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Kaskoversicherung – Leistungsfreiheit bei Verstoß gegen Verwendungsklausel

Kaskoschutz ade: Versicherung zahlt nicht bei Zweckentfremdung

Das Oberlandesgericht Karlsruhe entschied, dass bei einem Verstoß gegen die Verwendungsklausel in einer Kaskoversicherung kein Versicherungsschutz besteht. Im vorliegenden Fall wurde das versicherte Fahrzeug entgegen dem vertraglich vereinbarten Verwendungszweck im gewerblichen Güterverkehr genutzt. Die Beklagte konnte nachweisen, dass diese Nutzung zum Unfallzeitpunkt vorlag, was zur Leistungsfreiheit der Versicherung führte.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 25 U 137/22   >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Kaskoversicherung: Vertraglich vereinbarter Schutz für bestimmte Fahrzeugnutzungen.
  2. Verstoß gegen Verwendungsklausel: Nutzung des Fahrzeugs im gewerblichen Güterverkehr statt nur im Werk- oder Privatverkehr.
  3. Leistungsfreiheit der Versicherung: Kein Versicherungsschutz bei vertragswidriger Nutzung.
  4. Beweislast: Beweis des vertragswidrigen Einsatzes durch die Versicherung.
  5. Werkverkehr vs. gewerblicher Güterverkehr: Unterschiedliche Definitionen und Versicherungsschutz.
  6. Fahrzeugnutzung zum Unfallzeitpunkt: Bestimmend für den Versicherungsschutz.
  7. Vertragliche Vereinbarungen: Bedeutung der genauen Festlegung des Fahrzeuggebrauchs im Versicherungsvertrag.
  8. Rechtliche Auslegung: Klare Abgrenzung der Fahrzeugnutzung als entscheidender Faktor für den Versicherungsanspruch.

Kaskoversicherung und die Grenzen des Versicherungsschutzes

In der heutigen Zeit sind Kaskoversicherungen ein zentraler Bestandteil des Risikomanagements für Fahrzeugeigentümer. Sie bieten Schutz vor finanziellen Verlusten im Falle von Schäden am eigenen Fahrzeug. Doch nicht jeder Schadenfall wird von der Versicherung abgedeckt. Ein besonders kritischer Punkt ist der Verstoß gegen Verwendungsklauseln in Versicherungsverträgen. Diese Klauseln definieren, unter welchen Umständen und für welche Nutzungsarten das Fahrzeug versichert ist.

Die Frage der Leistungsfreiheit der Versicherung tritt besonders dann in den Vordergrund, wenn es um die Nutzung des Fahrzeugs geht, die nicht mit den vertraglichen Vereinbarungen übereinstimmt. Beispielsweise kann die Nutzung eines Fahrzeugs im gewerblichen Güterverkehr – eine Tätigkeit, die oft strengen Regelungen unterliegt – gravierende Auswirkungen auf die Versicherungsleistungen nach einem Verkehrsunfall haben. Die folgenden Ausführungen beleuchten einen konkreten Fall, in dem genau diese Problematik im Mittelpunkt steht. Lassen Sie uns gemeinsam in die Welt der Rechtsprechung eintauchen und die Feinheiten dieses spannenden Falles entdecken.

Der Streit um die Kaskoversicherung: Verstoß gegen Verwendungsklausel

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat in einem bemerkenswerten Fall entschieden, der das Verhältnis zwischen Versicherungsnehmern und -gebern in der Kaskoversicherung beleuchtet. Im Zentrum steht ein Transportunternehmen, das für einen Kleintransporter eine Kaskoversicherung abgeschlossen hatte. Der Versicherungsschein wies als Verwendungszweck „LKW-Werkverkehr“ und „Privat / freiberufliche und Verwaltungstätigkeiten“ aus. Diese Klassifizierung schließt eine gewerbliche Nutzung, insbesondere im gewerblichen Güterverkehr, aus. Genau hier begann der Konflikt, als der Versicherungsnehmer nach einem Verkehrsunfall Versicherungsleistungen geltend machte.

