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Kaskoversicherung – Schaden zwischen einem ziehenden und einem gezogenen Fahrzeug

LG Arnsberg – Az.: 4 O 165/16 – Urteil vom 21.09.2016

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 100 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger macht Kaskoschadensansprüche gegenüber der Beklagten geltend. Der Kläger hat sein Fahrzeug A bei der Beklagten gegen Kaskoschäden versichert. Gemäß den vereinbarten AKB Stand 2014, Ziffer A.2.3. 2. zählen zu den nichtversicherten Unfallschäden insbesondere Schäden aufgrund eines Brems- oder Betriebsvorgangs oder reine Bruchschäden. Dazu zählen zum Beispiel Schäden am Fahrzeug durch rutschende Ladung oder durch Abnutzung, Verwindungsschäden, Schäden aufgrund Bedienungsfehler oder Überbeanspruchung des Fahrzeugs und Schäden zwischen ziehendem und gezogenem Fahrzeug ohne Einwirkung von außen.

Der Kläger verließ am 21.01.16 sein in O1 gelegenes Wohnhaus mit einem Gespann bestehend aus seinem PKW und einem zweiachsigen Anhänger. Dieser hatte zuvor in einem nach oben offenen Abstellbereich gestanden, sodass sich auf der Plane Eisplatten gebildet hatten. Nach ca. 350 Metern musste der Kläger anhalten. Bei dem Bremsvorgang rutschten Eisplatten über die vordere Kante des Anhängers und fielen auf die Heckklappe des Zugfahrzeugs.

Der Beklage zeigte den Schaden über die für ihn zuständige Versicherungsagentur bei der Beklagten an. Er ließ das Fahrzeug zwischen dem 01. und 04.02.2016 reparieren und erhielt hierfür eine Reparaturkostenrechnung in Höhe von 5.485,86 EUR, die er beglich. Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 08.02.2016 mit, dass sie für den Schaden nicht aufkomme, da nach ihrer Auffassung kein Unfallereignis im Sinne der versicherungsrechtlichen Bestimmungen vorliege.

Der Kläger behauptet, im Rahmen der Schadensmitteilung am 25.01.2016 habe ein Mitarbeiter der Beklagten zunächst erklärt, der Kläger könne den Schaden reparieren lassen, wobei er annehme, dass dieser sich auf einen Betrag von bis zu 1.000 EUR belaufe. Danach habe der Kläger interveniert und über die zuständige Versicherungsagentin der Beklagtenseite mitteilen lassen, dass die Kosten mit einem Betrag zwischen 4.500 EUR und 5.000 EUR zu veranschlagen seien. Daraufhin habe der Mitarbeiter der Beklagten dem Kläger über die zuständige Versicherungsagentin mitteilen lassen, dass in diesem Fall vor einer Reparatur ein Gutachten erstellt werden müsse, damit die Beklagte Klarheit hinsichtlich der Höhe der Reparaturkosten habe. Es werde sich ein Gutachter melden. Mit keinem Wort habe der Mitarbeiter der Beklagten darauf hingewiesen, dass das Fahrzeug nicht anschließend repariert werden könne. Ebenso wenig habe er erklärt, dass die Beklagte im Weiteren noch ihre Eintrittspflicht prüfen werde.

Aus diesem Grunde seien der Kläger und die Versicherungsagentin davon ausgegangen, dass lediglich die Höhe der Reparaturkosten zu klären sei. Bei einem anderweitigen Hinweis hätte der Kläger den Reparaturauftrag nicht erteilt.

Der Kläger vertritt ferner die Auffassung, es liege ein Versicherungsfall im Sinne der AKB vor, da die Eisplatten nicht zum Ladungsbestandteil oder Bestandteil des Anhängers zählten und ein von außen eintretendes, plötzliches Ereignis vorliege.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.485,86 EUR nebst 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz Zinsen seit dem 16.03.16 zu zahlen, sowie, die Beklagte weiter zu verurteilen, an ihn 571,44 EUR nebst 5 5-Punkten über dem Basiszinssatz Zinsen seit Klageerhebung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, die vorliegende Sachverhaltskonstellation werde von der Ausschlussklausel in Ziffer A.2.3 Nr. 2 AKB erfasst.

Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands einschließlich der jeweils vorgetragenen Rechtsausführungen auf die wechselseitig bei Gericht eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nicht begründet.

Dem Kläger steht kein Anspruch auf die begehrten Versicherungsleistungen gegen die Beklagte zu, da die vorliegende Sachverhaltskonstellation von der Ausschlussklausel gemäß Ziffer A.2.3 Nr. 2 AKB (2014) erfasst wird und insofern kein versichertes Unfallereignis im Sinne der versicherungsrechtlichen Bestimmungen vorliegt. Ein Anspruch des Klägers folgt auch nicht aufgrund einer etwa konkludenten Zahlungszusage oder unter Schadenersatzgesichtspunkten im Hinblick auf eine nicht hinreichende Aufklärung über die mögliche Nichteintrittspflicht der Beklagten.

Im Einzelnen:

Kaskoversicherung - Schaden zwischen einem ziehenden und einem gezogenen Fahrzeug
(Symbolfoto: koonsiri boonnak/Shutterstock.com)

Gemäß A.2.3. Ziffer 2 der AKB (2014) sind solche Unfälle des Fahrzeugs versichert, bei denen ein unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis vorliegt. Nicht hierzu zählen (unter anderem) Bremsschäden, Schäden durch rutschende Ladung, Schäden aufgrund von Bedienungsfehlern und Schäden zwischen ziehendem und gezogenem Fahrzeug ohne Einwirkung von außen.

Dabei kann dahinstehen, ob nicht bereits der Ausschlusstatbestand „Bedienungsfehler“ erfüllt sein könnte, da nicht ersichtlich ist, dass der Kläger trotz der winterlichen Verhältnisse sich vor der Abfahrt davon überzeugt hat, dass keinerlei Eisplatten auf der Anhängerplane befindlich sind – womit bei winterlichen Verhältnissen stets zu rechnen ist. Ebenfalls kann dahinstehen, ob nicht auch eine entsprechende Anwendung des Ausschlusstatbestandes „rutschende Ladung“ vorliegend in Betracht kommen könnte. Denn jedenfalls handelt es sich bei dem vorliegenden Schaden um einen solchen zwischen ziehendem und gezogenem Fahrzeug ohne Einwirkung von außen. Die wirksame (BGH VersRecht 2015, 571, 572) Klausel macht dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer deutlich, dass ein Schaden zwischen einem Zugfahrzeug und einem Anhänger nur versichert ist, wenn er durch eine Einwirkung von außen, die nicht von einem der beiden Fahrzeuge ausgeht, verursacht worden ist (BGH a.a.O.). So liegt der Fall auch hier. Die Eisplatten sind aufgrund des Bremsvorgangs des Gespanns in Bewegung geraten und über die vordere Anhängerkante auf den Heckbereich des Zugfahrzeugs gerutscht. Dabei kann es dahinstehen, ob die Eisplatten in Folge von Sonneneinstrahlung bereits insoweit angeschmolzen waren, dass diese keine feste Verbindung mehr mit der Anhängerplanung aufwiesen. Denn zu dem Hinausgleiten über die vordere Anhängerplane kam es nicht „von selbst“, sondern in Folge des – wenn auch möglicherweise wie klägerseits vorgetragen lediglich leichten – Bremsvorganges. Die Platten sind somit nicht „von außen verursacht“ über die Anhängerplane auf den PKW gerutscht, sondern stehen in unmittelbaren Zusammenhang mit dem Betriebsvorgang des Gespannes, indem aufgrund der Bremsverzögerung die Eisplatten in Bewegung gerieten. Danach liegt ein Schaden vor, der unmittelbar in Folge eines Betriebsvorgangs zwischen ziehendem und gezogenem Fahrzeug ohne weitergehende Einwirkung von außen eingetreten ist.

Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des Umstandes, dass zeitlich vorgelagert die Eisplatten zunächst in Form von Regen oder Schnee auf die Anhängerplane eingewirkt haben und sich dort in Folge der Witterung zu Eisplatten umgebildet haben. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes eine äußere Einwirkung auch etwa durch die Fahrbahnbeschaffenheit oder durch Witterungsverhältnisse entstehen (BGH VersRecht 2013, 354, 355), so etwa, wenn ein Fahrzeug aufgrund von Spurrillen oder Glatteisflächen ins Schleudern gerät und sodann verunfallt. Eine solche Sachverhaltskonstellation liegt hier jedoch nicht vor. Die Witterungsbedingungen haben vorliegend lediglich dazu geführt, dass sich auf der Anhängerplane Eisplatten bilden konnten. Von diesen Platten ging weder in diesem Zustand noch unter Berücksichtigung einer etwa zwischenzeitlichen Sonneneinstrahlung eine Gefahr aus, da ohne den Betriebsvorgang die Platten entweder schlicht auf dem Anhängerdach gelegen hätten, oder aber erneut zu Wasserlachen geschmolzen wären. Zu dem Schadenseintritt kam es erst, weil aufgrund des Betriebsvorgangs, nämlich der Bewegung des Gespanns und dem anschließenden Bremsvorgang, die Eisplatten ähnlich einer ungesicherten Ladung – ohne weiteres Hinzutreten äußerer Umstände – auf das Zugfahrzeug rutschen konnten.

Eine Leistungspflicht der Beklagten ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung einer etwaigen „Zusage“ zur Kostenübernahme. Bereits nach dem eigenen Sachvortrag des Klägers ist von dem Mitarbeiter der Beklagten lediglich mitgeteilt worden, dass im Falle eines Schadens vor mehr als 1.000 EUR vor einer Reparatur ein Gutachten erstellt werden müsse. Einer solchen Erklärung kann ungeachtet deren sonstiger rechtlicher Bewertung weder ein Anerkenntnis einer Eintrittspflicht dem Grund nach noch eine Zusage zur Kostenübernahme entnommen werden. Die Erklärung erfolgt vielmehr objektiv erkennbar vor dem Hintergrund, dass vor einer Reparatur bei einem höheren Schaden eine Beweissicherung stattfinden muss. Irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger oder die Zeugin P1 etwa aufgrund einer solchen Erklärung davon ausgehen hätten dürfen, dass eine Kostenübernahme in jedem Fall nach Einholung des Gutachtens erfolgen solle, sind weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich. Aus gleichem Grunde kommt eine Zahlungspflicht der Beklagten auch nicht etwa unter Schadensersatzgesichtspunkten in Betracht, etwa gestützt darauf, dass die Beklagte ausdrücklich darauf hätte hinweisen müssen, dass sie nach der Einholung des Sachverständigengutachtens ihre Eintrittspflicht prüft. Denn da bei objektiver Beurteilung der (streitigen) Erklärung des Mitarbeiters bereits keine Anhaltspunkte dafür vorlagen, davon auszugehen, dass die Beklagte in jedem Fall in die Regulierung eintreten wolle, bestand auch keine Pflicht seitens der Beklagten, darauf hinzuweisen, dass mit der Einholung des Gutachtens nicht etwa gleichzeitig eine Kostenregulierung zugesagt werde. Es ist auch weder ersichtlich noch vorgetragen, dass der Kläger gegenüber dem Mitarbeiter der Beklagten zu erkennen gegeben hätte, dass er dessen (streitige) Erklärung als Kostenübernahmeerklärung ansieht und deshalb unmittelbar nach Einholung des Gutachtens eine Reparatur in Auftrag geben werde, die er ansonsten nicht beauftragt hätte.

Mit der Verneinung eines Hauptanspruchs stehen dem Kläger auch die geltend gemachten Nebenansprüche nicht zu.

Die prozessualen Nebenentscheidung folgen §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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