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Kasko-Versicherungsvertrag – Nichtigkeit wenn Fahrzeug nicht zugelassen werden darf

Versicherungsvertrag und Zulassungsfähigkeit eines Fahrzeugs: Eine Prüfung durch das OLG Celle

Das Oberlandesgericht (OLG) Celle hatte kürzlich über die Frage zu entscheiden, ob ein Kasko-Versicherungsvertrag nichtig ist, wenn das versicherte Fahrzeug nicht zugelassen werden darf. Der Fall betraf ein Motorrad, das unter einem bestimmten amtlichen Kennzeichen zugelassen war und auf dessen Wiederbeschaffungswert die Klägerin Anspruch erhob.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 11 U 109/22 >>>

Die Hauptproblematik im Fall

Im Kern dreht sich der Sachverhalt um das Versicherungsrecht und die zugehörigen Rahmenbedingungen. Relevant ist hierbei die Frage, ob ein Kasko-Versicherungsvertrag wirksam abgeschlossen werden kann, obwohl das versicherte Kraftfahrzeug keine Zulassung erhält. Insbesondere geht es darum, ob der Halter des Fahrzeugs, der vorsätzlich handelt, dennoch auf den Schutz gegen Vermögensschäden vertrauen kann, die sich aus dem Verlust oder der Beschädigung des Fahrzeugs ergeben könnten.

Die Auslegung der Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB)

Das OLG Celle widerlegt diese Annahme, indem es auf die Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB) verweist. In den AKB des Beklagten wird deutlich gemacht, dass der Versicherungsvertrag auch bei vorübergehender Außerbetriebsetzung des Fahrzeugs weiterbesteht.

Die Rolle der Diebstahlsversicherung und Beweisführung

Ein weiterer wichtiger Aspekt in diesem Fall betrifft die Diebstahlsversicherung und die Beweisführung hinsichtlich der Entwendung des Fahrzeugs. Demnach muss der Versicherungsnehmer den Beweis erbringen, dass ein Sachverhalt vorliegt, der mit ausreichender Wahrscheinlichkeit auf eine Diebstahlsentwendung schließen lässt. Die Lebenserfahrung und die Vorlage von Beweisanzeichen, die das äußere Bild eines versicherten Diebstahls nahelegen, sind hier entscheidend.

Die Rolle der Vertraglichen Obliegenheit des Versicherungsnehmers

Laut § 28 Abs. 2 VVG ist der Versicherer von der Leistung befreit, wenn der Versicherungsnehmer eine ihm obliegende vertragliche Pflicht vorsätzlich verletzt hat. Im vorliegenden Fall konnte die Klägerin nicht alle zum Motorrad gehörenden Schlüssel vorlegen, was zu Auffälligkeiten führte. Trotzdem hinderte dies das Gericht nicht an der Überzeugungsbildung, die zur Verurteilung führte.

Der Fall wirft wichtige Fragen zum Versicherungsrecht und zur Beweisführung in Diebstahlsfällen auf und beleuchtet die Notwendigkeit eines transparenten und fairen Umgangs zwischen Versicherern und Versicherungsnehmern. […]


Das vorliegende Urteil

OLG Celle – Az.: 11 U 109/22 – Urteil vom 03.07.2023

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 30. September 2022 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 8. Zivilkammer des Landgerichts Verden geändert und zunächst teilweise wie folgt neu gefasst:

Die Klägerin hat gegen den Beklagten dem Grunde nach Anspruch auf die Erstattung des vollen Wiederbeschaffungswertes des unter dem amtlichen Kennzeichen … zugelassen gewesenen Motorrades mit der FIN W… in demjenigen Zustand, in dem es in dem Wertgutachten des Privatsachverständigen K. vom 9. Mai 2016 beschrieben worden ist.

Die Entscheidung über die Höhe des Anspruchs sowie über die Kosten des Rechtsstreits bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten mit der Behauptung, ihr Motorrad sei gestohlen worden, aus dem für dieses Fahrzeug abgeschlossenen Teilkaskoversicherungsvertrag auf Ersatzleistung in Anspruch.

Wegen des Sach- und Streitstands erster Instanz sowie wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge der Parteien wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es unter Berufung auf ein Urteil des Oberlandesgerichts N. ausgeführt, der Versicherungsvertrag sei wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 134 BGB nichtig. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass das Motorrad nicht zulassungsfähig i.S.d. § 16 StVZO gewesen sei und daher gemäß § 19 StVZO keine gültige Betriebserlaubnis gehabt habe.

Gegen dieses Urteil, auf dessen Begründung im Einzelnen ebenfalls verwiesen wird, richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihren Hauptanspruch weiterverfolgt. Sie meint, die Auffassung des Landgerichts sei unzutreffend. Das Landgericht habe den Regelungsgehalt des § 28 Abs. 3 Satz 1 VVG verkannt, wonach der Versicherer auch im Falle eines Gesetzesverstoßes des Fahrzeugeigentümers zur Leistung verpflichtet bleibe, wenn sich der Verstoß nicht auf den Schadenseintritt und -umfang ausgewirkt habe. Das sei im Streitfall bewiesen. Sie, die Klägerin, habe außerdem i.S.d. § 26 Abs. 3 VVG den Beweis fehlender Kausalität einer etwaigen Gefahrerhöhung erbracht. Das Motorrad wäre in einem zulassungsfähige(re)n Zustand in gleicher Weise gestohlen worden wie in dem tatsächlichen Zustand.

Die Klägerin beantragt, abändernd den Beklagten zu verurteilen, an sie 30.000 € nebst fünf Prozent Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen,

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte meint, die Klägerin übersehe in ihrer Berufungsbegründung, dass das Landgericht die Klageabweisung nicht mit einer Obliegenheitsverletzung begründet habe, auf die § 28 VVG anwendbar wäre, sondern mit der Nichtigkeit des Versicherungsvertrags. Im Übrigen führte auch eine etwaige Obliegenheitsverletzung zur Klagabweisung, weil sich nicht ausschließen lasse, dass das Motorrad gerade wegen seiner äußeren Aufmachung Begehrlichkeiten geweckt habe.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens und des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Der Senat hat die vom Landgericht durchgeführte Beweisaufnahme wiederholt. Wegen des Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift vom 15. Juni 2023 (Bl. 677 ff. d. A.) verwiesen.

II.

Die Berufung ist insoweit begründet, als der Klägerin jedenfalls dem Grunde nach der geltend gemachte Anspruch auf eine Ersatzleistung aus dem bei dem Beklagten abgeschlossenen (Teil-) Kaskovertrag zusteht. Im Übrigen, das heißt zur Höhe des Anspruchs, bedarf es noch weiterer Tatsachenfeststellungen.

1. Das angefochtene Urteil stützt sich in seiner (allein) tragenden Begründung auf das Urteil des Oberlandesgerichts N. vom 23. Oktober 2014 (4 U 69/13, juris Rn. 17).

a) Nach Maßgabe jenes Urteils verstößt ein Kraftfahrzeugversicherungsvertrag, wenn das konkret versicherte Motorrad bereits zum Zeitpunkt des Versicherungsabschlusses wegen der gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StVZO durch den Rückbau zur Moto-Cross-Maschine erloschenen Betriebserlaubnis gemäß § 16 Abs. 1 StVZO nicht zum Verkehr auf öffentlichen Straßen zugelassen war, gegen ein gesetzliches Verbot und ist damit nach § 134 BGB nichtig. Zur Begründung dieses Rechtssatzes hat das Oberlandesgericht N. ausgeführt, das dort betroffen gewesene Krad habe daher bei Meidung einer Ordnungswidrigkeit nach  § 69 a Abs. 1a StVZO nicht mehr vom Halter in Betrieb genommen werden dürfen. Ebenso sei es dem dortigen Beklagten versagt gewesen, für das nicht auf öffentlichen Wegen oder Plätzen verwendungsfähige Kraftfahrzeug eine Pflichtversicherung gemäß § 1 PflVG nebst ergänzender Kasko-Versicherung abzuschließen. Die dennoch abgeschlossene Kraftfahrtversicherung habe deshalb gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen und sei folglich nach § 134 BGB nichtig, weil sich aus dem Gesetz, das heißt aus der Straßenverkehrszulassungsordnung und dem Pflichtversicherungsgesetz, nicht ein anderes ergebe.

b) Sowohl dieser Rechtssatz als auch die dazu gegebene Begründung sind nicht richtig.

aa) Gemäß § 134 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. Als Ausgangspunkt ist mit Blick auf diesen Gesetzeswortlaut festzuhalten: Es gibt kein Gesetz, das den Abschluss von (Kasko-) Versicherungsverträgen für Kraftfahrzeuge verbietet, die nicht über eine Zulassung zum Straßenverkehr verfügen.

Im Versicherungsvertragsgesetz findet sich keine derartige Regelung.

Gemäß § 1 StVG müssen Kraftfahrzeuge, die auf öffentlichen Straßen in Betrieb gesetzt werden sollen, von der Zulassungsbehörde zum Verkehr zugelassen sein. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 lit. a) StVG ist das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur ermächtigt, soweit es zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs auf öffentlichen Straßen erforderlich ist, Rechtsverordnungen mit Zustimmung des Bundesrates zu erlassen über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr, insbesondere über die Voraussetzungen für die Zulassung, die Vorgaben für das Inbetriebsetzen zulassungspflichtiger und zulassungsfreier Fahrzeuge, die regelmäßige Untersuchung der Fahrzeuge sowie über die Verantwortung, die Pflichten und die Rechte der Halter. Gemäß § 24 Abs. 1 StVG handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig (unter anderem) einer Rechtsverordnung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nummer 6 lit. a) StVG zuwiderhandelt, soweit die Rechtsverordnung für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist. Daraus folgt, dass die Inbetriebnahme eines nicht zugelassenen oder auch eines nicht zulassungsfähigen Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr verboten ist.

Aus diesem straßenverkehrsrechtlichen Verbot folgt allerdings kein im Gesetz bestimmter Rechtssatz, dass ein solches Fahrzeug nicht gegen Beschädigung oder Verlust versichert werden darf.

bb) Allerdings muss ein Verbot i.S.d. § 134 BGB im Gesetz nicht ausdrücklich ausgesprochen sein. Es kann sich auch aus dem Zusammenhang des Gesetzes ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 19. Dezember 1968 – VII ZR 84/66, juris Rn. 50). Verstößt ein Rechtsgeschäft zwar bei einer eng am Gesetzeswortlaut haftenden Auslegung nicht gegen ein gesetzliches Verbot, ist es aber so konzipiert, dass im Ergebnis ein dem Sinn des Verbotsgesetzes zuwiderlaufender Erfolg eintritt, so handelt es sich um ein Umgehungsgeschäft (vgl. MünchKomm-BGB/Armbrüster, 9. Aufl., § 134 Rn. 18). Wird also ein vom Gesetz missbilligter Erfolg mit an sich zulässigen Mitteln erreicht, kommt es darauf an, ob durch eine am Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes orientierte Auslegung dargetan werden kann, dass dieses in Wahrheit auch der scheinbar zulässigen Regelung entgegensteht und der Zweck des Verbotsgesetzes daher vereitelt würde (vgl. BGH, Urteil vom

6. Dezember 1990 – IX ZR 44/90, juris Rn. 25; OLG Frankfurt, Beschluss vom 29. Januar 2001 – 20 W 71/99, juris Rn. 14). Die Nichtigkeitsfolge tritt ein, wenn der Gesetzeszweck anders als durch Nichtigkeit nicht zu erreichen wäre (vgl. OLG Frankfurt a.a.O. m.w.N.; MünchKomm-BGB/Armbrüster a.a.O., Rn. 24).