Der Unfall und die daraus resultierende juristische Auseinandersetzung

Am 16. April 2020 verursachte ein Angestellter des Transportunternehmens einen Verkehrsunfall, der zu einem Totalschaden des versicherten Fahrzeugs führte. Der Kläger, Inhaber des Transportunternehmens, meldete den Unfall und gab an, das Fahrzeug sei privat genutzt worden. Die Versicherungsgesellschaft wies jedoch darauf hin, dass zum Unfallzeitpunkt gewerbliche Transportboxen im Fahrzeug waren, was auf eine gewerbliche Nutzung hindeutete. Dies führte zu einer Ablehnung der Versicherungsleistungen seitens der Versicherungsgesellschaft aufgrund eines Verstoßes gegen die Verwendungsklausel.

Gerichtliche Feststellungen und Entscheidungen

Das Landgericht Freiburg gab zunächst der Klage des Transportunternehmers statt, da es keine ausreichenden Beweise für eine gewerbliche Nutzung sah. Die Versicherungsgesellschaft legte jedoch Berufung ein. Sie argumentierte, dass der Kläger wusste, dass das Fahrzeug nicht für den gewerblichen Güterverkehr eingesetzt werden durfte. Dies wurde durch die Aussagen des Fahrers und die Anwesenheit der Transportboxen unterstützt. Das Oberlandesgericht Karlsruhe folgte dieser Argumentation und wies die Klage ab, indem es feststellte, dass ein Verstoß gegen die Verwendungsklausel vorlag und somit eine Leistungsfreiheit der Versicherung begründet war.

Die Konsequenzen des Urteils und seine Bedeutung

Dieses Urteil unterstreicht die Bedeutung der genauen Einhaltung von Vertragsbedingungen in Versicherungsverhältnissen. Es zeigt, dass die korrekte Nutzung eines Fahrzeugs gemäß den vereinbarten Bedingungen entscheidend für den Versicherungsschutz ist. Insbesondere im Bereich der Kaskoversicherung ist eine genaue Überprüfung und Einhaltung der Verwendungsklauseln unerlässlich, um im Schadensfall die entsprechenden Versicherungsleistungen zu erhalten.

Das Urteil des OLG Karlsruhe dient als wichtiger Leitfaden für Versicherungsnehmer und -geber hinsichtlich der Bedeutung und Auswirkungen von Verwendungsklauseln in der Kaskoversicherung. Es zeigt deutlich, wie essentiell eine transparente und genaue Vertragsgestaltung sowie eine übereinstimmende Nutzung des versicherten Gegenstands für die Gewährleistung des Versicherungsschutzes sind.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was versteht man unter einer Verwendungsklausel in Versicherungsverträgen und welche Bedeutung hat sie für den Versicherungsschutz?

Unter einer Verwendungsklausel in Versicherungsverträgen versteht man eine vertragliche Bestimmung, die festlegt, zu welchem Zweck das versicherte Objekt, beispielsweise ein Fahrzeug, verwendet werden darf. Diese Klausel ist in den Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB) unter D.1.1 geregelt und besagt, dass das Fahrzeug nur zu dem im Versicherungsvertrag angegebenen Zweck verwendet werden darf.

Die Verwendungsklausel hat eine wesentliche Bedeutung für den Versicherungsschutz, da sie eine Obliegenheit des Versicherungsnehmers darstellt. Die Einhaltung der vereinbarten Verwendung ist entscheidend für die Prämienkalkulation, da unterschiedliche Verwendungszwecke unterschiedliche Risiken und damit auch unterschiedliche Prämienhöhen mit sich bringen. So ist beispielsweise die Prämie für Mietwagen und Taxen höher als für privat genutzte Fahrzeuge, da ein größeres Gefahrenpotential besteht.

Wird das Fahrzeug entgegen der Verwendungsklausel für einen nicht vereinbarten Zweck genutzt, liegt eine Obliegenheitsverletzung vor. Dies kann zur Folge haben, dass der Versicherer im Schadensfall leistungsfrei wird, also keine Versicherungsleistungen erbringen muss. Der Versicherer muss dabei beweisen, dass das Fahrzeug zu einem nicht vereinbarten Zweck benutzt wurde und dass diese Nutzung vom Versicherungsnehmer selbst vorgenommen oder veranlasst wurde.

