Alkohol am Steuer: Kostspielige Fehler vor Gericht – Versicherung kürzt Leistungen
Im Urteil des Amtsgerichts Darmstadt, Az.: 317 C 137/14, vom 11. Juni 2015, ging es um die Frage, ob und inwiefern die KFZ-Haftpflichtversicherung ihre Leistung kürzen darf, wenn der Unfallverursacher unter Alkoholeinfluss stand. Die Versicherung klagte gegen die Beklagte, die unter Einfluss von Alkohol einen Unfall verursacht hatte, auf Rückzahlung eines Teils der Schadenssumme. Das Gericht entschied, dass die Beklagte grob fahrlässig gehandelt hat und die Versicherung deshalb berechtigt ist, ihre Leistung um 75 % zu kürzen. Es wurde eine Zahlungspflicht der Beklagten in Höhe von EUR 2.234,40 festgesetzt, während der Rest der Klage abgewiesen wurde. Die Kosten des Rechtsstreits wurden anteilig verteilt.
Übersicht
- Alkohol am Steuer: Kostspielige Fehler vor Gericht – Versicherung kürzt Leistungen
- ✔ Das Wichtigste in Kürze
- Grob fahrlässig durch Alkohol am Steuer
- Alkohol am Steuer – Ein folgenschwerer Ausparkversuch
- Alkohol am Steuer – Ein folgenschwerer Ausparkversuch
- Der Rechtsstreit – Eine Frage der Obliegenheitsverletzung
- Die Beweislage – Zwischen Anschein und Wirklichkeit
- Das Urteil – Eine klare Botschaft an die Verkehrsteilnehmer
- ✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt
- § Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil
- Das vorliegende Urteil
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✔ Das Wichtigste in Kürze
- Unfallverursachung unter Alkoholeinfluss führt zu grob fahrlässigem Handeln.
- Die Versicherung ist berechtigt, ihre Leistung um 75 % zu kürzen.
- Die Beklagte muss EUR 2.234,40 an die Klägerin zahlen.
- Die Kosten des Rechtsstreits werden zwischen Klägerin und Beklagter anteilig verteilt.
- Das Gericht stellte fest, dass die Beklagte den Unfall grob fahrlässig verursachte, indem sie unter Alkoholeinfluss fuhr.
- Die Alkoholisierung zum Unfallzeitpunkt lag mindestens bei 0,67 Promille, was die Reaktionsfähigkeit und Aufmerksamkeit deutlich einschränkt.
- Die Leistungskürzung der Versicherung um 75 % wurde aufgrund des grob fahrlässigen Verhaltens der Beklagten gerechtfertigt.
- Die Versicherung hatte bereits den Fremdschaden in Höhe von EUR 2.979,20 gezahlt und forderte einen Teil von der Beklagten zurück.
- Die Beklagte meldete den Unfall nicht rechtzeitig bei der Versicherung, was jedoch keinen Einfluss auf die Höhe des Regressanspruchs hatte.
- Geschwindigkeit und Unfallhergang spielten für die Entscheidung des Gerichts eine untergeordnete Rolle.
- Das Übersehen eines parkenden Fahrzeugs beim Rückwärtsfahren wurde als alkoholtypischer Fahrfehler gewertet.
- Die relative Fahruntüchtigkeit beginnt bereits ab 0,3 Promille; die Beklagte hatte somit eine erhebliche Alkoholisierung.
Grob fahrlässig durch Alkohol am Steuer
Im Straßenverkehr können bereits geringe Mengen Alkohol zu einer deutlichen Beeinträchtigung der Fahrfähigkeiten führen. Trunkenheit am Steuer wird rechtlich als grobe Fahrlässigkeit eingestuft. Dementsprechend räumen die Versicherungsbedingungen bei alkoholbedingten Unfällen Kürzungen der Versicherungsleistungen ein.
