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Versicherungsbedingungen Reiseversicherung – „unerwartete und schwere Erkrankung“ unwirksam?

Oberlandesgericht Hamburg – Az.: 9 U 228/19 – Urteil vom 10.07.2020

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 07.11.2019, Az. 312 O 524/15, aufgehoben und die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Beschluss: Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 25.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger, ein als qualifizierte Einrichtung im Sinne von § 4 UKlaG eingetragener Verein, nimmt den beklagten Versicherer auf Unterlassung der Verwendung der Formulierung „unerwartete und schwere Erkrankung“ in dessen Versicherungsbedingungen für die Reiseversicherung in Anspruch.

Die Beklagte verwendet in ihren Versicherungsbedingungen für die Reiseversicherung (Anlage K 2) im Abschnitt B: Besonderer Teil unter der Überschrift „Reise-Rücktrittsversicherung“ u.a. folgende Regelungen:

„2. Wann liegt ein Versicherungsfall vor?

Die HanseMerkur leistet, wenn Sie oder eine Risikoperson von einem versicherten Ereignis betroffen sind und der planmäßige Antritt der versicherten Reise dadurch für Sie nicht zumutbar ist.

3. Welche Ereignisse sind versichert?

1. Unerwartete und schwere Erkrankung, Tod, Unfallverletzung oder Schwangerschaft;

[…]

15. Unerwartete und schwere Erkrankung, schwere Unfallverletzung oder Impfunverträglichkeit zur Reise angemeldeten Hundes oder einer zur Reise angemeldeten Katze.“

In Ziffer 7. VB-RS 2014 heißt es unter der Überschrift „Welche Einschränkungen des Versicherungsschutzes sind zu beachten?“:

„1. Vorerkrankungen

Nicht versichert sind Erkrankungen, die zum Zeitpunkt des Versicherungsabschlusses bekannt und in den letzten 6 Monaten vor Versicherungsabschluss behandelt worden sind. Kontrolluntersuchungen gelten nicht als Behandlungen.“

Im Abschnitt B: Besonderer Teil unter der Überschrift „Urlaubsgarantie (Reiseabbruch-Versicherung)“ verwendet die Beklagte u.a. folgende Regelungen:

„2. Wann liegt ein Versicherungsfall vor?

Die HanseMerkur leistet, wenn Sie oder eine Risikoperson von einem versicherten Ereignis betroffen sind und die planmäßige Beendigung der versicherten Reise dadurch für Sie nicht zumutbar ist.

3. Welche Ereignisse sind versichert?

1. Unerwartete und schwere Erkrankung, Tod, Unfallverletzung oder Schwangerschaft;

[…]

6. Welche Einschränkungen des Versicherungsschutzes sind zu beachten?

1. Vorerkrankungen

Nicht versichert sind Erkrankungen, die zum Zeitpunkt des Versicherungsabschlusses bekannt und in den letzten 6 Monaten vor Versicherungsabschluss behandelt worden sind. Kontrolluntersuchungen gelten nicht als Behandlung.“

Die Beklagte verwendet die Formulierung „Unerwartete und schwere Erkrankung“ außerdem in ihrem Produktinformationsblatt (vgl. Anlage K 3) und in ihrer Leistungsübersicht (vgl. Anlage K 4).

Der Kläger forderte die Beklagte mit Schreiben vom 11.06.2015 (Anlage K 5) auf, es zu unterlassen, bei Abschluss von Reiseversicherungsverträgen in ihren Versicherungsbedingungen für die Reiseversicherung gegenüber Verbrauchern die Formulierung „unerwartete und schwere Erkrankung“ zu verwenden. Gleichzeitig forderte er die Beklagte mit diesem Schreiben auf, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Mit Schreiben vom 02.07.2015 (Anlage K 6) lehnte die Beklagte es ab, die geforderte Unterlassungserklärung abzugeben.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass die Klauseln wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam seien. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer könne den Klauseln nicht hinreichend klar entnehmen, was versichert sei. Dieser könne anhand des Tatbestandsmerkmals „schwer“ nicht erkennen, ab welcher Intensität der Erkrankung die Beklagte Versicherungsschutz gewähren wolle. Durch das Merkmal „unerwartet“ werde dem Versicherungsnehmer nicht klar und verständlich gemacht, unter welchen Umständen er mit einer Erkrankung zu rechnen habe, ob ein schon bestehendes Grundleiden eine hierfür typische Erkrankung sei und ob ein bei einem chronischen Leiden typischer Krankheitsschub nicht mehr als „unerwartet“ einzustufen sei. Es mangele den Versicherungsbedingungen der Beklagten an jeglicher Präzisierung der Tatbestandsmerkmale „schwer“ und „unerwartet“. Es wäre im Mindesten zu erwarten, dass die Beklagte Definitionen wiedergebe und in ihren Formularabreden erläutere, dass es bei der Schwere der Erkrankung darauf ankomme, dass die Krankheitssymptome der Nutzung der gebuchten Hauptreiseleistung entgegenstünden.

Versicherungsbedingungen Reiseversicherung - "unerwartete und schwere Erkrankung" unwirksam?
(Symbolfoto: Von 279photo Studio/Shutterstock.com)

Der Kläger hat weiter ausgeführt, dass die Klauseln auch gegen § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB verstießen, weil sie den Versicherungsnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligten. Eine unangemessene Benachteiligung sei nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der sie abweiche, nicht vereinbar sei. Die Klauseln verstießen gegen das gesetzliche Leitbild der novellierten §§ 19 ff. VVG. Nach § 19 Abs. 1 S. 1 VVG obliege es jetzt dem Versicherer, die Beurteilung gefahrerheblicher Umstände zu erfragen. Die Formulierung „unerwartete und schwere Erkrankung“ nehme zum Teil bereits die bei Vertragsschluss bestehenden Krankheiten des Versicherungsnehmers vom Versicherungsschutz aus. Deshalb müsse der Versicherer im Sinne der §§ 19 ff. VVG solche Erkrankungen vorab in Textform erfragen und zwar unter Hinweis auf die möglichen Sanktionen einer entsprechenden Anzeigepflichtverletzung. Der Versicherer umgehe das Konzept der vorvertraglichen Anzeigepflicht, wenn er mittels der Verwendung der streitgegenständlichen Klauseln eine Risikoprüfung im Vorfeld des Vertragsschlusses unterlasse und jene auf den Zeitraum nach dessen möglichen Eintritt verlagere und damit auf den Versicherungsnehmer unzulässig abwälze. Zudem werde der Vertragszweck nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB gefährdet, denn gerade solche Versicherungsnehmer, die eher mit einer Erkrankung rechnen müssten, würden mit höherer Wahrscheinlichkeit einen Deckungsverlust erleiden.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen,

1. es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an den Vorstandsmitgliedern, zu unterlassen,

beim Abschluss von Verträgen über Reiserücktrittskostenversicherungen und/oder Reiseabbruchkostenversicherungen,