Zusätzlich kann der Versicherungsnehmer bei einem Verstoß gegen die Verwendungsklausel versuchen, den Kausalitätsgegenbeweis zu führen, indem er nachweist, dass der Unfall für den Fahrer ein unabwendbares Ereignis war. Gelingt dieser Nachweis nicht, bleibt es bei der Leistungsfreiheit des Versicherers.

Die Verwendungsklausel ist somit ein wichtiger Bestandteil des Versicherungsvertrags, der die Risikoeinschätzung und Prämienberechnung beeinflusst und bei dessen Nichtbeachtung der Versicherungsschutz gefährdet werden kann.


Das vorliegende Urteil

OLG Karlsruhe – Az.: 25 U 137/22 – Urteil vom 10.08.2022

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Freiburg im Breisgau vom 30.12.2021, Az. 14 O 161/21, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt von der Beklagten als seiner Kfz-Kaskoversicherung Versicherungsleistungen nach einem Verkehrsunfall.

Der Kläger betreibt ein Transportunternehmen mit Sitz in der M…straße in Freiburg. Für das streitgegenständliche Fahrzeug, einen Kleintransporter …, schloss der Kläger bei der Beklagten eine KfZ-Versicherung mit Versicherungsbeginn am 11.03.2020 ab. Der Versicherungsschein vom 24.04.2020 enthält unter der Rubrik „Versichertes Fahrzeug“ die Angabe „LKW-Werkverkehr“. Unter „Tarifmerkmale“ ist unter der Überschrift „Angaben zum Fahrzeug“ als „Fahrtzweck“ vermerkt: „Privat / freiberufliche und Verwaltungstätigkeiten“. In den in den Vertrag einbezogenen AKB vom 01.05.2019 ist in Anhang 4, Ziff. 8 Werkverkehr definiert als „die Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen, Anhängern und Aufliegern nur für eigene Zwecke durch eigenes Personal des Unternehmens oder von Personal, das dem Unternehmen im Rahmen einer vertraglichen Verpflichtung zur Verfügung gestellt worden ist. Die Beförderung darf hierbei nur eine Hilfstätigkeit im Rahmen der gesamten Tätigkeit des Unternehmens sein.“ Nach Ziff. 1.1.2 des Anhangs 2 der AKB ist privat eine Nutzung, die weder freiberuflich noch gewerblich ist. Gewerblich nach Ziff. 1.1.4 des Anhangs 2 der AKB ist die Nutzung dann, wenn das versicherte Fahrzeug zur Ausübung des Gewerbes des Versicherungsnehmers eingesetzt wird. Wann eine freiberufliche Nutzung vorliegt, ist in Ziff. 1.1.3 des Anhangs 2 der AKB abschließend definiert.

Eine solche Versicherung bei der Beklagten bestand zuvor bereits für das Vorgängerfahrzeug des streitgegenständlichen Fahrzeugs. Als dieses Vorgängerfahrzeug bei einem Verkehrsunfall beschädigt wurde, waren Versicherungsleistungen ausgeschlossen, weil der Unfall bei einer gewerblichen Nutzung des Fahrzeugs, nämlich der Auslieferung von Waren für Apotheken, geschehen war.

Am Unfalltag, dem 16.04.2020, einem Donnerstag, fuhr einer der vier oder fünf Angestellten des Klägers, nämlich der in der S…straße … in Freiburg wohnhafte Zeuge K…, das Fahrzeug. Um 12.19 Uhr verursachte er in Riegel a. Kaiserstuhl durch eine Vorfahrtsverletzung einen Unfall, bei dem an dem Fahrzeug des Klägers ein wirtschaftlicher Totalschaden entstand. Der Wiederbeschaffungswert unter Abzug eines Restwerts und einer vereinbarten Selbstbeteiligung lag bei 13.240,- €, der Klagforderung.

Der Kläger meldete den Unfall über den zuständigen Versicherungsagenten der Beklagten, wobei zum Schadenshergang u.a. angegeben wurde: „Bekannter von VN hat das Fahrzeug privat genutzt“. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 03.06.2020 jede Leistung ab.

