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Haftpflichtversicherung – Ersatzanspruch vorgezogener Rettungskosten

OLG Köln weist Klage auf Rettungskostenersatz nach Legionellenbefall ab

Das OLG Köln hat mit Urteil vom 30.09.2014 (Az.: I-9 U 22/14) die Klage einer Unternehmerin abgewiesen, die von ihrer Haftpflichtversicherung Ersatz für vorzeitig getätigte Rettungskosten aufgrund eines Legionellenbefalls in einer von ihr installierten Trinkwasseranlage forderte. Das Gericht entschied, dass kein Versicherungsfall vorlag, da die Klägerin lediglich Maßnahmen zur Vermeidung eines Versicherungsfalls durchgeführt hatte und somit kein Anspruch auf Schadensersatz besteht.

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✔ Das Wichtigste in Kürze

  1. Das OLG Köln hat die Berufung der Beklagten stattgegeben und das Urteil des Landgerichts Aachen vom 17.01.2014 (Az. 9 O 273/13) abgeändert, das ursprünglich der Klägerin Recht gab.
  2. Die Klägerin, ein mittelständisches Unternehmen im Bereich Heizung und Sanitärtechnik, hatte von ihrer Betriebshaftpflichtversicherung Ersatz für die Kosten eines provisorischen Filtereinbaus verlangt, nachdem Legionellen in der von ihr installierten Trinkwasseranlage festgestellt wurden.
  3. Die Versicherung lehnte die Zahlung ab, da keine unmittelbare Gesundheitsgefährdung bestand und die Installation noch nicht abgeschlossen und in Betrieb genommen war.
  4. Die Klägerin argumentierte, dass die Kosten notwendig waren, um eine potenzielle Gesundheitsgefahr für die Heimbewohner zu verhindern.
  5. Das OLG Köln entschied, dass kein Versicherungsfall im Sinne von § 5 Ziffer 1 AHB eingetreten sei, da die Schadensverhütungsmaßnahmen nicht als Rettungskosten anerkannt werden können.
  6. Es wurde festgestellt, dass der Legionellenbefall kein Sachschaden gemäß § 1 Ziffer 1 AHB darstellt und damit kein Anspruch auf Leistung seitens der Versicherung besteht.
  7. Die Gerichtskosten sowie die Kosten für die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wurden der Klägerin auferlegt.
  8. Die Revision wurde nicht zugelassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und nicht zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beiträgt.

Rettungskosten und Haftpflichtversicherung

Eine Haftpflichtversicherung schützt vor finanziellen Folgen, wenn man Dritten einen Personen- oder Sachschaden zufügt und dafür haftbar gemacht wird. Häufig stellt sich dabei die Frage, ob auch Rettungskosten von der Versicherung übernommen werden müssen.

Unter Rettungskosten versteht man Aufwendungen, die notwendig sind, um eine unmittelbar drohende Schadensgefahr abzuwenden. Ob solche vorgezogenen Kosten von der Haftpflichtversicherung erstattet werden, hängt von den jeweiligen Versicherungsbedingungen und den Umständen des Einzelfalls ab. Oft ist dies eine komplexe Rechtsfrage, die von Gerichten geklärt werden muss.

➜ Der Fall im Detail


Der Fall um den Ersatzanspruch für Rettungskosten nach einem Legionellenbefall

Im vorliegenden Fall geht es um eine Klage gegen eine Betriebshaftpflichtversicherung, die nach einem Legionellenbefall in einer Trinkwasseranlage entstand.