– wie in der als Anlage K 2 vorgelegten „Versicherungsbedingungen für Reiseversicherung …. (RRK/UG-D)“ geschehen –

die folgende – hier durch Fettdruck hervorgehobene – oder eine dieser inhaltsgleichen Versicherungsklauseln zu verwenden

und/oder

sich gegenüber Versicherungsnehmern bei der Abwicklung bereits abgeschlossener Verträge der vorgenannten Art auf diese oder inhaltsgleiche Klausel zu berufen, sofern dies nicht gegenüber einem Unternehmen im Sinne des § 14 BGB geschieht:

„[…]

B. Besonderer Teil […]

Reise-Rücktrittsversicherung

3. Welche Ereignisse sind versichert? […]

1. Unerwartete und schwere Erkrankung, …

[…]

15. Unerwartete und schwere Erkrankung, […] zur Reise angemeldeten Hundes oder einer zur Reise angemeldeten Katze.

[…]

8. Wann fällt eine Selbstbeteiligung an?

Soweit nicht anders vereinbart gilt: Im Falle einer unerwarteten und schweren Erkrankung, die ambulant behandelt wird, beträgt der Selbstbehalt 20% des erstattungsfähigen Schadens, mindestens 25,– EUR je versicherte Person bzw. Objekt. Dieser Selbstbehalt entfällt, wenn eine vollstationäre Krankenhausbehandlung erforderlich wird. Bei allen anderen Ereignissen wird kein Selbstbehalt berechnet. […]

Urlaubsgarantie (Reiseabbruch-Versicherung)

[…]

3. Welche Ereignisse sind versichert?

1. Unerwartete und schwere Erkrankung, …

[…]

7. Wann fällt eine Selbstbeteiligung an?

Soweit nicht anders vereinbart gilt: Im Falle einer unerwarteten und schweren Erkrankung, die ambulant behandelt wird, beträgt der Selbstbehalt 20% des erstattungsfähigen Schadens, mindestens 25,– EUR je versicherte Person bzw. Objekt. Dieser Selbstbehalt entfällt, wenn eine vollstationäre Krankenhausbehandlung erforderlich wird. Bei allen anderen Ereignissen wird kein Selbstbehalt berechnet.“

2. an den Kläger 250,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.07.2015 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass die beanstandeten Klauseln der Transparenzkontrolle entzogen seien, weil es sich hierbei um eine primäre Risikobeschreibung handele. Entgegen der Auffassung des Klägers werde durch den Begriff „unerwartete und schwere Erkrankung“ das Hauptleistungsversprechen nicht eingeschränkt, vielmehr stelle dieser Begriff das Hauptleistungsversprechen dar. Die beanstandeten Klauseln verstießen auch nicht gegen das gesetzliche Leitbild der §§ 19 ff. VVG. Zweck des § 19 VVG sei nicht die Gewährleistung einer möglichst hohen Transparenz hinsichtlich des Umfangs des Versicherungsschutzes. Diese Vorschrift habe allein den Informationsbedarf des Versicherers im Auge, der dadurch in die Lage versetzt werden solle, das Risiko zutreffend einzuschätzen. Die Regelungen der §§ 19 ff. VVG dienten insoweit dem Schutz des Versicherers und der Risikogemeinschaft.

Das Landgericht hat der Unterlassungsklage mit Urteil vom 07.11.2019 stattgegeben. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die beanstandeten Klauseln würden gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB verstoßen und die Versicherten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Der Begriff „unerwartet“ sei unklar, weil der Versicherungsnehmer nicht erkennen könne, ob auch bei Vertragsschluss vorhandene und bekannte Krankheiten, die sich später plötzlich erheblich verschlechtern würden, versichert seien. Die Klausel gebe keine Kriterien vor, wann mit einer Verschlechterung gerechnet werden könne und wann nicht. Unter Berufung auf die Entscheidung des BGH vom 10.12.2014 (Az. IV ZR 289/13), in der eine Risikoausschlussklausel mit der Formulierung „ernstliche Erkrankungen“ in der Ratenschutzversicherung für intransparent gehalten wurde, hat das Landgericht die Auffassung vertreten, dass auch der Begriff „schwere Erkrankung“ unklar sei, weil dem Versicherungsnehmer eine Unterscheidung zwischen schweren und nicht schweren Erkrankungen zugemutet werde, ohne dass ihm klare Kriterien für diese Bewertung an die Hand gegeben würden. Eine AGB-Kontrolle sei nicht deshalb ausgeschlossen, weil es sich bei den beanstandeten Regelungen um das Hauptleistungsversprechen handele. Den Attributen „unerwartete und schwere“ sei vielmehr eine Einschränkung des Versicherungsschutzes immanent, wodurch das Hauptleistungsversprechen, nämlich die Übernahme von Kosten bei Reiserücktritt oder Reiseabbruch aufgrund einer Erkrankung, eingeschränkt oder modifiziert werde. Klauseln, die das Hauptleistungsversprechen einschränken, ausgestalten oder modifizieren, seien inhaltlich zu kontrollieren.

Wegen der weiteren Begründung und der Einzelheiten der Argumentation der Parteien wird auf die in erster Instanz gewechselten Schriftsätze sowie das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 11.11.2019 zugestellte Urteil am 04.12.2019 Berufung eingelegt und ihre Berufung – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 13.02.2020 – mit am 12.02.2020 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Die Beklagte führt zur Begründung ihrer Berufung aus, dass in der neueren Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 04.04.2018, Az. IV ZR 104/17) die Vertragsklausel „unerwartete Erkrankungen“ unbeanstandet geblieben sei. Außerdem habe das Landgericht verkannt, dass es sich bei dem Einstehenmüssen der Beklagten für den Fall der unerwartet schweren Erkrankung wie auch der unerwarteten Verschlechterung einer bereits bestehenden Erkrankung um das Hauptleistungsversprechen handele. Die Beklagte habe durch den Begriff „unerwartet schwere“ Erkrankung deutlich gemacht, dass ihr Hauptleistungsversprechen nicht jede Art von Erkrankungen umfasse, sondern lediglich solche, die einen Antritt der Reise oder die Fortsetzung einer bereits angetretenen Reise als unzumutbar erscheinen lassen. Der Kernbereich des Hauptleistungsversprechens sei aber der Klauselkontrolle entzogen. Die Beklagte ist der Ansicht, dass dem Kläger das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Das Landgericht habe in diesem Zusammenhang nicht hinreichend berücksichtigt, dass sich die Parteien unter Einschaltung bzw. Vermittlung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) auf einen Annex zu den AVB geeinigt hätten, der den Bedingungen seitdem als Glossar (vgl. Anlage B2) angehängt und in dem der Begriff „unerwartete schwere Erkrankung“ erläutert werde.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 07.11.2019 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, den Tenor des landgerichtlichen Urteils vom 07.11.2019 auf Seite 3 unter der Überschrift „Urlaubsgarantie (Reiseabbruch-Versicherung) wie folgt zu ergänzen:

