OLG Dresden – Az.: 4 W 991/17 – Beschluss vom 07.11.2017
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Leipzig vom 11.8.2017 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Leistungen aus einer bei der Beklagten gehaltenen Kaskoversicherung wegen eines nach seiner Behauptung am 8.7.2016 eingetretenen Brandschadens. Das Fahrzeug VW Golf VI Match hatte er mit Kaufvertrag vom 30.7.2014 für 12.500,- € erworben, ausweislich des Kaufvertrags handelte es sich um ein repariertes Unfallfahrzeug. In der Schadensanzeige gegenüber der Beklagten vom 19.7.2016 verneinte der Kläger die Frage 25 („Hatte ihr Fahrzeug zum Zeitpunkt des Schadens reparierte/unreparierte Vorschäden?“), den Kaufpreis gab er mit 14.500,- € an. Mit Schreiben vom 19.8.2016 lehnte die Beklagte ihre Eintrittspflicht wegen des verschwiegenen Vorschadens und der Falschangabe zum Kaufpreis und der darin liegenden arglistigen Verletzung von Auskunfts- und Aufklärungsobliegenheiten ab. Seinen Antrag auf Prozesskostenhilfe hat das Landgericht abgelehnt. Auch wenn falsche Angaben noch nicht zwingend den Schluss auf ein arglistiges Verhalten des Versicherungsnehmers erlaubten, so sei hier zu Lasten des Antragstellers zu berücksichtigen, dass er die Frage nach Vorschäden vollständig verneint, zusätzlich einen überhöhten Kaufpreis angegeben und auch den Kaufvertrag nicht beigefügt habe. Angesichts dieses Verhaltens sei davon auszugehen, dass er zumindest Schwierigkeiten bei der Regulierung habe vermeiden wollen. Plausibel erklärt habe er sein Verhalten nicht, seine Behauptung, bei der Schadensmeldung „unter Schock“ gestanden zu haben, sei unbehelflich. Mit seiner Beschwerde behauptet der Antragsteller, die Falschangabe des Kaufpreises habe darauf beruht, dass er im Zeitpunkt der Schadensmeldung nicht auf seine Unterlagen habe zurückgreifen können, so dass er den Zeitwert eines Vergleichsfahrzeugs im Internet recherchiert habe. Er habe zudem nicht erkennen können, dass sich die Frage nach reparierten Vorschäden auch auf für ihn nicht mehr erkennbare Mängel bezogen habe. Der Händler habe ihm erklärt, ein Schaden am Kotflügel sei vollständig repariert worden. Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
Die zulässige, insbesondere fristgemäß erhobene Beschwerde ist unbegründet. Die beabsichtigte Klage auf Zahlung von Versicherungsleistungen aus der bei der Beklagten gehaltenen Kaskoversicherung hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 ZPO. Die Beklagte ist wegen einer vorsätzlichen und arglistigen Verletzung von Auskunftspflichten nach Schadenseintritt gem. §§ 28 Abs. 2, 4 VVG leistungsfrei.
1. Nach E.1.3 der dem streitgegenständlichen Versicherungsvertrag zugrunde liegenden AKB 2014 ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, alles zu tun, was zur Aufklärung des Schadensereignisses dienen kann. Auf Fragen zu den Umständen des Schadensereignisses ist wahrheitsgemäß und vollständig zu antworten. Der Umfang der Aufklärungspflicht richtet sich in erster Linie nach den von den Versicherern gestellten Fragen der Schadensanzeigeformulare. Bereits die Nichtbeantwortung/Falschbeantwortung einer Frage ist eine Verletzung der Aufklärungspflicht. Die Auskunftspflicht erstreckt sich auf jeden Umstand, der zur Aufklärung des Tatbestands dienlich sein kann, soweit dem Versicherungsnehmer nichts Unbilliges zugemutet wird (BGH NJW 2015, 949, 950). Dazu gehören vor allem auch Umstände, die lediglich Anhaltspunkte für oder gegen das Vorliegen eines Versicherungsfalls liefern können. Der Versicherungsnehmer hat daher auf entsprechendes Verfangen auch solche Tatsachen wahrheitsgemäß und vollständig zu offenbaren, deren Angabe eigenen Interessen widerstreitet, weil sie dem Versicherer erst ermöglicht, sich auf Leistungsfreiheit zu berufen (vgl. BGH, Urteil vom 16.11.2005 – Aktenzeichen IV ZR 307/04 – juris Rn. 13, 14; Prölss, in: Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl. 2012, § 31 Rn. 7). Bei der hier streitgegenständlichen Frage nach reparierten Vorschäden handelt es sich ebenso wie bei der Frage nach dem Kaufpreis um Fragen, die dem Versicherer helfen sollen, die Höhe der nach Beschädigung zu zahlenden Reparaturkosten zu ermitteln, die im Wiederbeschaffungswert ihre Grenze findet (A 2.6.2 AKB 2014). Derartige Frage sind ohne weiteres zulässig. Dass ihm bekannt war, dass das Fahrzeug von ihm mit einem reparierten Vorschaden erworben wurde, was grundsätzlich vom Versicherer zu beweisen ist (BGH BeckRS 2008, 01658), lässt der Antragsteller gegen sich gelten. Sofern jedoch eine Kenntnis des Versicherungsnehmers von den mitteilungspflichtigen Tatsachen – wie hier – unstreitig einmal gegeben war, wird das Fortbestehen der Kenntnis zum Zeitpunkt der streitigen Aufklärungspflichtverletzung vermutet, mit der Folge, dass der Versicherungsnehmer nach dem Motto „einmal gewusst – immer gewusst“ das Entfallen der einmal vorhanden gewesenen Kenntnis zu beweisen hat (vgl. BGH, Urteil vom 13.12.2006 – IV ZR 252/02 – juris; Prölss, in: Prölss/Martin, aaO, § 31 Rn. 32, 3). Dem genügt der Kläger mit seiner Behauptung, er sei im Zeitpunkt der Schadensanzeige davon ausgegangen, der bereits vor Abschluss des zugrunde liegenden Versicherungsvertrages reparierte Vorschaden müsse nicht mehr angegeben werden, nicht.