Die Frage, ab welchem Alkoholisierungsgrad eine Leistungskürzung gerechtfertigt ist und in welchem Umfang diese erfolgen darf, hängt vom Einzelfall ab. Faktoren wie die konkrete Promillezahl, der Unfallhergang sowie mögliche Personen- oder Sachschäden fließen in die rechtliche Beurteilung mit ein. Grundsätzlich gilt: Je höher die festgestellte Alkoholkonzentration, desto eher stufen Gerichte das Verhalten als grob fahrlässig ein – mit entsprechenden finanziellen Konsequenzen für den Versicherungsnehmer.
Alkohol am Steuer – Ein folgenschwerer Ausparkversuch
In der tiefen Nacht des 13. Oktober 2012 ereignete sich auf einem Diskothekenparkplatz in H… ein Verkehrsunfall, der juristische Wellen schlagen sollte. Die Beklagte, am Steuer ihres Pkws und unter Alkoholeinfluss, verursachte beim Ausparken einen Schaden an einem ordnungsgemäß geparkten Audi A4. Mit einer Blutalkoholkonzentration zwischen 0,67 Promille und möglicherweise bis zu 1,15 Promille, begab sich die Fahrerin auf dünnes Eis, das schlussendlich unter dem Gewicht ihrer Entscheidungen brach.
Alkohol am Steuer – Ein folgenschwerer Ausparkversuch
Die Haftpflichtversicherung der Beklagten, die Klägerin in diesem Fall, sah sich mit der Aufgabe konfrontiert, den entstandenen Fremdschaden zu regulieren. Insgesamt wurden EUR 2.979,20 für Reparaturkosten, Sachverständigengebühren, eine Unkostenpauschale und Anwaltskosten aufgewendet. Doch die Versicherung erkannte rasch, dass dieser Unfall kein gewöhnlicher Parkschaden war. Die Fahrerin hatte nicht nur ihr Fahrzeug beschädigt, sondern auch die Vertrauensbasis mit ihrer Versicherung. Die späte Meldung des Schadens und das Ausmaß des alkoholbedingten Fehlverhaltens ließen die Versicherung einen Regressanspruch erheben.
Der Rechtsstreit – Eine Frage der Obliegenheitsverletzung
Vor dem Amtsgericht Darmstadt entbrannte ein juristisches Feuerwerk. Die Klägerin forderte die Rückzahlung eines Teils der Schadenssumme, gestützt auf die Argumentation, dass die Beklagte durch überhöhte Geschwindigkeit und den Einfluss von Alkohol grob fahrlässig gehandelt habe. Die Beklagte hingegen verteidigte sich mit dem Hinweis auf Schrittgeschwindigkeit und eine unvorhersehbare Blendung durch ein entgegenkommendes Fahrzeug. Das Gericht stand vor der Herausforderung, zwischen diesen gegensätzlichen Darstellungen zu vermitteln und die Rechtmäßigkeit der Leistungskürzung durch die Versicherung zu prüfen.
Die Beweislage – Zwischen Anschein und Wirklichkeit
Die Ermittlungsakte und das Ergebnis der Beweisaufnahme, inklusive der Vernehmung von Zeugen, legten den Grundstein für die Urteilsfindung. Es wurde deutlich, dass der Unfall ein klassischer Fall von alkoholbedingtem Fehlverhalten war. Die Beweisführung ließ wenig Raum für die Verteidigung der Beklagten. Der sogenannte Anscheinsbeweis sprach gegen sie; ein stehendes Fahrzeug beim Ausparken zu übersehen, galt als Indiz für den Einfluss von Alkohol. Die Argumentation, ein entgegenkommendes Fahrzeug habe geblendet, fand keine Bestätigung durch die Zeugenaussagen.
Das Urteil – Eine klare Botschaft an die Verkehrsteilnehmer
Schließlich sprach das Gericht ein Urteil, das nicht nur für die Beteiligten, sondern für alle Verkehrsteilnehmer eine klare Botschaft sendet. Die Beklagte wurde zu einer Zahlung von EUR 2.234,40 verurteilt, was einer Leistungskürzung von 75 % entspricht. Das Gericht begründete seine Entscheidung mit der groben Fahrlässigkeit der Beklagten, hervorgerufen durch den Alkoholkonsum. Die Kosten des Rechtsstreits wurden entsprechend der Verantwortungsquote aufgeteilt.
