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Restschuld-Arbeitsunfähigkeitsversicherung – Begriff der Arbeits- und der Berufsunfähigkeit

OLG Frankfurt – Az.: 25 U 110/09 – Urteil vom 22.12.2010

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 7. Juli 2009 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer sogenannten Restschuld-Arbeitsunfähigkeitsversicherung, die sie bei der Beklagten im Rahmen eines von ihr mit der A-Bank AG im Dezember 2004 geschlossenen Darlehensvertrages abgeschlossen hatte, auf Erbringung von Versicherungsleistungen in Anspruch.

Im März 2007 valutierte das Darlehen in Höhe von 4.125,10 €, wobei die Klägerin ab 15.03.2007 noch 35 monatliche Raten à 117,86 € zur Tilgung des ihr gewährten Darlehens zu zahlen hatte. Der Sollstand ihres Girokontos bei der Bank betrug 362,86 €.

Die Klägerin hat die Beklagte mit der Begründung, sie leide an einer Asthma bronchiale und sei deshalb seit dem ….07.2005 nicht nur dauerhaft erkrankt, sondern insgesamt auch berufsunfähig, nämlich außerstande, ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Verkäuferin in einem Samenzuchtbetrieb auszuüben, unter anderem auf Zahlung von 4.478,96 € bzw. einer Arbeitsunfähigkeitsrente in Höhe von 117,85 € in Anspruch genommen. Hierzu hat sie die Auffassung vertreten, der Versicherungsfall sei eingetreten.

Im Übrigen wird hinsichtlich des diesem Rechtstreit zugrundeliegenden Sachverhalts auf die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil vom 07.07.2009 Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Durch dieses Urteil hat das Landgericht die Klage nach durchgeführter Beweisaufnahme abgewiesen und zur Begründung angeführt, die Klägerin habe nicht den Nachweis geführt, dass sie entsprechend den Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten, die Vertragsinhalt geworden seien, während der Dauer der Restschuld-Arbeitsunfähigkeitsversicherung infolge eines Asthma bronchiale arbeitsunfähig erkrankt sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie unter Weiterverfolgung der im ersten Rechtszug gestellten Anträge dessen Abänderung begehrt. Zur Begründung führt die Klägerin im Wesentlichen an, entgegen der Auffassung des Landgerichts liege bei ihr Berufsunfähigkeit seit Antragstellung vor.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie beruft sich, wie schon im ersten Rechtszug, unter anderem darauf, dass Ansprüche der Klägerin auf Erbringung von Versicherungsleistungen erloschen seien, weil sie nach ihrem Vortrag nicht lediglich arbeitsunfähig erkrankt, sondern berufsunfähig sei.

II.

Die fristgerecht nach Zustellung des landgerichtlichen Urteils (21.07.2009) am 21.08.2009 eingelegte und innerhalb der bis zum 23.11.2009 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 23.11.2009 begründete Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO).

Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erbringung von Versicherungsleistungen in Höhe von 4.487,96 €, aus der zwischen den Parteien bestehenden bzw. der von der Klägerin bei der Beklagten abgeschlossenen Restschuld-Arbeitsunfähigkeitsversicherung in Verbindung mit §§ 1 Abs. 1 S. 1, 49 VVG a.F., 1 ff., 6 der Allgemeinen Bedingungen für die Restschuld-Arbeitsunfähigkeitsversicherung der Beklagten, wobei auf das Vertragsverhältnis der Parteien die Vorschriften des VVG in der bis zum 30.12.2007 geltenden Fassung Anwendung finden (Art. 1 Abs. 1, Abs. 2 EGVVG).

Dahingestellt bleiben kann, ob die Klägerin nach den von ihr mit der Berufung angegriffenen Feststellungen des Landgerichts im Urteil vom 07.07.2009 nicht den Nachweis geführt hat, dass sie während der unstreitig bei der Beklagten bestehenden Restschuld-Arbeitsunfähigkeitsversicherung infolge eines Asthma bronchiale arbeitsunfähig erkrankt war, so dass es für die Entscheidung des Rechtsstreits auch insgesamt nicht auf das Ergebnis der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme ankommt.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Leistungen bzw. auf die Zahlung einer Arbeitsunfähigkeitsrente aus der bestehenden Restschuld-Arbeitsunfähigkeitsversicherung bereits deshalb nicht zu, weil ein solcher Anspruch, sofern er bestanden hätte, gemäß § 5 Abs. 4 c der Allgemeinen Bedingungen für die Restschuld-Arbeitsunfähigkeitsversicherung erloschen ist.

