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Hausratversicherung – Risikoausschluss für Rückstauschäden

KG Berlin, Az.: 6 U 21/15, Beschluss vom 27.09.2016

In dem Rechtsstreit hat der Senat nunmehr über die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Zivilkammer 23 des Landgerichts Berlin vom 18. Dezember 2014 beraten und beabsichtigt im Ergebnis, die Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Gründe

I.

Der Kläger macht Ansprüche aus einem Versicherungsvertrag mit der Beklagten über eine Hausratsversicherung geltend. Für den Vertrag sind Besondere Bedingungen und Leistungserweiterungen zur allgemeinen Hausratsversicherung (VHB 2008) zum vereinbarten Deckungskonzept “Exclusiv-Schutz” vereinbart.

In Nr. 24 heißt es:

“In Erweiterung von VHB 2008 “Abschnitt “A” § 4 Nr. 2 gilt im Exclusiv-Schutz” als Leistungswasser auch Wasser, das aus im Gebäude verlaufenden Regenfallrohren bestimmungswidrig ausgetreten ist.”

Nr. 35 lautet:

“Der Versicherer garantiert, dass die dieser Hausratsversicherung zugrunde liegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Hausratsversicherung (VHB 2008) und Besonderen Bedingungen ausschließlich zum Vorteil der Versicherungsnehmer von den durch den Gesamtverband der Versicherungswirtschaft (GDV) empfohlenen Bedingungen abweicht.”

Die hier zusätzlich vereinbarten VHB 2008 enthalten in § 4 “Leitungswasser” unter anderem folgende Regelungen:

“1. Bruchschäden

a) frostbedingte und sonstige Bruchschäden an Rohren

b) frostbedingte Bruchschäden an nachfolgend genannten Installationen:

2. Nässeschäden

Hausratversicherung - Risikoausschluss für Rückstauschäden
Symbolfoto: HannaKuprevich/Bigstock

Der Versicherer leistet Entschädigung für versicherte Sachen, die durch bestimmungswidrig austretendes Leistungswasser zerstört oder beschädigt werden oder abhandenkommen.

Das Leitungswasser muss aus Rohren der Wasserversorgung (Zu- und Ableitungen) oder damit verbundenen Schläuchen, den mit diesem Rohrsystem verbundenen sonstigen Einrichtungen oder deren wasserführenden Teilen, aus Einrichtungen der Warmwasser- oder Dampfheizung … ausgetreten sein. …

3. Nicht versicherte Schäden

a) Nicht versicherte sind ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen Schäden durch

aa) Plansch- oder Reinigungswasser,

bb) Schwamm

cc) Grundwasser, stehendes oder fließendes Gewässer, Überschwemmung oder Witterungsniederschläge oder einen durch diese Ursachen hervorgerufenen Rückstau,

dd) Erdbeben, Schneedruck, Lawinen, Vulkanausbruch,

ee) Erdsenkung oder Erdrutsch, es sei denn, dass Leitungswasser nach Nr. 2 die Erdsenkung oder den Erdrutsch verursacht hat,

ff) Öffnen der Sprinkler oder Bedienen der Berieselungsdüsen wegen eines Brandes, durch Druckproben oder durch Umbauten oder Reparaturarbeiten an dem versicherten Gebäude oder an der Sprinkler- oder Berieselungsanlage.

gg) Leitungswasser aus Eimern, Gießkannen oder sonstigen mobilen Behältnissen.

b) Der Versicherer leitete keine Entschädigung für Schäden

aa) an Gebäuden oder an Gebäudeteilen, die nicht bezugsfertig sind und an den in diesen Gebäuden oder Gebäudeteilen befindlichen Sachen,

bb) am Inhalt eines Aquariums, die als Folge dadurch entstehen, dass Wasser aus dem Aquarium ausgetreten ist.”