Legionellenbefall
(Symbolfoto: Animaflora PicsStock/Shutterstock.com)

Die Klägerin, ein mittelständisches Unternehmen im Bereich Heizung, Sanität und Klimatechnik, hatte die Anlage in einem heilpädagogischen Wohnheim installiert. Die Anlage wurde noch nicht in Betrieb genommen, als der Befall festgestellt wurde. Aufgrund von mangelhaften Installationen, für die teilweise der Fachplaner verantwortlich war, entstanden an verschiedenen Stellen Legionellenbefälle. Die Klägerin unternahm daraufhin Maßnahmen, um eine gesundheitliche Gefährdung der Heimbewohner abzuwenden, indem sie Filter installierte, die eine vorübergehende Nutzung der Wasseranlage ohne Gesundheitsrisiken ermöglichten. Die Kosten dieser Maßnahmen beliefen sich auf 159.251,66 €, von denen die Klägerin 25% selbst trug und die Erstattung der verbleibenden Kosten von der Versicherung forderte.

Die juristische Auseinandersetzung und der erste Gerichtsentscheid

Die Versicherung lehnte die Übernahme der Kosten ab, da sie keinen Versicherungsfall im Sinne ihrer Policen sah. Die Klägerin argumentierte, dass die Kosten für die Filterinstallation über die normale Vertragserfüllung hinausgingen und durch die akute Gesundheitsgefahr gerechtfertigt waren. Vor dem Landgericht Aachen konnte die Klägerin zunächst Erfolg erzielen, da das Gericht urteilte, dass die Maßnahmen zur Schadensminderung als Rettungskosten nach §§ 82, 83 VVG anzusehen waren und daher von der Versicherung zu tragen sind. Das Gericht sah den Versicherungsfall als gegeben an, da die potenzielle Gesundheitsgefährdung der Heimbewohner eine unmittelbare Notwendigkeit für die getroffenen Maßnahmen darstellte.

Die Entscheidung des OLG Köln

Die Beklagte legte gegen das Urteil Berufung ein, und das Oberlandesgericht Köln kam zu einem anderen Schluss. Das OLG stellte fest, dass die Maßnahmen der Klägerin tatsächlich der Vermeidung eines Versicherungsfalls dienten und nicht dessen Abwendung nach einem bereits eingetretenen Schaden. Damit wurden die Maßnahmen nicht als Rettungskosten anerkannt. Das Gericht erklärte, dass ein Versicherungsfall voraussetzt, dass ein Schadenereignis eingetreten ist, welches unmittelbar zu einem Sach- oder Personenschaden führt. Da die Trinkwasseranlage zum Zeitpunkt des Legionellenbefalls noch nicht in Betrieb war, wurden die Voraussetzungen für einen Versicherungsfall als nicht erfüllt angesehen.

Die rechtliche Argumentation des OLG Köln

Das OLG Köln führte weiter aus, dass die Regelungen der Betriebshaftpflichtversicherung keinen Versicherungsschutz für die geltend gemachten Ansprüche bieten. Besonders die spezifischen Ausschlüsse in den Versicherungsbedingungen gegen Schäden durch vom Versicherungsnehmer hergestellte oder gelieferte Sachen oder geleistete Arbeiten trugen zur Entscheidung bei. Darüber hinaus wurde betont, dass nach der Neuregelung des § 90 VVG Rettungskosten in der Sachversicherung nicht analog auf andere Versicherungszweige übertragbar sind.

Konsequenzen der Entscheidung des OLG Köln

Durch die Entscheidung des OLG Köln wurde das erstinstanzliche Urteil revidiert und die Klage der Unternehmerin abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits sowie die Kosten für die temporären Filterinstallationen bleiben damit an der Klägerin hängen. Das Gericht ließ auch keine Revision zu, was die Endgültigkeit dieser Entscheidung unterstreicht. Dieses Urteil klärt die Anwendbarkeit von Rettungskosten in Versicherungsfällen, speziell in Situationen, in denen präventive Maßnahmen vor einer Inbetriebnahme von Anlagen getroffen werden.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Was versteht man unter Rettungskosten in der Haftpflichtversicherung?

Rettungskosten sind Aufwendungen, die ein Versicherungsnehmer tätigt, um einen unmittelbar bevorstehenden Versicherungsfall abzuwenden oder in seinen Auswirkungen zu mindern. Der Versicherungsnehmer ist nach § 82 VVG sogar verpflichtet, nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen.