Im Streitfall bedarf es mithin der Überlegung, ob der Zweck der straßenverkehrsrechtlichen Regelungen, nicht verkehrssichere Kraftfahrzeuge aus dem öffentlichen Straßenverkehr fernzuhalten, dadurch vereitelt würde, dass der Halter eines solchen Fahrzeugs dennoch in der Lage wäre, das Fahrzeug gegen Beschädigung oder Verlust zu versichern. Das ist nicht der Fall. In dieser Weise mag – vielleicht – noch mit Blick auf die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung argumentiert werden können, weil diese bei der Zulassung des Fahrzeugs gemäß § 23 Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV) nachgewiesen werden muss und der Versicherer bei Erlöschen des Versicherungsschutzes nach der Zulassung außerdem gemäß § 25 Abs. 1 FZV Anzeige bei dem Kraftfahrtbundesamt erstatten wird, um seine eigene Eintrittspflicht zu beenden. Deshalb mag die Rechtswirksamkeit eines Haftpflichtversicherungsvertrags, der sich auf ein nicht zulassungsfähiges Kraftfahrzeug bezieht, den verbotswidrigen Betrieb eines solchen Fahrzeugs wenigstens erleichtern und dadurch die Erreichung des Verbotszwecks in Frage stellen. Eine solche Wirkung kann die Rechtswirksamkeit eines Kasko-Vertrages aber nicht entfalten, weil zulassungsrechtlich keine Verpflichtung besteht, einen solchen Vertrag abzuschließen. Jeder Halter darf sein Kraftfahrzeug auch ohne Sachversicherungsschutz betreiben. Gerade bei älteren Fahrzeugen ist das auch keine Seltenheit, weil sich der Abschluss einer solchen Versicherung dann wirtschaftlich häufig nicht lohnt. Die Rechtswirksamkeit eines Kasko-Vertrages trotz Zulassungsunfähigkeit des versicherten Kraftfahrzeugs kann daher einem vorsätzlich handelnden Halter allenfalls mittelbar die Entscheidung erleichtern, das straßenverkehrsrechtliche Verbot zu missachten, weil er – vermeintlich – darauf vertrauen könnte, trotzdem gegen Vermögensschäden, die sich aus dem Verlust oder der Beschädigung des Fahrzeugs ergeben könnten, abgesichert zu sein. Auch das ist allerdings tatsächlich nicht der Fall. Denn jedenfalls bei Eintritt von Schäden, die gerade auf derjenigen Beschaffenheit des Fahrzeugs beruhen, die auch der Zulassungsfähigkeit entgegenstehen, wird sich der Versicherer regelhaft mit Erfolg gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 VVG auf Leistungsfreiheit wegen Gefahrerhöhung berufen können. Das zeigt im Übrigen, dass es der Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB auch nicht bedarf, um das vom Gesetzgeber gewünschte Ziel zu erreichen. Gegenüber nur fahrlässig handelnden Haltern führt eine etwaige Nichtigkeit des Kasko-Vertrages ohnehin nicht zu einer besseren Erreichung des Verbotszwecks, weil nicht anzunehmen ist, dass sie zusätzlich zu der ohnehin gemäß § 69a StVZO bestehenden Bußgeldandrohung eine abschreckende Wirkung entfalten würde – der Versicherungsnehmer kennt die Verkehrsuntauglichkeit seines Fahrzeuges dann ja gerade nicht – und weil der Versicherer überdies auch gegenüber einem zumindest grob fahrlässig handelnden Versicherungsnehmer gemäß § 26 Abs. 2 Satz 2 VVG Leistungskürzungen vornehmen kann.

cc) Fast schon abschließend wird die vom Oberlandesgericht N. und vom Landgericht im Streitfall vertretene Rechtsaufassung durch die in den Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB) gemeinhin enthaltene Möglichkeit widerlegt, für ein nicht zugelassenes Fahrzeug eine Ruheversicherung zu unterhalten. In den AKB des Beklagten heißt es hierzu (in Abschnitt H): „Wird das versicherte Fahrzeug außer Betrieb gesetzt und soll es zu einem späteren Zeitpunkt wieder zugelassen werden, wir dadurch der Vertrag nicht beendet. Der Vertrag geht in eine beitragsfreie Ruheversicherung über, wenn die Zulassungsbehörde die Außerbetriebsetzung mitteilt.“ Soweit ersichtlich, hat bislang niemand die Auffassung vertreten, dass eine solche Regelung gemäß § 134 BGB nichtig sei, weil sie dem Zweck des straßenverkehrsrechtlichen Betriebsverbots widerspreche.

dd) Es lassen sich auch kaum andere gerichtlichen Entscheidungen oder Literaturstimmen finden, welche die vom Oberlandesgericht N. vertretene Rechtsauffassung teilen oder überhaupt auch nur erwähnen. In seinem Urteil vom 22. November 2022 (4 U 40/22, juris Rn. 70) zitiert das Oberlandesgericht R. das N. Urteil im Rahmen einer Beweiswürdigung und zieht in diesem Rahmen die Möglichkeit einer Nichtigkeit allgemein in Betracht, ohne sich dazu abschließend zu äußern. Vossler (in BeckOGK/BGB, Stand 1. Dezember 2022, § 134 Rn. 166) lehnt die Rechtsauffassung ab. Im Aufsatz von Armbrüster/Schillbach (recht + schaden 2016, 109, 117; ebenso bei Ternig in Haus/Krumm/ Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 3. Aufl., § 26 FZV Rn. 3) wird sie in einer Weise referiert, die sich als Zustimmung deuten lässt; eine nähere Auseinandersetzung findet sich dort allerdings nicht.

Demgegenüber hat sich (nicht allein, aber auch) der Bundesgerichtshof schon mehrfach und auch schon vor längerer Zeit mit Fallgestaltungen zu befassen gehabt, in denen der jeweilige Versicherer nach einer grundsätzlich von ihm zu ersetzenden Beschädigung des versicherten Kraftfahrzeugs einwandte, dasselbe sei (aus unterschiedlichen Gründen; in früheren Jahrzehnten nicht selten: Nutzung offensichtlich abgefahrener Reifen) nicht (mehr) verkehrssicher gewesen (ausführlich BGH, Urteil vom 24. Januar 1957 – II ZR 133/55, juris Rn. 9 ff; Urteil vom 25. September 1968 – IV ZR 520/68, juris Rn. 12; vom 18. Dezember 1968 – IV ZR 523/68, juris Rn. 7; vom 26. Mai 1982 – IVa ZR 76/80, juris Rn. 8). Der Bundesgerichtshof hat in den betreffenden Entscheidungen zwar nie ausdrücklich ausgesprochen, dass ein Fall von § 134 BGB nicht vorliege. Er hat aber andererseits – wie offenbar auch zuvor die jeweiligen Instanzgerichte – zu einer möglichen Nichtigkeit des Versicherungsvertrags wegen eines entgegenstehenden gesetzlichen Verbots nicht ein einziges Wort gesagt. Das ist dahin zu verstehen, dass er Dergleichen aus gutem Grund erst gar nicht in Erwägung gezogen hatte. In der Leitentscheidung vom 24. Januar 1957 (a.a.O.) betonte der Bundesgerichtshof sogar ausdrücklich, dass der Weiterbetrieb des verkehrsunsicheren Fahrzeugs trotz erkannter Verkehrsunsicherheit (nach damalige Rechtslage sogar) strafbar war; zog aber dennoch eine Nichtigkeit gemäß § 134 BGB nicht in Betracht.

Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, dass die vom Bundesgerichtshof stattdessen angewandte Regelung des § 26 Abs. 1 VVG nur eingreift, wenn die Gefahrerhöhung (der Verlust der Verkehrssicherheit) zeitlich nach Abschluss des Versicherungsvertrages erfolgt, während es in dem vom Oberlandesgericht N. entschiedenen Fall ebenso wie im Streitfall um eine bereits anfänglich bestehende und womöglich bewusst herbeigeführte Verkehrsunsicherheit geht. Es ließe sich deshalb argumentieren, dass bei den erstgenannten Fallgestaltungen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch kein Verstoß gegen die straßenverkehrsrechtliche Verbotsnorm vorlag und späteres verbotswidriges Handeln den wirksam begründeten Vertrag nicht rückwirkend nichtig werden lassen kann. Indes hat sich der Bundesgerichtshof auch bereits mit Fallgestaltungen zu befassen gehabt, in denen eine anfängliche Verkehrsunsicherheit des versicherten Fahrzeugs im Raum stand. Auch unter diesen Umständen hat er eine Nichtigkeit des Versicherungsvertrags nicht in Betracht gezogen, sondern dennoch mit der Erwägung § 26 Abs. 1 VVG für anwendbar gehalten, dass die Benutzung des nicht verkehrssicheren Fahrzeugs nach dem Abschluss des Versicherungsvertrags das maßgebliche gefahrerhöhende Moment sei; der Versicherer dürfe wie selbstverständlich davon ausgehen, dass der Versicherungsnehmer ein solches Fahrzeug nicht nutze. Eine (aus anderen Rechtsgründen als § 134 BGB hergeleitete) Unwirksamkeit des Versicherungsvertrags hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich verneint (BGH, Urteil vom 19. September 1966 – II ZR 237/64, juris Rn. 4 m.w.N.; vom 22. Juni 1967 – II ZR 154/64, juris Rn. 13; vom 25. Februar 1970 – IV ZR 639/69, VersR 1970, 412; gerade zum „Frisieren“ eines Motorrades vor Abschluss des Versicherungsvertrags: BGH, Urteil vom 18. Oktober 1989 – IVa ZR 29/88, juris Rn. 12). Etwa in dem Urteil vom 22. Juni 1967 hatte der Bundesgerichtshof wiederum ausdrücklich berücksichtigt, dass die Benutzung eines nicht verkehrssicheren Fahrzeugs eine Straftat sei (a.a.O., Rn. 15), daraus aber keinen Schluss auf § 134 BGB gezogen.

2. Ist von einem wirksamen Versicherungsvertrag auszugehen, stellt sich in erster Linie die – vom Landgericht trotz dazu durchgeführter Beweisaufnahme (vgl. das Sitzungsprotokoll vom 20. Oktober 2021, Bl. 232 ff. d. A.) nicht beantwortete – Frage, ob ein versicherter Schadensfall vorliegt, ob also das bei dem Beklagten versicherte Motorrad tatsächlich gestohlen wurde. Der Beklagte bestreitet das umfassend mit Nichtwissen (vgl. Seite 2 f. der Klageerwiderung, Bl. 80 f. d. A.).

a) In der Kraftfahrzeugversicherung trägt der Versicherungsnehmer die Beweislast für seine Behauptung, dass ihm die versicherte Sache tatsächlich entwendet wurde. Dabei kommen ihm allerdings gewisse Beweiserleichterungen zugute. Die Beweisführung, mit der er dieser Beweislast nachkommt, unterliegt keinen allzu strengen Anforderungen, braucht also nicht völlig lückenlos zu sein. Sonst wäre der Wert der Diebstahlsversicherung in den häufigen Fällen fehlender Tataufklärung von vornherein in Frage gestellt. Vielmehr erbringt der Versicherungsnehmer, wenn ein Anscheinsbeweis nicht in Betracht kommt, den ihm obliegenden Beweis in aller Regel mit dem Nachweis eines Sachverhalts, der nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf die in den Versicherungsbedingungen genannte Entwendung zulässt. Im Normalfall genügt also die Feststellung von Beweisanzeichen, denen hinreichend deutlich das äußere Bild eines bedingungsgemäß versicherten Diebstahls entnommen werden kann.

