LG Aachen – Az.: 9 O 288/15 – Urteil vom 14.07.2016
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zur Vollstreckung kommenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin, die im T2 lebt, ist Eigentümerin eines Wohnhauses in M, B-Straße. Für dieses Objekt hat die Klägerin bei der Beklagten eine verbundene Wohngebäudeversicherung zum gleitenden Neuwert abgeschlossen, für Mietausfall für Wohnräume bei Leitungswasserschäden ist eine Haftzeit von 24 Monaten vereinbart. Vertragsbestandteil sind die allgemeinen Wohngebäudeversicherung (VGB 2008) die auszugsweise wie folgt lauten:
„§ 9 Mietausfall, Mietwert
1. …
Der Versicherer ersetzt
a) den Mietausfall einschließlich fortlaufender Mietnebenkosten, wenn Mieter von Wohnräumen infolge eines Versicherungsfalls zu Recht die Zahlung der Miete ganz oder teilweise eingestellt haben,
b) den ortsüblichen Mietwert von Wohnräumen einschließlich fortlaufender Nebenkosten im Sinne des Mietrechts, die der Versicherungsnehmer selbst bewohnt und die infolge eines Versicherungsfalls unbenutzbar geworden sind, falls dem Versicherungsnehmer die Beschränkung auf ein benutzbar gebliebenen Teil der Wohnung nicht zugemutet werden kann,
…
§ 13 Entschädigungsberechnung
1. In der gleitende Neuwertversicherung bzw. Neuwertversicherung sind im Versicherungsfall Grundlage der Entschädigungsberechnung
…
b) bei beschädigten Gebäuden oder sonstigen beschädigten Sachen die notwendigen Reparaturkosten bei Eintritt des Versicherungsfalls zuzüglich einer durch die Reparatur nicht ausgeglichenen Wertminderung, höchstens jedoch der Versicherungswert bei Eintritt des Versicherungsfalls
…
7. …
In der gleitende Neuwertversicherung unter Neuwertversicherung erwirbt der Versicherungsnehmer den Anspruch auf Zahlung des Teils der Entschädigung, der den Zeitwertschaden übersteigt (Neuwertanteil) nur, soweit und sobald er innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalls sicherstellt, dass er die Entschädigung verwenden wird, um versicherte Sachen gleicher Art und Zweckbestimmung der bisherigen Stelle wiederherzustellen oder wieder zu beschaffen. ….
Der Zeitwertschaden errechnet sich aus der Entschädigung nach Ziff. 1a, b und c abzüglich der Wertminderung durch Alterung und Abnutzung.“
Bei der Beklagten ging zunächst eine Leitungswasser-Schadensanzeige der Klägerin ein, in der niedergelegt ist, es sei ein Schaden durch Verstopfung und Rohrbruch entstanden, Schadenstag sei der 01.10.2009 gewesen, der Schaden sei bereits am 29.12.2009 gemeldet worden, die vermutliche Schadenshöhe betrage bis zu 1500 €. Die Mieter der Klägerin hätten den Schaden verursacht, Maßnahmen zur Verhinderung von Folgeschäden seien nicht getroffen worden. Im Rahmen der Schadensaufstellung ist eine Entfernung der Verstopfung in Eigenleistung beschrieben und ein Ersatzanspruch von 400 € reklamiert. Ergänzend ist in der beigefügten Stellungnahme des Vertrauensmanns erwähnt, dass 150 € für die Entfernung der Verstopfung und 250 € für drei Tage Eigenleistung geltend gemacht werden. Unter Umständen würden nach dem Auszug der Mieter, die vor der Zwangsräumung stünden, noch weitere Arbeiten von einem Fachbetrieb nötig. Die Schadensanzeige ist nicht unterschrieben.