Der Kläger hat vorgetragen, zum Unfallzeitpunkt sei das Fahrzeug durch den Zeugen K… privat genutzt worden. Dieser habe das Fahrzeug am Vortag nach Arbeitsende mit nach Hause genommen und am nächsten Tag, dem Unfalltag, erlaubterweise für private Zwecke verwendet. Eine über Werkverkehr und private Nutzung hinausgehende Nutzung des verunfallten Fahrzeugs sei vor dem Hintergrund, dass dies zuvor zu einem Leistungsausschluss geführt hatte, zu keiner Zeit erfolgt.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 13.240,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.06.2020 zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat sich auf Leistungsfreiheit berufen, weil das Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt gewerblich, nämlich für den Transport von Gütern im Gewerbe des Klägers, eingesetzt worden sei. Es seien nämlich Apotheken beliefert worden, was sich u.a. daraus ergebe, dass sich zum Unfallzeitpunkt zur Auslieferung bestimmte Apothekenboxen in dem Fahrzeug befunden hätten.

Wegen der weiteren Einzelheiten der erstinstanzlichen Feststellungen wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen, § 540 Abs. 1 ZPO.

Das Landgericht hat in dem angefochtenen Urteil der Klage in vollem Umfang stattgegeben.

Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine Leistungsfreiheit der Beklagten nicht vorlägen. Nach der Beweisaufnahme durch förmliche Parteivernehmung des Klägers sei das Landgericht nicht zu der Überzeugung gelangt, dass das Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt für die geschäftsmäßige und entgeltliche Beförderung von Gütern, nämlich für die Auslieferung von Waren an Apotheken eingesetzt worden sei. Aus einem etwaigen Vorhandensein von Apothekenboxen zum späteren Zeitpunkt der Begutachtung des Fahrzeugs durch den Sachverständigen H… lasse sich eine solche Verwendung des Fahrzeugs zum Unfallzeitpunkt nicht ableiten.

Gegen dieses der Beklagten am 05.01.2022 zugestellte Urteil richtet sich ihre am Montag, dem 07.02.2022 eingelegte und innerhalb verlängerter Berufungsbegründungsfrist begründete Berufung, mit der sie ihren erstinstanzlichen Antrag auf Klageabweisung weiter verfolgt.

Die Beklagte meint – unter Vertiefung und Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens – das Landgericht habe rechtsfehlerhaft verkannt, dass der Kläger Ansprüche aus der Fahrzeugversicherung wegen einer Nutzung des Fahrzeugs entgegen des vertraglich vereinbarten Verwendungszwecks nicht geltend machen könne. Für eine solche gewerbliche Nutzung tritt sie erstmals nach einem Hinweis des Berufungsgerichts Zeugenbeweis an durch Benennung des Fahrzeugsführers K… als Zeugen.

Die Beklagte beantragt,

1. unter Abänderung der Entscheidung des Landgerichts Freiburg vom 30. Dezember 2021 zum Az. 14 O 161/21 die Klage in vollem Umfang abzuweisen,

2. hilfsweise, die angegriffene Entscheidung aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten mündlichen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Die Nutzung von Fahrzeugen durch angestellte Fahrer des Klägers für den Arbeitsweg und darüber hinaus habe der üblichen Handhabung entsprochen, da am Sitz des Transportunternehmens keine hinreichenden Parkmöglichkeiten vorhanden seien. Am Unfalltag habe der Zeuge K… mit dem Fahrzeug private Einkäufe erledigt. Dessen Benennung als Zeugen durch die Beklagte im Berufungsverfahren rügt sie als verspätet.

Wegen des weiteren Sachvortrags wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27.07.2022 Bezug genommen.

Das Berufungsgericht hat den Kläger zur Sache gehört und Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen K…

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch nicht zu.

1.

Zwar erlitt das streitgegenständliche Fahrzeug bei einem Unfall, und damit bei einem nach Abschnitt A. 2.2.2.2 der AKB versicherten Ereignis, einen Totalschaden. Damit ist der Versicherungsfall eingetreten.

2.