Gerade in Entwendungsfällen ist es wegen der erwähnten Aufklärungsschwierigkeiten oft nicht möglich, einen typischen Geschehensablauf konkret festzustellen. Es kann nicht angenommen werden, dass hier die Diebstahlsversicherung von vornherein nicht eintreten soll, obwohl doch der Versicherungsnehmer sich gerade auch für solche Fälle mangelnder Aufklärung versichern wollte. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Versicherer und der Versicherungsnehmer nach dem Inhalt des Versicherungsvertrages den versicherten Entwendungsfall schon bei hinreichender Wahrscheinlichkeit als nachgewiesen ansehen wollen. Deshalb ist die genannte Beweiserleichterung auch außerhalb des Bereichs des Anscheinsbeweises als eine von den Parteien des Versicherungsvertrages nach ihrer Interessenlage gewollte, dem Vertrag innewohnende Verschiebung des Eintrittsrisikos und damit als materiell-rechtliche Risikozuweisung zu verstehen (ständige Rechtsprechung, vgl. bereits BGH, Urteil vom 5. Oktober 1983 – IVa ZR 19/82, juris Rn. 8 f., 11 m.w.N.; vgl. auch etwa BGH, Urteil vom 17. Mai 1995 – IV ZR 279/94, juris Rn. 8; vom 13. Dezember 1995 – IV ZR 54/95, juris Rn. 4). Dieses äußere Bild eines Diebstahls ist dann gegeben, wenn ein Kraftfahrzeug an einer bestimmten Stelle zu einem bestimmten Zeitpunkt abgestellt und dort später nicht mehr vorgefunden wird. Allerdings genügt der Nachweis lediglich eines „Rahmensachverhalts“ nicht (Zeuge bekundet lediglich, dass der Halter das Fahrzeug abstellte, verschloss und verließ, nicht jedoch, dass er es später gegen seinen Willen nicht wiederauffand; vgl. BGH, Urteil vom 30. Januar 2002 – IV ZR 263/00, juris Rn. 7 f.; Urteil vom 13. Dezember 1995 a.a.O.). Ist das äußere Bild eines Kfz-Diebstahls bewiesen, dann kann der Kfz-Kaskoversicherer den Beweis durch Tatsachen entkräften, die mit erheblicher Wahrscheinlichkeit den Schluss auf die Vortäuschung eines Diebstahls rechtfertigen (vgl. BGH, Urteil vom 4. November 1998 – IV ZR 302/97, juris Rn. 11; vom 17. Mai 1995 a.a.O. Rn. 11).

b) Die Klägerin hat zum Beweis des Diebstahlgeschehens (nur) das Zeugnis ihres Sohnes L. E. und zum Beweis der Existenz des versicherten Motorrades das Zeugnis des Mechanikers R. angeboten. Das Landgericht hat diese Zeugen am 20. Oktober 2021 auch vernommen und sie haben den behaupteten Sachverhalt bestätigt. Da das Landgericht die Aussagen im angefochtene Urteil indes nicht gewürdigt hat, hat der Senat die Vernehmung wieder- und die Würdigung nachholen müssen.

c) Nach dieser Wiederholung der Beweisaufnahme ist der Senat mit der erforderlichen Gewissheit (§ 286 ZPO) zunächst davon überzeugt, dass das Motorrad in demjenigen Zustand, wie er in dem Wertgutachten des (Privat-) Sachverständigen K. vom 9. Mai 2016 (Bl. 17 ff. d. A.) beschrieben und abgebildet worden ist, existierte und in diesem Zustand im Jahr 2016 von dem Zeugen R. an die Klägerin übergeben wurde.

aa) Der Zeuge R. hat bekundet, das in Rede stehende Motorrad mit der besagten Beschaffenheit selbst aufgebaut zu haben. Er habe zunächst im Jahr 2012 einen Rahmenbausatz zu privaten Zweck gekauft. Er habe eine private Sammlung von rund 25 Motorrädern. Das in Rede stehende Motorrad habe er später wieder verkauft, weil er Geld für einen Umbau an seinem Privathaus benötigt habe. Er habe das Motorrad für den Zeugen L. E. nach dessen Sonderwünschen umgebaut, so dass der im Wertgutachten abgebildete Zustand entstanden sei. Für die TÜV-Abnahme seien zwei Termine erforderlich gewesen, weil der zunächst beauftragte Prüfer R. nicht eine Komplettabnahme mit Fahrten auf der Autobahn durchführen konnte. Der TÜV-Prüfer S. aus W. habe auch die notwendigen Fahrprüfungen auf einem mit hoher Geschwindigkeit befahrbaren Autobahnabschnitt durchführen können.

Der Zeuge R. hat schon dem Landgericht eine Lichtbilddokumentation (ursprünglich als Dateisammlung auf einem USB-Stick) vorgelegt, die einen ganzen Aktenordner füllt und die Einzelteile des Motorrades und die einzelnen Schritte des Umbaus bzw. „Wiederaufbaus“ darstellt. Die Aufnahmen lassen sich mit dem im Wertgutachten abgebildeten und beschriebenen Zustand nach der Fertigstellung – soweit für die Senatsmitglieder als technische Laien beurteilbar – vereinbaren.

Die Klägerin hat überdies – ersichtlich beschafft von dem Zeugen R. – etliche Dokumente vorgelegt, welche die Beschaffenheit und Zulassungsfähigkeit der verbauten Einzelteile belegen sollen (Anlage zum Protokoll vom 4. März 2022, Hülle Bl. 382 d. A.)

bb) Die Aussage des Zeugen R. stimmt – bezüglich der Existenz und des Zustandes des Motorrades – mit der Aussage des Zeugen L. E. weitgehend überein. Auch der Zeuge E. hat ausgesagt, dass es von dem Zeugen R. gebaut worden sei. Er habe nicht bereits ein fertiges Motorrad als Basis genommen. Er habe vielmehr „mehrere Sachen bei sich herumliegen“ gehabt. Die Anbauteile seien dann nach den Vorstellungen der Klägerin und auch des Zeugen selbst von Herrn R. angebracht worden. Das Motorrad sei für die Klägerin bestimmt gewesen; er, deren Sohn, habe aber auch damit fahren können. Im Laufe der Zeit sei der Ausbau des Motorrads dann immer konkreter geworden. Etwa sei nach dem Anbringen der Reifen entschieden worden, welcher Tank eingebaut werden sollte. Dieser Vorgang des Ausbauens habe sich über mehrere Jahre hingezogen. Das Motorrad habe sich erst bei seiner Mutter befunden. Erst später habe er selbst es mit zu seinem Wohnsitz in O. genommen.

cc) Die Aussage des Zeugen R. hält der Senat nicht nur wegen dieser Übereinstimmung für glaubhaft, sondern auch im Übrigen und für sich betrachtet. Der Zeuge hat mit großer Ruhe und Gelassenheit ausgesagt. Seine Schilderung ist inhaltlich folgerichtig und plausibel gewesen. Nachfragen hat der Zeuge mit ebensolcher Sicherheit beantwortet. Er hat sich auf die Aussage ersichtlich umfangreich vorbereitet gehabt. Er hat insbesondere diverse Dokumente, die das Motorrad betreffen, zusammengestellt und mitgebracht. Schon zu seiner Vernehmung durch das Landgericht hatte er außerdem – ohne hierzu mit der Ladung aufgefordert worden zu sein – zwei Schlüssel mitgebracht, die er als Duplikat des „Zündschlüssels“ und des Schlüssels für das von ihm verbaute Lenkradschloss bezeichnet hat. Gerade hierzu hat er auf Nachfrage des Senats äußerst bereitwillig und engagiert geantwortet. Der Senat hat dabei den Eindruck gewonnen, dass es dem Zeuge R. tatsächlich ein eigenes Anliegen war, dem Senat die nötigen Kenntnisse über das Motorrad zu verschaffen. Dem Zeugen ist ein fortbestehendes emotionales Interesse an dem in Rede stehenden Motorrad anzumerken gewesen, das sich – abgesehen von dem bei dem Zeugen ohnehin bestehenden allgemeinen technischen Interesse an Sonderbauten von Motorrädern – nachvollziehbar schon aus dem Umstand ergibt, dass er eine große Anzahl von Arbeitsstunden und viel Kreativität für die Konzeption und Herstellung dieser Maschine und der vielen als Unikat in Handarbeit angefertigten Sonderbauteile aufwandte. Dieses fortbestehende Interesse ist auch deutlich geworden, als der Senat den Zeugen auf die Wartung des Fahrzeugs angesprochen hat. Dem Zeugen ist anzumerken gewesen, dass er es damals missbilligte, dass der Sohn der Klägerin mit dem Motorrad die vergleichsweise lange Fahrtstrecke nach O. zu einem dort (offenbar in W.) abgehaltenen Motorradtreffen absolvierte, obwohl die Maschine zu jenem Zeitpunkt erst eine sehr geringe Laufleistung aufgewiesen hatte und deshalb nach der Meinung des Zeugen – von ihm anschaulich mit Blick auf die Besonderheiten des in Rede stehenden Sonderbaus erklärt – sowohl häufige Ölwechsel als auch sehr engmaschige Inspektionen benötigt hätte. Der Zeuge hat noch zum Zeitpunkt seiner Aussage vor dem Senat ersichtlich wenig Verständnis für diese Handhabung des Sohnes der Klägerin aufgebracht. Der Senat hält es für ausgeschlossen, dass der Zeuge R. dieses besondere Interesse an dem Motorrad nur vorgespiegelt haben könnte. Für ein mit der Klägerin (oder ihrem Sohn) vereinbartes Komplott zum Nachteil des Beklagten erscheint der Aufwand an detaillierter Dokumentation und Vorbereitung allzu groß. Auch hat den Senat die Sicherheit, Bestimmtheit und Spontaneität des Zeugen R. bei der Beantwortung der an ihn gerichteten Nachfragen beeindruckt. Das besondere technische Interesse des Zeugen an dem Motorrad hat sich gut in Übereinstimmung mit seinem allgemeinen Aussageverhalten und Auftreten bringen lassen. Der Zeuge ist völlig unprätentiös. Er hat Vorgänge und technische Sachverhalte mit dem Unterton größter Selbstverständlichkeit erläutert und allein dadurch gezeigt, dass er sich bei seiner Aussage gleichsam auf für ihn „vertrautem Terrain“ bewegt und selbst keinerlei Zweifel an der Richtigkeit seiner Äußerungen hat.

dd) Die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen R. wird zusätzlich durch die weiteren aktenkundig gewordenen Umstände so weit untermauert, dass danach kein Raum mehr für vernünftige Zweifel sowohl an der Existenz des Motorrades als auch an dessen Beschaffenheit verbleibt. Die vom Zeugen R. vorgelegte Lichtbilddokumentation ist nahezu lückenlos. Überdies gibt es das Wertgutachten, in dem das Motorrad ausführlich beschrieben und auf verschiedenen Lichtbildern gezeigt worden ist. Der Beklagte selbst hat (als Anlage B 4, Bl. 140 f. d. A.) Ablichtungen beider Teile der Zulassungsbescheinigung vorgelegt, deren Inhalt zumindest weitgehend mit dem Zustand übereinstimmt, der in dem Wertgutachten dokumentiert ist. Nach Maßgabe dieser Papiere ist das Motorrad nicht nur zugelassen worden, sondern hat auch einmal nach der Zulassung die Hauptuntersuchung („TÜV“) bestanden. Die Klägerin hat (als Anlage zum Schriftsatz vom 29. Juni 2020, Bl. 19 d. A.) die Ablichtung eines Kontoauszugs vorgelegt, aus dem sich ergibt, dass vom Bankkonto ihres Ehemanns am 18. Mai 2016 die Kraftfahrzeugsteuer für ein Fahrzeug mit dem Kennzeichen des Motorrades abgebucht wurde.

ee) Die von dem Beklagten vorgebrachten Anhaltspunkte sind nicht geeignet, die Überzeugungsbildung des Senats zu hindern. Fraglos ist es eher ungewöhnlich, dass die Klägerin keine Kauf- oder Wartungsbelege hat vorlegen können. Ebenso ungewöhnlich ist es, dass das Motorrad nach seiner Erstzulassung im Jahr 2011 in nahezu allen wesentlichen Teilen bis zum Frühjahr 2016 umgebaut worden und von dem Ursprungszustand im Wesentlichen nur noch der Rahmen vorhanden gewesen sein soll. Die vom Sohn gegenüber der o.ischen Polizei angegebene Gesamtlaufleistung des Motorrades war nach (knapp) drei Jahren auch nach wie vor ungewöhnlich gering (nur 5.000 km, vgl. den Abschlussbericht, Bl. 33 ff. d. A.).

