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Einbruchdiebstahlversicherung – Begriff des Einbrechens

Oberlandesgericht Saarbrücken, Az.: 5 U 443/99 – 31, Urteil vom 16.02.2000

I. Auf die Berufung des Klägers wird das am 22. April 1999 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken (12 O 474/96) dahin abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger — über den dem Kläger vom Landgericht bereits zuerkannten Betrag von 19.500,– DM zuzüglich 4 % Zinsen aus diesem Betrag seit dem 1. August 1996 hinaus — weitere 25.254,10 DM zuzüglich 4 % Zinsen aus diesem Betrag seit dem 31. Oktober 1995 zu zahlen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

II.    Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt der Kläger 10 %, die Beklagte trägt 90 %.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger 17 %, die Beklagte trägt 83 %.

III.   Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar

IV.    Der Wert der Beschwer des Klägers aufgrund dieses Urteils wird auf 5.050,27 DM festgesetzt, der Wert der Beschwer der Beklagten auf 25.254,10 DM.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 30.304,37 DM festgesetzt.

Tatbestand

Einbruchdiebstahlversicherung - Begriff des Einbrechens
Symbolfoto: Von sdecoret /Shutterstock.com

Der Kläger hat bei der Beklagten eine Kaskoversicherung für seinen Ford Escort Kombi und eine Hausratversicherung abgeschlossen. Vertragsbestandteil der Kaskoversicherung wurden die von der Beklagten verwendeten, auszugsweise vorgelegten Allgemeinen Kraftfahrtversicherungsbedingungen (Bl. 41 d.A.), Vertragsbestandteil der Hausratversicherung wurden die Allgemeinen Hausratversicherungsbedingungen (VHB 84).

Am 30.10.1995 stellte der Bruder des Klägers — er kümmerte sich um das Haus des Klägers während eines berufsbedingten längeren Auslandsaufenthalts des Klägers — fest, dass das Tor der zu dem Haus gehörenden Garage nur noch angelehnt war; bei dem in der Garage abgestellten Fahrzeug des Klägers fehlte eine Vielzahl von Fahrzeugteilen wie Räder, Fahrzeugtüren, Heckklappe und die gesamte Innenausstattung, eine in der Garage befindliche Werkbank und Regale waren leer.

Der Kläger hat behauptet, sein Bruder habe das Fahrzeug am 16.10.1995 in der Garage verschlossen abgestellt; das Garagentor habe er von außen ebenfalls abgeschlossen. Aus der Garage seien außer den Fahrzeugteilen auch Werkzeuge und eine Reihe sonstiger Gegenstände wie Fahrräder und Skier, jeweils mit Zubehör, entwendet worden. Der Kläger hat Ersatz der Reparaturkosten für das Fahrzeug in Höhe von 24.550,27 DM aus der Kaskoversicherung und Ersatz des Wertes der entwendeten Gegenstände in Höhe von 25.254,10 DM aus der Hausratversicherung beansprucht. Der Kläger hat in erster Instanz beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 49.804,37 DM zuzüglich Zinsen in Höhe von 1 % über dem Diskontsatz der Deutschen Bundesbank, mindestens jedoch 4 % und höchstens 6 %, aus einem Betrag von 25.254,10 DM seit dem 31.10.1995 sowie 4 % Zinsen aus einem Betrag von 24.550,27 DM seit dem 1.8.1996 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat zunächst — unter Hinweis darauf, dass Einbruchspuren an dem Garagentor nicht festgestellt worden seien — bezweifelt, dass das Tor tatsächlich abgeschlossen gewesen ist; jedenfalls aber liege, so die Beklagte weiter, mangels Einbruchsspuren kein „Einbruch“ in die Garage im Sinne der vereinbarten Versicherungsbedingungen vor. Nachdem das Landgericht dazu ein Sachverständigengutachten eingeholt hatte, hat die Beklagte geltend gemacht, der Verschlussmechanismus des Garagentores habe sich nicht mehr in einem ordnungsgemäßen Zustand befunden, was von dem Kläger zu verantworten sei. Der Kläger habe daher den Versicherungsfall jedenfalls grob fahrlässig ermöglicht und eine Gefahrerhöhung herbeigeführt, weshalb sie, die Beklagte, von ihrer Verpflichtung zur Leistung frei geworden sei. Zudem müsse davon ausgegangen werden, dass sich der Bruder des Klägers während des Auslandsaufenthaltes des Klägers nicht in ausreichend kurzen Abständen um das Haus gekümmert habe. Auch dass das in der Garage abgestellte Fahrzeug abgeschlossen gewesen sei, sei zu bezweifeln. Schließlich hat die Beklagte vorsorglich auch Einwände gegen die Höhe der von dem Kläger geltend gemachten Ansprüche vorgebracht.