Die Beklagte hat indes den ihr obliegenden Nachweis erbracht, dass das Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt entgegen des vertraglich vereinbarten Verwendungszwecks genutzt wurde, sodass Leistungsfreiheit gem. Abschnitt D.2.1 der AKB wegen einer vorsätzlichen Verletzung der Pflicht gem. Abschnitt D.1.1 der AKB eingetreten ist. Nach Abschnitt D.2.1 AKB entfällt nämlich der Versicherungsschutz, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich eine der in Abschnitt D.1 genannten Pflichten verletzt, zu denen nach Abschnitt D.1.1 auch die Pflicht zählt, das Fahrzeug nur zu dem vereinbarten Verwendungszweck zu nutzen.

a)

Ein objektiver Verstoß gegen die Verwendungsklausel gemäß Abschnitt D.1.1 AKB liegt vor, da das Fahrzeug nach dem Versicherungsvertrag nur im Werk- oder Privatverkehr, nicht aber im gewerblichen Gütertransport eingesetzt werden durfte.

aa)

Versichert ist nach dem Versicherungsschein (Anlage K1/2) zunächst „Werkverkehr“, der in Ziff. 8, Anhang 4 der AKB wie folgt definiert ist:

„Werkverkehr ist die Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen, Anhängern und Aufliegern nur für eigene Zwecke durch eigenes Personal des Unternehmens oder von Personal, das dem Unternehmen im Rahmen einer vertraglichen Verpflichtung zur Verfügung gestellt worden ist. Die Beförderung darf hierbei nur eine Hilfstätigkeit im Rahmen der gesamten Tätigkeit des Unternehmens sein.“

Bei den Tarifmerkmalen ist im Versicherungsschein zudem als „Fahrtzweck: Privat / freiberufliche und Verwaltungstätigkeiten“ angegeben. Dies entspricht der Fahrtzweckklasse 4 gemäß Ziff. 2.3 des Anhangs 2 zu den AKB.

Nach Ziff. 1.1.2 des Anhangs 2 der AKB ist privat eine Nutzung, die weder freiberuflich noch gewerblich ist, wobei eine freiberufliche Nutzung hier ausscheidet, da der Kläger keine der unter Ziff. 1.1.3 des Anhangs 2 der AKB abschließend aufgeführten Tätigkeiten ausübt. Gewerblich nach Ziff. 1.1.4 des Anhangs 2 der AKB ist die Nutzung dann, wenn das versicherte Fahrzeug zur Ausübung des Gewerbes des Versicherungsnehmers eingesetzt wird.

Von dem vertraglich vereinbarten Verwendungszweck somit nicht erfasst ist der gewerbliche Güterverkehr. Dieser ist unter Ziff. 9 des Anhangs 4 der AKB wie folgt definiert:

„Gewerblicher Güterverkehr ist die geschäftsmäßige, entgeltliche Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen, Anhängern und Aufliegern für andere“.

Bedenken gegen die Wirksamkeit dieser Bestimmungen in Ziff. 8, 9 des Anhangs 4 der AKB oder gegen die Wirksamkeit der Verwendungsklausel bestehen nicht. Weder verstößt diese Klausel gegen das Transparenzgebot noch benachteiligt sie den Kläger unangemessen. Der Kläger ist unstreitig gewerblich im Transportgewerbe tätig. Bei einem Transportunternehmer ist davon auszugehen, dass diesem der Unterschied zwischen Werk- und Güterverkehr bekannt ist. Maßgeblich ist dabei der Kenntnisstand eines durchschnittlichen Transportunternehmers. Für diesen Verkehrskreis bestanden hinsichtlich der verwendeten Begriffe keine Unklarheiten, die der Wirksamkeit der Verwendungsvereinbarung entgegenstehen könnten (vgl. BGH, Urteil vom 01. März 1972 – IV ZR 107/70 -, juris Rn. 13; OLG Celle, Urteil vom 17. November 2016 – 8 U 114/16 -, juris Rn. 16). Anhaltspunkte für eine unangemessene Benachteiligung des Klägers durch diese Klausel bestehen nicht.

bb)

Da das streitgegenständliche Fahrzeug zum Zeitpunkt des Unfalls im gewerblichen Güterverkehr eingesetzt wurde, lag eine vertragswidrige Verwendung vor.