Der Beklagte stört sich an dieser „Vorgeschichte“ des in Rede stehenden Motorrades und insbesondere an dem Umstand, dass in der Zulassungsbescheinigung etliche Bauteile vermerkt sind, die sich auf den von der Klägerin vorgelegten Lichtbildern (in dem am 9. Mai 2016 erstellten Wertgutachten des Kfz-Sachverständigen Kühl, Bl. 17 ff. d. A.) nicht erkennen zu lassen scheinen. Gerade auch diese Umstände lassen den Beklagten argwöhnen, dass das bei ihm versicherte Motorrad niemals existiert habe (vgl. Seite 2 unten der Klageerwiderung, Bl. 80 d. A.).

All das mag aus der Sicht eines Betrachters, der Kraftfahrzeugen im Allgemeinen und folglich erst recht deren „Aufmotzen“ und im Übrigen Motorrädern im Besonderen eher nüchtern gegenübersteht, tatsächlich befremdlich wirken und die Vermutung nahelegen, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Andererseits unterstellt es der Senat als allgemeinbekannt, dass es tatsächlich eine Szene technikbegeisterter Menschen gibt, deren Hobby und manchmal sogar deren Lebensinhalt darin besteht, sich mit großem Aufwand individuelle Kraftfahrzeuge zusammenzubauen. Auch hält es der Senat für allgemeinbekannt, dass gerade Motorräder der hier – im Ausgangspunkt – betroffenen US-amerikanischen Marke „H. D.“ bei vielen passionierten Motorradfahrern ein hohes Affektionsinteresse wecken und dass es eine Fanszene gibt, die bereit ist, für derartige Maschinen viel Geld auszugeben.

Daher dürfen die Verhältnisse im Streitfall nicht an dem sonst Verkehrsüblichen gemessen werden. Bei dem in Rede stehenden Motorrad handelte es sich nicht nur nicht um einen alltäglichen Gebrauchsgegenstand, auch nicht um ein allgemein käufliches Serienfahrzeug – nicht einmal ein Kleinserienfahrzeug –, sondern um ein in wesentlichen Teilen in Handarbeit umgebautes Unikat, letztlich um ein reines Liebhaberobjekt, dessen Nutzwert in keinem angemessenen Verhältnis zu dem mit der Herstellung verbundenem Arbeitsaufwand und den Kosten steht und dessen Entstehung maßgeblich auf dem Idealismus des Zeugen R. beruhte, nicht auf (erwerbs-) wirtschaftlichen Erwägungen. Vor diesem Hintergrund ist zum einen die vom Sohn der Klägerin in der Strafanzeige angegebene geringe Laufleistung nicht verwunderlich. Zum anderen ist auch das Fehlen eines vom Zeugen R. ausgestellten „offiziellen“ Kaufbelegs nicht verwunderlich, weil die Klägerin und/oder ihr Sohn von ihm eben gerade nicht ein einmal fertiggestelltes Werk erwarben, sondern er nach und nach über mehrere Jahre hinweg an der Fertigstellung des Motorrades eher im Rahmen seines Hobbys arbeitete und von der Klägerin und ihrem Sohn in nur unregelmäßigen Abständen vor allem die Erstattung der Materialkosten beanspruchte. Ein Handwerker, der sich in dieser Weise mit einem Fahrzeug befasst, wird für „Papierkram“ häufig nur den nötigsten Aufwand treiben.

Bei der Bewertung der Umstände darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass die Klägerin den Beklagten durchaus nicht über die Beschaffenheit des Motorrades im Unklaren ließ. Der Beklagte konnte frühzeitig erkennen, welchen Gegenstand er versichert hatte, und der nunmehr – nach Meldung des Schadensfalls – an den Tag gelegten Skepsis nachgehen. Unstreitig erhielten entweder der Beklagte oder dessen Versicherungsvertreter am Wohnsitz der Klägerin das Wertgutachten des Kfz-Sachverständigen K. jedenfalls einige Zeit vor dem behaupteten Schadensfall im Zusammenhang mit einer Neubewertung des Fahrzeugwertes (vgl. Seite 7 der Replik, Bl. 163 d. A.). Der Beklagte hat in der Berufungserwiderung (Seite 2 unten, Bl. 574 d. A.) eingeräumt, dass sein örtlicher Vertreter das Gutachten „mehr als zwei Jahre nach Vertragsschluss“ erhalten habe. Auch die Vorlage eines solchen Gutachtens ohne vorherige Aufforderung durch den Versicherer ist im „Massengeschäft der Kaskoversicherung“ ein eher ungewöhnlicher Vorgang und hätte dem Beklagten durchaus Veranlassung zur größerer Aufmerksamkeit geben können. Ohne diese muss sie im Nachhinein akzeptieren, dass Versicherungsnehmer im Einzelfall auch Kraftfahrzeuge halten, die äußerst individuell gestaltet sind. Die Verwendung einer Vielzahl von Unikat-Bauteilen oder jedenfalls Sonderbauteilen lässt nicht für sich genommen den Schluss zu, dass der Versicherungsnehmer unseriös oder gar unlauter sei.

d) Der Senat ist darüber hinaus nach der Durchführung der Beweisaufnahme auch mit der erforderlichen Gewissheit davon überzeugt, dass jedenfalls das äußere Bild eines Diebstahlsgeschehens im Februar 2018 in H. a.d. D. (O.) vorliegt.

aa) Der als Zeuge vernommene Sohn der Klägerin hat ausgesagt, dass er das Motorrad mit dem damals noch verkehrenden Autozug nach O. verbracht habe. Er habe eine Motorradtour mit mehreren Bekannten geplant gehabt. Die Mitreisenden seien dann zurück nach D. gefahren, während er mit dem Motorrad in H. a.d. D. geblieben sei. Es sei dann immer geplant gewesen, dass er das Motorrad irgendwann zur Klägerin habe zurückbringen wollen. Da es sich um ein „Schönwetterfahrzeug“ gehandelt habe, seien die Bedingungen aber nicht immer günstig gewesen sei und es dann letztlich in H. a.d. D. geblieben. Er habe das Motorrad in der mit einem Tor verschlossenen Garage im Hinterhof des von ihm bewohnten Mehrparteienhauses abgestellt gehabt. Als er die Garage eines Tages wieder aufgesucht habe, habe er festgestellt, dass das Motorrad nicht mehr dort gewesen sei. Er könne sich an den betreffenden Tag noch erinnern. Er habe seinen Sohn zur Kita gebracht gehabt und danach die Garage aufgesucht. Er habe dann die Polizei informiert. Das Garagentor sei wie üblich unten gewesen. Zum Öffnen habe man einen Schlüssel benutzen müssen, was er auch damals getan habe. Bei der Untersuchung seien Einbruchspuren festgestellt worden. Er sei sich sicher, das Motorrad mit dem Lenkerschloss verschlossen gehabt zu haben. Bei dem Lenkerschloss habe es sich um ein Schloss gehandelt, das an der Gabel angebracht gewesen sei.

Der Senat hat sich die genauen örtlichen Verhältnisse am Wohnort des Zeugen in H. a.d. D. von dem Zeugen mit Hilfe der allgemein abrufbaren Darstellung bei „Googles Maps Streetview“ erläutern lassen. Auf den Vorhalt des Senats, dass der Hinterhof, in dem die Garage liegt, von der Straße aus überhaupt nicht einsehbar sei und dass es deshalb überrasche, dass die Diebe gerade in dieser Garage nach einem Motorrad gesucht hätten, hat der Zeuge davon berichtet, dass ihn die o.ischen Polizeibeamten konkret nach Auslandsaufenthalten gefragt hätten, insbesondere in der S.. Die örtliche Polizei habe berichtet, dass es durchaus passiere, dass auffällige Fahrzeuge von dort aus verfolgt würden und die Standorte jeweils markiert würden. Der Zeuge will daraufhin an dem Garagentor einen schwarzen Strich festgestellt haben, der ihm zuvor nicht aufgefallen gewesen sei. Er hat gemutmaßt, dass es sich möglicherweise um eine entsprechende Markierung gehandelt habe. Er sei jedenfalls mit dem Motorrad durchaus auch in der S. und in Ungarn war. Von H. a.d. D. aus dauere es nur etwa zehn Minuten, bis man in die S. komme, und bis nach Ungarn auch nur etwa zwanzig Minuten.

bb) Diese Schilderung ist für sich genommen plausibel. Sie deckt sich in ihrem Handlungskern mit den Angaben, die der Zeuge L. E. gegenüber der o.ischen Polizei machte (vgl. Bl. 40 ff. d. A.).

cc) Der Senat sieht letztlich auch keine durchgreifenden Gründe, der Aussage des Zeugen keinen Glauben zu schenken. Der Senat hat insofern allerdings durchaus verschiedene Auffälligkeiten zu berücksichtigen, die gegen die Glaubhaftigkeit der Aussage sprechen können:

(1) Der Zeuge L. E. hat sich bemüht zu verschleiern, dass es sich bei dem in Rede stehenden Motorrad nach Maßgabe der mit seinen Eltern getroffenen Übereinkunft gleichsam familienintern um „sein“ Fahrzeug handelte. Daran hat der Senat nach der Vernehmung des Zeugen R. tatsächlich keinen Zweifel. Der Zeuge R. hat sich nicht einmal daran erinnern können, mit der Klägerin als vermeintlicher Käuferin des Motorrades im Hinblick auf dieses Fahrzeug überhaupt gesprochen zu haben. Vielmehr will er sämtliche Gespräche über den Aus- und Umbau der Maschine allein mit dem Zeugen L. E. getroffen haben. Schon das spricht dagegen, dass die Klägerin selbst ein besonderes eigenes Interesse daran hatte. Als besonders signifikant erachtet der Senat die Aussage des Zeugen R. auf die Frage nach der Wartung des Motorrades. Wie bereits im Vorstehenden angesprochen, ist dem Zeugen nach wie vor anzumerken gewesen, dass er sich über den Sohn der Klägerin ärgerte, als sich dieser allein deshalb entschloss, die vom Zeugen R. gegebenen Empfehlungen zu missachten, zunächst nur kurze Strecken damit zu fahren und enge Wartungsintervalle einzuhalten, weil er unbedingt mit dem Motorrad zu einem Motorradtreffen nach Wien fahren wollte. Dieser Vorgang belegt deutlich, dass der Zeuge L. E. die Verfügungsmacht über das Motorrad hatte. Dafür spricht überdies auch der Umstand, dass er es (mindestens) im Jahr 2017 (bis zu dem im Streit stehenden Diebstahlereignis) bei sich in H. a.d. D. behielt, mithin rund 900 Kilometer vom Wohnort der Klägerin entfernt, obwohl er nach eigener Aussage infolge der Geburt seines Sohnes kaum noch eine Verwendungsmöglichkeit dafür hatte. Auch das zeigt, dass ihm familienintern die Entscheidung über die Nutzung überlassen war. Zur Vervollständigung dieses Bildes trägt schließlich noch die Wahl des Kennzeichens bei: Es setzt sich aus den Initialen des Namens des Zeugen L. E. zusammen, nicht aus denen der Klägerin.