Der Kläger ist das Opfer eines Leitungswasseraustritts im Kellerraum geworden, der nach vom Landgericht eingeholter sachverständiger Einschätzung dadurch entstanden ist, dass bei starken Regenfällen ein Rückstau von Niederschlagswasser im Abwasserrohr entstanden ist, wobei der Druck so hoch geworden ist, dass das nicht durch weitere Schellen oder ähnliche Vorrichtungen gesicherte Abwasserrohr im Bereich einer nur gesteckten Muffenverbindung auseinander geschoben wurde, so dass eine erhebliche Menge Abwasser aus dem getrennten Rohr in den Kellerraum floss. Der Sachverständige hat die Fixierung der Entwässerungsrohrleitung deswegen in seinem Gutachten als unzureichend bezeichnet.

Von der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird gemäß den §§ 540 Abs. 2, 313 a ZPO abgesehen.

II.

Die Berufung ist zwar zulässig, sie hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Die Berufung kann gemäß § 513 Abs. 1 ZPO nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht oder gemäß § 529 ZPO zu berücksichtigende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

Beide Voraussetzungen liegen offensichtlich nicht vor.

1) Der Kläger stützt seine Berufung darauf, dass die Ausschlussklausel überraschend im Sinne von § 305 c Abs. 1 BGB sei, was zu deren Unwirksamkeit führe. Ein Versicherungsnehmer müsse nicht damit rechnen, dass Schäden an seinem Hausrat ausgeschlossen sind, wenn Wasser aus dem Abwasserrohr austritt, weil sich die Muffenverbindung gelöst hat.

Diese Argumentation übersieht, dass die hier verwendete Klausel schon seit vielen Jahren in unterschiedlichen Bedingungswerken verwendet wird, auch im Bereich der Hausratsversicherung mithin keine ungewöhnliche Klausel ist. Diese Auffassung entspricht auch der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte, wonach die Klausel weder für überraschend noch für unangemessen benachteiligend für den Versicherungsnehmer angesehen wird (vgl. OLG Saarbrücken VersR 1997, 1000 – zitiert nach juris; OLG Hamm RuS 2014, 357 ff – zitiert nach juris: Rdnr. 30; OLG Stuttgart VersR 2005, 116 f. – zitiert nach juris: Rdnr. 28; OLG Köln NVersZ 2001, 328 f. – zitiert nach juris: Rdnr. 8).

Der durchschnittliche, um Verständnis der Bedingungen bemühte Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse erkennt beim Durchlesen schon durch § 1 der VHB 2008, dass nur bestimmte Risiken versichert sind, die in § 1 Nr. 1 als Versicherungsfall aufgezählt sind. Er entnimmt der Gliederung, dass er Einzelheiten zu Leitungswasserschäden in § 4 der VHB 2008 vorfindet. Aus § 4 Nr. 2 der Bedingungen folgt, dass ein Nässeschaden am Hausrat durch austretendes Abwasser nach einem Lösen der Muffenverbindung des Abwasserrohrs grundsätzlich versichert ist.

Der Versicherungsnehmer entnimmt zudem aus Nr. 24 der Besonderen Bedingungen, dass Niederschlagswasser in innenliegenden Regenrohren ebenfalls Leitungswasser im Sinne des § 4 Nr. 2 der VHB ist. Auch Regenwasser, das aus außen liegenden Regenfallrohren austritt, ist nach den Bedingungen Leitungswasser, wenn nur das Rohr mit dem Rohrsystem der Wasserversorgung verbunden ist. Denn dann handelt es sich um eine mit dem Rohrsystem verbundene Einrichtung. Diese muss nicht der Wasserversorgung dienen (vgl. dazu auch OLG Koblenz VersR 2011, 1260 f. -zitiert nach juris: Rdnr. 28 zu § 6 Nr. 1b) VGB 94).