Am 21.01.2010 zahlte die Beklagte den angemeldeten Betrag von 400,- € an die Klägerin aus. Am 05.07.2013 erhielt die Beklagte über das Versicherungsbüro die Information, dass nun weitere Arbeiten folgten, da die Mieter ausgezogen seien. Am 15.08.2013 erreichten die Beklagte über den Versicherungsvertreter Handy-Fotos zu der seinerzeit vergebenen Schadensnummer. Am 15.08.2014 ließ die Klägerin ein Angebot der Firma K über die Sanierung des Objekts vorliegen. Mit Schreiben vom 29.11.2014 hielt die Beklagte Nachfragen zu den eingereichten Unterlagen und wies darauf hin, dass durch die weitere Prüfung keine Regulierungszusage erfolge, zu gegebener Zeit werde sie prüfen, ob die Forderung nicht bereits verjährt sei. Es schloss sich weitere Korrespondenz mit dem Zeugen, dem nunmehr geschiedenen Ehemann der Klägerin, an, die dazu führte, dass die Beklagte der Klägerin am 06.11.2014 ein Vergleichsangebot i.H.v. 7500 € unterbreitete. Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.
Die Klägerin behauptet, ihr sei die Leitungswasser-Schadensanzeige nicht bekannt. Der Zeuge T habe an Weihnachten 2009 bei einem Heimatsbesuch nach dem Rechten gesehen. Dabei habe er bemerkt, dass es an der Toilette im Zwischengeschoss zu Wasseraustritt gekommen sei, sowohl aus der verstopften Toilette als aus dem Spülkasten sei Wasser gelaufen. Das Wasser habe sich im (vermieteten) Zwischengeschoss, dem Erdgeschoss, sowie dem Keller ausgebreitet. Er habe sofort begonnen, das Wasser aus dem Erdgeschoss zu kehren und aus dem Keller abzupumpen. Bei den Arbeiten im Keller habe er zusätzlich einen Wasserrohrbruch festgestellt, ihm seien aufgestaute Fäkalien entgegen geschossen.
In den T2 zurückgekehrt habe der Zeuge dem Geschäftsstellenleiter I2 der Geschäftsstelle der Beklagten die Situation geschildert und Handyfotos vom Schaden gezeigt. Man sei mit diesem übereingekommen, dass die Komplettsanierung erst nach Auszug der Mieter erfolgen solle. Nachdem die Mieter ausgezogen seien, habe die Klägerin versucht, das Haus „in Absprache mit Herrn I unrenoviert zu verkaufen. Nachdem es in der Schadenssachbearbeitung erste Probleme mit der Beklagten gegeben habe, habe sich der Zeuge T in die Geschäftsstelle des Zeugen I2 begeben, um sich von diesem schriftlich bestätigen zu lassen, dass es zum einen immer wieder Kontakt gegeben habe und zum anderen der Zeuge I2 ständig über die Situation auf dem Laufenden gehalten worden und mit dem Prozedere einverstanden gewesen sei. Der Zeuge habe eine schriftliche Bestätigung abgelehnt, jedoch unter Zeugen bestätigt, dass der Sachverhalt so richtig sei.
Nachdem die Klägerin das Haus nicht habe unrenoviert verkaufen können und sich die Eheleute zwischenzeitlich getrennt hatten, habe sich dann der Zeuge dazu entschlossen, das Haus selbst zu bewohnen. Bevor er selbst mit „gewissen Sanierungsmaßnahmen“ begonnen habe, habe er die Situation fotografisch festgehalten. Die Sanierung des Kellergeschosses erfordere ausweislich des Kostenvoranschlages der Firma K 20.607,80 € netto, die Sanierung des Zwischengeschosses ausweislich des Kostenvoranschlags der Firma des Zeugen 15.199 € netto.
Diese Beträge sowie Mietausfallschäden für Gewerberäume und den Wohnbereich sind neben einem Feststellungsantrag Gegenstand der ursprünglichen Klage. Wegen der Mietausfallschäden für die Gewerberäume und den Feststellungsantrag hat der Kläger die Klage teilweise zurückgenommen.