Diese Zuordnung hat der Zeuge L. E. gegenüber dem Senat nicht offenlegen wollen, weil er offenbar – wenn auch, wie im Nachfolgenden noch auszuführen sein wird, zu Unrecht – aufgrund des vom Beklagten erhobenen Einwands, dass die Klägerin gar nicht die Eigentümerin sei, ein Unterliegen seiner Mutter im vorliegenden Prozess befürchtet hat. Er hat sich zu diesem Zwecke in verschiedene ersichtlich unkonkrete und ablenkende (z.B.: „Wenn ich danach gefragt werde, wer den Ausbau des Motorrads bezahlt hat, so kann ich sagen, dass den Großteil meine Mutter bezahlt hat. Ich habe allerdings auch zahlreiche Gespräche mit Herrn R. geführt, über die Art und Weise des Ausbaus, wenn ich in D. war.“) und mitunter passivische Formulierungen geflüchtet, die den tatsächlichen Nutzer – ihn selbst – nicht haben erkennen lassen sollen („Insgesamt ist aber das Fahrzeug wenig bewegt worden.“).

(2) Darüber hinaus ist das erstinstanzliche Fehlen von Beweisangeboten auffällig, die sich nach dem Verständnis des Senats einer Klagepartei eigentlich aufdrängen müssen, wenn sie vor einer Beweisführung wie der im Streitfall erforderlichen steht. Nicht nur dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin, sondern auch der Klägerin selbst hat eigentlich von Prozessbeginn an klar sein müssen, dass es ein riskantes Unterfangen ist, das äußere Bild eines Fahrzeugdiebstahls allein mit dem Zeugnis des Sohnes L. E. zu beweisen, der dem Sachverhalt alles andere als neutral gegenüberstehen muss.

Trotzdem – und trotz des anhaltenden Bestreitens des Beklagten – hat die Klägerin nicht einmal Lichtbilder vorgelegt, etwa solche, die ihren Sohn mit dem Motorrad oder das Motorrad eindeutig identifizierbar in O. zeigen. Aus der Zeugenaussage des Sohnes vor dem Senat, dass er solche hätte mitbringen können, ergibt sich, dass es entsprechende Lichtbilder offenbar durchaus geben könnte. Das ist angesichts des Umstandes, dass es sich bei dem in Rede stehenden Fahrzeug gerade nicht um einen alltäglichen Gebrauchsgegenstand handelte, auch alles andere als überraschend.

Auch hat die Klägerin neben ihrem Sohn L. keine familienfremden Zeugen benannt, die das Motorrad zeitnah zu dem behaupteten Diebstahlsereignis in O. gesehen haben, obwohl die Maschine in einer Garage gestanden haben soll, die sich im Innenhof einer von mehreren Parteien bewohnten Wohnanlage befindet, obwohl das Motorrad nicht nur optisch besonders auffällig war, sondern auch aufgrund seiner Akustik aufgefallen sein müsste und obwohl der Sohn der Klägerin gegenüber der o.ischen Polizei angegeben hat, er wohne in seiner zur Mehrparteienhausanlage gehörenden Wohnung mit seiner Lebensgefährtin, die folglich als Zeugin in Betracht gekommen wäre.

Die Außerachtlassung solcher sich aufdrängender Beweisangebote mit hohem objektiven Wert für den Gesamtvorgang kann ein Gericht bei der von ihm gemäß   § 286 Abs. 1 ZPO anzustellenden Würdigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses der Beweisaufnahme zum Nachteil des Beweisführers berücksichtigen. Ein prozessuales Verhalten wie das der Klägerin weckt Argwohn gegenüber dem Beweiswert des einzig angebotenen, jedoch nicht neutralen Beweismittels, wenn das Unterbleiben der neutralen Beweisangebote nicht nachvollziehbar ist (vgl. etwa BGH, Urteil vom 12. Januar 1960 – VI ZR 220/58, NJW 1960, 821).

Die vom Prozessbevollmächtigten hierzu in der Berufungsverhandlung abgegebene Erklärung, dass die betreffenden Angebote im ersten Rechtszug deshalb unterblieben seien, weil das Landgericht sich auf die Frage konzentriert habe, ob das Motorrad überhaupt zulassungsfähig gewesen sei, überzeugt den Senat nicht. Das Landgericht hat die vom Senat wiederholte Beweisaufnahme zunächst mit der erkennbaren Zielsetzung durchgeführt, Feststellungen über den behaupteten Diebstahlsvorgang zu treffen. Erst danach hat es sich der Frage der Zulassungsfähigkeit des Fahrzeuges zugewandt. Daher wäre das Unterbreiten der vom Senat vermissten Beweisangebote vor der am 20. Oktober 2021 durchgeführten Beweisaufnahme sinnvoll gewesen. Überdies hat die Klägerin offenbar nicht einmal den vom Senatsvorsitzenden erteilten ladungsbegleitenden Hinweis auf die in diesem Abschnitt der Urteilsgründe angestellten Überlegungen zum Anlass genommen, ihren Sohn zu bitten, zu seiner Vernehmung vor dem Senat Lichtbilder des Motorrades mitzubringen.

(3) Es bleibt unklar, ob die Klägerin (bzw. ihr Sohn L.) der Beklagten diejenigen Schlüssel übergaben, die zu dem Motorrad gehörten. Sie hat an den Beklagten nur vier Schlüssel zurückgegeben, die nach ihrer Darstellung zu dem Motorrad gehören sollen. Dass es sich dabei nicht um die vom Hersteller H. D. mitgelieferten Originalschlüssel handelt (vgl. das von dem Beklagten vorgelegte „Schlüsselgutachten vom 17. Mai 2019, Anlage B 1, Bl. 131 d. A. ff.), mag sich durchaus durch den individuellen Totalumbau der Maschine erklären lassen, bei dem ausweislich der vorgelegten Lichtbilder auch ein individuelles Lenkerschloss verbaut wurde. Die Schlüssel Nr. 1 und 2 (laut „Schlüsselgutachten“) liegen jeweils nur einfach vor, obwohl solche Schlüssel typischerweise paarweise ausgegeben werden. Nähere Erläuterungen hat die Klägerin zu dieser Fragestellung nicht gegeben (vgl. insbesondere die Replik, Bl. 157 ff. d. A.).

Die auch auf diese Fragestellung erstreckte Vernehmung des Zeugen R. hat eher weitere Unsicherheiten erbracht. Der Zeuge R. hatte dem Landgericht – unaufgefordert – zwei Schlüssel vorgelegt (vgl. die Sitzungsniederschrift vom 4. März 2022, Bl. 379 ff. d. A. nebst Anlage). Der Senat hat diese bei den Akten befindlichen Schlüssel mit dem Zeugen R. in Augenschein genommen. Der Zeuge R. hat sodann ausgesagt, dass diese zu dem Motorrad gehört hätten. Keiner dieser Schlüssel entspricht denjenigen, welche der Beklagte von der Klägerin erhalten haben will. Der Zeuge L. E. hat zu keinem der Schlüssel konkrete Angaben machen können.

Die Rechtsprechung hat sich immer wieder damit zu befassen gehabt, welche Folgerungen im Hinblick auf einen behaupteten Fahrzeugdiebstahl aus dem Umstand zu ziehen sind, dass der Versicherungsnehmer dem Versicherer nicht alle Fahrzeugschlüssel vorlegen kann. Es lässt sich etwa nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13. Dezember 1995 (IV ZR 54/95, juris Rn. 5) bei einem behaupteten Kfz-Diebstahl die erhebliche Wahrscheinlichkeit für eine Vortäuschung nicht allein darauf stützen, dass ein Nachschlüssel angefertigt worden war, auch wenn das Fahrzeug mit unversehrten Schlössern wieder aufgefunden wurde. Nach Maßgabe des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 17. Mai 1995 (IV ZR 279/94, juris Rn. 9, 11) ist der Schluss aus dem äußeren Bild auf einen Diebstahl überdies zwar nicht erst möglich, wenn der Versicherungsnehmer auch sämtliche zu dem Fahrzeug gehörenden Originalschlüssel vorlegen oder das Fehlen eines Schlüssels plausibel erklären kann. Denn auch ein redlicher Versicherungsnehmer kann insbesondere während einer längeren Besitzdauer den Schlüssel so verlegt haben, dass er ihn nicht wiederfindet und deshalb keine plausible Erklärung über den Verbleib des Schlüssels geben kann. In derselben Lage ist der Versicherungsnehmer, wenn er einen Schlüssel verloren hat oder wenn ihm ein Schlüssel unbemerkt als Vorbereitung für die Kfz-Entwendung gestohlen worden ist. Gerade weil für ein Fahrzeug in der Regel mehrere Schlüssel vorhanden sind, wird der Verlust eines der Schlüssel oft nicht oder erst später bemerkt, ohne dass dann noch der Verbleib des Schlüssels geklärt werden kann. Wenn der Versicherungsnehmer nicht in der Lage ist, sämtliche Originalschlüssel vorzulegen, kann dies auf vielen anderen Gründen beruhen als dem, dass der Versicherungsnehmer einem Dritten den Schlüssel aushändigte, der das Fahrzeug im Einverständnis des Versicherungsnehmers wegschaffte. Allerdings schließen diese Überlegungen es andererseits durchaus nicht aus, dass der Versicherer dem Anspruch des Versicherungsnehmers solche Tatsachen mit Erfolg entgegenhält, die mit erheblicher Wahrscheinlichkeit dafürsprechen, dass der Diebstahl nur vorgetäuscht ist. Bei der Beurteilung dieser Voraussetzungen ist der Tatrichter nicht gehindert, neben weiteren Umständen in seine Würdigung mit einzubeziehen, dass der Versicherungsnehmer nicht sämtliche Kfz-Schlüssel vorlegen kann. Fehlt ein Originalschlüssel und kann der Versicherungsnehmer dafür keine plausible Erklärung abgeben, ist dies allein aber nicht geeignet, das äußere Bild eines versicherten Diebstahls zu verneinen oder eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für das Vortäuschen eines Diebstahls zu begründen.

(4) Trotz dieser Auffälligkeiten sieht sich der Senat an der zur Verurteilung führenden Überzeugungsbildung nicht gehindert.

(a) Der Problematik der Schlüssel misst der Senat aufgrund der Besonderheiten des Streitfalls eine geringere Bedeutung bei als der Beklagte. Der Zeuge R. hat mit Hilfe einer von ihm sogleich während der Vernehmung durchgeführten Internetrecherche glaubhaft und plausibel darzustellen vermocht, in welcher Weise die Zündsysteme vergleichbarer Motorräder verschlossen werden. Danach besteht für den Senat zum einen kein Zweifel, dass der mit einem schwarzen Griff versehene Rundschlüssel ein grundsätzlich passender „Zündschlüssel“ ist. Ebenso ist für den Senat allerdings offensichtlich, dass ein derartiges Schließsystem nicht die gleiche Bedeutung für die Sicherheit eines Motorrades vor unbefugter Nutzung hat wie die kombinierten Zünd- und Türschlösser moderner Personen- oder Lastkraftwagen. Der Rundschlüssel ist technisch deutlich einfacher gehalten. Überdies lässt sich ein Motorrad auch ohne Nutzung eines solchen Schlüssels vergleichbar einfacher entwenden als ein Kraftwagen: Der Dieb kann es schlicht vom Abstellort weg- und etwa auf die Ladefläche eines (Klein-) Lastwagens aufschieben und dann andernorts ungestört das Zündschloss ausbauen.