Beim Durchlesen der Nr. 3 versteht der Versicherungsnehmer, dass nicht für alle Schäden, die nach einem Rohrbruch oder einem sonstigen Schaden des Rohrs durch aus der Leitung bestimmungswidrig austretendes (Ab-)Wasser verursacht werden, Versicherungsschutz besteht. Nach der Gliederung der Klausel und deren Wortlaut besteht für ihn zunächst kein Zweifel, dass sich die Ausschlüsse sowohl auf Bruchschäden gemäß Nr. 1 als auch auf Nässeschäden gemäß Nr. 2 beziehen. Als Risiken, die zu einem Rohrbruch oder einem Trennen der Rohrverbindung führen können, wird er die Naturgewalten in dd) und ee) ansehen. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer weiß, dass es insoweit um nur schwer zu kalkulierende Risiken mit einer unter Umständen nicht voraussehbaren Schadensentwicklung geht. Er weiß auch, dass es insoweit besondere Versicherungen gibt, die diese Risken durch Elementarschäden abdecken. Der Risikoausschluss ist für ihn insoweit nicht überraschend.

Liest der Versicherungsnehmer den Risikoausschluss zu ff) erkennt er, dass es sich um eine Art der Schadensentstehung handelt, bei der auch ein Rohrbruch auftreten kann, etwa bei Druckproben an den Rohrleitungen oder bei Umbauarbeiten. Es geht letztlich um Risiken, die durch menschliches Handeln verursacht sind und beherrschbar sind. Dies trifft auch auf das Öffnen der Sprinkler im Brandfall zu, denn das Wasser tritt dann bestimmungsgemäß aus. Der Einbau einer solchen Sicherungsmaßnahme gegen Brandschäden beruht auf einer menschlichen Entscheidung. Ebenfalls in diesen Bereich menschlich beherrschbarer Risiken fallen die Ausschlüsse zu aa) und gg).

Versucht der Versicherungsnehmer, ein Verständnis für den Risikoausschluss in cc) zu entwickeln, ist er nicht überrascht, dass das Risiko für Schäden, die durch Grundwasser, stehendes oder fließendes Gewässer oder durch Überschwemmung entstehen, nicht versichert sein soll. Denn der Grund für die Ausschlussbestimmung liegt erkennbar darin, dass Gefahrenlagen ausgeschlossen werden sollen, deren Eintritt und Ablauf unberechenbar sind und die insbesondere in ihren Folgen so unübersehbar sind, dass sie von der der für normale Verhältnisse kalkulierten Prämie nicht gedeckt werden können (vgl. OLG Köln RuS 2007, 285 f. zitiert nach juris: Rdnr. 13).

Soweit es um Witterungsniederschläge geht, stellt der durchschnittliche Versicherungsnehmer in Rechnung, dass im Normalfall Witterungsniederschläge nicht in ein Gebäude eindringen, wenn es ordnungsgemäß hergestellt ist und Fenster und Türen geschlossen sind. Witterungsniederschläge wird er in dem Fall für gefährlich ansehen, dass sie zu einer Überschwemmung des Grundstücks führen, weil sie nicht mehr versickern können und/oder aus Regenrohren austreten, die nicht zur Wasserversorgung zählen, weil sie mit dem Rohrsystem der Abwasserversorgung nicht verbunden sind, und die damit ohnehin keinen Versicherungsschutz gemäß Nr. 2 genießen.

Im Übrigen wird er Witterungsniederschläge für schadensträchtig halten, wenn sie in einer Menge in die Kanalisation gelangen, dass sie möglicherweise nicht sofort abgeleitet werden können, weil diese gefüllt ist. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer weiß, dass es in diesem Fall zu einem Rückstau des Niederschlagswassers bis in die Abwasserrohre der angeschlossenen Häuser kommen kann.

Damit erkennt der Versicherungsnehmer den Gehalt des Begriffs “Rückstau”, auch wenn der Begriff in den Bedingungen hier nicht definiert ist. Den Begriff “Rückstau” versteht ein verständiger Versicherungsnehmer dahingehend, dass sich ansammelndes Niederschlagswasser in erheblichen Mengen in die Kanalisation gelangt und von dort nicht mehr in der vorgesehenen Weise abgeführt werden kann (OLG Köln RuS 2007, 285 – zitiert nach juris: Rdnr. 13; OLG Stuttgart VersR 2005, 116 – zitiert nach juris: Rdnr. 29).