3. Welche Ereignisse sind versichert?

1. Unerwartete und schwere Erkrankung, …

sowie die Berufung der Beklagten gegen das berichtigte Urteil des Landgerichts Hamburg zurückzuweisen.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Beklagte aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 04.04.2018, in der es um die Transparenz des Begriffes „eines Arztes am Aufenthaltsort“ in der Reiseabbruchversicherung gegangen sei, nichts für die beanstandeten Klauseln herleiten könne. Der Bundesgerichtshof habe den Klauselbestandteil „unerwartet schwere Erkrankung“ in diesem Urteil nicht gewürdigt. Unzutreffend sei die Auffassung der Beklagten, dass der kontrollfreie Kernbereich des Leistungsversprechens betroffen sei. Zudem entspreche es ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass auch das Hauptleistungsversprechen der Transparenzkontrolle zugänglich sei. Der Kläger wiederholt und vertieft seine erstinstanzliche Argumentation, dass die Klauseln mit den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen der §§ 19 ff. VVG unvereinbar seien. Die Formulierung „unerwartete und schwere Erkrankung“ nehme zum Teil bereits bei Vertragsschluss bestehende Krankheiten des Versicherungsnehmers vom Versicherungsschutz aus. Nach § 19 VVG müsse der Versicherer solche Erkrankungen vorab in Textform unter Hinweis auf die möglichen Sanktionen einer entsprechenden Anzeigepflichtverletzung erfragen. Mit der Novellierung der vorvertraglichen Anzeigepflicht habe der Gesetzgeber erreichen wollen, dass der Versicherungsnehmer mit der Annahmeentscheidung des Versicherers Klarheit darüber habe, ob ein bestimmtes Risiko versichert sei oder nicht. Nach der gesetzgeberischen Wertentscheidung obliege es allein dem Versicherer, zur Erreichung dieses Ziels alle aus seiner Sicht gefahrerheblichen Umstände zu erfragen und im Rahmen seiner Risikoprüfung zu entscheiden, ob er das Risiko tragen wolle oder nicht. Durch die von der Beklagten gewählte Formulierung des Bedingungswortlauts umgehe diese die ihr obliegende Pflicht, nach den aus ihrer Sicht gefahrerheblichen Umständen zu fragen und verlagere die Risikoprüfung auf die Zeit nach einem etwaigen Versicherungsfall, so dass der Versicherungsinteressent das Ergebnis dieser Prüfung nicht bei seiner Entscheidung für oder gegen den Abschluss des Versicherungsvertrages berücksichtigen könne.

Ergänzend wird auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Unterlassung gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 Ziff. 1 UKlaG hinsichtlich der in ihren Versicherungsbedingungen für die Reiseversicherung verwendeten Klauseln mit der Formulierung „unerwartete und schwere Erkrankung“. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers sind die beanstandeten Klauseln weder gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot (dazu unter 1.) noch im Übrigen gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam (dazu unter 2.) oder überraschend im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB (dazu unter 3.).

1.

Nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners, die gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB die Unwirksamkeit der betreffenden Bestimmung zur Folge hat, daraus ergeben, dass eine Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Aus § 307 Abs. 3 S. 2 BGB folgt, dass das Transparenzgebot auch für das Hauptleistungsversprechen und das Preis-/Leistungsverhältnis gilt (BGH, Urteil vom 15.02.2017, IV ZR 91/16, Rdnr. 15; Urteil vom 12.10.2007, V ZR 283/06, Rdnr. 13). Das Transparenzgebot verpflichtet den Verwender allgemeiner Versicherungsbedingungen, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass eine Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und Glauben auch, dass eine Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen soweit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Dem Versicherungsnehmer soll bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vor Augen geführt werden, in welchem Umfang er Versicherungsschutz erlangt und welche Umstände seinen Versicherungsschutz gefährden (BGH, Urteil vom 06.07.2016, IV ZR 44/15, Rdnr. 30 m.w.N.; Urteil vom 04.04.2018, IV ZR 104/17, Rdnr. 8). Allerdings dürfen die Transparenzanforderungen nicht überspannt werden. Die aus dem Transparenzgebot folgende Verpflichtung, den Inhalt der Klausel klar und verständlich zu formulieren, besteht nur im Rahmen des Möglichen (BGH, Urteil vom 25.11.2015, VIII ZR 360/14, Rdnr. 36 m.w.N.). Weder bedarf es eines solchen Grades an Konkretisierung, dass alle Eventualitäten erfasst sind und im Einzelfall keinerlei Zweifelsfragen auftreten können (BGH, Urteil vom 09.06.2011, III ZR 157/10, Rdnr. 27), noch ist ein Verstoß gegen das Transparenzgebot schon dann zu bejahen, wenn Bedingungen noch klarer und verständlicher hätten formuliert werden können (BGH, Urteil vom 13.09.2017, IV ZR 302/16, Rdnr. 15). Maßgebend sind die Verständnismöglichkeiten des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden Durchschnittskunden. Insoweit gilt kein anderer Maßstab als derjenige, der auch bei der Auslegung von Versicherungsbedingungen zu beachten ist (BGH, Urteil vom 20.11.2019, IV ZR 159/18, Rdnr. 8; Urteil vom 04.04.2018, IV ZR 104/17, Rdnr. 9; Urteil vom 08.05.2013, IV ZR 174/12, Rdnr. 9). Diese sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Wortlaut der jeweiligen Klausel auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (BGH, Urteil vom 20.11.2019, IV ZR 159/18, Rdnr. 8; Urteil vom 04.04.2018, IV ZR 104/17, Rdnr. 9; Urteil vom 06.07.2016, IV ZR 44/15, Rdnr. 17).