Die Kosten für diese Maßnahmen zur Schadenabwendung oder -minderung muss der Versicherer erstatten, sofern sie den Umständen nach für geboten gehalten werden durften. Dies gilt selbst dann, wenn die Maßnahmen erfolglos waren. Der Aufwendungsersatz für Rettungskosten ist in § 83 VVG geregelt.

Beispiele für erstattungsfähige Rettungskosten in der Haftpflichtversicherung sind:

  • Kosten für eine Notreparatur am Dach nach einem Sturmschaden, um Folgeschäden durch eindringende Niederschläge zu verhindern
  • Aufwendungen zur Beseitigung von ausgelaufenem Öl, um eine Gewässerverunreinigung zu verhindern
  • Anwaltskosten zur Abwehr unberechtigter Schadensersatzansprüche

Wichtig ist, dass die Rettungsmaßnahmen verhältnismäßig sind. Der Versicherungsnehmer muss sich so verhalten, als wäre er nicht versichert. Grob fahrlässige oder vorsätzliche Verletzungen der Rettungsobliegenheit können zu einer Kürzung oder einem Wegfall des Versicherungsschutzes führen.

Die Haftpflichtversicherung übernimmt im Versicherungsfall die Prüfung der Haftpflichtfrage, wehrt unberechtigte Ansprüche ab und stellt den Versicherungsnehmer von berechtigten Schadensersatzverpflichtungen frei. Dazu zählt auch die Erstattung von Rettungskosten im Rahmen der vereinbarten Deckungssummen.

Inwiefern unterscheiden sich die Regelungen zu Rettungskosten in der Sach- und Haftpflichtversicherung?

In der Sach- und Haftpflichtversicherung gibt es einige Unterschiede bei den Regelungen zu Rettungskosten:

In der Sachversicherung erstreckt sich der Aufwendungsersatzanspruch des Versicherungsnehmers auch auf Aufwendungen zur Abwendung oder Minderung eines unmittelbar bevorstehenden Versicherungsfalls. Präventive Maßnahmen werden hier also eher anerkannt. Beispielsweise sind in der Sachversicherung Kosten gedeckt, wenn nach Beginn eines Orkans noch intakte Masten zusätzlich abgestützt werden, um Folgeschäden zu verhindern.

In der Haftpflichtversicherung fallen Rettungskosten dagegen erst ab Eintritt des Versicherungsfalls an. Aufwendungen des Versicherungsnehmers vor Eintritt des Versicherungsfalls zählen hier nicht zum versicherten Risiko. Es werden strengere Anforderungen an den Zeitpunkt und die Notwendigkeit der Maßnahmen gestellt.

Rettungskosten müssen in der Haftpflichtversicherung nach einem konkreten Störfall notwendig sein oder von einer Behörde angeordnet werden, um ersatzfähig zu sein. In der Umwelthaftpflichtversicherung spricht man auch von „vorgezogenen Rettungskosten“, die nur unter bestimmten Voraussetzungen gedeckt sind.

Gemeinsam ist beiden Versicherungsarten, dass die Rettungsmaßnahmen verhältnismäßig sein müssen. Der Versicherungsnehmer muss sich stets so verhalten, als wäre er nicht versichert. Grob fahrlässige oder vorsätzliche Verletzungen der Rettungsobliegenheit können zu einer Kürzung oder einem Wegfall des Versicherungsschutzes führen.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Sachversicherung tendenziell großzügiger bei der Anerkennung von präventiven Rettungskosten ist, während in der Haftpflichtversicherung der Versicherungsfall bereits eingetreten sein muss und strengere Anforderungen an die Erstattungsfähigkeit gestellt werden.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

§§ 82, 83 VVG (Versicherungsvertragsgesetz) – Rettungskosten
Diese Paragraphen regeln, dass der Versicherungsnehmer zur Abwendung und Minderung des Schadens verpflichtet ist, sobald er von der Gefahr eines Schadens Kenntnis erlangt. Die Versicherung muss die Kosten erstatten, die der Versicherte im Interesse des Versicherers für angemessen halten durfte. Im vorliegenden Fall dreht sich die Kontroverse darum, ob die Kosten für den Filtereinbau als Rettungskosten anzusehen sind, um einen weiteren Schaden zu verhindern.