Die Beklagte hat den ihr obliegenden Nachweis eines solchen vertragswidrigen Einsatzes erbracht, wie sich aus einer Gesamtschau der von ihr hierfür vorgebrachten Indizien, soweit diese entweder unstreitig oder bewiesen sind, ergibt. Dabei waren auch die Angaben des in der Berufungsinstanz vernommenen Zeugen K… einzubeziehen, der von der Beklagten mit Schriftsatz vom 20.05.2022 erstmals benannt wurde. Dem steht nicht entgegen, dass der Beklagten bereits aufgrund der Schadensmeldung vom 11.05.2020 während des erstinstanzlichen Verfahrens bekannt war, dass das Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt durch den Zeugen K… geführt wurde, da erstmals im Berufungsverfahren mit Beschluss vom 26.04.2022 gem. § 139 ZPO auf die Relevanz der fehlenden Benennung des Zeugen K… hingewiesen wurde. Damit war die Beklagte nicht nach § 531 ZPO gehindert, den Zeugen K… in Reaktion auf diesen Hinweis nunmehr im Berufungsverfahren zu benennen, denn der durch einen notwendigen Hinweis nach § 139 ZPO veranlasste Vortrag einer Partei einschließlich darauf beruhender Beweisangebote darf nicht als verspätet zurückgewiesen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 24. September 2019 – VI ZR 517/18 -, juris Rn 9). Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn dieser Zeuge in erster Instanz bereits benannt und zurückgewiesen worden wäre (vgl. BGH, Urteil vom 17. Oktober 1979 – VIII ZR 221/78 -, juris zu § 528 Abs. 3 ZPO a.F., der dem heutigen § 531 Abs. 1 ZPO entspricht).

Die Beklagte hat zunächst nachgewiesen, dass das versicherte Fahrzeug zumindest auch im gewerblichen Güterverkehr eingesetzt wurde. Hierfür spricht zunächst, dass das Fahrzeug als Ersatzfahrzeug für ein Fahrzeug angeschafft wurde, das diesem Zweck diente. Es erscheint wenig nachvollziehbar, dass der Kläger, in dessen Transportgewerbe mehrere Transportfahrzeuge vorhanden waren, die nach den Angaben des Klägers nicht voll ausgelastet waren, neben diesen Fahrzeugen einen Kleintransporter nur für private Transporte anschaffte. Hinzu kommt, dass der Kläger im Rahmen seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung am 27.07.2022 angegeben hat, der Zeuge K… habe als angestellter Fahrer des Klägers überwiegend dieses Fahrzeug genutzt. Dies ist nicht möglich, wenn das Fahrzeug ausschließlich für private Fahrten außerhalb des Gewerbebetriebs eingesetzt worden wäre, zumal der Kläger selbst auch keine Nutzung des Fahrzeugs im Werkverkehr behauptet. Schließlich hat der Zeuge K… bei seiner Vernehmung eingeräumt, dass zumindest gelegentlich eine gewerbliche Nutzung erfolgte, nämlich dann, wenn andere Fahrzeuge nicht einsatzbereit waren.

Darüber hinaus hat die Beklagte bewiesen, dass ein solcher gewerblicher Einsatz des Fahrzeugs auch zum Unfallzeitpunkt stattfand. Zwar haben der Kläger und der Zeuge angegeben, dass der Zeuge das Fahrzeug privat für eine Einkaufsfahrt genutzt habe, jedoch kann diesen Angaben aufgrund zahlreicher Widersprüche kein Glauben geschenkt werden. Zudem belegen weitere Indizien die gewerbliche Nutzung zum Unfallzeitpunkt.