Dieser Fall unterstreicht die schwerwiegenden Folgen von Alkohol am Steuer und die rechtlichen Konsequenzen für die Versicherungsnehmer. Es ist ein mahnendes Beispiel dafür, dass Verkehrssicherheit und persönliche Verantwortung untrennbar miteinander verbunden sind.
Kurz und bündig zeigt das Urteil des Amtsgerichts Darmstadt, dass Alkohol am Steuer nicht nur gefährlich, sondern auch kostspielig sein kann. Die Leistungskürzung durch die Versicherung aufgrund grober Fahrlässigkeit ist ein rechtliches Instrument, das zur Abschreckung und zur Erhöhung der Verkehrssicherheit beiträgt.
✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt
Was bedeutet grobe Fahrlässigkeit im Kontext von Verkehrsunfällen?
Grobe Fahrlässigkeit im Kontext von Verkehrsunfällen bezieht sich auf ein Verhalten, bei dem die notwendige Sorgfaltspflicht in besonders schwerem Maße verletzt wird. Dies bedeutet, dass jemand durch sein Handeln oder Unterlassen einen Schaden verursacht, der sich durch die Anwendung von grundlegender Aufmerksamkeit und Vorsicht hätte vermeiden lassen. Im deutschen Recht wird zwischen leichter und grober Fahrlässigkeit unterschieden, wobei grobe Fahrlässigkeit ein deutliches Vernachlässigen der gebotenen Sorgfalt impliziert.
Beispiele für grobe Fahrlässigkeit im Straßenverkehr sind unter anderem das Überfahren einer roten Ampel, die Ablenkung während der Fahrt durch Telefonieren oder das Bedienen des Handys, das Fahren unter Einfluss von Alkohol, Drogen oder Medikamenten, sowie das dauerhafte Aufbewahren der Fahrzeugpapiere im Fahrzeug. Solche Handlungen führen nicht nur zu einem erhöhten Unfallrisiko, sondern können auch rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Im Bereich der Kfz-Versicherung spielt die Frage der groben Fahrlässigkeit eine wichtige Rolle. Versicherungen können bei Schäden, die durch grob fahrlässiges Verhalten des Versicherten entstanden sind, die Leistung kürzen oder sogar komplett verweigern. Dies bedeutet, dass der Versicherte im Falle eines selbst verschuldeten Unfalls durch grobe Fahrlässigkeit einen Teil des Schadens oder den gesamten Schaden selbst tragen muss. Einige Versicherungen bieten jedoch Tarife an, bei denen auf die Einrede der groben Fahrlässigkeit verzichtet wird, was bedeutet, dass der Versicherungsschutz auch in Fällen grober Fahrlässigkeit erhalten bleibt.
Im Strafrecht und Zivilrecht können ebenfalls Konsequenzen folgen, wenn ein Unfall durch grobe Fahrlässigkeit verursacht wurde. Dies kann von Geldstrafen bis hin zu Freiheitsstrafen reichen, insbesondere wenn durch das fahrlässige Verhalten Personen zu Schaden gekommen sind.
Zusammengefasst ist grobe Fahrlässigkeit im Kontext von Verkehrsunfällen ein schwerwiegender Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht, der erhebliche rechtliche und finanzielle Folgen nach sich ziehen kann. Es ist daher von größter Bedeutung, im Straßenverkehr stets vorsichtig und aufmerksam zu agieren, um solche Situationen zu vermeiden.
Wie wirkt sich Alkoholeinfluss auf die Leistungen der KFZ-Haftpflichtversicherung aus?