Die Klägerin beantragt zuletzt,
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 52.126,80 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.09.2010 sowie Rechtsanwaltskosten i.H.v. 2251,48 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.11.2014 zu zahlen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB auf die verauslagten Gerichtskosten i.H.v. 1998 € ab Zustellung der Ankündigung eines Klageabweisungsantrages an die Klägerin bis zum Eingang eines Kostenfestsetzungsantrags der Klägerin bei Gericht, nach Maßgabe der Kostenquote zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, die Forderung sei verjährt. Sie bestreitet den Schadenshergang, Entdeckungszeitpunkt, die vorgetragenen Schadensbeseitigungsmaßnahmen und deren Erforderlichkeit, nur Trocknungskosten seien, wenn überhaupt, erforderlich gewesen. Überdies beruft sie sich auf einen Verstoß der Klägerin gegen die Aufklärungsobliegenheit in Form der unverzüglichen Schadensanzeige und der Schadensminderungsobliegenheit und ist der Ansicht, durch die Vorlage der Unterlagen zur Anspruchshöhe der sie arglistig getäuscht worden. Überdies rügt sie, dass die Klägerin die Reparaturkosten zum Neuwert geltend macht.
Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist insgesamt nicht begründet. Dabei kann dahinstehen, ob die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede durchgreift und ob der von der Klägerin behauptete Versicherungsfall stattgefunden hat. Ebenfalls braucht die Kammer nicht zu entscheiden, ob die Klägerin Anzeigeobliegenheiten oder Schadensminderungsobliegenheiten verletzt oder die Beklagte zum Schadensumfang arglistig getäuscht hat. Denn die Klägerin hat trotz entsprechenden Hinweises der Kammer zu der Höhe der ihr entstandenen Schäden nicht hinreichend vorgetragen.
Im Hinblick auf die der Klägerin nach ihrer Behauptung entstandenen Gebäudeschäden hat die Beklagte bereits in der Klageerwiderung darauf hingewiesen, dass die Klägerin Reparaturkosten zum Neuwert geltend macht, die strenge Wiederherstellungsklausel und die hierzu ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht berücksichtigt und zu einem substantiierten Vorbringen die Darlegung des Zeitwertschadens gehört. Nachdem die Klägerin hierauf nicht mehr zurückgekommen ist, hat die Kammer sie in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen von § 13 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 7 VGB 2008 nicht vorgetragen sind, sie nach Neuwert abrechnet und zum Zeitwert der Gebäude, deren Beschädigung Gegenstand des Rechtsstreits sind, und der einzelnen Gewerke Anknüpfungstatsachen vorzutragen und diese zu Beweis zu stellen hat.
Soweit die Klägerin im Schriftsatz vom 14.06.2016 die Rechtsansicht vertritt, eine Berechnung nach Neuwert erfolge vorliegend nicht, so folgt die Kammer dieser Rechtsauffassung nicht. Nach der von der Beklagten bereits in der Klageerwiderung in Bezug genommenen Entscheidung BGH NJW-RR 2007, 608, die zu einer wortidentischen Allgemeinen Bedingung für die Feuerversicherung ergangen ist, hat der Bundesgerichtshof, ausgehend vom Wortlaut der Vorschrift, ausdrücklich erwähnt, dass die Regelungen zur Zerstörung und zur Beschädigung des versicherten Objekts keine Angaben zu dem Wertzuwachs machen, die das beschädigte Gebäude allein dadurch erfahren kann, dass bei seinem Wideraufbau an die Stelle eines alten Hauses mit einem nach möglicherweise langwieriger Abnutzung geringen Zeitwert schon durch eine dem ursprünglichen Zustand technisch gleichwertige Reparatur, etwa den Einbau eines neuen Dachstuhls, ein sehr viel höherwertiges Objekt tritt. Aus diesem Grund gilt auch für den Fall, dass – wie hier – die Reparaturkosten bis zur Höhe des Neuwertes für die Entschädigung maßgeblich sind, dass der Versicherungsnehmer einen Anspruch bezüglich der Differenz, um die eine Entschädigung nach dem Neuwert den Zeitwertschaden übersteigt, erst dann erwirbt, wenn er innerhalb der gesetzten Frist die Wiederherstellung der Gebäude oder beschädigten Grundstücksbestandteile in gleicher Art und Zweckbestimmung sicherstellt. Da die Klägerin Letzteres innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles nicht vorgenommen hat, hat sie nur Anspruch auf den Zeitwertschaden.