(b) Die Klägerin hat auf den vom Senatsvorsitzenden erteilten ladungsbegleitenden Hinweis immerhin insofern reagiert, als sie mit Schriftsätzen vom 7. und 9. März 2023 (Bl. 597 f., 615 f. d. A.) weitere (in O. wohnhafte) familienfremde Zeugen benannt hat. Diesen Beweisangeboten darf der Senat zwar nicht nachgehen, weil die Klägerin Zulassungsgründe gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht dargelegt hat und diese im zweiten Rechtszug neuen Angriffsmittel daher dem berufungsrechtlichen Novenausschluss unterfallen. Die Klägerin hat damit aber jedenfalls zu erkennen gegeben, dass sie keinen Anlass sieht, das Zeugnis „neutralerer“ Zeugen zu verbergen.

(c) Der Senat vermag ein Motiv für die Vortäuschung eines Diebstahls durch die Klägerin oder ihren Sohn L. E. nicht zu erkennen, wohl aber – ganz im Gegenteil – eine Motivation, Dergleichen zu unterlassen.

Der Zeuge R. hat – wie ausgeführt: glaubhaft – bekundet, dass gleichsam die ganze Familie der Klägerin Motorräder der Marke H. D. fahre. Der Zeuge L. E. hat – eher beiläufig, aber zu dieser Aussage passen – mitgeteilt, dass auch er – neben einem gleichfalls vorhandenen Personenkraftwagen – mittlerweile wieder eine neue Maschine dieser Marke habe. Der Zeuge R. hat weiter bekundet, dass er die Familie der Klägerin und insbesondere (im Ausgangspunkt) den Ehemann der Klägerin schon seit vielen Jahren kenne. Zu dieser Aussage fügt sich die Bemerkung des Zeugen L. E., die er gegenüber dem vom Beklagten beauftragt gewesenen Schadensermittler S. vorgerichtlich machte. Der Zeuge L. E. hat auf Vorhalt des Prozessbevollmächtigten der Beklagten bestätigt, jenem Herrn S. auf dessen Nachfrage nach der Herkunft des Kaufpreises erklärt zu haben, dass er das Geld halt gehabt habe. Der Zeuge L. E. hat diese damalige – eher abweisend formulierte – knappe Auskunft gegenüber dem Senat dahin erläutert, dass sowohl seine Eltern als auch er selbst regelmäßig arbeiteten und daher über entsprechende Einkünfte verfügten. Damit bietet sich insgesamt ein Bild von der Familie der Klägerin, dass diese wirtschaftlich seit längerer Zeit in der Lage ist, aus Liebhaberei mehrere teure Motorräder zu kaufen und zu unterhalten. Dann aber bestand kein wirtschaftlicher Anlass für den vom Beklagten vermuteten Versicherungsbetrug.

Im Gegenteil sprechen die langjährige Bekanntschaft sowohl des Ehemanns der Klägerin als auch ihres Sohnes L. E. mit dem Zeugen R. sowie die von dem Zeugen R. geschilderten engen sozialem Strukturen am Wohnort der Klägerin deutlich dagegen, dass die Klägerin und/oder der Zeuge L. E. sich des in Rede stehenden Motorrades freiwillig entledigten, um anschließend die streitgegenständliche Versicherungssumme zu vereinnahmen. Angesichts des von dem Zeugen R. beim Umbau der Maschine betriebenen großen Aufwandes an Arbeitszeit und Kreativität sowie angesichts seines erkennbar fortbestehenden affektiven Interesses daran hätten die Klägerin und/oder ihr Sohn L. E. das Vertrauen des Zeugen R. in besonderes üblem Maße missbraucht und enttäuscht und die künftige Bekanntschaft zum Zeugen R. sowie seine künftige Unterstützung bei der Ausübung des gemeinsamen Hobbys aufs Äußerste gefährdet. Der Senat hat nach der Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Zeuge L. E. dermaßen sittenwidrig gehandelt haben könnte.

Vielmehr sprechen die augenscheinlich recht guten wirtschaftlichen Verhältnisse der Familie der Klägerin und ihres Sohnes L. E. nach dem persönlichen Eindruck, den der Senat von dem Zeugen gewonnen hat, dafür, dass gerade darin die nächstliegende Erklärung für die teilweise doch erstaunlich „unbekümmerte“ Prozessführung zu suchen ist. Insbesondere die von dem Zeugen R. kritisch beurteilte Entscheidung, das Motorrad entgegen seiner ausdrücklichen Empfehlung frühzeitig nach O. Zu verbringen, um dort an einem Motorradtreffen um den Preis der Inkaufnahme vermeidbarer Schäden teilzunehmen, zeigt, dass der Zeuge L. E. womöglich nicht allzu sehr „auf den letzten Cent achten“ muss und monetären Angelegenheiten wie dem vorliegenden Rechtsstreit deshalb nicht die gleiche Aufmerksamkeit widmen muss wie eine weniger bemittelte Partei.

3. Das – von der Beklagten in Zweifel gezogene – Eigentum der Klägerin an dem gestohlenen Motorrad steht trotz der vorstehend (unter 2. d) cc) (1)) mitgeteilten Überlegungen nicht in Frage.

a) Einen schriftlichen Übereignungsnachweis (etwa eine entsprechende kaufvertragliche Verpflichtung) hat die Klägerin zwar ebenso wenig vorlegen können wie einen Nachweis dafür, dass sie den Kaufpreis aus ihrem eigenen Vermögen aufbrachte.

Auch für die von der Klägerin geltend gemachte Vermutungsregelung des § 1006 Abs. 1 BGB bedarf es – unbesehen der Sonderregelung des § 1006 Abs. 3 BGB – zumindest der Tatsachenfeststellung, dass sich das Motorrad im Besitz der Klägerin befunden hat.

b) Indes waren sich nach der Aussage des Zeugen L. E. die Klägerin und er selbst darüber einig, dass er zwar das Motorrad nutzen und darüber weitgehend frei verfügen dürfen sollte, dass es aber im Eigentum der Klägerin stehen sollte. Dementsprechend ist es auf die Klägerin als Halterin zugelassen worden. Und dementsprechend hat die Klägerin den Kasko-Versicherungsvertrag mit dem Beklagten abgeschlossen. Diese – durch die Zulassung und den Abschluss des Versicherungsvertrags auch nach außen hin dokumentierte und daher glaubhafte – Einigung der Klägerin und des Zeugen L. E. genügte für den Eigentumserwerb der Klägerin gemäß § 933 BGB, selbst wenn der Zeuge R. – wie naheliegend – das Eigentum an der Maschine bei der Übergabe zunächst zwischenzeitlich an den Zeugen L. E. übertragen haben sollte.

4. Wie bereits im Vorstehenden vermerkt, stellt sich die Frage der straßenverkehrsrechtlichen Zulassungsfähigkeit des gestohlenen Motorrades tatsächlich nicht mit Blick auf § 134 BGB, sondern sehr viel eher mit Blick auf die Regelung des § 26 VVG. Diese Regelung führt aber im Streitfall nicht zur Leistungsfreiheit des Beklagten oder auch nur zu einer Haftungseinschränkung.

a) Gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 VVG ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsfall nach einer Gefahrerhöhung eintritt, wenn der Versicherungsnehmer seine Verpflichtung nach § 23 Abs. 1 VVG vorsätzlich verletzt hat. Im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherungsnehmer. Gemäß § 23 Abs. 1 VVG darf der Versicherungsnehmer nach Abgabe seiner Vertragserklärung ohne Einwilligung des Versicherers keine Gefahrerhöhung vornehmen oder deren Vornahme durch einen Dritten gestatten.

Gemäß § 26 Abs. 2 VVG ist der Versicherer in den Fällen einer Gefahrerhöhung nach § 23 Abs. 2 und 3 VVG nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsfall später als einen Monat nach dem Zeitpunkt eintritt, zu dem die Anzeige dem Versicherer hätte zugegangen sein müssen, es sei denn, dem Versicherer war die Gefahrerhöhung zu diesem Zeitpunkt bekannt. Er ist zur Leistung verpflichtet, wenn die Verletzung der Anzeigepflicht nach § 23 Abs. 2 und 3 VVG nicht auf Vorsatz beruht; im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung gilt § 26 Absatz 1 Satz 2 VVG. Gemäß § 23 Abs. 2 VVG hat der Versicherungsnehmer die Gefahrerhöhung dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen, wenn er nachträglich erkennt, dass er ohne Einwilligung des Versicherers eine Gefahrerhöhung vorgenommen oder gestattet hat. Gemäß § 23 Abs. 3 VVG hat er die Gefahrerhöhung dem Versicherer unverzüglich, nachdem er von ihr Kenntnis erlangt hat, anzuzeigen, wenn nach Abgabe der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers eine Gefahrerhöhung unabhängig von seinem Willen eintritt.

Abweichend von den § 23 Abs. 1 und 2 Satz 1 VVG ist der Versicherer gemäß   § 23 Abs. 3 VVG zur Leistung verpflichtet, soweit (1.) die Gefahrerhöhung nicht ursächlich für den Eintritt des Versicherungsfalles oder den Umfang der Leistungspflicht war oder wenn (2.) zur Zeit des Eintrittes des Versicherungsfalles die Frist für die Kündigung des Versicherers abgelaufen und eine Kündigung nicht erfolgt war.

b) So oder so ist die wesentliche Voraussetzung einer etwaigen Leistungsbefreiung oder auch nur Einschränkung der Deckungsverpflichtung des Beklagten vorsätzliches Handeln der Klägerin oder zumindest grob fahrlässiges Handeln im Hinblick auf eine von ihr vorgenommene Gefahrerhöhung.

aa) Dabei stellt sich vorrangig die Frage, welche „Gefahrerhöhung“ die Klägerin (oder – ihr zurechenbar – ihr Sohn L. E.) veranlasst haben soll. Da der Schadensfall nicht als Folge eines Verkehrsunfalls eingetreten ist, kann es um etwaige Änderungen an den Bauteilen des Motorrades nicht gehen, die lediglich dessen Verkehrssicherheit – verstanden als Schutz vor unnötigen Unfallrisiken durch die Teilnahme am Straßenverkehrsgeschehen – beeinträchtigten. Denn insofern greift offensichtlich der Ausnahmetatbestand des § 26 Abs. 3 Nr. 1 VVG.

bb) In Betracht kommen mit Blick auf das verwirklichte Schadensrisiko ausschließlich solche Veränderungen an dem Motorrad, welche die Gefahr eines Diebstahls erhöhten.

(1) Insofern kommt nach Maßgabe des Vorbringens des – für den Ausschlusstatbestand darlegungs- und beweispflichtigen (vgl. nur Prölss/Martin/Armbrüster a.a.O., § 23 VVG Rn. 114 m.w.N.) – Beklagten das Fehlen von Vorrichtungen für das Anbringen von Schlössern bzw. das Fehlen eines Lenkradschlosses (vgl. bereits Seite 4 der Klageerwiderung, Bl. 82 d. A.) in Betracht.