Mit dem angefochtenen Urteil (Bl. 175 ff d.A.), auf das Bezug genommen wird, hat das Landgericht — nachdem es die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft in Saarbrücken mit dem Aktenzeichen 35 UJs 4178/96 zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht, ein Sachverständigengutachten (mit anschließender mündlicher Erläuterung des Gutachtens durch den Sachverständigen) eingeholt (Bl. 82 ff, 117 f d.A.) und den Bruder des Klägers als Zeugen vernommen hatte (Bl. 158 ff d.A.) — die Beklagte verurteilt, an den Kläger 19.500,– DM und 4 % Zinsen aus diesem Betrag seit dem 1.8.1996 zu zahlen; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat ausgeführt, dem Kläger stehe aufgrund der Kaskoversicherung ein Entschädigungsanspruch zu, allerdings nur in Höhe des Wiederbeschaffungswertes des Fahrzeuges von 19.800,– DM abzüglich der vereinbarten Selbstbeteiligung von 300,– DM, nicht hingegen wegen der darüber hinausgehenden Reparaturkosten. Einen Anspruch aufgrund der Hausratversicherung habe der Kläger nicht. Der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass ein versicherter Einbruchsdiebstahl vorliege, denn nach den Ausführungen des Sachverständigen müsse davon ausgegangen werden, dass das Garagentor ohne Gewaltanwendung habe geöffnet werden können.

Berufung hat nur der Kläger eingelegt. Er verfolgt damit seine in erster Instanz geltend gemachten Ansprüche weiter, soweit sie von dem Landgericht abgewiesen wurden. Er meint, er könne eine Entschädigung in Höhe der Reparaturkosten beanspruchen, weil diese nicht mehr als 30 % über dem Wiederbeschaffungswert des Fahrzeuges lägen. Zu Unrecht sei das Landgericht, so macht der Kläger weiter geltend, davon ausgegangen, dass das Garagentor ohne Anwendung von Gewalt habe geöffnet werden können; da Anwendung von Gewalt erforderlich gewesen sei, liege ein versicherter Einbruchdiebstahl vor.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 30.304,37 DM und 4 % Zinsen aus 5.050,27 DM seit dem 1.8.1996 sowie 4 % Zinsen aus 25.254,10 DM seit dem 31.10.1995 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Landgerichts für richtig. Zu Recht habe das Landgericht entschieden, dass dem Kläger nach den maßgeblichen Versicherungsbedingungen lediglich eine Entschädigung in Höhe des Wiederbeschaffungswertes des Fahrzeuges zustehe. Zutreffend habe das Landgericht des Weiteren das Vorliegen eines versicherten Einbruchsdiebstahls verneint.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien Bezug genommen. Der Senat hat den Kläger persönlich mündlich angehört, den bereits in erster Instanz tätigen Sachverständigen sein Gutachten ergänzend mündlich erläutern lassen und schließlich den Kläger zur Höhe des Schadens als Partei vernommen (Bl. 237 ff d.A.).

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers ist zum überwiegenden Teil begründet. Ihm steht der geltend gemachte Anspruch aufgrund der Hausratversicherung zu. Aus der Kaskoversicherung hat der Kläger allerdings weitergehende Ansprüche als diejenigen, die ihm vom Landgericht zuerkannt wurden, nicht.

1.     Das Landgericht hat zutreffend darlegt, dass dem Kläger aus der Kaskoversicherung ein Anspruch lediglich in Höhe des Wiederbeschaffungswertes des Fahrzeuges zusteht. Welche Entschädigung dem Versicherungsnehmer im Versicherungsfall zusteht, bestimmt sich nicht nach den §§ 249 ff BGB, wovon der Kläger auszugehen scheint, sondern nach den von den Vertragspartnern getroffenen versicherungsvertraglichen Vereinbarungen. Maßgeblich ist hier § 13 Abs. 1 bis 3 und 5 AKB. Danach ist die zu leistende Entschädigung auch bei einer Beschädigung des Fahrzeuges durch die Höhe des Wiederbeschaffungswertes des Fahrzeuges begrenzt (dazu auch Knappmann in: Prölls/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 26. Auflage 1998, Rn. 15 zu § 13 AKB). Die von dem Kläger zum Beleg für seine gegenteilige Auffassung angeführte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Verhältnis zwischen Wiederbeschaffungswert und Reparaturkosten betrifft lediglich Schadensersatzansprüche nach den §§ 249 ff BGB, um die es hier aber nicht geht.