Soweit die Klägerin sich darauf beruft, von einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer könnten die in Bezug genommenen Versicherungsbedingungen nicht anders als von ihr ausgelegt werden, so schließt sich die Kammer auch insoweit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in der bereits in Bezug genommenen Entscheidung an. Der Bundesgerichtshof hat dort für die wortidentische Klausel bereits entschieden, dass diese den verständigen Versicherungsnehmer nicht im Zweifel darüber lässt, dass der Wiederherstellungsvorbehalt auch auf den Fall der Geltendmachung von Reparaturkosten bis zur Höhe des Neuwert anzuwenden ist, weil es nicht einzusehen wäre, warum der Versicherungsnehmer bei vollständiger Zerstörung des Gebäudes die Neuwertspitze erst nach Sicherung der Wiederherstellung verlangen könne, wenn er bei fast vollständiger Zerstörung, die aber nur als Beschädigung anzusehen sei, auch die den Zeitwertschaden übersteigenden Reparaturkosten unabhängig von einer Wiederherstellung verlangen könne.
Soweit die Klägerin vorsorglich Ausführungen zum Zustand des Gebäudes macht, so befassen sich diese überwiegend mit einer Beschreibung der Beschädigungen, jedoch nicht mit Anknüpfungstatsachen zum Zeitwert des Gebäudes selbst. Auch aus dem Vortrag im Schriftsatz vom 27.06.2016, der Zustand des Objekts sei allgemein der einer gepflegten gebrauchten Immobilie gewesen, im Erdgeschoss seien die Wände mit einem Strukturputz verputzt und weiß gestrichen gewesen, teilweise verkleidet, im Keller hätten sich Steinfliesen befunden, die sämtlich in gutem Zustand gewesen seien bis auf eine Fliese, die beschädigt gewesen sei. Kellerwände und Kellerdecke seien verputzt und weiß gestrichen gewesen, so bietet dieser Vortrag keine Anknüpfungspunkte, um den Zeitwertschaden festzustellen. Eines erneuten Hinweises der Kammer bedurfte es nicht, denn die Klägerin beruft sich primär auf ihre abweichende Rechtsauffassung; Anhaltspunkte dafür, dass der Hinweis nicht ausreichend verstanden worden wäre, hat die Kammer nicht.
Was die geltend gemachten Mietausfallschäden angeht, so hat die Klägerin einen Sachverhalt, der von § 9 VGB 2008 umfasst ist, ebenfalls nicht vorgetragen. Die Voraussetzungen von § 9 Abs. 1a VGB liegen nicht vor, da die Klägerin nicht vorträgt, dass die im Jahr 2009 im Haus befindlichen Mieter infolge des Versicherungsfalls die Zahlung der Miete ganz oder teilweise eingestellt haben. Vielmehr begründet sie den Mietausfallschaden mit dem Mietvertrag, den sie ab dem 01.04.2014 mit ihrem geschiedenen Ehemann über das streitbefangene Objekt und (unter anderem) die darin befindliche Wohnung geschlossen hat. In diesem ist zwar vereinbart, dass erst Miete gezahlt wird, wenn „der Zustand der Räume nach dem Wasserschaden wieder nutzbar sind“. Damit macht die Klägerin aber keine Schäden durch Mietausfall für eine Wohnung, die bei Eintritt des Versicherungsfalls tatsächlich vermietet war und in der durch den Versicherungsfall Mietausfälle entstanden sind, geltend. Vielmehr handelt es sich bei den von der Klägerin geltend gemachten Schäden um so genannte Vermögensfolgeschäden, die nach dem Vortrag der Klägerin ihr dadurch entstanden sind, dass sie die beschädigten und unsanierten Räume nicht vermieten kann und ihr dadurch Mietausfälle entstehen. Solche sind jedoch nicht ersatzfähig (Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl., § 9 VGB Rn. 2 mit weiteren Nachweisen). Da die Klägerin die Räume nicht selbst genutzt hat, scheidet auch eine Ersatzfähigkeit nach § 9 Abs. 1 b VGB aus.
Da der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche der Sache nach nicht zustehen, schuldet die Beklagte ihr auch nicht den Ersatz vorgerichtliche Anwaltskosten bzw. die Verzinsung von Gerichtskosten.
Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91, 269 III 2, 709 ZPO.
Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 08.07.2016 gibt keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
Streitwert: Bis 15.01.2016: 58.686,80 €,
danach bis 21.06.2016: 46.686,80 €,
danach: 52.126,80 €.