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Umfang der Eintrittspflicht eines Grundversicherers

Tragung der Abwehrkosten

OLG München – Az.: 25 U 2750/18 – Beschluss vom 18.02.2019

1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 19.07.2018, Aktenzeichen 12 HK O 15259/17, wird zurückgewiesen.

2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klagepartei kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die beklagte Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages leistet.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 800.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin als Rechtsnachfolgerin eines Industriehaftpflichtversicherers (Grundversicherung) verlangt von der Beklagten, einer Excedentenversicherung, Beteiligung an Rechtsverfolgungskosten für die Abwehr eines gegen die Versicherungsnehmerin beider Parteien erhobenen Schadensersatzanspruchs. Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts und den Berichtigungsbeschluss des Landgerichts vom 19.08.2019 Bezug genommen (Bl. 100/104, 120 d.A.).

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Nach Auffassung des Landgerichts gibt es keine Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch. Auch sei von der Klägerin nicht schlüssig dargetan, dass sie mit Kosten der (erfolgreichen) Schadensabwehr belastet worden sei, Ansprüche auf einen Gesamtschuldausgleich seien – wenn die Klägerin Kosten zu tragen gehabt hätte – jedenfalls verjährt. Auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Landgerichts wird Bezug genommen (Bl. 104/108 d.A.).

Die Klägerin verfolgt mit der Berufung ihr Begehren weiter. Auf die Berufungsbegründung vom 26.10.2018 (Bl. 138/142 d.A.) und die Gegenerklärung vom 04.02.2019 (Bl. 169/175 d.A.) wird Bezug genommen.

Die Klägerin stellt im Berufungsverfahren die Anträge:

1. Das Urteil des Landgerichts München vom 19.07.2018 – 12 HK O 15259/17 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 616.281,70 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, 50 % der entstandenen und noch entstehenden Rechtsverteidigungskosten der C. E. A. GmbH & Co KG (…, …) aus dem Schadensfall vom 03. Oktober 1997 Schadensort H., Taiwan zu bezahlen abzüglich der nach Ziffer 2 bezifferten Rechtsverteidigungskosten.

Die Beklagte beantragt im Berufungsverfahren: die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil. Auf die Berufungserwiderung vom 29.11.2018 (Bl. 146/157 d.A.) wird verwiesen.

Der Senat hat mit Beschluss vom 07.01.2019 (Bl. 159/165 d.A.) auf seine Absicht, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, hingewiesen.

II.

Die Berufung gegen das im Tenor bezeichnete Urteil ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.

Auf die Gründe des Hinweisbeschlusses wird Bezug genommen. Die Gegenerklärung enthält keine Gesichtspunkte, die eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten.

Insgesamt hält der Senat nach nochmaliger Überprüfung an seiner Auffassung fest.

1. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat die Sache keine grundsätzliche Bedeutung. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Sache dann zu, wenn sie eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Klärungsbedürftig sind solche Rechtsfragen, deren Beantwortung zweifelhaft ist oder zu denen unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und die noch nicht oder nicht hinreichend höchstrichterlich geklärt sind. Allerdings begründet nicht jede Gegenstimme Klärungsbedarf (BVerfG, Beschluss vom 4. 11. 2008 – Az. 1 BvR 2587/06, NJW 2009, 572; BGH, Beschluss vom 15.02.2017 – Az. IV ZR 202/16, NJW-RR 2017, 994: Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann, wenn sie vom BGH bisher nicht entschieden ist und von einigen Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet wird oder in den beteiligten Verkehrskreisen umstritten ist oder wenn in der Literatur unterschiedliche Meinungen dazu vertreten werden; vgl. auch BGH, Beschluss vom 04. 07. 2002 – Az. V ZB 16/02, NJW 2002, 3029; Kessal-Wulf in Beck Online Kommentar, ZPO, Stand 01.07.2016 § 543 Rn. 19).