Außerdem hat das OLG R. in seinem Urteil vom 2. November 2004 (6 U 90/04, juris Rn. 3 ff.) die Auffassung vertreten, dass ein Versicherungsnehmer eine Gefahrerhöhung vornehme, indem er seinen ohnehin hochwertigen Pkw mit für das Fahrzeug nicht zugelassenen Breitreifen und einem Sportfahrwerk nachrüstet, so dass für potentielle, insbesondere jugendliche und sportiv orientierte, Täter ein erhöhter Verlockungsanreiz entsteht, das Fahrzeug zu entwenden. Der Versicherer werde dann von seiner Leistungspflicht frei, wenn das Fahrzeug entwendet wird. In einem solchen Fall sei mangels entgegenstehender Umstände davon auszugehen, dass die insgesamt sportive Ausstattung des Fahrzeugs jedenfalls mitursächlich für den Entwendungsfall gewirkt hat, so dass die Gefahrerhöhung kausal geworden ist. Der Beklagte hat diesen Rechtsgedanken auf Seite 2 seiner Berufungserwiderung – wenn auch knapp – aufgegriffen.

(2) Das Fehlen von Schließvorrichtungen an dem Motorrad hat der Beklagte indes nicht bewiesen. Das Landgericht hat – wenn auch aufgrund eines anderen rechtlichen Ansatzpunktes – über das Fehlen eines Lenkerschlosses Beweis erhoben. Der Gerichtssachverständige Francke hat dazu auf Seite 13 f. seines (Ausgangs-) Gutachtens vom 17. Januar 2022 unter Bezugnahme auf zwei aussagekräftige Lichtbilder ausgeführt, dass er davon ausgehe, dass ein solches Schloss vorhanden gewesen sei. Es hat zwar Nachfragen zu dem Gutachten gegeben, aufgrund derer das Landgericht ein Ergänzungsgutachten eingeholt und beide Gutachten am 9. September 2022 mündlich erörtert hat. Dabei ist der Einbau eines Lenkerschlosses aber nicht mehr in Frage gestellt worden (vgl. die Sitzungsniederschrift Bl. 480 ff. d. A.). Der schon vom Landgericht vernommene Zeuge

R. hat – wie auch bei seiner Vernehmung durch den Senat – zudem bekundet, dass neben einem Zündschloss mit zwei Schlüsseln auch ein Lenkerschloss mit zwei Schlüsseln verbaut worden sei.

(3) Die zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichts R. ist zum einen bislang vereinzelt und eher unbeachtet geblieben und überdies auf Kritik gestoßen. Koch (in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl., AKB 2015, Kapitel D. Pflichten beim Gebrauch des Fahrzeugs, Rn. 216) meint dazu, das bei der Argumentation übersehen werde, dass Fahrzeugein- und anbauten im Rahmen von A.2.1.2.2 AKB grundsätzlich mitversichert seien. Auch Karczewski (in Rüffert/Halbach/Schimikowski, VVG, 4. Aufl., § 23 Rn. 41) lehnt sie ab.

Das mag aber letztlich auf sich beruhen. Wesentlich ist im Streitfall – im Unterschied zu der vom Oberlandesgericht R. entschiedenen Fallgestaltung –, dass die Klägerin eine etwaige Gefahrerhöhung jedenfalls nicht zeitlich nach der Abgabe ihrer Vertragserklärung vornahm. Jedenfalls trägt der Beklagte dergleichen nicht konkret vor und bietet erst recht keinen Beweis dafür an. Das aber ist gemäß § 23 Abs. 1 VVG die Grundvoraussetzung für eine etwaige Leistungsfreiheit des Beklagten gemäß § 26 Abs. 1 VVG.

c) Wäre entgegen den vorstehenden Ausführungen dennoch aus irgendeinem Grund von einer relevanten Gefahrerhöhung auszugehen, ergäbe sich die Rechtsfolge einer vollständigen Leistungsfreiheit des Beklagten gemäß § 26 Abs. 1 VVG nur, wenn die Klägerin (oder jedenfalls ihr Sohn als ihr zuzurechnender Vertreter) vorsätzlich gehandelt hätte. Eine Leistungseinschränkung setzt zumindest grob fahrlässiges Handeln des Versicherungsnehmers voraus. Weder das eine noch das andere drängen sich im Streitfall auf (oder werden von dem Beklagten überhaupt dargelegt). Vielleicht ist der vom Oberlandesgericht R. – allerdings auch nur stillschweigend – gezogene Schluss, dass dem Versicherungsnehmer klar sein müsse, dass das „Aufmotzen“ seines Fahrzeugs zur Erhöhung der Diebstahlsgefahr führe, noch möglich, wenn das Fahrzeug ursprünglich eine normale Serienausstattung aufwies, also eher unauffällig war. Dann ist die Steigerung der Attraktivität durch das „Aufmotzen“ – jedenfalls für solche Zeitgenossen, die so etwas überhaupt attraktiv finden – besonders naheliegend. Zwingend war dieser Schluss schon in dem damals entschiedenen Fall allerdings keineswegs, denn das betroffene Fahrzeug war von vornherein ohnehin besonders hochwertig (a.a.O., Rn. 4). Im Streitfall liegt der Schluss erst recht sehr fern. Es handelte sich bei dem in Rede stehenden Motorrad schon in dem Ursprungsaufbau um ein Modell des besonders begehrten Herstellers H. D.. Dieses Fahrzeug wurde sodann in jahrelanger Handwerksarbeit von dem Zeugen R. vollständig umgebaut und unter anderem mit einem leistungsfähigeren Motor versehen. Angesichts dieses Sachverhalts musste die Maschine als (in einschlägigen Kreisen) besonders attraktiv angesehen werden. Es ist nicht ohne Weiteres ersichtlich, dass der abermalige Austausch einzelner Bauteile (wie etwa des Auspuffrohrs) insoweit noch eine zusätzliche Gefahrerhöhung erzeugte.

Überdies ist mit Blick auf das Erfordernis von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit daran zu erinnern, dass es dem Sohn der Klägerin immerhin gelang, eine behördliche Zulassung des Motorrades für den Straßenverkehr zu erlangen. Um die Feststellung zu treffen, dass der Sohn (und/oder die Klägerin selbst) Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis davon hatten, dass an dem Fahrzeug Teile verbaut waren, die eigentlich nicht zulassungsfähig waren und daher i.S.d. § 23 Abs. 1 VVG – vielleicht – als gefahrerhöhend angesehen werden könnten, müsste wohl letztlich die Feststellung getroffen werden, dass die Zulassung rechtswidrig erschlichen wurde. Dafür gibt es keine konkreten Anhaltspunkte.

Gegen die Annahme von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit spricht schließlich – und nach Auffassung des Senats sogar definitiv – die Vorlage des Wertgutachtens des Kfz-Sachverständigen K. an den örtlichen Vertreter des Beklagten durch den Sohn der Klägerin. In diesem Gutachten ist der Zustand des Motorrades genau beschrieben. Damit, dass diesem Gutachten im Hause des Beklagten nach dessen Vortrag keine Bedeutung beigemessen wurde, musste der Sohne der Klägerin nicht rechnen. Wenn der Sohn den Zustand aber von sich aus offenbarte, spricht nichts dafür, dass er (als Vertreter der Klägerin) dem Beklagten gegenüber etwas verheimlichen wollte oder gar wusste, dass einzelne Veränderungen – an dem ohnehin umfassend umgebauten – Motorrad womöglich straßenverkehrsrechtlich unzulässig oder jedenfalls nach § 23 Abs. 2 VVG anzeigepflichtig waren.

d) Im Übrigen würde der Leistungsfreiheit des Beklagten nach § 23 Abs. 1 VVG auch der Gegeneinwand gemäß § 26 Abs. 3 Nr. 2 VVG entgegenstehen, wonach der Versicherer zur Leistung verpflichtet bleibt, wenn zur Zeit des Eintrittes des Versicherungsfalles die Frist für die Kündigung des Versicherers abgelaufen und eine Kündigung nicht erfolgt war.

aa) Gemäß § 24 Abs. 1 VVG kann der Versicherer den Vertrag ohne Einhaltung einer Frist kündigen, wenn der Versicherungsnehmer seine Verpflichtung nach § 23 Abs. 1 VVG verletzt, es sei denn, der Versicherungsnehmer hat die Verpflichtung weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt. Beruht die Verletzung auf einfacher Fahrlässigkeit, kann der Versicherer unter Einhaltung einer Frist von einem Monat kündigen. In den Fällen einer Gefahrerhöhung nach § 23 Abs. 2 und 3 VVG kann der Versicherer den Vertrag gemäß § 24 Abs. 2 VVG unter Einhaltung einer Frist von einem Monat kündigen.

Gemäß § 24 Abs. 3 VVG erlischt dieses Kündigungsrecht, wenn es nicht innerhalb eines Monats ab der Kenntnis des Versicherers von der Erhöhung der Gefahr ausgeübt wird oder wenn der Zustand wiederhergestellt ist, der vor der Gefahrerhöhung bestanden hat.

bb) Wie bereits im Vorstehenden ausgeführt, ist mittlerweile zumindest unstreitig, dass der Sohn der Klägerin das Wertgutachten vom 9. Mai 2016 „mehr als zwei Jahre nach Vertragsschluss“ dem örtlichen Vertreter des Beklagten vorlegte. Wenn der Beklagte als Gefahrerhöhung denjenigen Zustand des Motorrades ansieht, der in jenem Wertgutachten dokumentiert ist, hatte er jedenfalls seit dem Jahr 2018 Kenntnis von diesem Zustand. Denn die Kenntnis seines örtlichen (Versicherungs-) Vertreters muss er sich selbstverständlich gemäß § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen. Der Beklagte argumentiert zwar (auf Seite 3 ihrer Berufungserwiderung), er sei insbesondere wegen des Charakters der Kaskoversicherung als Massengeschäft nicht verpflichtet gewesen, „ungefragt eingereichte Wertgutachten laufender Verträge inhaltlich zu prüfen“ und dürfe seinem Versicherungsnehmer vertrauen, dass dieser die gesetzlichen Regelungen einhalte. Einen rechtlichen Ansatzpunkt für diese Argumentation vermag der Senat allerdings schon im Allgemeinen kaum zu erkennen. Wenn ein Versicherer eine Gefahrerhöhung i.S.d. § 23 Abs. 1 VVG allein wegen wertsteigernder An- und Umbauten annehmen möchte, muss er wohl oder übel einer solchen Mitteilung Beachtung schenken. Gerade im Streitfall verfängt die Argumentation des Beklagten erst recht nicht. Der Sohn der Klägerin hatte das Gutachten doch – auch nach der Vorstellung des Beklagten, vgl. Seite 2 der Berufungserwiderung – gerade zu dem Zweck eingereicht, den besonderen Wert des Fahrzeugs zu belegen. Und es ist zumindest unstreitig, dass der Sohn der Klägerin mit dem örtlichen Vertreter des Beklagten, Herrn M. P., über die Besonderheiten des in Rede stehenden Motorrads im Hinblick auf die Versicherung desselben sprach. Das hat die Klägerin auf Seite 6 ihres Schriftsatzes vom 23. Oktober 2021, Bl. 254 d. A., so vorgetragen. Ein erstinstanzliches Bestreiten lässt sich den nachfolgenden Schriftsätzen des Beklagten sowie den zwei nachfolgenden Sitzungsniederschriften nicht entnehmen (vgl. u.a. Bl. 377 f., 379 f., 479, 480 ff. d. A.). In der Berufungserwiderung hat der Beklagte lediglich bestritten, dass der Sohn der Klägerin das Wertgutachten schon im Jahr 2016 vorgelegt habe, nicht aber, dass es im Zusammenhang mit dem Versicherungsantrag Gespräche zwischen dem Sohn und Herrn P. über die Besonderheiten des Motorrades gegeben habe. Wenn aber der örtliche Vertreter des Beklagten von den Besonderheiten des Motorrades wusste, durfte er eine auf dessen besondere Beschaffenheit bezogene Mitteilung nicht als von vornherein irrelevant abtun, wie es der Beklagte nunmehr darstellt.

cc) Ausgehend von einer jedenfalls im Laufe des Jahres 2018 eingetretenen Kenntnis des Beklagten vom Zustand des Motorrades erlosch das Kündigungsrecht wegen einer etwaigen Gefahrerhöhung spätestens am 31. Januar 2019. Eine Kündigung erfolgte dennoch – unstreitig – nicht. Der behauptete Schadensfall ereignete sich erst im Februar 2019, mithin danach. Folglich kann sich der Beklagte auf eine etwaige Gefahrerhöhung gemäß § 26 Abs. 3 Nr. 2 VVG nicht mehr zur Begründung eines Leistungsausschlusses berufen.