Unter Anlegung dieser Maßstäbe erweist sich die beanstandete Formulierung „unerwartete und schwere Erkrankung“ in den von der Beklagten verwendeten Versicherungsbedingungen für die Reiseversicherung nicht als intransparent. Entgegen der Auffassung des Klägers wird dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer durch diese Formulierung der Versicherungsschutz – trotz des Beurteilungsspielraums im Falle einer Dauererkrankung sowie in Bezug auf die Intensität der Erkrankung – verständlich und umfassend vor Augen geführt. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird zunächst den Wortlaut in Ziffer 3 der Reise-Rücktrittsversicherung bzw. Ziffer 3 der Reiseabbruch-Versicherung zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen nehmen. Aufgrund des allgemeinen Sprachgebrauchs wird er unter dem Begriff „Erkrankung“ eine Störung des körperlichen und seelischen Wohlbefindens verstehen, die von der Norm „Gesundheit“ abweicht und eine nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Betätigung nach sich zieht. Er wird dann dem Begriff „Erkrankung“ das Adjektiv „schwer“ zuordnen. Das Adjektiv „schwer“ entstammt der Alltagssprache und macht klar, dass die Erkrankung heftig und von einigem Gewicht sein muss. Auf der Grundlage des systematischen Zusammenhangs und des erkennbaren Vertragszwecks, nämlich bei „schwerer Erkrankung“ eine geplante Reise nicht antreten zu müssen oder beenden zu können, wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer erkennen, dass die Krankheitssymptome und Beschwerden einen solchen Schweregrad erreicht haben müssen, dass der Antritt bzw. die Beendigung der geplanten Reise objektiv nicht zumutbar erscheinen. In diesem Verständnis wird der Versicherungsnehmer durch die Regelungen in Ziffer 2 der Reise-Rücktrittsversicherung bzw. Ziffer 2 der Reiseabbruch-Versicherung gestützt. Durch die dortige Formulierung, dass die Versicherung leistet, wenn der Versicherungsnehmer oder eine versicherte Person von einem versicherten Ereignis (unerwartete und schwere Erkrankung) betroffen ist und dadurch der planmäßige Antritt bzw. die planmäßige Beendigung der versicherten Reise für den Versicherungsnehmer nicht zumutbar ist, wird er erkennen, dass dem Begriff „schwer“ nur solche Krankheitssymptome oder Beschwerden unterfallen sollen, die der Nutzung der geplanten Hauptreiseleistung in diesem gesundheitlichen Befinden entgegen stehen (vgl. LG München, Urteil vom 30.03.2000, 12 O 19386/99, bestätigt durch Urteil des OLG München vom 19.10.2000, 29 O 3316/00). Auch wenn die Formulierung in Bezug auf die Intensität der Erkrankung einen gewissen Beurteilungsspielraum zulässt, ist für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer unter Berücksichtigung des Zwecks der Reise-Rücktrittsversicherung gleichwohl erkennbar, dass die Erkrankung einen solchen Schweregrad erreicht haben muss, dass entweder der Reiseantritt oder die planmäßige Beendigung der Reise objektiv nicht möglich sind. Entgegen der Auffassung des Klägers brauchen die notwendig generalisierenden Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht einen solchen Grad an Konkretisierung anzunehmen, dass alle Eventualitäten erfasst sind und im Einzelfall keinerlei Zweifelsfragen auftreten können. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen müssen ausreichend flexibel bleiben, um künftigen Entwicklungen und besonderen Fallgestaltungen Rechnung tragen zu können, ohne dass von ihnen ein unangemessener Benachteiligungseffekt aufgeht. Die Anforderungen an die mögliche Konkretisierung dürfen deshalb nicht überspannt werden; sie hängen auch von der Komplexität des Sachverhalts unter den spezifischen Gegebenheiten des Regelungsgegenstands ab (vgl. BGH, Urteil vom 09.06.2011, III ZR 157/10, Rdnr. 27). Gemessen hieran ist die beanstandete Formulierung der „schweren Erkrankung“ nicht deshalb zu beanstanden, weil sie die vom Kläger geforderte Konkretisierung durch eine enumerative Aufzählung oder Regelbeispiele vermissen lässt. Eine solche Konkretisierung hält der Senat sogar eher für problematisch, weil sich die Frage der Schwere der Erkrankung nicht nur an dem Krankheitsbild orientiert, sondern sich auch nach den mit der Erkrankung verbundenen Symptomen und Beschwerden sowie nach der Art der gebuchten Reise richtet, so dass eine vollständige und abschließende Aufzählung der potenziellen Erkrankungen weder möglich noch zumutbar ist.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist aufgrund der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10.12.2014 (IV ZR 289/13) zur Intransparenz eines Risikoausschlusses für „ernstliche Erkrankungen“ in einer Ratenschutz-Versicherung keine andere rechtliche Würdigung veranlasst. Während die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10.12.2014 eine Ausschlussklausel betraf, stellt sich die hier beanstandete Klausel nach den Versicherungsbedingungen als Leistungsbeschreibung (primäre Risikobeschreibung) dar. Die vorliegend angegriffene Formulierung regelt die versicherten Risiken und damit die Voraussetzungen für den Eintritt des Versicherungsschutzes (vgl. Wandt, Anm. zum Urteil des BGH vom 21.09.2011, IV ZR 227/09, Versicherungsrecht 2012, 89, 90). Den Urteilsgründen der Entscheidung vom 10.12.2014 ist außerdem zu entnehmen, dass der Bundesgerichtshof in dem Risikoausschluss für „ernstliche Erkrankungen“ deshalb einen Verstoß gegen das Transparenzgebot gesehen hat, weil der Versicherungsnehmer durch die im Klammerzusatz dieser Klausel aufgeführten Krankheiten verunsichert wird. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs könne der Versicherungsnehmer – eingedenk des Vertragszwecks – bei einer Unterscheidung zwischen „ernstlichen“ und „nicht ernstlichen“ Erkrankungen noch erkennen, dass als ernstlich zunächst solche Erkrankungen anzusehen seien, denen ein erhöhtes Risiko innewohne, einen Versicherungsfall herbeizuführen. Allerdings werde der Versicherungsnehmer in diesem vertragsorientierten Verständnis durch die im Klammerzusatz aufgeführten Krankheiten nicht unterstützt. Dort würden neben lebensbedrohlichen Erkrankungen auch solche Erkrankungen aufgezählt, mit denen ein höheres Risiko, den Versicherungsfall herbeizuführen, nicht ohne weiteres, sondern nur unter besonderen Umständen einhergehe. Insbesondere die in dem Klammerzusatz genannten Erkrankungen des Kreislaufs, der Wirbelsäule, der Gelenke und der Verdauungsorgane könnten für das versicherte Risiko sowohl potentiell gefährlich als auch unbedeutend sein. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs führt gerade die Aufzählung jener Krankheiten, die schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nicht als „ernstliche“ Erkrankungen bezeichnet werden können, weil dazu auch Beschwerden zählen, denen der durchschnittliche Versicherungsnehmer mit Blick auf den Vertragszweck keine Bedeutung beimisst, dazu, dass die Leistungsausschlussklausel dem Versicherungsnehmer nicht klar vor Augen führt, welche Erkrankungen den Versicherungsschutz gefährden. Insoweit unterscheidet sich die vom Bundesgerichtshof zu beurteilende Risikoausschlussklausel von der hier streitgegenständlichen primären Risikobeschreibung.

Des Weiteren sprechen aber auch die Ausführungen des Bundesgerichtshofs in der Entscheidung vom 20.11.2019 (IV ZR 159/18), in der die Formulierung „erhöhte“ Kraftanstrengung in den allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen 2010 nicht als intransparent angesehen wurde, dafür, auch hier in der Formulierung „schwere Erkrankung“ als Voraussetzung für den Eintritt des Versicherungsschutzes keinen Verstoß gegen das Transparenzgebot zu sehen. Die dortige Argumentation lässt sich nämlich ohne weiteres auf den hier maßgeblichen Begriff der schweren Erkrankung übertragen.