Vorliegend ist eine grundsätzliche Bedeutung weder den Ausführungen der Klägerin noch dem Hinweisbeschluss des Senats zu entnehmen. Die Klägerin hat keinen Sachverhalt vortragen können, der zu einem Zahlungsanspruch gegen die Beklagte führen könnte; die Klage war abzuweisen, da für den geltend gemachten Anspruch keine rechtliche Grundlage besteht. Die Klägerin hat auch keine der Rechtsauffassung des Senats, die im Einklang mit der Rechtsauffassung des Obersten Gerichtshofes für Österreich steht, widersprechenden Entscheidungen anderer Gerichte oder ernstzunehmende entgegenstehende Literaturmeinungen benannt; solche sind auch nicht ersichtlich. Auf den im Hinweisbeschluss dargestellten Meinungsstreit, ob und inwieweit der Versicherungsnehmer / Versicherte in Fällen, in denen kein Excedentenversicherer vorhanden ist, an Abwehrkosten zu beteiligen ist, wenn der (berechtigt geltend gemachte und vergeblich abgewehrte) Haftungsanspruch des Geschädigten die Versicherungssumme übersteigt, kommt es vorliegend nicht an. Der Haftungsanspruch wurde hier erfolgreich abgewehrt; in einem solchen Fall scheidet nach ganz herrschender und vom Senat mitgetragener Meinung eine Beteiligung des Versicherungsnehmers/ Versicherten aus (vgl. i.E. Hinweisbeschluss 2.1.). Die Mindermeinung, maßgebend sei nicht die Höhe der berechtigten, sondern die der vom Dritten geltend gemachten Forderung, rechtfertigt keine Zulassung der Revision. Zwar könnte man – wenn man sich dieser Auffassung anschließen würde – eine Eintrittsverpflichtung der Excedentenversicherung (für den Versicherungsnehmer) in Erwägung ziehen, da vorliegend ein Haftungsanspruch geltend gemacht wurde, der die Deckungssumme bei der Klägerin übersteigt – soweit ersichtlich wird die Auffassung aber in der Rechtsprechung nicht und in der Literatur nur vereinzelt (ohne substantielle Begründung) vertreten; das führt nicht dazu, dass von einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage auszugehen wäre.

Damit weist der vorliegende Fall keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf auf.

2. Der Senat bleibt auch bei der im Hinweisbeschluss dargestellten Auffassung, dass die Berufung offensichtlich unbegründet ist.

2.1. Soweit die Klägerin Verfahrensfehler des Erstgerichts rügt (keine Anordnung der Vorlage der Korrespondenz der Beklagten, Verzicht auf die Einvernahme des angebotenen Zeugen W.), setzt sich die Gegenerklärung überhaupt nicht mit der Argumentation im Hinweisbeschluss des Senats auseinander, sondern wiederholt nur ihre Auffassung die Anordnung hätte getroffen werden müssen und der Zeuge hätte zum Hergang des Verfahrens einvernommen werden müssen. Hierbei übersieht sie jedoch, dass, sie überhaupt keine näher konkretisierte Unterlage bezeichnet, deren Vorlage sie erstrebt und sie lediglich pauschal eine Anordnung zur Vorlage einer kompletten Korrespondenz erstrebt, die allerdings nach § 142 ZPO nicht verlangt werden kann. Zudem entfalten interne Überlegungen und Besprechungen zur geplanten Vorgehensweise keine Rechtswirkung nach außen. Ob sich die Beklagte intern für eine eigene Anspruchsabwehr entschieden hat, oder dafür, eine solche ohne Kostenbeteiligung der Rechtsvorgängerin der Klägerin als Grundversicherung zu überlassen oder ob sie bei einer eigenen Inanspruchnahme bezahlt hätte, ist für die Entscheidung des Rechtsstreits mangels Außenwirkung nicht maßgebend (vgl. zum Ganzen i.E. Hinweisbeschluss Ziffer 1.1. mit ausführlicher Begründung). Hinsichtlich der erstrebten Zeugeneinvernahme übersieht die Klägerin, dass aus einer Einbindung der Beklagten in die Schadensabwehr und einem Einverständnis der Beklagten, dass die Klägerin den Schaden abwehrt, materiell rechtlich kein Anspruch resultiert, zumal die Klägerin die Schadensabwehr eingeleitet hat, bevor sie überhaupt Kenntnis von der Excedentenversicherung erlangt hatte, zumal unstreitig die Beklagte keine Kostenbeteiligung zugesagt hat und zumal die Beklagte sogar ausdrücklich eine Kostenbeteiligung abgelehnt hat (vgl. Ziffer 1.2., 2 des Hinweisbeschlusses).

2.2. Auch soweit die Gegenerklärung die Auffassung vertritt, materiell rechtlich bestünde ein Anspruch auf eine hälftige Kostenbeteiligung, beharrt sie mit ihrer Gegenerklärung im Wesentlichen lediglich in abgewandelter Formulierung auf ihrer bisherigen Auffassung. Insoweit wird auf die Ausführungen unter Ziffer 2 des Hinweisbeschlusses wird Bezug genommen. Es sind lediglich noch folgende Ausführungen veranlasst: Zwar ist es zutreffend, dass die Deckungssumme die Ersatzpflicht bezüglich der Kosten der Anspruchsabwehr nicht begrenzt. Allerdings sind, auch sofern der unbegründete Anspruch des angeblich Geschädigten die Grundversicherung übersteigt, die Abwehrkosten des Anspruchs vollständig vom Grundversicherer zu tragen. Der Senat schließt sich bei der Beurteilung dieser Rechtsfrage – wie im Hinweisbeschluss begründet – der Auffassung des Obersten Gerichtshofes für Österreich in Wien (Urteil vom 23.05.2013 – Az.7 Ob 60/13 v, VersR 2014, 901) an. Damit war die Beklagte nicht eintrittspflichtig.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 Abs. 1 (Kosten), § 708 Nr. 10, 711 ZPO (vorläufige Vollstreckbarkeit) und §§ 47, 48 GKG (Streitwert).

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