Er entwickelt darüber hinaus nach dem Wortlaut der Klausel – Wasser muss aus den Rohren der Wasserversorgung bestimmungswidrig ausgetreten sein – das Verständnis, dass der Ausschlussgrund bereits dann gegeben ist, wenn Niederschlagswasser durch technischen Fehler und Mängel aller Art bestimmungswidrig in Leitungen eindringt und aus diesen schadensstiftend austritt (vgl. OLG Köln RuS 2006, 376 ff – zitiert nach juris: Rdnr. 35).

Das Risiko eines Schadenseintritts durch eine ungewöhnlich große Menge an Wasser in der Abwasserleitung besteht erstens in einer ungewöhnlichen Druckentwicklung und zweitens auch durch den Umstand, dass sich das rückstauende Niederschlagswasser entgegen der sonstigen Fließrichtung im Abwasserrohr ausbreitet. Der Versicherungsnehmer wird deswegen im Hinblick auf das Eingreifen des Ausschlusses keinen Unterschied machen, ob es zu einem Schaden kommt, weil sich durch den Druck des Rückstaus eine Rohrverbindung löst oder ob das Wasser aus Abläufen oder sanitären Einrichtungen ohne Rohrschaden herausgedrückt wird (so auch KG, Beschl. vom 31. 7. + 2. 6. 2015 – 6 U 151/14- zum Auseinanderdrücken der Rohrverbindung bei Rückstau). In beiden Fällen realisiert sich das identische Risiko mit der Folge, dass bestimmungswidrig eine große Menge an Wasser austritt und versicherten Hausrat beschädigt.

Insgesamt erkennt der durchschnittliche Versicherungsnehmer den Sinn und Zweck der Klausel und realisiert auch, dass der Versicherer bei einem Rückstau von Niederschlagswasser wegen der möglichen Beweisschwierigkeiten durch sich mischende Abwässer in jedem Fall von der Leistung frei sein will, wenn der Versicherer einen Rückstau von Niederschlagswasser beweisen kann sowie weiter, dass dieser Rückstau zumindest mitursächlich für den Schadenseintritt war.

Der Versicherungsnehmer wird danach gerade nicht, wie der Kläger meint, von einem Risikoausschluss überrascht, der schon eingreift, wenn es im zeitlichen Zusammenhang mit einem Rohrbruch und einem bestimmungswidrigen Austritt von Wasser aus dem gebrochenen Rohr zufällig auch regnet.

2) Der Kläger überzeugt auch nicht mit seinem Vorbringen, die Klausel sei nicht so zu verstehen, dass ein durch einen Rückstau hervorgerufener Schaden an der Rohrverbindung vom Ausschluss erfasst sein soll. Ein Rückstau sei etwas Anderes als das “Platzen” eines Abwasserrohres. Auf die vorstehenden Ausführungen kann verwiesen werden. Der Kläger übersieht auch, dass hier bei dem konkreten Schadenseintritt sogar ein beherrschbares Geschehen vorlag. Wäre die Rohrverbindung gegen das Auseinanderschieben durch rückstauendes Wasser mittels entsprechender Sicherungen geschützt gewesen, wäre es möglicherweise gar nicht zum Eintritt des Versicherungsfalls gekommen. Wie bereits oben dargestellt wurde, will der Versicherer gemäß § 4 Nr. 3 VHB das Risiko für Nässeschäden, die durch menschliches (Fehl-)Verhalten verursacht und damit beherrschbar waren, nicht übernehmen. Der Anlass für einen Risikoausschluss ist im vorliegenden Sachverhalt sogar doppelt gegeben. Erstens lag das unabsehbare Risiko durch einen Rückstau von Niederschlägen vor. Zweitens hat sich dieses Risiko konkret wegen der nicht ausreichenden Sicherung der Rohrverbindung verwirklicht.

3) Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist eine Entscheidung des Senats durch Urteil unter Zulassung der Revision nicht erforderlich. Zur Rechtsfortbildung eignet sich die hier streitige Sache nicht. Sonstige Gründe, die die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gebieten, liegen nicht vor.

III.

Dem Kläger wird Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb einer Frist von drei Wochen gegeben. Aus Kostengründen sollte die Zurücknahme der Berufung erwogen werden.

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