung des Motors in jedweden kW-Bereich – und daher natürlich auch in den serienmäßigen Zustand von 357 kW – zu bringen, führt nicht dazu, dass die Angaben des E. T. beim Abschluss des Versicherungsvertrages richtig waren. Vielmehr hätte er gegenüber der Klägerin angeben müssen, dass die Motorleistung des PKWs durch die von ihm verwendete Tuningsoftware variabel war (und letztlich in seinem Belieben stand) und dadurch auch deutlich höhere kW-Zahlen als die im Fahrzeugbrief eingetragenen 357 kW möglich waren. Durch die Angabe der konkreten Zahl von 357 kW wurde bei der Klägerin hingegen der Eindruck erweckt, dass die Motorleistung des PKWs exakt und daher auch maximal 357 kW entsprach.
Darüber hinaus ist die Aussage des Zeugen T. im Hinblick auf den geschilderten immer wieder vorgenommenen Rückbau des PKWs in den vollständig serienmäßigen Zustand zur Bewegung im öffentlichen Straßenverkehr ohnehin wenig glaubhaft. Es besteht ein Widerspruch zum Vortrag des Beklagten, der PKW sei mittels des Softwaretunings innerhalb kürzester Zeit vom erlaubten Bereich (für Rennen) hochzutunen, und im Anschluss wieder in den erlaubten Bereich zurückzuführen, um den PKW wieder (im öffentlichen Verkehr) zu bewegen. Wäre dies ohne Weiteres möglich, so wäre die vom Zeugen geschilderte Vorgehensweise, den PKW auf einem Anhänger zum Rennort zu fahren nicht notwendig. Auch die Ausführungen des Zeugen den PKW unmittelbar nach dem Ankauf und damit vor Vertragsschluss in den vollständigen serienmäßigen Zustand gebracht zu haben, erscheinen im Hinblick auf die bereits zum damaligen Zeitpunkt bestehenden umfangreichen Tuningmaßnahmen, die der Zeuge schließlich auch beim Kauf des PKWs bezahlt hatte, wenig glaubhaft.
cc) E. T. verletzte seine Anzeigepflicht auch vorsätzlich. Vorsätzlich handelt, wer einen rechtswidrigen Erfolg mit Wissen und Willen verwirklicht, obwohl ihm ein rechtmäßiges Handeln zugemutet werden kann, sodass auch das Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit oder des Unerlaubten erforderlich ist. Dabei genügt es, wenn der Täter nur mit der Möglichkeit des pflichtwidrigen Erfolgs rechnet, den Eintritt aber billigt. Der Zeuge E. T. wusste, dass die tatsächlich mögliche Motorleistung des PKWs von der der Klägerin übermittelten Angabe von 357 kW nach oben abwich und ihm war auch klar, dass es sich bei der Motorleistung um einen für die Klägerin erheblichen Gefahrumstand handelte.
c) Das Rücktrittsrecht der Klägerin ist auch nicht ausgeschlossen.
(aa) Das Rücktrittsrecht ist nicht wegen Kenntnis des Versicherers vom nicht angezeigten Gefahrumstand oder von der Unrichtigkeit der Anzeige gem. § 19 Abs. 5 S. 2 VVG ausgeschlossen. Es fehlt an der in beiden Tatbestandsalternativen erforderlichen sicheren Kenntnis des Versicherers. Der Klägerin war der Umstand, dass der PKW über eine höhere Motorleistung als von E. T. angegeben verfügte, nicht bekannt. Dabei konnte unterstellt werden, dass der Klägerin der Kaufvertrag vom 03.06.2012 bei Vertragsschluss vorlag, da sich aus der Formulierung „Tuningmaßnahmen sind nicht eingetragen“ nicht sicher ergibt, dass die in dem Kaufvertrag angegebene von der tatsächlichen Motorleistung abweicht. Tuningmaßnahmen können in vielfältigster Weise an einem PKW vorgenommen werden, sodass ein Schluss auf eine Veränderung der Motorleistung nicht zwingend war.