Entgegen der Auffassung des Klägers wird dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer auch durch den Formulierungsteil „unerwartete Erkrankung“ bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses hinreichend klar und deutlich vor Augen geführt, in welchem Umfang er Versicherungsschutz erlangt und welche Umstände seinen Versicherungsschutz gefährden. Soweit in der Literatur (vgl. zum Meinungsstand Staudinger in Staudinger/Halm/Wendt, Versicherungsrecht, 2. Auflage, VB-Reiserücktritt 2008, Rdnr. 6 ff.; Dörner in Prölls/Martin-VVG, 30. Auflage, 560 VB-Reiserücktritt Ziffer 2, Rdnr. 9 ff.) die Auffassung vertreten wird, die Formulierung der unerwarteten Erkrankung erweise sich aus der Perspektive eines Versicherungsnehmers, der an einer Dauererkrankung leide, bei der es typischerweise zu einem schubweisen Verlauf kommen könne, als unklar, weil diesem der Versicherungsschutz in Anbetracht des konkretisierungsbedürftigen Tatbestandsmerkmals sowie des erheblichen Beurteilungsspielraumes nicht präzise, verständlich und umfassend vor Augen geführt werde, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird sich auch insoweit zunächst am Wortlaut der Klauseln orientieren und erkennen, dass das Adjektiv „unerwartet“ nach dem allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet, dass die Erkrankung überraschend, also plötzlich und unvorhergesehen auftreten muss. Schon aus dem Wortlaut der Klauseln wird ein durchschnittlicher um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer folgern, dass die Beklagte nicht solchen Reisenden Versicherungsschutz gewähren möchte, die bereits bei Vertragsabschluss reiseunfähig sind. Er wird erkennen, dass in der Regel nur eine Absicherung für unvorhergesehen auftretende Akuterkrankungen geboten wird, die den Reiseantritt bzw. die planmäßige Beendigung der Reise unzumutbar machen. Der Versicherungsnehmer, der aufmerksam den erkennbaren Sinnzusammenhang zwischen der primären Risikobeschreibung in den Ziffern 3. der Besonderen Bedingungen zur Reise-Rücktrittsversicherung und Reiseabbruch-Versicherung und dem Risikoausschluss bei Vorerkrankungen in Ziffer 7.1. der Reise-Rücktrittsversicherung bzw. Ziffer 6.1. der Reiseabbruch-Versicherung würdigt, wird auch erkennen, dass Erkrankungen, die ihm zum Zeitpunkt des Versicherungsabschlusses bekannt sind und die in den letzten sechs Monaten vor Versicherungsabschluss behandelt worden sind, grundsätzlich nicht versichert sind. Den Zusammenhang dieser Klauseln wird der Versicherungsnehmer dahingehend verstehen, dass zum Zeitpunkt des Versicherungsabschlusses bekannte und in den letzten sechs Monaten vor Vertragsabschluss behandelte Erkrankungen gerade nicht plötzlich und unvorhersehbar auftreten und damit nicht als „unerwartet“ im Sinne der beanstandeten Klauseln zu qualifizieren sind. Daraus wird ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer folgern, dass für die Frage, ob eine Erkrankung „unerwartet“ ist, auf die individuellen körperlichen Verhältnisse und den subjektiven Erwartungshorizont abzustellen ist. Er wird also einen subjektiven Maßstab anlegen. Auch einem Versicherungsnehmer, der an einer Dauererkrankung leidet, bei der es typischerweise zu einem schubweisen Verlauf kommt, wird angesichts der Formulierung „unerwartete und schwere Erkrankung“ im Zusammenwirken mit dem Risikoausschluss bei Vorerkrankungen verständlich und umfassend vor Augen geführt, dass er Versicherungsschutz wegen der ihm bekannten Dauererkrankung oder chronischen Erkrankung nur erhält, wenn diese Erkrankung in den letzten sechs Monaten vor Versicherungsabschluss mit Ausnahme von Kontrolluntersuchungen nicht behandelt worden ist. Maßgeblich für die subjektive Erwartung des Versicherungsnehmers, der an einer Dauererkrankung leidet, ist danach, ob diese Erkrankung in den letzten sechs Monaten vor Versicherungsabschluss behandelt worden ist. Aus der maßgebenden subjektiven Sicht des konkreten Versicherungsnehmers wird dieser mit dem Begriff „unerwartete“ Erkrankung deshalb entweder nur die Erkrankung verbinden, die plötzlich und unvorhergesehen und deshalb „unerwartet“ eintritt, oder die Erkrankung, die ihm zwar bekannt ist, die aber mehr als sechs Monaten vor Versicherungsabschluss nicht behandelt worden ist und erst nach Vertragsschluss „unerwartet“ behandlungsbedürftig wird. Es mag sein, dass Gerichte im Streitfall möglicherweise schwierige Feststellungen zu den konkreten Umständen des Einzelfalles zu treffen haben. Dieser Umstand führt aber nicht zur Intransparenz der beanstandeten Klauseln. Denn die Anforderungen an eine mögliche Konkretisierung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen dürfen nicht überspannt werden; sie hängen auch von der Komplexität des Sachverhalts unter den spezifischen Gegebenheiten des Regelungsgegenstands ab (vgl. BGH, Urteil vom 09.06.2011, III ZR 157/10, Rdnr. 27). Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof die Vertragsklausel einer Reisekrankenversicherung, die das Leistungsversprechen zum Schutz des Versicherers vor vorvertraglichen Risiken auf Krankheiten beschränkt, deren Eintritt „unerwartet“ war, in seiner Entscheidung vom 21.09.2011 (Az.: IV ZR 227/09) auch nicht beanstandet. Vielmehr hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass es für die Frage des Vorliegens des Merkmals „unerwartet“ im Sinne der Leistungsbeschreibung auf die subjektive Sicht des Versicherungsnehmers oder der versicherten Person ankomme.

Schließlich führt auch die kumulative Verwendung der beiden den Umfang des Versicherungsschutzes beschränkenden Adjektive in der Formulierung „unerwartete und schwere Erkrankung“ nicht zur Intransparenz. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird anhand des mit dem Bedingungswerk verfolgten Zwecks und dem Sinnzusammenhang der Klauseln erkennen, dass Versicherungsschutz nur gewährt wird, soweit die Erkrankung im Sinne der vorstehenden Auslegung „unerwartet“ und „schwer“ ist.

2.

Die beanstandete Formulierung „unerwartete und schwere Erkrankung“ beinhaltet auch im Übrigen keine unangemessene Benachteiligung der Vertragspartner der Beklagten. Eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders im Sinne von § 307 BGB ist gegeben, wenn der Verwender durch eine einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (BGH, Urteil vom 13.01.2011, III ZR 78/10, Rdnr. 24; Urteil vom 21.02.2013, III ZR 266/12, Rdnr. 11).

a)

