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Elementarschadenversicherung – Erdfall als Versicherungsfall

Mysteriöser Hohlraum führt zu Versicherungsstreit

Ein mysteriöser Hohlraum unter einem Wintergarten ist der Auslöser eines aufsehenerregenden Rechtsstreits. Die Hauptfrage, die dieses Geschehen zu einem interessanten Präzedenzfall macht, ist: Wer ist für die Entstehung des Hohlraums verantwortlich? War es die Hand des Menschen oder die unaufhaltsamen Kräfte der Natur? Auf dem Spiel stehen 14.394,32 €, die Kosten für das Auffüllen des Hohlraums mit Flüssigbeton und die Wiederherstellung des Oberflächenpflasters.

Direkt zum Urteil Az.: 2 O 257/19 springen.

Hintergrund des Versicherungsfalles

Im Zentrum des Falls steht eine Elementarschadenversicherung, die unter anderem sogenannte „Erdfälle“ abdeckt. Dies sind nach den Versicherungsbedingungen Einstürze des Bodens über natürlichen Hohlräumen. Anfang 2019 wurde ein solcher Hohlraum auf dem Grundstück der Klägerin entdeckt, direkt unter einem Wintergarten. Die Klägerin behauptet, dass der Hohlraum naturbedingt entstanden ist und daher von der Beklagten, ihrer Versicherungsgesellschaft, eine Entschädigung verlangt werden kann.

Spannungsfeld zwischen Mensch und Natur

Die Versicherungsgesellschaft weist jedoch diese Ansprüche zurück und behauptet, dass der Hohlraum durch menschliches Eingreifen entstanden sei. Hier wurden zwei mögliche Ursachen ins Feld geführt: entweder durch den Einbau von Regenwasserzisternen während der Errichtung des Wintergartens im Jahr 2009 oder durch den Betrieb einer ehemaligen Ziegelei in der Nachbarschaft. Die Versicherungsgesellschaft argumentiert, dass die Frage, ob der Einsturz natürliche Ursachen hatte, irrelevant ist – das Entscheidende ist die Natürlichkeit des Hohlraums.

Aussage des Sachverständigen und Auswirkungen auf den Versicherungsfall

Im Laufe des Verfahrens wurde ein Sachverständiger für Geotechnik hinzugezogen. Sein Bericht unterstützt die Argumentation der Versicherungsgesellschaft: Der Hohlraum wurde wahrscheinlich durch menschliche Aktivitäten, möglicherweise im Zusammenhang mit der ehemaligen Ziegelei, geschaffen. Diese Interpretation wirkt sich negativ auf die Ansprüche der Klägerin aus, da es nach den Versicherungsbedingungen auf die Natürlichkeit des Hohlraums ankommt.

Das abschließende Urteil und die Konsequenzen für die Klägerin

Letztendlich entschied das Gericht, dass der Versicherungsfall nicht eingetreten ist und die Klage somit unbegründet ist. Die Klägerin konnte den Nachweis der Natürlichkeit des Hohlraums nicht erbringen und muss die Kosten des Rechtsstreits tragen. Darüber hinaus ist das Urteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. […]


Das vorliegende Urteil

LG Offenburg – Az.: 2 O 257/19 – Urteil vom 27.11.2020

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 14.394,32 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Leistungen aus einer Elementarschadenversicherung.

Die Parteien sind seit dem 25.06.2015 über eine „Gebäude Feuer-/Elementarschadenversicherung“ mit der Versicherungsnummer …/… miteinander verbunden. Versichert ist u.a. der sog. Erdfall, der sich nach den in den Vertrag einbezogenen FEVB 2001 definiert als Einsturz des Bodens über natürlichen Hohlräumen.

Anfang 2019 wurde im Bereich unter dem im Jahr 2009 errichteten Wintergarten auf dem klägerischen Grundstück ein ca. 15 m langer Hohlraum entdeckt. Die Klägerin ließ diesen für 13.517,14 € mit knapp 50 m³ Flüssigbeton auffüllen. Zudem ließ sie das Pflaster an der Oberfläche für 877,18 € wieder einbringen. Die Beklagte lehnte vorgerichtlich ihre Einstandspflicht ab.

Die Klägerin behauptet, dass der entdeckte Hohlraum naturbedingt entstanden sei.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass sie deshalb von der Beklagten Zahlung von 14.394,32 € verlangen könne, da der Versicherungsfall Erdfall eingetreten sei.

Die Klägerin beantragt,

1.) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 14.394,32 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Klagezustellung zu zahlen.

2.) Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 1.029,35 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Klagezustellung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, dass der Hohlraum durch menschlichen Eingriff entstanden sei, nämlich entweder beim Einbau der Regenwasserzisternen im Zuge der Errichtung des Wintergartens im Jahr 2009 oder beim Betrieb einer mittlerweile stillgelegten Ziegelei.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass der Versicherungsfall daher nicht eingetreten sei, zumal das Unterfüllen von Erdreich nach § 2 Nr. 1 FEVB 2001 nicht versichert sei. Ob der Einsturz natürliche Ursachen hatte oder nicht, sei irrelevant, da es allein auf die Natürlichkeit des Hohlraums ankomme.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst jeweils dazugehöriger Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens des Sachverständigen für Geotechnik Herrn Dr. U. . Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Sachverständigengutachten sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 07.10.2020 (Bl. 139 ff. d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

1.) Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus dem Versicherungsvertrag auf Zahlung von 14.394,32 €, da der Versicherungsfall nicht eingetreten ist.

a) Ein Erdfall i.S.d. FEVB 2001 liegt nicht vor, da der beweispflichtigen Klägerin nicht der Nachweis der Natürlichkeit des Hohlraums gelungen ist. Die vorhandenen Indizien sprechen vielmehr dafür, dass der Hohlraum durch Menschenhand geschaffen wurde. So konnte der gerichtliche Sachverständige auf Nachfrage beim Stadtarchiv der Stadt H. in Erfahrung bringen, dass auf dem Nachbargrundstück der Klägerin bis ins Jahr 1966 ein Ziegelwerk betrieben wurde (Seite 2 des Gutachtens), wodurch auch die Böschung südlich des klägerischen Grundstücks entstanden sei. Zudem lässt ein Foto, welches die Klägerin von dem Hohlraum anfertigen ließ, eine Art Holzabsperrung erkennen (vgl. Bl. 79 d.A.). Dies begründe nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen den Verdacht, dass es sich bei dem Hohlraum, der Richtung der künstlichen Böschung und damit Richtung ehemaliger Ziegelei verläuft, um einen sog. Erkundungsstollen des Ziegelwerks handelte. Letztlich könne aber über die Ursache der Hohlraumbildung nur spekuliert werden.

Diese nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen, welche zulasten der beweisbelasteten Klägerin gehen, macht sich das Gericht zu eigen.

b) Dass der Einsturz natürliche Ursachen hatte, ist irrelevant, da es nach dem eindeutigen Wortlaut der Versicherungsbedingung nicht auf die Natürlichkeit des Einsturzes, sondern die des Hohlraums ankommt.

2.) Die Nebenansprüche (Verzinsung, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten) teilen das Schicksal des Hauptanspruchs.

II.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 S. 2 ZPO.

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