Wenn ein Fahrer unter Alkoholeinfluss einen Verkehrsunfall verursacht, hat dies Auswirkungen auf die Leistungen der Kfz-Haftpflichtversicherung. Die Kfz-Haftpflichtversicherung übernimmt grundsätzlich die Kosten für den Schaden des Unfallgegners, auch wenn der Verursacher unter Alkohol- oder Drogeneinfluss stand. Allerdings kann der Versicherer vom verursachenden Fahrer Regressansprüche geltend machen, was bedeutet, dass der Versicherer einen Teil der Kosten vom Versicherten zurückfordern kann. Die genauen Konsequenzen hängen vom gemessenen Promillegehalt ab:
- Bei einem Promillegehalt zwischen 0,5 und 1,1 Promille hat der Versicherer das Recht, die Leistung zu kürzen. Der Geschädigte muss dann die Differenz beim Verursacher einklagen.
- Ab einem Promillegehalt von 1,1 Promille ist der Versicherer vollständig von der Leistungspflicht befreit, und es besteht kein Anspruch auf Leistungen aus der Vollkaskoversicherung.
Zusätzlich zu den finanziellen Konsequenzen können auch strafrechtliche Folgen wie Bußgelder oder Führerscheinentzug drohen, selbst wenn der Alkoholgehalt unter 0,5 Promille liegt. Bei einem Unfall unter Alkoholeinfluss kann die Versicherung bis zu 22.000 Euro zur Deckung der Schäden am Unfallgegner vom Versicherungsnehmer zurückfordern. Es ist wichtig zu beachten, dass die Beweislast für das Vorliegen der Fahruntüchtigkeit beim Versicherer liegt. Nicht jeder Verstoß gegen die Trunkenheitsklausel führt automatisch zum Leistungsausschluss in der Versicherung. Im Fall der Kaskoversicherung kann der Versicherer bei relativer Fahruntüchtigkeit (0,3 bis 1,1 Promille) nur dann von der Leistungspflicht befreit sein, wenn zusätzliche Beweise für eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit vorliegen. Zusammenfassend kann Alkoholeinfluss am Steuer zu einer Kürzung oder sogar zum vollständigen Ausschluss der Versicherungsleistungen führen und hohe Regressforderungen seitens der Versicherung nach sich ziehen.
Inwiefern kann eine Versicherung ihre Leistung nach einem alkoholbedingten Unfall kürzen?
Eine Versicherung kann ihre Leistung nach einem alkoholbedingten Unfall unter bestimmten Umständen kürzen. Die Kürzung basiert auf dem Grad der Alkoholisierung und den damit verbundenen Auswirkungen auf das Fahrverhalten. Die rechtliche Grundlage für eine solche Kürzung ist in den Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB) festgelegt, insbesondere in der sogenannten Trunkenheitsklausel.
Kürzung in der Kaskoversicherung
- Unter 1,1 Promille: Liegt die Blutalkoholkonzentration unter 1,1 Promille, kann der Versicherer die Leistung kürzen, wenn der Unfall auf alkoholtypische Ausfallerscheinungen zurückzuführen ist. Das bedeutet, dass alkoholbedingte Fahrfehler oder eine Gefährdung des Straßenverkehrs nachgewiesen werden müssen.
- Über 1,1 Promille: Bei einer Blutalkoholkonzentration von über 1,1 Promille ist der Fahrer absolut fahruntauglich. In diesem Fall kann die Versicherung die Leistung komplett verweigern, da hier von einer groben Fahrlässigkeit ausgegangen wird.
Beweislast und Kürzungsrecht
Die Beweislast für die Voraussetzungen einer Leistungskürzung trägt der Versicherer. Das bedeutet, dass die Versicherung nachweisen muss, dass der Unfall aufgrund des Alkoholeinflusses des Fahrers zustande kam. Kann der Versicherungsnehmer glaubhaft machen, dass der Unfall auch ohne Alkoholeinfluss passiert wäre, ist eine Kürzung nicht gerechtfertigt.