§ 1 AHB (Allgemeine Haftpflichtbedingungen)
Spezifiziert den Umfang des Versicherungsschutzes und die Voraussetzungen, unter denen ein Versicherungsfall als eingetreten gilt. Im Text wird argumentiert, ob die durch Legionellen verursachten Schäden unter diese Bedingungen fallen und somit einen Versicherungsfall darstellen.

§ 4 AHB – Ausschlüsse und Deckungserweiterungen
Dieser Abschnitt definiert spezifisch, welche Schadensarten von der Versicherung ausgeschlossen oder eingeschlossen sind. Im Fall wird darauf hingewiesen, dass Schäden, die durch mangelhafte Arbeit entstehen, nicht abgedeckt sind, was zentral für die Ablehnung des Versicherungsschutzes ist.

§ 90 VVG – Rettungskosten in der Sachversicherung
Obwohl primär für die Sachversicherung relevant, wird im Urteil erörtert, dass die Regelung zur Übernahme von Rettungskosten nicht analog auf Haftpflichtversicherungen anwendbar ist, was eine wichtige Rolle in der Urteilsfindung spielt.

§ 103 VVG – Schadensverhütungspflicht
Dieser Paragraph beschreibt allgemeine Schadensverhütungspflichten in der Versicherung und spielt in der Argumentation der Beklagten eine Rolle, insbesondere im Hinblick darauf, dass präventive Maßnahmen nicht als Rettungskosten anerkannt werden.

§§ 91, 708 Nr. 10, 711 ZPO (Zivilprozessordnung) – Kosten und vorläufige Vollstreckbarkeit
Diese Vorschriften regeln die Kostenverteilung in Gerichtsverfahren und die Bedingungen, unter denen Urteile vorläufig vollstreckbar sind. Im Kontext des Falles werden diese Regelungen angewendet, um die finanziellen Verpflichtungen der unterliegenden Partei festzulegen.


Das vorliegende Urteil

OLG Köln – Az.: I-9 U 22/14 – Urteil vom 30.09.2014

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 17.01.2014 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Aachen – 9 O 273/13 – abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird gestattet, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I. Die Klägerin betreibt ein mittelständisches Unternehmen im Bereich Heizung, Sanität und Klimatechnik. Sie hatte bei der Beklagten eine Betriebshaftpflichtversicherung abgeschlossen, der die AHB (Bl. 48 ff.) und die Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Betriebs/Berufshaftpflichtversicherung zugrunde lagen (AH 1070 01.2008, Bl. 14 ff. ).

Nach § 4 I Ziffer 6 AHB besteht

„…Kein Versicherungsschutz für Ansprüche

– auf Erfüllung von Verträgen, Nacherfüllung, aus Selbstvornahme, Rücktritt, Minderung, auf Schadensersatz statt Leistung …“.

In II § 5 AHB heißt es:

„1. Versicherungsfall im Sinne dieses Vertrages ist das Schadensereignis, das Haftpflichtansprüche gegen den VN zur Folge haben könnte …“

In Teil II § 4 „Deckungserweiterungen“ der Besonderen Bedingungen heißt es :

„4.1. Vermögensschäden/Verletzung Datenschutzgesetze

4.1.1. Mitversichert ist im Rahmen des Vertrages die gesetzliche Haftpflicht wegen Vermögensschäden im Sinne von § 1 Ziffer 3 AHB aus Versicherungsfällen, die während der Wirksamkeit der Versicherung eingetreten sind. Ausgeschlossen sind Haftpflichtansprüche aus:

– Schäden, die durch vom Versicherungsnehmer (oder in seinem Auftrag oder seine Rechnung) hergestellte oder gelieferte Sachen oder geleistete Arbeiten entstehen ….

