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Elementarschadenversicherung versicherter Rückstauschaden

Oberlandesgericht Hamburg – Az.: 9 U 201/13 – Beschluss vom 17.03.2014

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 29.11.2013, Aktenzeichen 332 O 35/13, durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

2. Die Klägerin kann hierzu binnen 2 Wochen Stellung nehmen.

Gründe

Die Berufung der Klägerin hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Die Klägerin kann von der Beklagten aus der Elementarschadenversicherung keine Entschädigung verlangen, weil die Schäden an ihrem Lager- und Bürogebäude nicht durch einen „Rückstau“ im Sinne der hier maßgeblichen Versicherungsbedingungen verursacht worden sind. Die Klägerin hat in ihrer Berufungsbegründung keine Umstände aufgezeigt, aus denen sich Rechtsverletzungen und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben.

Das Landgericht hat zwar offen gelassen, ob ein ungewöhnlicher – von den Beklagten bestrittener- Starkregen am 06. Juni 2011 zur Ansammlung von erheblichen Mengen Wasser auf dem Flachdach und zum Reißen der Dachfolie geführt hat oder ob Bauausführungsfehler am Flachdach – wie die Beklagte vorträgt – für die Rissbildung und das Eintreten des Wassers in das Gebäudeinnere zumindest mitursächlich gewesen sind. Zutreffend hat das Landgericht jedoch festgestellt, dass auch unter Zugrundelegung des eigenen Vortrages der Klägerin, wonach es aufgrund des Wasserdrucks wegen der immensen Niederschlagsmengen zu Rissen in der Dichtungshaut des Daches und dadurch zum Wassereintritt in das versicherte Gebäude gekommen sei, kein versichertes Ereignis im Sinne der hier maßgeblichen Versicherungsbedingungen vorgelegen habe. Die Auffassung der Landgerichts, dass der dadurch eingetretene Sachschaden nicht auf einen Rückstau gemäß § 3 b) BWE 2008 zurückzuführen sei, wird vom erkennenden Senat geteilt. Zwar ist in der von der Klägerin abgeschlossenen erweiterten Elementarschadenversicherung gemäß § 2 a) BWE 2008 auch der Rückstau versichert. Nach dem objektiven Empfängerhorizont umfasst der Begriff „Rückstau“ grundsätzlich auch die Fälle, in denen sich Niederschlagswasser in erheblichen Mengen in der Kanalisation sammelt und von dort nicht mehr in der vorgesehenen Weise abtransportiert werden kann (vgl. OLG Nürnberg r+s 2007, 329). Ein Rückstau kann auch durch auf Gebäuden oder Grundstücken sich ansammelndes Oberflächenwasser, dass nicht mehr über die Kanalisation abgeführt werden kann, entstehen (vgl. OLG Stuttgart VersR 2005, 116 zum Ausschlusstatbestand Rückstau). Für das Vorliegen eines versicherten Rückstauschadens in der bei der Beklagten abgeschlossenen Elementarschadenversicherung muss – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – das Wasser jedoch aus den gebäudeeigenen Ableitungsrohren ausgetreten sein (vgl. hierzu auch Günther in Münchener Kommentar zum Versicherungsrecht, 2010, EV Rn. 53). Denn in § 3 b) BWE 2008 ist klar definiert, wann ein Rückstau vorliegt, nämlich „wenn Wasser durch Ausuferung von oberirdischen (stehenden oder fließenden) Gewässern oder durch Witterungsniederschläge bestimmungswidrig aus den gebäudeeigenen Ableitungsrohren oder damit verbundenen Einrichtungen in das Gebäude eindringt“ (vgl. auch Günther in Münchener Kommentar zum Versicherungsrecht, 2010, EV Rn. 53). Dem Landgericht ist darin zuzustimmen, dass nach dem Bedingungswerk auch das von der Klägerin vorgetragene bestimmungswidrige Eindringen des Regenwassers durch Risse im Flachdach in das Gebäudeinnere nicht versichert ist, weil der versicherte Rückstauschaden nach der eindeutigen und klaren Definition des § 3 b) BWE 2008 ein Eindringen „aus den gebäudeeigenen Ableitungsrohren oder damit verbundenen Einrichtungen“ voraussetzt. Diese Regelung ist inhaltlich verständlich und auch nicht überraschend. Die Klausel steht nicht an versteckter Stelle, sondern befindet sich unmittelbar hinter der Klausel (§ 2 BWE 2008), durch die der Umfang des Versicherungsschutzes festgelegt wird, also an einer Stelle, an der sie der Versicherungsnehmer erwarten kann und zwar unter der eindeutigen und durch Fettdruck hervorgehobenen Überschrift „Überschwemmung, Rückstau“.