Beispiele aus der Rechtsprechung
- Ein Fall, in dem der Versicherer die Leistung auf 50 % kürzen wollte, weil der Fahrer knapp 0,5 Promille Alkohol im Blut hatte, wurde vom Gericht abgelehnt. Das Gericht urteilte, dass der Versicherer die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit und deren Einfluss auf den Unfall nachweisen muss.
- In einem anderen Fall wurde die Leistungskürzung auf Null bestätigt, da der Fahrer deutliche alkoholbedingte Ausfallerscheinungen zeigte und der Unfall auf ein alkoholbedingtes Fehlverhalten zurückzuführen war.
Fazit
Die Möglichkeit einer Versicherung, ihre Leistung nach einem alkoholbedingten Unfall zu kürzen, hängt stark vom Einzelfall ab. Entscheidend sind der Grad der Alkoholisierung und der Nachweis, dass der Alkoholeinfluss ursächlich für den Unfall war. Die Versicherer müssen dabei die Beweislast tragen und können nicht in jedem Fall eine Kürzung durchsetzen.
§ Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil
- §§ 116, 28 Abs. 2, 81 Abs. 2 VVG in Verbindung mit D.2.1 AKB: Diese Paragraphen des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) und die Allgemeinen Bedingungen für die KFZ-Versicherung (AKB) bilden die rechtliche Grundlage für die Regressnahme einer Versicherung bei Schäden, die durch grobe Fahrlässigkeit verursacht wurden, wie zum Beispiel Unfälle unter Alkoholeinfluss. Sie erlauben der Versicherung unter bestimmten Umständen, ihre Leistung zu kürzen.
- Alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit: Die Feststellung einer alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit basiert auf der Blutalkoholkonzentration des Fahrers zum Zeitpunkt des Unfalls. Die Rechtsprechung setzt bestimmte Grenzwerte, ab denen von einer Fahruntüchtigkeit ausgegangen wird, was in diesem Fall mit einer Alkoholkonzentration von mindestens 0,67 Promille gegeben war.
- Grobe Fahrlässigkeit: Dieses Rechtskonzept beschreibt ein besonders schweres Maß an Fahrlässigkeit, bei dem die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird. Im Kontext von KFZ-Haftpflichtversicherungen führt dies häufig zu einer Leistungskürzung bei Schadensregulierungen, wenn der Versicherte den Schaden grob fahrlässig verursacht hat.
- Anspruch auf Zinsen nach §§ 286 Abs. 1, 288 BGB: Diese Paragraphen regeln den Verzugsschadensersatz inklusive der Zinspflicht bei verspäteten Zahlungen. Im Kontext des Urteils begründen sie die Verpflichtung der Beklagten, Zinsen auf den zu zahlenden Betrag zu entrichten, da sie die Zahlung nicht fristgerecht geleistet hat.
- Kostenverteilung nach § 92 Abs. 1 ZPO: Diese Vorschrift des Zivilprozessordnung legt fest, in welcher Weise die Kosten eines Rechtsstreits unter den Parteien aufzuteilen sind. Im vorliegenden Fall wurden die Kosten entsprechend der Teilschuld zwischen Klägerin und Beklagter verteilt.
- Vorläufige Vollstreckbarkeit nach §§ 708 Nr. 11, 711, 709 S. 2 ZPO: Diese Regelungen ermöglichen es den Parteien, die Durchsetzung des Urteils zu beschleunigen, noch bevor das Urteil rechtskräftig wird. Sie betreffen die Sicherheitsleistungen, die erforderlich sind, um die vorläufige Vollstreckung eines Urteils zu erwirken.
Das vorliegende Urteil
AG Darmstadt – Az.: 317 C 137/14 – Urteil vom 11.06.2015
1. Die Beklagte wird verurteilt, EUR 2.234,40 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.02.2013 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 25 % und die Beklagte 75 % zu tragen.
4. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar. Für die Beklagte ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Klägerin verfolgt einen Regressanspruch gegen die Beklagte nach einem Verkehrsunfall.