4.6 Tätigkeitsschäden

Eingeschlossen sind – abweichend von Ziffer I 6 b) AHB und Ziffer 7 I 8 AHB – gesetzliche Haftpflichtansprüche wegen Schäden, die an fremden Sachen durch eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Versicherungsnehmers an oder mit diesen Sachen entstanden sind, und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden …

Die Ausschlussbestimmungen des § 4 Ziffer I 6 Abs.3 AHB

HB (Erfüllungsansprüche) ….bleiben bestehen …“

Die Klägerin war beauftragt, eine Trinkwasser-Installation in einem heilpädagogischen Wohnheim in C zu errichten. Im September 2009 stellte sich heraus, dass die installierte Anlage, die aber noch nicht betrieben wurde, aufgrund verschiedener Ursachen mangelhaft war. Die Klägerin meldete dies am 26.01.2010 an die Beklagte. Es lag an mehreren Entnahmestellen ein Legionellenbefall vor. Eine Untersuchung durch einen Sachverständigen ergab, dass die Verantwortlichkeit für das Auftreten von Legionellen überwiegend beim Fachplaner lag (Gutachten vom 16.03. 2010 U GmbH, Prof. Dr. T, Bl 117 ff, 175).

Ein im selbständigen Beweisverfahren erstattetes Gutachten von Prof. Dr. L (LOW – E. …GmbH) Landgericht Kassel – 4 OH 42/10 – kam zu dem Ergebnis, dass der Verursachungsbeitrag der Klägerin 25 % betrug, und zwar aufgrund der unsachgemäßen Rohrleitungsführung, insbesondere im Bereich der Wandinstallation, den Mängeln bei der Dämmung sowie der mangelhaften Spülung des Netzes und dem Einbau falscher Vollstromabsperrventile.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Gutachten als Anlage zu 4 OH 42/10 LG Kassel (dort u.a. Seite 83) verwiesen.

Nach Absprache mit dem Gesundheitsamt erfolgte daraufhin ein provisorischer Einbau von Filtern, die eine befristete legionellenfreie Nutzung der Anlage bis zur Sanierung der Trinkwasserinstallation ermöglichten.

Von den Kosten für diese Maßnahme von 159.251,66 € trug die Klägerin 25 % gleich 39.812,92 €.

Insoweit begehrt sie Ersatz von der Beklagten, was diese außergerichtlich ablehnte.

Die Klägerin hat vorgetragen, auch wenn kein Anspruch auf Entschädigung von Mängelbeseitigungskosten bestehe, so handele es sich hier um Maßnahmen, die über die reine Vertragserfüllung hinausgingen. Die Aufwendungen seien wegen der Gesundheitsgefahr für Dritte notwendig gewesen. Der Schaden betreffe nicht die Vertragsleistung, sondern die Legionellen.

Außerdem seien die Ansprüche unter dem Gesichtspunkt der Rettungskosten nach den §§ 82, 83 VVG gerechtfertigt.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen,

1. an sie 39.812,92 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.07.2010 zu zahlen,

2. an sie einen Betrag in Höhe von 1.094,19 € außergerichtliche Anwaltskosten zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat geltend gemacht, es habe kein Versicherungsfall vorgelegen. Ein Versicherungsfall wegen Fremdschadens habe nicht bestanden, da die Gesundheitsbeschädigung mittels der Filter abgewendet worden sei. Legionellenbefall sei kein Sachschaden im Sinne von § 1 Ziffer 1 AHB.