Danach erlischt der Anspruch des Versicherungsnehmers auf Arbeitsunfähigkeitsrente, wenn er als versicherte Person unbefristet berufs- oder erwerbsunfähig wird.

So verhält es sich vorliegend. Nach ihrem eigenen Vorbringen ist die Klägerin seit Juli 2005 nicht nur arbeitsunfähig erkrankt, sondern auch berufsunfähig. So hat sie mit Schriftsatz vom 16.01.2007 im ersten Rechtszug vorgetragen, sie sei aufgrund eines bei ihr diagnostizierten Asthmas bronchiale in ihrem Beruf als kaufmännische Angestellte in vollem Umfange berufsunfähig. Mit einem weiteren erstinstanzlichen Schriftsatz vom 24.09.2007 hat sie diesen Vortrag dahin konkretisiert, dass von einer bei vorliegenden Berufsunfähigkeit deshalb ausgegangen werden müsse, weil sie außerstande sei, ihrer zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Verkäuferin in einem Samenzuchtbetrieb weiter nachzugehen. Demgemäß hat die Klägerin auch zur Begründung ihrer Berufung in der Berufungsbegründungsschrift vom 23.11.2009 unter anderem angeführt, es habe bei ihr Berufsunfähigkeit seit der Beantragung der Arbeitsunfähigkeitsrente auf der Grundlage des zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrages vorgelegen.

Entgegen der von der Klägerin bzw. ihrem Prozessbevollmächtigten im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 24.09.2010 vertretenen Auffassung, die sie mit Schriftsatz vom 24.09.2010 wiederholt hat, ist die von ihr behauptete Berufsunfähigkeit nicht mit dem in § 1 Abs. 2 der dem Vertragsverhältnis zugrundeliegenden Allgemeinen Bedingungen für die Restschuld-Arbeitsunfähigkeitsversicherung verwendeten und definierten Begriff der Arbeitsunfähigkeit gleichzusetzen.

Die Arbeitsunfähigkeit, also das Außerstandesein der versicherten Person infolge Gesundheitsstörung, ihre bisherige oder eine andere Tätigkeit auszuüben, ist nämlich bereits deshalb nicht mit der Berufsunfähigkeit gleichzusetzen, weil die Arbeitsunfähigkeit nicht von Dauer ist, wogegen die Unfähigkeit zur Berufsausübung auf unabsehbare Zeit bzw. dauerhaft besteht. So wird beispielsweise nach § 1 Abs. 3 der Musterbedingungen 2009 für die Krankentagegeldversicherung (MB/KT2009) die Arbeitsunfähigkeit der versicherten Person dann angenommen, wenn diese ihre berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben kann, sie auch nicht ausübt und keiner anderweitigen Erwerbstätigkeit nachgeht.

Demgemäß soll die Restschuld-Arbeitsunfähigkeitsversicherung den Versicherungsnehmer auch nicht von dauerhaften, gesundheitsbedingten Einschränkungen seiner Arbeitsfähigkeit schützen, sondern nur vor solchen, die vorübergehender Art sind, was dadurch zum Ausdruck kommt, dass nach § 5 Abs. 1 der Allgemeinen Bedingungen für die Restschuld-Arbeitsunfähigkeitsversicherung ein Anspruch auf Arbeitsunfähigkeitsrente erst nach Ablauf von 42 Tagen nach Eintritt des die Arbeitsunfähigkeit begründenden Zustandes entsteht, es sich bei der Arbeitsunfähigkeitsversicherung mithin um eine Ergänzung zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle handelt (vgl. §§ 1 ff., 3 EntgeltfortzahlungsG). Daraus ergibt sich wiederum zwingend, dass die Arbeitsunfähigkeitsversicherung nicht auch Sozialleistungen im Falle der dauerhaften Erwerbsminderung, wie etwa eine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente, ersetzen oder ergänzen soll.

Mithin bestehen keine Zweifel, dass ein der Klägerin zustehende Anspruch auf Arbeitsunfähigkeitsrente aus der Restschuld-Arbeitsunfähigkeitsversicherung jedenfalls nach ihrem eigenen Vorbringen bzw. der von ihr behaupteten Berufsunfähigkeit gemäß § 5 Abs. 4 c der Allgemeinen Versicherungsbedingungen erloschen ist.