In der Nacht zum 13.10.2012 hatte die Beklagte ihren Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen … auf dem Parkplatz der in der T-Straße in H… gelegenen Diskothek geparkt. Gegen 3:00 Uhr früh wollte sie rückwärts aus der schräg zur Parkgasse verlaufenden Parkbox ausparken und prallte hierbei gegen das auf der gegenüber liegenden Seite längs zur P-Gasse ordnungsgemäß geparkte Fahrzeug des Geschädigten … einen Pkw Audi A4 mit dem amtlichen Kennzeichen …
Zum Unfallzeitpunkt bestand zwischen den Parteien eine Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung über den von der Beklagten geführten Pkw.
Die Beklagte war zum Zeitpunkt des Unfalls alkoholisiert und wies eine Blutalkoholkonzentration von mindestens 0,67 Promille auf. In der beigezogenen Ermittlungsakte ist ein vorläufiges Gutachten enthalten, nach dem zum Unfallzeitpunkt eine Minimal-Blutalkoholkonzentration von 0,81 Promille und eine Maximal-Blutalkoholkonzentration von 1,15 Promille vorlag.
Zum Ausgleich des durch den Unfall verursachten Fremdschadens an dem Fahrzeug des Geschädigten … zahlte die Klägerin insgesamt EUR 2.979,20, nämlich Netto-Reparaturkosten in Höhe von EUR 2.035,85, Sachverständigenkosten in Höhe von EUR 496,15, eine allgemeine Unkostenpauschale in Höhe von EUR 25 und Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von EUR 379,02.
Die Klägerin erfuhr erst durch das anwaltliche Schreiben des Anwalts des Geschädigten … von dem Unfall, das am 05.11.2012 bei der Klägerin einging. Trotz Aufforderung der Klägerin mit Schreiben vom 05.11.2012, 15.11.2012 und 26.11.2012 zeigte die Beklagte das Unfallgeschehen zunächst nicht bei der Klägerin schriftlich an. In dem Schreiben vom 26.11.2012 setzte die Klägerin der Beklagten eine Frist von 7 Tagen und drohte gleichzeitig den Verlust des Versicherungsschutzes an, damit diese die Schadensanzeige zurücksende. Da dies nicht erfolgte, entzog die Klägerin mit Schreiben vom 14.12.2012 den Versicherungsschutz. Daraufhin zeigte die Beklagte den Schaden mit Schreiben vom 16.12.2012 an. Mit Schreiben vom 24.01.2013 forderte die Klägerin die Beklagte zur Zahlung des streitgegenständlichen Betrages auf. Mit Schreiben vom 21.02.2013 mahnte die Klägerin den Rechnungsbetrag erstmals an und setzte eine Zahlungsfrist von einer Woche ab dem 21.02.2013.
Die Klägerin behauptet, die Beklagte sei mit einer für ein Parkmanöver deutlich überhöhten Geschwindigkeit aus der Parkbox heraus gefahren. Dieses Verhalten sei ein alkoholtypischer Fahrfehler. Die Beklagte habe gegen ihre sich aus Abschnitt D.2.1 und E.1.1 AKB obliegenden Obliegenheiten verstoßen.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 2.979,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.02.2013 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, sie habe mit Schrittgeschwindigkeit ausgeparkt und sei lediglich auf dem unbeleuchteten Parkplatz durch ein entgegenkommendes Fahrzeug geblendet worden und habe dadurch den hinten auf der anderen Seite der Fahrspur stehenden Pkw nicht bemerkt. Die Beklagte habe den Schaden unmittelbar nach dem Unfall dem für sie zuständigen Versicherungsagenten, …, gemeldet. Dieser habe ihr zugesichert am Telefon, den Schaden an seine für die Agentur zuständige Versicherung sofort zu melden.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen …. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Protokoll der Verhandlung vom 26.03.2015, Bl. 113 ff. der Akte. Außerdem wurde die Ermittlungsakte des Regierungspräsidiums Kassel, Az.: 975.993434.0 beigezogen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Zahlungsanspruch auf EUR 2.234,40 aus §§ 116, 28 Abs. 2. 81 Abs. 2 VVG in Verbindung mit D.2.1 AKB..