Entgegen der Auffassung des Klägers weichen die beanstandeten Klauseln nicht von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung in den §§ 19 ff. VVG ab (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Es kann offen bleiben, ob die beanstandeten Klauseln überhaupt einer Inhaltskontrolle nach Maßgabe von § 307 Abs. 3 S. 1 BGB unterliegen, oder ob die Tatbestandsmerkmale der Unerwartetheit sowie der Schwere der Erkrankung zum innersten Kern der Leistungsbeschreibung zählen und damit einer Klauselkontrolle entzogen sind. Denn auch eine Inhaltskontrolle führt dazu, dass die von der Beklagten verwendeten Klauseln nicht zu Ungunsten des Versicherungsnehmers von der gesetzlichen Regelung in den §§ 19 ff. VVG abweichen. Entgegen der in der Literatur (vgl. zum Meinungsstand Staudinger in Staudinger/Halm/Wendt, Versicherungsrecht Kommentar, 2. Auflage, VB-Reiserücktritt 2008, Rdnr. 8 ff.; Dörner in Prölss/Martin, VVG, 30. Auflage, 560 VB-Reiserücktritt Ziffer 2 Rdnr. 15 ff.) teilweise vertretenen Auffassung, die in der Klausel zur unerwarteten und schweren Erkrankung eine nach § 32 VVG unzulässige Umgehung der Vorschriften über die vorvertragliche Anzeigepflicht sieht, ist der Senat der Ansicht, dass durch die hier beanstandeten Klauseln nicht von den Regelungen der §§ 19 ff. VVG zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen wird. Nach § 19 VVG hat der Versicherungsnehmer die ihm bekannten Gefahrumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, dem Versicherer anzuzeigen. Die Erfragung und die Beurteilung gefahrerheblicher Umstände ist nach diesem Leitbild dem Versicherer zugewiesen. § 32 S. 1 VVG verbietet den Vertragsparteien, von den Vorschriften über die vorvertragliche Anzeigepflicht (§§ 19 bis 22 VVG) zum Nachteil des Versicherungsnehmers abzuweichen. Die genannten Vorschriften werden damit zu halbzwingenden Vorschriften. Die Abweichung von einer halbzwingenden Vorschrift ist durch Gegenüberstellung des Inhalts der Vereinbarung und des Inhalts der gesetzlichen Regelung festzustellen. Der Inhalt der Vereinbarung ist durch Auslegung entsprechend den allgemeinen Auslegungsregeln für vertragliche Vereinbarungen zu ermitteln. Für die Auslegung kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (a.a.O. unter Ziffer II.1.) auf die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an, die sich am Wortlaut der Klausel und deren Sinn und Zweck orientieren. Maßgeblich ist der durchschnittliche Versicherungsnehmer des Adressatenkreises der jeweiligen Versicherungsbedingungen (BGH, Urteil vom 24.05.2000, IV ZR 186/99, Rdnr. 13). Eine Abweichung von einer halbzwingenden Vorschrift kann auch darin liegen, dass ihre Anwendung durch eine vertragliche Regelung umgangen wird (BGH, Urteil vom 07.02.1996, IV ZR 155/95, Rdnr. 21). Eine Umgehung liegt aber nicht in jeder vertraglichen Konstruktion, die zur Nichtanwendbarkeit einer halbzwingenden gesetzlichen Regelung führt. Eine Umgehung setzt vielmehr voraus, dass die gesetzliche Regelung nach ihrem Sinn und Zweck ungeachtet der gewählten vertraglichen Konstruktion anwendungswillig ist (vgl. Wandt in MüKo, VVG, 2. Auflage 2016, § 32 Rdnr. 9). Die Umgehungsproblematik stellt sich im Anwendungsbereich von § 32 VVG in erster Linie in Bezug auf die Frage, ob durch einen Risikoausschluss für Gefahrumstände, die bei Vertragsschluss bereits vorhanden sind, die gesetzlichen Regelungen zur Risikoprüfung nach § 19 VVG ausgeschaltet werden können (vgl. Wandt, a.a.O. § 32 Rdnr. 33). Auch die vorstehend zitierte Literaturmeinung begründet den Verstoß gegen das gesetzliche Leitbild damit, dass die Formulierung der unerwarteten und schweren Erkrankung zum Teil bereits bei Vertragsschluss bestehende Krankheiten des Versicherungsnehmers vom Deckungsschutz ausschließe, also eine Einschränkung des Leistungsversprechens enthalte. Der Bundesgerichtshof hat eine Abweichung zu Ungunsten des Versicherungsnehmers von der gesetzlichen Regelung der §§ 16 ff. VVG a.F. allerdings bislang nur in den Fällen gesehen, in denen sich der Versicherer einer adäquaten Antragsprüfung und der damit verbundenen Evaluierung des Risikos dadurch entzogen hat, dass er pauschal formularmäßig jegliche Vorerkrankung, also auch dem Versicherungsnehmer unbekannte Erkrankungen, durch einen Leistungsausschluss aus dem Leistungskatalog ausgeschlossen hat (vgl. BGH, Urteil vom 07.02.1996, IV ZR 155/95 „Restschuldversicherung“; Urteil vom 02.03.1994, IV ZR 109/93 „Reisekrankenversicherung“). Anders als in den vom Bundesgerichtshof zu beurteilenden Fallkonstellationen führen die hier beanstandeten Klauseln durch die Formulierung „unerwartete und schwere Erkrankung“ aber nicht zu einem Leistungsausschluss, durch den der Versicherer dem Versicherungsnehmer den Versicherungsschutz für sämtliche Vorerkrankungen versagt. Bei den beanstandeten Klauseln handelt es sich vielmehr jeweils um primäre Risikobeschreibungen. Durch die Tatbestandsmerkmale der Unerwartetheit sowie der Schwere werden lediglich die Voraussetzungen für den Eintritt des Versicherungsschutzes näher konkretisiert, indem nicht für jede Erkrankung, die den Antritt der Reise unzumutbar macht, sondern nur für „unerwartete und schwere“ Erkrankungen Versicherungsschutz gewährt wird. Bei dieser Konkretisierung bzw. Modifizierung des Versicherungsschutzes handelt es sich gerade nicht um einen formularmäßigen Leistungsausschluss für jedwede Vorerkrankung des Versicherungsnehmers. Richtig ist, dass der Versicherer dem Zweck der Risikoprüfung entsprechend das ihm angetragene Risiko zutreffend einstufen muss. Deshalb ist es ihm verwehrt, zunächst einmal jedes Risiko zu übernehmen, um sodann – nach eingetretenem Versicherungsfall – die Ausübung sog. Gestaltungsrechte wie Kündigung, Rücktritt oder Anfechtung zu überprüfen. Deshalb wird vom gesetzlichen Leitbild der §§ 19 ff. VVG abgewichen, wenn der Versicherer bei Vertragsschluss jede Risikoprüfung unterlässt und diese letztendlich auf einen Zeitpunkt nach Eintritt des Versicherungsfalles verlagert und damit auf den Versicherungsnehmer abwälzt. Durch die beanstandeten Klauseln wird aber schon nicht jedes Risiko vom Versicherer übernommen, sondern Versicherungsschutz nur für solche Erkrankungen gewährt, die für den Versicherungsnehmer nach Abschluss des Versicherungsvertrages „unerwartet“ eintreten, also für Umstände, die bei Antragstellung unvorhergesehen und demzufolge nicht bekannt waren. Solche dem Versicherungsnehmer unbekannten Umstände können aber schlechterdings nicht angegeben werden und deswegen würde auch eine ordnungsgemäße Risikoprüfung nicht dazu führen, dass der Versicherer sie erkennen könnte. Mit anderen Worten: Eine aus der maßgeblichen subjektiven Sicht des Versicherungsnehmers unerwartete Erkrankung kann im Rahmen einer Risikoprüfung nach dem Leitbild der §§ 19 ff. VVG nicht erfragt werden. Dass der Versicherer demgegenüber das Risiko für die dem Versicherungsnehmer bekannten Vorerkrankungen nicht übernehmen will, wird dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer aus dem Gesamtzusammenhang der Klauseln, insbesondere durch die in Ziffer 7.1. der Reise-Rücktrittsversicherung bzw. Ziffer 6.1. der Reiseabbruch-Versicherung enthaltenen Ausschlussklauseln deutlich vor Augen geführt. Danach sind nämlich die dem Versicherungsnehmer bei Abschluss des Vertrages bekannten und in den letzten sechs Monaten vor Abschluss des Vertrages behandelten Erkrankungen vom Versicherungsschutz ausgenommen. Der Versicherungsnehmer erkennt auch ohne Risikoprüfung, dass bereits bei Vertragsschluss bestehende behandlungsbedürftige Krankheiten, die die geplante Reise unzumutbar machen, nicht versichert sind. Solche Erkrankungen hätten deshalb auch bei wahrheitsgemäßer Beantwortung in einem Gesundheitsfragebogen nicht zur vorbehaltlosen Annahme des Versicherungsantrages geführt. Denn hätte der Versicherungsnehmer die ihm bekannten behandlungsbedürftigen Erkrankungen in einem fiktiven Gesundheitsfragebogen wahrheitsgemäß beantwortet, dann wäre die Annahme des Antrages durch den Versicherer entweder gar nicht, nur mit Risikozuschlag oder unter Ausschluss der Erkrankung erfolgt. Dagegen werden durch die Formulierung „unerwartete und schwere Erkrankung“ bereits bei Vertragsschluss bestehende, dem Versicherungsnehmer aber nicht bekannte Krankheiten gerade nicht von der Deckung ausgenommen. Selbst wenn in der Klausel eine Leistungsbeschränkung für die dem Versicherungsnehmer bei Antragstellung bekannten Erkrankungen zu sehen wäre, würde diese Beschränkung im Zusammenwirken mit der Ausschlussklausel nicht zu einer Abweichung vom gesetzlichen Leitbild des Versicherungsvertrages führen, weil nur solche Erkrankungen zum Leistungsausschluss führen, die auch nach dem gesetzlichen Leitbild zu einer Versagung bzw. zu einer Modifizierung des Versicherungsschutzes geführt hätten.