Die Angaben des Klägers und des Zeugen zu der angeblichen privaten Nutzung widersprachen einander, soweit sie über die bloße Behauptung, der Zeuge habe sich auf einer Fahrt zu einem privaten Einkauf nach M… befunden, hinausgingen. So gab der Kläger bei seiner Anhörung an, der Zeuge habe das Fahrzeug bereits am Vortag mitgenommen und zu einem noch nicht festgelegten späteren Zeitpunkt zurückgeben sollen, wie es ständiger Übung entsprochen habe. Insbesondere habe der Zeuge ebenso wie die übrigen Fahrer regelmäßig Fahrzeuge des klägerischen Gewerbebetriebs über Nacht zu sich genommen, da es am Sitz des Klägers keine hinreichenden Parkmöglichkeiten gegeben habe. Der Zeuge hat dagegen angegeben, er habe das Fahrzeug erst am Unfalltag selbst ausgeliehen und noch am selben Tag zurückbringen sollen. Eine derartige private Nutzung sei nur durch ihn und nicht durch andere Fahrer erfolgt, üblicherweise seien die Fahrzeuge nachts am Unternehmenssitz geparkt worden. Entgegen der Aussage des Klägers habe er meist den Arbeitsweg nicht mit diesem Fahrzeug, sondern mit der Straßenbahn zurückgelegt.

Hinzu kommt, dass sich zum Unfallzeitpunkt in dem Fahrzeug Transportboxen befanden, wie sie zur gewerblichen Belieferung von Apotheken genutzt werden. Die Erklärung des Zeugen, es habe sich um nicht mehr gewerblich genutzte Boxen aus seinem persönlichen Eigentum gehandelt, die er für seine Einkäufe habe benutzen wollen, ist wenig überzeugend. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 30.09.2021 vor dem Landgericht Freiburg wahrheitswidrig bestritten hat, dass sich solche Boxen zum Unfallzeitpunkt in dem Fahrzeug befanden. Hierfür bestand kein Anlass, wenn die Angaben des Zeugen der Wahrheit entsprächen.

Zudem steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass im oberen Bereich der Frontscheibe auf der Beifahrerseite ein Schild angebracht war, das auf einen Einsatz des Fahrzeugs in der Apothekenbelieferung hinwies. Zwar haben der Kläger und der Zeuge übereinstimmend auf Vorhalt der entsprechenden Lichtbilder angegeben, nicht zu wissen, welche Aufschrift das Schild trage. Dies erscheint hinsichtlich des Zeugen, der das Fahrzeug führte, nicht nachvollziehbar. Darüber hinaus erklärte der Kläger bei seiner Anhörung unaufgefordert, aus welchen Gründen der Zeuge ein „Apothekenschild“ hätte verwenden können. Hieraus ergibt sich, dass der Kläger durchaus das Schild als eines der in seinem Unternehmen verwendeten Schilder zur Kennzeichnung einer Apothekenbelieferung identifizierte.

b)

Die Verletzung der Pflicht nach D.1.1 erfolgte vorsätzlich, da dem Kläger bekannt war, dass das Fahrzeug nach dem Versicherungsvertrag nicht für den gewerblichen Gütertransport eingesetzt werden durfte. Dies hatte er spätestens dadurch erfahren, dass bereits zuvor die Beklagte leistungsfrei geworden war, als nämlich das Vorgängerfahrzeug während des Einsatzes im Gewerbebetrieb des Klägers einen Schaden erlitten hatte.

c)

Die vertragswidrige Verwendung war auch kausal für den Eintritt des Schadens.

Darf nämlich der Versicherungsnehmer das versicherte Fahrzeug nur zu dem im Versicherungsantrag angegebenen Zweck verwenden, hat er damit vor Eintritt des Versicherungsfalls eine Obliegenheit zur Verhütung einer Gefahrerhöhung zu erfüllen. Führt der Verstoß gegen die Verwendungsklausel zu einer Gefahrerhöhung, wird die Kausalität des Obliegenheitsverstoßes vermutet (vgl. OLG Celle, Urteil vom 17. November 2016 – 8 U 114/16 -, juris Rn 37). Von einer Gefahrerhöhung ist regelmäßig auszugehen (vgl. BGH, Urteil vom 01. März 1972 – IV ZR 107/70 -, juris Rn. 16), ein Ausnahmefall in Form eines unabwendbaren Ereignisses scheidet vorliegend aus.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Anlass, die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, besteht nicht.

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