(bb) Das Rücktrittsrecht der Klägerin ist auch nicht wegen der Möglichkeit zur Vertragsanpassung gem. § 19 Abs. 4 S. 1 VVG ausgeschlossen. Voraussetzung der Möglichkeit zur Vertragsanpassung ist, dass der Versicherungsnehmer die Anzeigepflicht nicht vorsätzlich verletzt hat. Da dies aber vorliegend gerade der Fall ist, kommt eine Vertragsanpassung nicht in Betracht.
d) Die Klägerin hat auch die Monatsfrist des § 21 Abs. 1 VVG eingehalten. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem der Versicherer von der Verletzung der Anzeigepflicht, die das Rücktrittsrecht begründet, Kenntnis erlangt. Die Klägerin erhielt hier durch die von E. T. am 13.06.2013 und 09.07.2013 geschalteten Verkaufsanzeigen Kenntnis von der tatsächlichen Motorleistung des PKWs. Die Rücktrittserklärung vom 10.07.2013 erfolgte daher fristgemäß.
e) Die Klägerin ist infolge ihres wirksamen Rücktritts auch von ihrer Leistungspflicht gem. § 21 Abs. 2 VVG frei geworden.
Der Rücktritt des Versicherers hat an sich zur Folge, dass das Versicherungsverhältnis in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt wird. Hiervon macht § 21 Abs. 2 VVG zu Lasten des Versicherers eine Ausnahme: Seine Leistungspflicht besteht für vor Zugang der Rücktrittserklärung beim Versicherungsnehmer eingetretene Versicherungsfälle fort, wenn es an jeder Kausalität zwischen der Anzeigepflichtverletzung und der Leistungspflicht des Versicherers für den konkreten Versicherungsfall fehlt.
Zwar fehlt es im vorliegenden Fall an der Kausalität zwischen der Anzeigepflichtverletzung hinsichtlich der Motorleistung und der Leistungspflicht der Klägerin aus dem Diebstahl Teilkaskoschaden.
Allerdings ist die Klägerin trotz fehlender Kausalität gem. § 21 Abs. 2 S. 2 VVG leistungsfrei, da E. T. seine Anzeigeobliegenheit arglistig verletzt hat.
Arglist bedeutet, dass der Versicherungsnehmer auf die Entschließung des Versicherers Einfluss nehmen will, und mit der Möglichkeit rechnet und diese in Kauf nimmt, dass der Versicherer bei Kenntnis des wahren Sachverhalts seinen Antrag nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen annehmen werde.
Die unrichtigen Angaben erfolgten hier mit dem Willen, die Klägerin dazu zu veranlassen, den streitgegenständlichen PKW mit der serienmäßigen Motorleistung zu versichern, wobei es der Zeuge T. in Kauf nahm, dass die Klägerin den Versicherungsvertrag bei Kenntnis der tatsächlichen Motorleistung gar nicht oder nur zu deutlich höheren Prämien abgeschlossen hätte.
f) Daher sind die beiderseitig empfangenen Leistungen gem. § 346 Abs. 1 BGB zurückzugewähren. Der Beklagte hat die empfangenen Entschädigungszahlungen, nämlich 16.527,30 EUR für den Diebstahl im Oktober 2012 und 1.208,92 EUR für einen Glasbruchschaden im Januar 2013 an die Klägerin zurückzuzahlen. Die Klägerin muss im Gegenzug die vom Beklagten erhaltenen Versicherungsprämien von 2.093,68 EUR an diesen zurückzahlen. Daraus ergibt sich saldiert ein Zahlungsanspruch der Klägerin in Höhe von 16.542,54 EUR.
2. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 S. 2 BGB, da sich der Beklagte seit dem 02.08.2013 in Verzug befand.
II.
Die Kostenscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.