Es liege wegen fehlerhafter Werkleistung ein nicht versicherter Erfüllungsschaden Im Sinne von § 4 Ziffer 6 b AHB vor. Danach sei auch der Ersatz von Rettungskosten ausgeschlossen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Es hat u.a. ausgeführt, der Anspruch ergebe sich aus den §§ 82, 83 VVG. Ein Versicherungsfall im Sinne von § 5 Ziffer 1 AHB sei eingetreten. Der Vorgang sei mit dem nachgewiesenen Legionellenbefall in Gang gesetzt. Es habe eine Gesundheitsgefahr für die Heimbewohner bestanden, auch wenn sie sich nicht realisiert habe. Die Aufwendungen seien auch geboten gewesen. Der Ausschluss nach § 4 Ziffer 6 b AHB greife nicht, da bei der Realisierung der Gesundheitsgefahr ein Mangelfolgeschaden vorgelegen hätte. Ziffer 4.4.1 BB Teil II betreffe nur Vermögensschäden im Sinne von § 1 Ziffer 3 AHB. Hier seien die Schadensminderungskosten mit den abgewendeten Sach- und Personenschäden verknüpft.

Auf das angefochtene Urteil und seine Feststellungen wird Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung. Sie macht geltend, das Urteil verkenne, dass das Schadenereignis den Personenschaden unmittelbar auslösen müsse. Bei Feststellung des Legionellenbefalls sei die Trinkwasseranlage aber noch gar nicht fertiggestellt gewesen. Sie wäre niemals in Betrieb genommen worden. Aus diesem Grund seien die Aufwendungen auch keine Rettungskosten, sondern Maßnahmen zu Vermeidung des Versicherungsfalls. Zur Personenschädigung wäre es nur gekommen, wenn die Trinkwasseranlage mit den Legionellen betrieben worden wäre.

Die Beklagte hat beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin hat beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil. Sie macht geltend, der Eintritt des Versicherungsfalls sei beim Einbau der Filter bereits „eröffnet“ gewesen. Bei ungehindertem Fortgang hätte eine Schädigung Dritter unmittelbar herbeigeführt werden können.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze Bezug genommen.

Die beigezogenen Akten Landgericht Kassel – 4 OH 42/10 – sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

II. Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung der Beklagten ist begründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte weder aus der abgeschlossenen Betriebshaftpflichtversicherung noch aus dem Gesichtspunkt der Rettungskosten nach den §§ 82, 83 VVG ein Ersatzanspruch zu.

1. Ein Anspruch auf Entschädigung lässt sich nicht aus I § 1 Ziffer 1 AHB herleiten.

Danach gewährt der Versicherer dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz für den Fall, dass er wegen eines während der Wirksamkeit der Versicherung eingetretenen Schadenereignisses, das den Tod, die Verletzung oder Gesundheitsbeschädigung von Menschen (Personenschaden) oder die Beschädigung oder Vernichtung von Sachen (Sachschaden) zur Folge hatte, für diese Folgen auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts von einem Dritten auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird. Versicherungsfall ist das Schadenereignis, das Haftpflichtansprüche gegen den Versicherungsnehmer zur Folge haben könnte, Teil II § 5 Ziffer 1 AHB.

a) Die hier geltend gemachten Ersatzansprüche betreffen allerdings nicht Erfüllungsschäden im Sinne von Teil I § 4 Ziffer 6 AHB (Teil II § 4.6 der Besonderen Bedingungen). Danach besteht kein Deckungsschutz für Ansprüche auf Erfüllung, Nacherfüllung, aus Selbstvornahme, Rücktritt, Minderung, auf Schadensersatz statt der Leistung. Ansprüche, die mit dem Ausgleich oder der Beseitigung des Mangelschadens zusammenhängen, fallen aus der Deckung (Vgl. BGH VersR 2005, 110; Schimikowski in Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, 2. Aufl., Ziffer 1 AHB Rn. 39). Solche Ansprüche sind nicht im Streit. Vielmehr geht es um die Kosten für den Einbau von „endständigen Filtern“, die eine befristete Nutzung der Anlage bis zur Sanierung der Trinkwasserinstallation ermöglichten.