Die Beklagte hat den Verkehrsunfall, der zu einer Haftung der Klägerin im Außenverhältnis in Höhe von unstreitig EUR 2.979,20 geführt hat, grob fahrlässig herbeigeführt. Dies rechtfertigt gemäß §§ 28 Abs. 2, 81 Abs. 2 VVG eine Leistungskürzung von 75 %.
Die Beklagte hatte zum Unfallzeitpunkt unstreitig eine Alkoholisierung von mindestens 0,67 Promille. Bei dem Verkehrsunfall handelt es sich nach Überzeugung des Gerichts um einen alkoholtypischen Fahrfehler. Es ist nicht erforderlich, dass sich der Fahrfehler ausschließlich durch die Alkoholisierung des Fahrers erklären lässt, LG Kaiserslautern, Urteil vom 07. Februar 2014 – 3 O 323/13 -, Rn. 32, juris). Im vorliegenden Fall hat die Beklagte das hinter ihr parkende Auto übersehen. Das Übersehen eines stehenden (und nicht während eines Ausparkvorgangs herannahenden) Fahrzeuges ist bereits ein alkoholtypischer Fehler, so dass der Beweis des ersten Anscheins gegen die Beklagte spricht. Durch den Genuss von Alkohol wird die Aufmerksamkeit eingeschränkt. Auf die Geschwindigkeit, mit der die Beklagte ausgeparkt ist, kommt es danach nicht an. Abgesehen davon, ergibt sich aus der Schadenshöhe und den Lichtbildern von den Schäden (Bl. 50 bis 53 der Akte), dass die Beklagte nicht nur ganz leicht und mit geringer Geschwindigkeit gegen das geschädigte Fahrzeug gestoßen ist.
Die Beklagte hat nicht den Beweis dafür erbracht, dass es sich bei dem Unfall nicht um einen alkoholtypischen Fahrfehler handelte und der Unfall nicht durch den Alkoholkonsum grob fahrlässig verursacht wurde. Die Zeugen … konnten über kein entgegenkommendes Fahrzeug, das die Beklagte beim Rückwärtsfahren geblendet hätte, berichten. Auch der Vortrag der Beklagten selbst ist diesbezüglich sehr ungenau. Sie konnte das vorbei fahrende Auto nicht näher beschreiben. Zudem ist unglaubwürdig, dass dieses Auto nach dem Zusammenstoß einfach weiter gefahren ist.
Bei der Abwägung der Schwere des Verschuldens war zu berücksichtigen, dass die relative Fahruntüchtigkeit bereits mit 0,3 Promille beginnt und 0,67 Promille eine erhebliche Alkoholisierung darstellt. Zu Lasten der Beklagten ist zu berücksichtigen, dass das Führen eines Pkw im Zustand der Fahruntüchtigkeit nach ständiger Rechtsprechung zu einem der schwersten Verkehrsdelikte überhaupt gehört und die Auswirkungen einer Alkoholisierung im Straßenverkehr allgemein bekannt sind. Zugunsten der Beklagten ist zu berücksichtigen, dass sie nicht ein offensichtlich waghalsiges Fahrmanöver vorgenommen hat, wie etwa auf einer vielbefahrenen Straße zu wenden, und dass keine Personen gefährdet wurden.
Eine Erhöhung des Anspruchs der Klägerin wegen eines Verstoßes der Beklagten gegen E. 1.1 AKB kommt nicht in Betracht. Denn es ist nicht ersichtlich, inwiefern die Klägerin bei einer früheren Meldung des Unfalles durch die Beklagte einen höheren Regressanspruch gegen diese hätte realisieren können.
Der Anspruch auf die zuerkannten Zinsen folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 BGB.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711, 709 S. 2 ZPO.