5. Der Beklagte hat in seinem (vor allem beweiswürdigenden) Schriftsatz vom 26. Juni 2023 nochmals seine Bedenken wegen des Verbleibs der Schlüssel wiederholt. Mit den Auswirkungen der insofern auch nach der Beweisaufnahme verbliebenen Unklarheiten hat sich der Senat bereits im Vorstehenden befasst. Darüber hinaus stellte es eine nicht unerhebliche Obliegenheitsverletzung im Sinne des § 28 Abs. 2 VVG dar, wenn die – nach der Beweisaufnahme durchaus nicht fernliegende – Annahme des Beklagten zuträfe, dass die Klägerin (bzw. deren Sohn L. E.) dem Beklagten – trotz ausdrücklicher Aufforderung – nicht alle zu dem in Rede stehenden Motorrad gehörenden Schlüssel übergab oder gar Schlüssel übergab, die mit dem Motorrad nichts zu tun hatten.

a) Gemäß § 28 Abs. 2 VVG ist der Versicherer leistungsfrei, wenn vertraglich bestimmt ist, dass der Versicherer bei Verletzung einer vom Versicherungsnehmer zu erfüllenden vertraglichen Obliegenheit nicht zur Leistung verpflichtet ist und der Versicherungsnehmer die Obliegenheit vorsätzlich verletzt hat. Bei grob fahrlässigem Verhalten darf der Versicherer seine Leistung angemessen kürzen. Gemäß § 28 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 VVG trägt der Versicherungsnehmer die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit

b) Der Senat stellt klar, dass sich nicht abschließend feststellen lässt, ob die Klägerin dem (örtlichen Vertreter des) Beklagten tatsächlich Schlüssel übergab, die keinen Bezug zu dem in Rede stehenden Motorrad hatten. Es ist zumindest möglich, dass einzelne der übergebenen (und in dem von der Beklagten vorgelegten „Schlüsselgutachten“ abgebildeten) Schlüssel etwa zu dem Bremsscheibenschloss gehörten, das der Zeuge L. E. für das Motorrad beschafft haben will. Es spricht aufgrund der – glaubhaften – Aussage des Zeugen R. allerdings Vieles dafür, dass die Klägerin jedenfalls die Schlüssel für das Zündschloss nicht übergab. Den Beweis des Gegenteils der gesetzlichen Vermutung, wonach sie dabei grob fahrlässig handelte, hat die Klägerin nicht angetreten. Deshalb kommt zumindest eine Leistungskürzung durchaus in Betracht.

c) Gemäß § 28 Abs. 3 VVG tritt die vollständige oder teilweise Leistungsfreiheit des Versicherers allerdings nicht ein, wenn die Obliegenheitsverletzung weder für den Eintritt noch die Feststellung des Versicherungsfalls oder des Umfangs der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich ist, es sei denn, dass der Versicherungsnehmer arglistig handelte.

Insoweit obliegt zunächst einmal dem Versicherer die sekundäre Darlegungslast, welche Maßnahmen er bei Erfüllung der Obliegenheit ergriffen und welchen Erfolg er sich davon versprochen hätte (vgl. BGH, Urteil vom 4. April 2001 – IV ZR 63/00, juris Rn. 9 ff.; OLG Saarbrücken, Urteil vom 10. Februar 2016 – 5 U 75/14, juris Rn. 71; OLG Celle, Urteil vom 24. September 2018 – 8 U 73/18, juris Rn. 66). Erst danach hat der Versicherungsnehmer den Gegenbeweis zu führen (vgl. Prölss/Martin/Armbrüster a.a.O., § 28 Rn. 258).

Solchen Vortrag hat der Beklagte nicht gehalten. Es ist vielmehr sogar offensichtlich, dass etwaige Versäumnisse der Klägerin bei der Übergabe der Schlüssel an den Beklagten für die behauptete Schadensentstehung nicht ursächlich gewesen sein können. Überdies ist auch nicht ersichtlich, welche – Erfolg versprechenden – weiteren Maßnahmen der Beklagte zur Schadensaufklärung hätte treffen können, wenn ihm alle „richtigen“ Schlüssel zeitnah vorgelegen hätten.

Arglistiges Handeln der Klägerin, bei dem gemäß § 28 Abs. 3 VVG die Kausalität der Obliegenheitsverletzung ohne Einfluss auf die Leistungsfreiheit des Beklagten bliebe, hat der Beklagte ebenfalls nicht dargelegt.

6. Der Beklagte hat in der Klageerwiderung (Seite 7, Bl. 85 d. A.) auch eingewandt, das Motorrad sei nur zu einem Neuwert von 5.000 € versichert gewesen; eine höhere Leistung habe er keinesfalls zu erbringen.

Die Klägerin hat daraufhin einen Nachtrag vom 15. Juni 2018 vorgelegt (Bl. 165 d. A.), aus dem sich eine Versicherung zum Neuwert von 28.500 € ergibt.

Die Richtigkeit dieses Nachtrags hat der Beklagte sodann nicht mehr bestritten.

Inwieweit der Einwand im Hinblick auf die Regelung in AKB A.2.5.1.1, wonach der Beklagte bei Verlust des Fahrzeugs den Wiederbeschaffungswert unter Abzug eines vorhandenen Restwerts zahlt, überhaupt rechtliche Bedeutung hat, kann vor diesem Hintergrund zunächst dahinstehen. Anhand der AKB vermag der Senat jedenfalls nicht zu erkennen, dass die Wertangabe in dem Versicherungsschein eine die Leistungspflicht des Beklagten begrenzende Bedeutung entfaltet. Gemäß Anhang 2 Abschnitt 2 (zu den AKB) ist der im Versicherungsschein angegebene Neuwert jedenfalls kein „individuelles Merkmal zur Beitragsberechnung“.

III.

Der Senat entscheidet über den Anspruchsgrund vorab durch dieses Grundurteil.

1. Nach § 304 Abs. 1 ZPO darf das Gericht ein Zwischenurteil über den Grund erlassen, wenn der Klageanspruch nach Grund und Betrag streitig und der Grund des Anspruchs zur Entscheidung reif ist. Als Zwischenurteil erledigt die Vorabentscheidung über den Grund lediglich einen Teil des Streitstoffes; durch sie wird der geltend gemachte Anspruch weder ganz noch zum Teil aberkannt oder zuerkannt (BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 – VI ZR 559/14, juris Rn. 25).

Die Vorschrift des § 304 ZPO beruht auf der Erwägung, dass regelmäßig für die Entscheidung über den Anspruchsgrund andere Tat- und Rechtsfragen in Betracht kommen als für die Entscheidung über den Betrag des Anspruchs. In solchen Fällen kann die Erledigung des Rechtsstreits gefördert werden, wenn über den Grund vorab entschieden wird. Die Regelung entspringt daher prozesswirtschaftlichen Gründen. Bei ihrer Anwendung und Auslegung ist vor allem den Erfordernissen der Prozessökonomie Rechnung zu tragen. Der Erlass eines Grundurteils ist daher immer dann unzulässig, wenn dies nicht zu einer echten Vorabentscheidung des Prozesses, sondern zu einer ungerechtfertigten Verzögerung und Verteuerung des Prozesses führt (BGH, a.a.O. Rn. 26).Auszugehen ist von dem Grundsatz, dass zum Grund des Anspruchs alles gehört, was den Anspruch insgesamt entfallen lassen kann (vgl. Zöller/Feskorn, ZPO, 34. Aufl., § 304 Rn. 10).

Eine Aufteilung des Rechtsstreits durch ein Grundurteil muss also möglich und sinnvoll erscheinen. Nicht sinnvoll und deshalb unzulässig ist ein Grundurteil, wenn die Tatsachen für Grund und Höhe annähernd dieselben sind oder in einem so engen Zusammenhang stehen, dass der Erlass einer Grundentscheidung unzweckmäßig und verwirrend wäre (BGH, Urteil vom 23. September 1992 – IV ZR 199/91, juris Rn. 7; vom 23. Juli 2020 – I ZR 119/19, juris Rn. 72).

2. Nach diesem rechtlichen Maßstab ist eine Vorabentscheidung durch Grundurteil hier nicht nur zulässig, sondern besonders sinnvoll.

a) Wie die vorstehende Begründung zeigt, lässt sich die Frage, ob der Beklagte überhaupt zur Leistung verpflichtet ist und ob die Leistungspflicht des Beklagten womöglich eingeschränkt ist, bereits jetzt vollständig beantworten.

b) Die dabei zu klärenden Tatsachen- und Rechtsfragen werden sich im weiteren Prozessverlauf nicht mehr stellen.

Der Beklagte bestreitet (auch), dass das Motorrad – wie von der Klägerin ausdrücklich behauptet (vgl. Seite 9 der Klageschrift) – am Tag der Entwendung nach wie vor den vom Kfz-Sachverständigen K. am 9. Mai 2016 angegebenen Wiederbeschaffungswert von 30.000 € gehabt habe. Er nimmt Bezug auf das von ihm als Anlage B 2 (Bl. 134 ff. d. A.) vorgelegte Schadensgutachten vom 24. Juni 2019, wonach das Motorrad einen Marktwert von 14.000 bis 15.000 € gehabt habe.

aa) Gemäß AKB A.2.5.1.1. hat der Beklagte bei Verlust des versicherten Kraftfahrzeugs den Wiederbeschaffungswert zu ersetzen. Die Sonderregelung für gebrauchte Kraftfahrzeuge in AKB 2.5.1.3 (nur „Kaufwert“) gilt ausdrücklich nur für Personenkraftwagen, ist auf das hier in Rede stehende Motorrad folglich nicht anwendbar.

bb) Da vom Beklagten ein detaillierteres Bestreiten (als durch Bezugnahme auf ein Schadensgutachten) nicht zu erwarten ist – eigene Kenntnis vom Zustand des Fahrzeugs im Zeitpunkt der Schadensentstehung muss er ersichtlich nicht haben –, wird zur Frage des Wiederbeschaffungswerts nach etwaiger Rechtskraft des vorliegenden Grundurteils ein (weiteres) Sachverständigengutachten einzuholen sein. Dabei werden sich keine Tatsachen- und Rechtsfragen mehr stellen, die der Senat bereits zur Klärung des Anspruchsgrundes hat beantworten müssen.

IV.

Der Senat muss die Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO zulassen, weil er ausdrücklich von der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts N. (a.a.O.) bezüglich der Rechtsfrage abweicht, ob die straßenverkehrsrechtliche Zulassungsfähigkeit des in der Kasko-Versicherung zu versichernden Kraftfahrzeugs eine Wirksamkeitsvoraussetzung i.S.d. § 134 BGB für den Versicherungsvertrag ist.

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