Hinzu kommt, dass die Abweichung mit dem Grundgedanken der gesetzlichen Regel unvereinbar sein muss. Unvereinbarkeit ist gegeben, wenn die Abweichung nicht lediglich Randbereiche der Grundgedanken betrifft, sondern den Kernbereich. Keine unvereinbare Abweichung liegt hingegen vor, soweit der gesetzliche Schutzzweck mit anderen Mitteln erreicht werden kann. In Betracht kommt dabei auch die Rechtfertigung der Abweichung durch überwiegende Belange des Versicherers (Bruns in MüKo, VVG, 2. Auflage 2017, Band 3 Nebengesetze, 70 BGB § 307 Rdnr. 108). Entgegen der Auffassung des Klägers dürfen hierbei auch das Rationalisierungsinteresse auf Seiten des Versicherers sowie dessen Interessen an Kalkulierbarkeit und vorhersehbarer Begrenzung der Leistungspflicht berücksichtigt werden. Eine einzelfallbezogene Risikoprüfung bei einem Massengeschäft wie der Reise-Rücktrittsversicherung bzw. der Reiseabbruch-Versicherung hält der Senat in Anbetracht der zumeist nur kurzen Vertragslaufzeit, der geringen Prämie und des hohen Risikos im Sinne einer effizienten Abwicklung des Versicherungsgeschäfts nicht für praktikabel (vgl. auch LG Koblenz, Urteil vom 14.04.2015, 6 S 400/14). Eine Tarifkalkulation mit vertretbarer Prämiengestaltung liegt auch nach Auffassung des Bundesgerichtshofs im Interesse des einzelnen Versicherungsnehmers (BGH, Urteil vom 19.05.2004, IV ZR 29/03, Rdnr. 29).

Schließlich bietet die Beklagte nach Ziffer 2. ihrer Besonderen Versicherungsbedingungen sowohl zur Reise-Rücktrittsversicherung als auch zur Reiseabbruch-Versicherung auch dann Versicherungsschutz, wenn eine Risikoperson von einem versicherten Ereignis betroffen ist und der planmäßige Antritt der versicherten Reise dadurch für den Versicherungsnehmer nicht zumutbar ist. Nach Ziffer 4. der Reise-Rücktrittsversicherung bzw. Ziffer 4. der Reiseabbruch-Versicherung sind Risikopersonen aber nicht nur die Personen, die mit dem Versicherungsnehmer gemeinsam eine Reise gebucht haben, sondern auch die Angehörigen des Versicherungsnehmers sowie die Angehörigen des Ehepartners bzw. Lebensgefährten. Zu den Risikopersonen gehören außerdem die Kinder, Adoptivkinder, Stiefkinder, Pflegekinder, die Eltern, Adoptiveltern, Stiefeltern, Pflegeeltern, Großeltern, Geschwister, Enkel, Tanten, Onkels, Neffen und Nichten. Auch wenn diese Personen nach Abschluss des Versicherungsvertrages und vor Reiseantritt unerwartet und schwer erkranken und die Reise dadurch für den Versicherungsnehmer nicht zumutbar ist, wird grundsätzlich Versicherungsschutz gewährt, ohne für diese Personen vor Vertragsschluss eine Risikoprüfung durchzuführen. Nach Auffassung des Klägers wird auch diese Prüfung letztendlich auf einen Zeitpunkt nach Eintritt des Versicherungsfalles verlagert und insoweit das Risiko auf den Versicherungsnehmer abgewälzt. Wenn man also mit dem Kläger in den Klauseln zur unerwarteten und schweren Erkrankung eine nach § 32 VVG unzulässige Umgehung der Vorschriften über die vorvertragliche Anzeigepflicht sehen will, dann müsste sich die Risikoprüfung im Vorfeld des Vertragsschlusses auch auf sämtliche Risikopersonen erstrecken. Eine solche ausufernde Risikoprüfung ist bei einer Reiseversicherung als Massengeschäft mit kurzer Laufzeit und geringen Prämien aber weder praktikabel noch überhaupt möglich. Auch dieser Umstand macht deutlich, dass mit der Formulierung „unerwartete und schwere Erkrankung“ als Leistungsbeschreibung in den beanstandeten Klauseln eine unvereinbare Abweichung vom gesetzlichen Leitbild der §§ 19 ff. VVG nicht verbunden ist.

b)