Die Klägerin hätte sich beim Lesen des Bedienungswerkes auch keine Gedanken darüber machen müssen, inwieweit die Definition des Begriffes Rückstau in § 3 b) BWE 2008 mit dem Begriff Rückstau als Ausschlusstatbestand in der Leitungswasserversicherung identisch sein könnte. Denn hier geht es nicht um die Frage eines Ausschlusstatbestandes und eine in diesem Zusammenhang notwendige Auslegung des Begriffes „Rückstau“, wie er z.B. in § 1 Nr. 4 a) dd) AWB 2008 genannt ist, sondern um die Definition des „Rückstaus“ im Sinne der hier maßgeblichen Versicherungsbedingungen. Und dieser „Rückstau“ ist klar definiert und setzt nach dem eindeutigen Wortlaut des § 3 b) BWE 2008 einen bestimmungswidrigen Austritt von Wasser durch Witterungsniederschläge „aus den gebäudeeigenen Ableitungsrohren oder damit verbundenen Einrichtungen voraus“. Wenn diese Definition des Begriffes „Rückstau“ überhaupt einer Auslegung zugänglich ist, muss ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhanges (vgl. BGHZ 123, 83) diese Regelung dahingehend verstehen, dass es nicht nur darauf ankommt, ob auf Gebäuden oder Grundstücken sich ansammelndes Oberflächenwasser nicht mehr über die Kanalisation oder öffentliche Flächen abfließen kann, sondern ganz besonders darauf, auf welchem Weg dieses nicht mehr abfließende und infolgedessen „zurückgestaute“ Wasser in das versicherte Gebäude eindringt. Dass das Niederschlagswasser aus den gebäudeeigenen Ableitungsrohren in das Gebäude eingedrungen ist, hat die Klägerin erstinstanzlich nicht vorgetragen, sondern stets behauptet, dass es aufgrund des Wasserdrucks wegen der immensen Niederschlagsmengen zu Rissen in der Dichtungshaut des Daches und dadurch zum Wassereintritt durch das Flachdach gekommen sei. Das Eindringen von Niederschlagswasser durch das Flachdach stellt aber keinen bedingungsmäßigen Rückstau dar. Von einem versicherten Rückstauschaden im Sinne der Versicherungsbedingungen wäre aber auch dann nicht auszugehen, wenn, wie die Klägerin in erster Instanz im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 12.11.2013 vorgetragen hat, das Niederschlagswasser nur nicht mehr von den Ableitungsrohren hätte aufgenommen werden können und sich dort gestaut hätte. Ob die Auffassung der Klägerin, aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 20.04.2005 (VersR 2005, 828 – 829) lasse sich herleiten, dass für das bestimmungswidrige Eindringen des Wassers mittelbare Kausalität ausreiche und deshalb für den Versicherungsfall unerheblich sei, ob das Wasser unmittelbar aus den Ableitungsrohren oder mittelbar durch die Dachfolie in das Gebäude eingedrungen sei, zutreffend ist, kann dahin gestellt bleiben. Selbst wenn unter Berücksichtigung der BGH-Entscheidung auch hinsichtlich der Rückstauschäden nur adäquate Kausalität gefordert werden dürfte, könnte sich dem Versicherungsnehmer aus der klaren Definition des „Rückstaus“ in § 3 b) BWE 2008 jedenfalls nichts anderes erschließen, als dass nach Maßgabe der Versicherungsbedingungen Ersatz nur für solche Schäden geleistet wird, die dadurch entstehen, dass Witterungsniederschläge nicht mehr über die Kanalisation abfließen können und infolgedessen durch die gebäudeeigenen Ableitungsrohre z.B. in den Keller oder nach oben auf das Dach drücken und auf diesem Wege in das Gebäude eindringen. Einen solchen Schadenseintritt hat die Klägerin in erster Instanz allerdings nicht behauptet. In der Berufungsbegründung hat die Klägerin ihren Vortrag zwar dahingehend ergänzt, dass sie nunmehr behauptet, ein Teil des Wassers sei aus dem vollgelaufenen Abflussrohr wieder auf das Gründach gedrückt worden und von dort in das Gebäude eingedrungen. Dieser Sachvortrag, der von der Beklagten in der Berufungserwiderung ausdrücklich bestritten wurde, ist im Hinblick auf das erstinstanzliche Vorbringen aber neu im Sinne des § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO, ohne dass sich die Klägerin für die Nachlässigkeit des Vorbringens genügend entschuldigt hätte. Der Vortrag kann deshalb in der Berufungsinstanz nicht mehr berücksichtigt werden. Zudem erscheint höchst zweifelhaft wie der Klägerin der Nachweis gelingen könnte, in welchem Umfang das aus den vollgelaufenen Abflussrohren wieder hochgedrückte Wasser den hier streitgegenständlichen Schaden verursacht haben soll.