Soweit die Klägerin nunmehr unter dem Eindruck der ihr im Termin zur mündlichen Verhandlung am 24.09.2010 erteilten rechtlichen Hinweise mit einem am 14.10.2010 eingegangenen Schriftsatz vom 13.10.2010 vorträgt, sie sei nach inzwischen rechtskräftigen Urteilen des Sozialgerichts Hildesheim vom 28.05.2010 und des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 09.08.2010 nicht berufsunfähig, sondern damit im fraglichen Zeitraum nur arbeitsunfähig erkrankt gewesen, war dieses Vorbringen nach Schluss der mündlichen Verhandlung gemäß §§ 525, 296 a ZPO nicht mehr zu berücksichtigen, weil der Klägerin eine Frist zur Erklärung zu den im Senatstermin erteilten rechtlichen Hinweisen nicht eingeräumt wurde und ihr Prozessbevollmächtigter die Einräumung einer Erklärungsfrist gemäß § 139 Abs. 5 ZPO auch nicht beantragt hat.

Ebenso wenig kam die Wiedereröffnung der Verhandlung gemäß § 156 ZPO in Betracht, weil einerseits im Senatstermin am 24.09.2010 die Sach- und Rechtslage erörtert und dem Prozessbevollmächtigten Gelegenheit gegeben wurde, hierzu Stellung zu nehmen und der Klägerin die nunmehr von ihr mit Schriftsatz vom 13.10.2010 vorgetragenen neuen Tatsachen vor dem auf den 24.09.2010 anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung bekannt waren, so dass sie auf der Grundlage der sozialgerichtlichen Entscheidungen ihr Vorbringen, sie sei seit Beantragung der Arbeitsunfähigkeitsrente berufsunfähig, korrigieren können.

Die Allgemeinen Bedingungen für die Restschuld-Arbeitsunfähigkeitsversicherung sind auch wirksam in den zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrag einbezogen worden. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass der Klägerin nach ihrem Vorbringen die Allgemeinen Bedingungen nicht übersandt bzw. ausgehändigt worden sein sollen.

Gemäß § 5 a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 4 VVG gilt der Versicherungsvertrag auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformationen, ohne dass der Versicherer dem Versicherungsnehmer bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen übergeben und sie ihm auch später nicht übersandt hat, als abgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer den Vertragsschluss nicht gemäß § 5 a Abs. 2 S. 4 VVG innerhalb eines Jahres nach Zahlung der Erstprämie widersprochen hat (vgl. hierzu allgemein: OLG Frankfurt am Main, VersR 2004, S. 1451 mit weiteren Nachweisen).

So liegen die Dinge hier. Unstreitig hat die Klägerin nach Abschluss des Versicherungsvertrages die monatlich fällig werdenden Versicherungsprämien an die Beklagte gezahlt, ohne dem Vertragsschluss innerhalb eines Jahres nach Zahlung der Erstprämie zu widersprechen.

Schließlich ist § 5 Abs. 4 c der Allgemeinen Versicherungsbedingungen auch wirksam in das Vertragsverhältnis einbezogen worden (§ 305 c Abs. 1 BGB).

Nach wohl herrschender Meinung, der sich der Senat anschließt, ist eine in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen einer Restschuld-Arbeitsunfähigkeitsversicherung enthaltene Klausel, nach der sich der Versicherungsschutz auf eine nur vorübergehende Arbeitsunfähigkeit beschränkt und die die durch die Arbeitsunfähigkeit begründete Leistungspflicht des Versicherers bei unbefristeter Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit der versicherten Person enden lässt, weder überraschend im Sinne von § 305 c BGB, noch stellt sie eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers im Sinne von § 307 BGB dar (vgl. hierzu allgemein: OLG Dresden, VersR 2010, S. 716 mit weiteren Nachweisen der Rechtsprechung).

Mithin konnte sich die Beklagte vorliegend auf ihre Leistungsfreiheit bzw. das Erlöschen des Anspruchs der Klägerin auf Zahlung der Arbeitsunfähigkeitsrente wegen eingetretener Berufsunfähigkeit gemäß § 5 Abs. 4 c der Allgemeinen Versicherungsbedingungen berufen.

Damit hat das Landgericht die Klage jedenfalls im Ergebnis zu Recht abgewiesen, so dass die Berufung der Klägerin in vollem Umfange zurückzuweisen war.

Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, weil ihre Berufung ohne Erfolg geblieben ist.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in § 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, weil der Rechtsstreit weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

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