LG Bonn – Az.: 10 O 4/16 – Urteil vom 04.11.2016
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Ansprüche aus einer Kaskoversicherung.
Die Klägerin vermietet gewerblich Kraftfahrzeuge. Zwischen den Parteien bestand zum streitgegenständlichen Zeitpunkt ein Vertrag mit der Bezeichnung „Rahmenvertrag Kraftfahrt“, durch welchen Kraftfahrzeuge der Klägerin unter der Kundennummer ######## bei der Beklagten versichert waren. Bestandteil des Vertrages sind die Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung der I AG mit Stand vom 01.09.2009 (AVB) einschließlich der Klauseln E.1.1, E.1.3, E.3.2 und E.6.1. Die Klauseln haben im Einzelnen folgenden Wortlaut:
E.1.1 Sie sind verpflichtet, uns jedes Schadenereignis, das zu einer Leistung durch uns führen kann, innerhalb einer Woche anzuzeigen.
Haben Sie den Versicherungsfall unverzüglich bei unserer Unfall- und Pannen-Notrufzentrale gemeldet, so gilt dies als Schadenanzeige sowohl für den Autoschutzbrief als auch die weiteren, für dasselbe Fahrzeug bestehenden Kfz-Versicherungsarten.
E.1.3 Sie sind verpflichtet, alles zu tun, was der Aufklärung des Schadenereignisses dienen kann. Dies bedeutet insbesondere, dass Sie unsere Fragen zu den Umständen des Schadenereignisses wahrheitsgemäß und vollständig beantworten müssen und den Unfallort nicht verlassen dürfen, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen.
Sie haben unsere für die Aufklärung des Schadenereignisses erforderlichen Weisungen zu befolgen.
E.3.2 Vor Beginn der Verwertung oder der Reparatur des Fahrzeugs haben Sie unsere Weisungen einzuholen, soweit die Umstände dies gestatten, und diese zu befolgen, soweit Ihnen dies zumutbar ist. Dies gilt auch für mitversicherte Teile.
E.6.1 Verletzen Sie vorsätzlich eine Ihrer in E.1 bis E.5 geregelten Pflichten, haben Sie keinen Versicherungsschutz. Verletzen Sie Ihre Pflichten grob fahrlässig, sind wir berechtigt, unsere Leistung in einem der Schwere Ihres Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Weisen Sie nach, dass Sie die Pflicht nicht grob fahrlässig verletzt haben, bleibt der Versicherungsschutz bestehen.
Ab dem 06.11.2014 vermietete die Klägerin ab ihrem Unternehmenssitz in O ein Fahrzeug der Marke T mit dem amtlichen Kennzeichen P-X-#### an die R. Die Klägerin hatte das Fahrzeug im März 2014 zum Kaufpreis von 47.276,97 EUR von der E AG erworben.
Unter dem 23.12.2014 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten unter Verwendung eines Formblattes der Maklerin M Ansprüche wegen eines Unfalls des Kraftfahrzeugs geltend. Handschriftlich war auf dem verwendeten Formblatt unter der Rubrik Schadenschilderung vermerkt: „liegt nicht vor – Kundenkontakt abgebrochen“; an der für die Unterschrift des Anzeigenden vorgesehenen Stelle des Formblattes befand sich ein Stempelabdruck der Klägerin. Über die Maklerin legte die Klägerin der Beklagten ein Gutachten der S GmbH, A, vom 22.12.2014 mit der Nummer S1 vor, welches für das Kraftfahrzeug voraussichtliche Reparaturkosten in Höhe von 28.335,56 EUR (netto: 23.786,99 EUR) auswies. Die Klägerin ließ das Fahrzeug nicht reparieren. Die Beklagte lehnte eine Regulierung mit Schreiben vom 13.08.2015 ab. Mit anwaltlichem Schreiben vom 24.09.2015 wiederholte die Klägerin ihre Forderung.
Die Klägerin behauptet, das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen P-X-#### sei im Mietzeitraum am 10.11.2014 in Y verunfallt. Mit Kaufvertrag vom 27.11.2014 habe sie das Kraftfahrzeug als Unfallwagen an die Firma AR aus V für 23.000 EUR verkauft.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen,
1. an die Klägerin 13.786,99 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit dem 07.10.2015 zu zahlen,
2. an die Klägerin außergerichtlich entstandene Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.570,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (15.02.2016) zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, die Klägerin habe hinsichtlich der Schadensmeldung Obliegenheiten gemäß der vertragsgegenständlichen AVB verletzt, was zur Leistungsfreiheit der Beklagten führe. Insbesondere sei die Schadensmeldung ohne erkennbaren Grund zu spät erfolgt, die Klägerin habe keine hinreichenden Anstrengungen zur Aufklärung des Unfallhergangs unternommen und sie habe keine Anweisungen der Beklagten zum weiteren Vorgehen erfragt bzw. beachtet. Im übrigen sei die im Gutachten vom 22.12.2014 angegebene Schadenshöhe zu hoch bemessen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin kann aus keiner ersichtlichen Rechtsgrundlage die gegen die Beklagte erhobenen Ansprüche herleiten.