2. Mit dem Landgericht geht der Senat auch von einem arglistigen Verhalten des Antragstellers aus. Gemäß § 28 Abs. 2 S. 1 VVG trägt allerdings der Versicherer die Beweislast dafür, dass der Versicherungsnehmer arglistig gehandelt hat. Dies ergibt sich aus einem Umkehrschluss zu der Regelung für eine grob fahrlässige Obliegenheitsverletzung in § 28 Abs. 2 S. 2 VVG. Jedoch trifft den Versicherungsnehmer in diesem Zusammenhang eine sekundäre Darlegungslast. So obliegt es ihm, die Gründe für die Falschangaben, darzutun und der Nachprüfung zugänglich machen (Armbrüster, in: Prölss/Martin, aaO, § 28 Rn. 193 m. w. N.). Er muss plausible Tatsachen vortragen, die den Täuschungswillen entfallen lassen (BGH Urt. v. 11. 5. 2011 – IV ZR 148/09 – juris). Dies ist dem Antragsteller nicht gelungen.
Dass seine Angaben zu Kaufpreis und reparierten Vorschäden in der Schadensanzeige, die den Formerfordernissen des § 28 Abs. 4 VVG genügte, unzutreffend waren, hat er eingeräumt. Seine Erklärungsversuche können den vom Landgericht mit zutreffenden Erwägungen angenommen Arglistvorwurf indes nicht ausräumen. Für ein arglistiges Verhalten reicht es nämlich aus, wenn sich der Versicherungsnehmer der Unrichtigkeit seiner Angaben bewusst ist und annimmt, durch seine Falschangaben die Schadensregulierung möglicherweise zu beeinflussen und sei es auch nur zu erleichtern etwa um Verzögerungen der Regulierung zu entgegnen (vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 2015, 92 OLG Hamm BeckRS 2011, 11604). Es ist gerade nicht erforderlich, dass er einen Vermögensvorteil erstrebt, auf den er keinen Anspruch hat. Es genügt, dass er einen Verdacht von sich abwenden möchte oder Schwierigkeiten bei der Feststellung seiner für berechtigt gehaltenen Ansprüche vermeiden will (OLG Hamm aaO). Schon angesichts der eindeutig formulierten Frage nach reparierten Vorschäden, die nicht zwischen Schäden vor und nach Abschluss des Versicherungsvertrages differenziert, hält der Senat den Vortrag des Antragstellers, er habe die Frage „in Unkenntnis der Rechtslage der heutigen Zeit“ falsch verstanden, für nicht plausibel. Es tritt hinzu, dass beide Falschantworten objektiv geeignet waren, die Ermittlungen der Beklagten zum Wert des Fahrzeugs im Schadensfalls zu beeinflussen und somit die geltend gemachte Versicherungssumme in die Höhe zu treiben; dies lässt nach Auffassung des Senats den Rückschluss auf eine entsprechende Absicht des Antragstellers zu. Eine solche Absicht belegt nicht zuletzt die vorliegende Antragsschrift, mit der der Antragsteller eine Kaskozahlung begehrt, die trotz der zwischenzeitlich erfolgen Veräußerung des Fahrzeugs für 1.110,- € noch über dem von ihm gezahlten Kaufpreis liegt. Dass der Antragsteller nach seinen eigenen Angaben nicht in den noch vorhandenen Kaufvertrag Einsicht nahm, sondern nach einer Internetrecherche stattdessen einen fiktiven Vergleichswert in der Schadensanzeige angegeben haben will, der den Kaufpreis um ca. 15% übersteigt, belegt ebenfalls, dass es ihm vorrangig nicht auf wahrheitsgemäße Angaben, sondern auf eine beschleunigte und für ihn günstige Schadensbearbeitung ankam. In der Gesamtwürdigung dieser Umstände geht der Senat davon aus, dass auch seine mündliche Anhörung den nach diesen Umständen begründeten Verdacht einer arglistigen Obliegenheitsverletzung nicht wird ausräumen können.
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht erforderlich. Die Verpflichtung des Antragstellers, die Kosten des erfolglosen Beschwerdeverfahrens zu tragen, ergibt sich aus dem Gesetz (Ziff. 1812 der Anlage GKG). Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet, Anlass zur Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht nicht.