b) Ein Anspruch ergibt sich auch nicht aus Teil II, Ziffer 4.1.1 oder 4. 6 der Besonderen Bedingungen unter dem Gesichtspunkt der Vermögensschäden. Im Hinblick auf Ziffer 4.1.1 greift bereits der Ausschluss ein, wonach keine Deckung besteht für Schäden, die durch vom Versicherungsnehmer hergestellte oder gelieferte Sachen oder geleistete Arbeiten verursacht sind. Im übrigen sind keine Sachschäden im Sinne von Ziffer 4.6 entstanden. Die Herstellung einer mangelhaften Sache ist keine Sachbeschädigung (vgl. BGH VersR 2005, 110). Das trifft auch auf die – noch nicht abgenommene – Trinkwasseranlage einschließlich des darin befindlichen Wassers zu. Damit liegen auch die Voraussetzungen von Ziffer 4.6 der Besonderen Bedingungen nicht vor.

2. Ein Anspruch ergibt sich aber auch nicht aus dem Gesichtspunkt der vorgezogenen Rettungskosten nach den §§ 82, 83, 90 VVG.

a) Die Neuregelung des § 90 VVG gilt nur für die Sachversicherung (Prölss/Martin/Armbrüster, VVG, 28. Aufl., § 90 Rn. 2; Looschelders/Pohlmann/Schmidt-Kessel, § 90 Rn. 2; MüKo-VVG/Staudinger § 90 Rn. 5; Rüffer/Halbach/Schimikowski/Halbach, § 90 Rn. 2; zum alten Recht Senat, VersR 2002, 1231). Das folgt bereits aus dem systematischen Standort der Norm. Die Norm sollte der sog. Vorerstreckungstheorie, die die Rettungsobliegenheit vorverlagert, in der Sachversicherung Rechnung tragen. Danach kann der Versicherungsnehmer vom Versicherer Ersatz beanspruchen, wenn er Aufwendungen getätigt hat zur Abwendung des unmittelbar bevorstehenden Versicherungsfalls.

Eine Ausdehnung der Norm auf andere Zweige der Schadensversicherung bzw. eine analoge Anwendung hat der Reformgesetzgeber ausdrücklich abgelehnt (Vgl. BT-Drucks. 16/3945 S. 83). Eine erweiternde Anwendung der Vorschrift über die Sachversicherung hinaus würde auf eine allgemeine Schadensverhütungspflicht hinauslaufen und in den Regelungsgehalt des § 103 VVG eingreifen.

Im übrigen hat ein Sach- oder Personenschaden nicht unmittelbar bevorgestanden. Zum Zeitpunkt der Feststellung des Legionellenbefalls war die Trinkwasseranlage noch nicht fertiggestellt und in Betrieb genommen. Eine mikrobiologische Untersuchung der Trinkwasserqualität von Warm- und Kaltwasser am 21.09.2009 durch die Umwelthygiene N belegte eine Legionellenbelastung. Im späteren Abnahmetermin vom 25.11.2009 wurde der Mangel gerügt. In der Folgezeit wurden dann verschiedene Maßnahmen vorgenommen. Letztlich kam es zum Filtereinbau nach Absprache mit dem Gesundheitsamt, um einen befristeten legionellenfreien Betrieb sicherzustellen.

Die Anlage wäre nicht in Betrieb genommen worden, wenn nicht die Filter eingebaut worden wären, die eine befristete legionellenfreie Nutzung bis zur Gesamtsanierung der Trinkwasserinstallation ermöglichte. Ein Personenschaden war daher nicht unmittelbar bevorstehend, sondern nahezu ausgeschlossen.

Demnach hat die Berufung auch aus diesem Gesichtspunkt keinen Erfolg.

3. Die prozessualen Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 708 Ziffer 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen der Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordert im vorliegenden Einzelfall die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 39.812,92 €

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