Insbesondere kommt ein Anspruch aus Versicherungsvertrag nicht in Betracht, da die Klägerin, ihr Sachvortrag als wahr unterstellt, nach dem Eintritt des Versicherungsfalls mehrere durch AVB wirksam vereinbarte Obliegenheiten verletzte. Anhaltspunkte, um an der wirksamen Einbeziehung der AVB in den von den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag oder an der Wirksamkeit der in Bezug genommenen Klauseln in der Sache zu zweifeln, bestehen nicht. Vielmehr erkennt die Kammer das in den AVB zum Ausdruck gebrachte Interesse der Beklagten an, sich rechtzeitig und weitestmöglich vor einer etwaigen Schadensregulierung ein Bild von dem Schaden und den weiteren Umständen des infrage stehenden Versicherungsfalls zu machen. Durch das Verhalten der Klägerin wurde die Beklagte hingegen jeglicher Möglichkeit einer eigenständigen Erforschung des geltend gemachten Schadens beraubt sowie an einer Mitwirkung hinsichtlich der Verwertung des verunfallten Kraftfahrzeugs gehindert. Die Rechtsfolge der Klausel E.6.1, wonach vorsätzliche Verletzungen der in den Klauseln E.1 bis E.5 aufgeführten Obliegenheiten zum Ausschluss der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag führen, ist nach Ansicht der Kammer angemessen, da die Beklagte andernfalls in unzumutbarer Weise, d.h. ohne zwingenden Grund, zu einer Leistung in „ins Blaue“ gezwungen wäre.
Aufgrund der Darlegung der Klägerin bestehen nach Ansicht der Kammer auch keine Zweifel daran, dass die Verletzungen der vertraglichen Obliegenheiten jedenfalls erheblich grob fahrlässig erfolgten. Dies gilt insbesondere für die in der Klausel E.1.1 niedergelegte Obliegenheit ein Schadenereignis innerhalb einer Woche anzuzeigen. Insofern ergibt sich eine erheblich grob fahrlässige Verletzung dieser Obliegenheit bereits aus dem Umstand, dass die Klägerin ausweislich ihrer eigenen Darstellung zunächst ein Privatgutachten über die entstandenen Schäden einholte, bevor sie die Beklagte hierüber in Kenntnis setzte. Insofern wäre zumindest eine deutlich frühere Information der Beklagten durch die Klägerin möglich gewesen. Dies gilt umso mehr, als die Schadensmeldung der Klägerin gegenüber der Beklagte erst zu einem Zeitpunkt erfolgte, als das Unfallfahrzeug bereits veräußert worden war.
Die Verwertung des Kraftfahrzeugs durch Veräußerung im November 2014 an das Unternehmen AR erfolgte ohne vorhergehende Information der Beklagten und damit ohne Einholung entsprechender Weisungen gemäß Klausel E.3.2 in äußerst grob fahrlässiger Weise.
Ob die Klägerin überdies gemäß Klausel E.1.3 alles tat, um das Schadensereignis bestmöglich aufzuklären, kann angesichts der festgestellten Obliegenheitsverletzungen dahingestellt bleiben, zumindest ergeben sich aus dem Sachvortrag der Klägerin keine entsprechenden Anhaltspunkte mangels jeglicher Angaben zur Auffindensituation und zur Überführung sowie zum zwischenzeitlichen Verbleib des Kraftfahrzeugs und zur Korrespondenz mit den betroffenen öffentlichen und privaten Stellen.
Zusammengenommen bewertet die Kammer die obigen beiden Obliegenheitsverletzungen als derartig gravierend, dass die Beklagte zu einer Leistungskürzung auf null berechtigt ist. Den Kausalitätsgegenbeweis hat die Klägerin nicht geführt.
Aus den genannten Gründen ergibt sich der von der Klägerin in der Hauptsache geltend gemachte Anspruch aus keiner anderen Rechtsgrundlage.
Die Nebenforderungen entfallen in Ermangelung einer Hauptforderung.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 S. 2 ZPO.
Streitwert: 13.786,99 EUR