Das Landgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei dem Gründach nicht um eine mit den gebäudeeigenen Ableitungsrohren verbundene Einrichtung, sondern um einen Bestandteil des Gebäudes handelt. Es mag zutreffend sein, dass das auf dem Gebäude befindliche Gründach – anders als ein normales Flachdach – die Funktion hatte, Regenwasser zur Bewässerung der darauf befindlichen Grasschicht aufzunehmen und auch zu speichern. Diese Funktion macht das Gründach allerdings nicht zu einer Einrichtung im Sinne der hier maßgeblichen Versicherungsbedingungen. Aus den Bedingungen selbst ergibt sich nicht, wie eine mit den gebäudeeigenen Ableitungsrohren verbundene Einrichtung zu definieren ist. Die Klägerin greift zur Auslegung auf eine Definition in der Hausrat- und Wohngebäudeversicherung bei Schäden durch Leitungswasser zurück, wonach mit dem Rohrsystem verbundene Einrichtungen alle Behältnisse sind, die bestimmungsgemäß Wasser durchlassen oder aufnehmen und dauernd durch eine Zuleitung oder eine Ableitung oder durch beides mit dem Rohrsystem verbunden sind (vgl. Rüffer in Beckmann-Matusche, Versicherungsrechtshandbuch, 2 Auflage 2009, § 32 Rn. 66). Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch sind hierunter Einrichtungen zum Zwecke des Wasserdurchlaufs wie z.B. Hähne und Ventile oder Einrichtungen zum Gebrauch stehenden oder durchlaufenden Wassers wie z.B. Waschbecken, Badewannen, Duschwannen, Schwimmbecken, Toiletten, aber auch Waschmaschinen und Spülmaschinen zu verstehen. Dagegen hat ein Dach die Funktion, das Gebäude vor Witterungseinflüssen zu schützen und sicherlich nicht die Aufgabe, bestimmungsgemäß Wasser durchzulassen. Etwas anderes kann auch nicht für ein Gründach gelten, selbst wenn es zur Bewässerung der Grassubstratschicht geringe Mengen von Regenwasser aufnehmen und speichern kann. Wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, macht diese Funktion das Gründach auch nicht zu einer „Dachwanne“, die mit einer Badewanne vergleichbar wäre.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erscheint eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.

 

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