Eine unangemessene Benachteiligung folgt hier auch nicht aus dem Gesichtspunkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks durch die Einschränkung wesentlicher Rechte und Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, gefährdet wird (§ 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Selbst wenn mit den beanstandeten Klauseln das Leistungsversprechen des Versicherers für Reisende mit einer chronischen und typischerweise schubweise verlaufenden Erkrankung eingeschränkt wird, würde eine unmittelbar wirkende Leistungsbegrenzung auf „unerwartete und schwere Erkrankungen“ für sich genommen noch keine Vertragszweckgefährdung bedeuten, denn es muss möglich sein, bestimmte Sachverhalte nicht zu versichern. Deshalb bedeutet eine unmittelbar wirkende Leistungsbegrenzung – erst recht die Nichteinbeziehung eines bestimmten Sachverhalts in eine die Versicherungsleistung erweiternde Klausel – für sich genommen noch keine Vertragszweckgefährdung, sondern bleibt zunächst grundsätzlich der freien unternehmerischen Entscheidung des Versicherers überlassen, soweit er nicht mit der Beschreibung der Hauptleistung beim Versicherungsnehmer falsche Vorstellungen erweckt. Eine Gefährdung des Vertragszwecks ist erst anzunehmen, wenn mit der Einschränkung der Leistung der Vertrag ausgehöhlt und damit in Bezug auf das zu versichernde Risiko zwecklos wird (BGH, Urteil vom 19.11.1997, IV ZR 348/96, Rdnr. 11; Urteil vom 11.11.2015, IV ZR 402/14, Rdnr. 26). Ein derartiger Fall liegt hier aber nicht vor. Denn abgesehen von dem Versicherungsnehmer, der unter einer schubweise verlaufenden chronischen, ihm bekannten und behandlungsbedürftigen Erkrankung leidet, sind sämtliche Versicherungsnehmer, bei denen die unerwartete und schwere Erkrankung erstmals nach Vertragsschluss auftritt sowie Versicherungsnehmer, deren bestehende Erkrankung in den letzten sechs Monaten vor Vertragsabschluss nicht behandelt worden ist, versicherbar. Außerdem handelt es sich bei der Risikobeschreibung „unerwartete und schwere Erkrankung“ nur um eines der in den Ziffern 3. der Besonderen Bedingungen zur Reise-Rücktrittsversicherung und Reiseabbruch-Versicherung enumerativ aufgeführten versicherten Ereignisse. Zudem wird der Versicherungsschutz selbst für Reisende mit einer chronischen oder schubweise verlaufenden Erkrankung nur insoweit begrenzt, als sie die Reise aufgrund dieser Erkrankung nicht antreten können. Dagegen sind auch Reisende mit einer chronischen Erkrankung versichert, wenn diese die gebuchte Reise wegen einer anderen unerwartet und schweren Erkrankung, wie z.B. einem Herzinfarkt oder einem Schlaganfall nicht antreten können oder abbrechen müssen. Schließlich hat der Versicherer im Hinblick auf die Prämiengestaltung ein berechtigtes Interesse an der Beschränkung des Versicherungsschutzes auf künftige ungewisse Ereignisse, denn es entspricht dem allgemeinen Grundsatz im Versicherungsrecht, in erster Linie unbekannte Risiken zu versichern und nicht Gefahren, die bei Vertragsschluss bereits latent vorhanden oder sogar bekannt sind.

3.

Die beanstandeten Klauseln sind auch nicht überraschend im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB. Überraschenden Charakter hat eine Klausel, wenn sie von den Erwartungen eines vertragstypischen Durchschnittskunden deutlich abweicht und dieser mit ihr den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht. Der Versicherungsnehmer einer Reise-Rücktrittsversicherung bzw. einer Reiseabbruch-Versicherung wird davon ausgehen, dass das allgemeine Leistungsversprechen, bei Unzumutbarkeit des planmäßigen Antritts der versicherten Reise bzw. der planmäßigen Beendigung der gebuchten Reise Deckung zu gewähren, einer näheren Ausgestaltung bedarf, die auch Einschränkungen nicht ausschließt. Dem Versicherungsnehmer ist ebenfalls bekannt, dass der Versicherer regelmäßig nur Schutz gegen künftige ungewisse Ereignisse bietet und Gefahren, die bei Vertragsschluss bereits latent vorhanden sind, nicht versichert. Nach dieser Maßgabe ist mit den beanstandeten Klauseln zu rechnen.

Mangels Erfolg der Klage in der Hauptsache hat der Kläger auch keinen Anspruch auf die geltend gemachten Abmahnkosten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

III.

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn eine klärungsbedürftige Frage zu entscheiden ist, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einheitlicher Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn zu ihr unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und noch keine höchstrichterliche Entscheidung vorliegt (vgl. Hessler in Zöller, ZPO, 33. Auflage, § 543 Rdnr. 11 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

IV.

Der Wert des Berufungsverfahrens bemisst sich grundsätzlich nach dem Interesse des Rechtsmittelklägers an der Abänderung des angefochtenen Urteils. Wendet sich die Beklagte mit der Berufung gegen die in der Vorinstanz zu ihren Lasten titulierte Unterlassungspflicht, so richtet sich der Wert der Beschwer nach ihrem gemäß § 3 ZPO unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bemessenden Interesse an der Beseitigung der Verpflichtung (BGH, Beschluss vom 10.12.2013, XI ZR 405/12, Rdnr. 4 m.w.N.). Ist Gegenstand des Rechtsstreits – wie hier – die Verbandsklage eines Verbraucherschutzverbandes, wird der wirtschaftlichen Bedeutung des Verbots, bestimmte Klauseln zu verwenden, bei der Bemessung der Beschwer und des Streitwerts in der Regel allerdings keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen. Dem liegt die Erwägung zugrunde, Verbraucherschutzverbände bei der Wahrnehmung der ihnen im Allgemeininteresse eingeräumten Befugnisse, den Rechtsverkehr von unwirksamen allgemeinen Geschäftsbedingungen zu befreien, vor unangemessenem Kostenrisiko zu schützen (BGH, Beschluss vom 07.05.2015, I ZR 108/14, Rdnr. 6 m.w.N.). Diese Grundsätze schließen es jedoch nicht aus, der herausragenden wirtschaftlichen Bedeutung einer Klausel für die betroffenen Verkehrskreise im Einzelfall ausnahmsweise Rechnung zu tragen, wenn die Entscheidung über die Wirksamkeit einer bestimmten Klausel nicht nur für deren Verwender und die Vertragspartner, sondern für die gesamte Branche von wesentlicher Bedeutung ist, etwa weil es dabei um äußerst umstrittene verallgemeinerungsfähige Rechtsfragen von großer wirtschaftlicher Tragweite geht, über deren Beantwortung bereits vielfältig und mit kontroversen Ergebnissen gestritten wird (BGH, Beschluss vom 05.02.2015, I ZR 106/14, Rdnr. 6; Beschluss vom 10.12.2013, XI ZR 405/12, Rdnr. 6). Die erhebliche wirtschaftliche Bedeutung der Entscheidung über die Wirksamkeit der hier beanstandeten Klauseln ergibt sich nach dem Vortrag der Beklagten aus den im Jahre 2018 im abgeschlossenen Versicherungsgeschäft erzielten Bruttobeiträgen von 95.264.638,15 €, wobei nach den Ausführungen des Beklagtenvertreters im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 20.08.2019 der Anteil der Verträge, die noch mit den beanstandeten Klauseln geschlossen worden sind, auf etwa zehn Prozent dieser Summe geschätzt worden ist. Nach den dargestellten Grundsätzen des Bundesgerichtshofs kann dieser Betrag zwar im vorliegenden Verbandsprozess nicht alleiniger Maßstab für die Festsetzung des Streitwertes sein. Er verdeutlicht aber, dass die in Rede stehenden Klauseln eine herausragende wirtschaftliche Bedeutung für die Beklagte haben, so dass die Festsetzung des Streitwertes auf 25.000,00 € angemessen erscheint.

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