2.     Begründet ist hingegen der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung aus der bei der Beklagten abgeschlossenen Hausratversicherung.

a)     Der Kläger hat nachgewiesen, dass ein Einbruchdiebstahl im Sinne von § 5 Abs. 1 Buchstabe a) VHB 84 vorliegt.

aa)    Dass aus der zum Wohnhaus des Klägers gehörenden Garage von unbekannten Tätern dort aufbewahrte Gegenstände entwendet wurden, steht aufgrund der Aussage des Bruders des Klägers beim Landgericht in Verbindung mit den Feststellungen der Polizei, wie sie in den Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft dokumentiert sind, fest. Dass ein Diebstahl lediglich vorgetäuscht sein könnte, macht die Beklagte in der Berufungsinstanz nicht mehr geltend. Es gibt dafür auch keinen Anhaltspunkt.

bb)    Der Kläger hat auch nachgewiesen, dass die unbekannten Täter in die Garage „eingebrochen“ sind. Einbruchdiebstahl liegt nach § 5 Abs. 1 Buchstabe a) VHB 84 vor, wenn der Dieb in einen Raum eines Gebäudes „einbricht“, einsteigt oder mit einem falschen Schlüssel oder anderen nicht zum ordnungsgemäßen Öffnen bestimmten Werkzeugen eindringt. In Allgemeinen Versicherungsbedingungen verwendete Begriffe sind grundsätzlich so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss (dazu etwa Römer, in: Römer/Langheid, VVG, 1997, Rn. 2 vor § 1 VVG, und Prölls, in: Prölls/Martin, a.a.O., Rn. 2 der Vorbemerkungen III, jeweils m.w.N.). Davon ausgehend ist regelmäßig vor allem von Bedeutung, wie ein Begriff nach dem Sprachgebrauch des täglichen Lebens zu verstehen ist (dazu Prölls, a.a.O., Rn. 6, m.w.N.). Nach dem täglichen Sprachgebrauch versteht man unter Einbrechen ein „gewaltsames“ Eindringen in einen Raum (dazu etwa Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 2. Aufl. 1989, S. 396). Zum selben Ergebnis gelangt man, wenn man den Begriff „Einbrechen“ — im Hinblick auf § 243 StGB — als feststehenden Begriff der Rechtssprache auffassen wollte, was zur Folge hätte, dass auch im Rahmen der Verwendung Allgemeiner Versicherungsbedingungen ausnahmsweise maßgebend wäre, wie der Begriff in der Rechtssprache verwendet wird (auch dazu etwa Römer, a.a.O., Rn. 6, und Prölls, a.a.O., Rn. 7, jeweils m.w.N.). Denn auch bei der Anwendung von § 243 StGB wird unter Einbrechen die „gewaltsame“ Beseitigung eines dem Diebstahl entgegenstehenden Hindernisses verstanden (dazu etwa Tröndle, in: Tröndle/Fischer, Strafgesetzbuch, 49. Aufl. 1999, Rn. 7 zu § 243 StGB, m.w.N.). Demgemäß wird auch im Rahmen von § 5 Abs. 1 Buchstabe a) VHB 84, damit die Voraussetzungen des Begriffes „Einbrechen“ vorliegen, durchweg gefordert, dass „Gewalt“ gegen Gebäudebestandteile ausgeübt wird, um sich Zugang zu dem Gebäude zu verschaffen (Kollhosser, in: Prölls/Martin, a.a.O., Rn. 23 zu § 1 AERB, und Knappmann, in: Prölls/Martin, a.a.O., Rn. 2 zu § 5 VHB 84, sowie Martin, Sachversicherungsrecht, 3. Aufl. 1992, D III 14, jeweils m.w.N.). Das Vorliegen von „Gewalt“ wird dabei stets dann bejaht, wenn die Substanz eines Gebäudeteils verletzt wird (dazu Martin, a.a.O., Tröndle, a.a.O., und Ruß, in: Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch, 10. Aufl. 1989, jeweils m.w.N.), aber auch dann, wenn ein Werkzeug verwendet wird, um das dem Zugang zu dem Gebäude entgegenstehende Hindernis zu beseitigen (dazu Russ, a.a.O, m.w.N.). Liegt weder eine Verletzung der Substanz von Gebäudeteilen noch eine Verwendung von Werkzeugen zur Beseitigung eines dem Zugang zu dem Gebäude entgegenstehenden Hindernisses vor, setzt die Anwendung von „Gewalt“ voraus, dass „einige Kraft“ (Martin, a.a.O., D III 16 und KG r+s 1985, 225) oder eine „nicht unerhebliche körperliche Kraft“ (Tröndle, a.a.O.) angewendet oder eine nicht ganz unerhebliche Anstrengung“ (Eser, in: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 25. Aufl. 1997, Rn. 11 zu § 243 StGB) oder eine „gewisse körperliche Anstrengung von nicht ganz unerheblicher Art“ (Ruß, a.a.O.) unternommen wird, um das Hindernis zu beseitigen.

Der Bruder des Klägers hat, vom Landgericht als Zeuge vernommen, erklärt, er habe, nachdem er das Fahrzeug des Klägers zuletzt benutzt und in der Garage abgestellt habe, das Tor der Garage abgeschlossen. Gesichtspunkte, die es rechtfertigen würden, die Richtigkeit dieser Darstellung des Zeugen zu bezweifeln, gibt es — nachdem der Sachverständige dargelegt hat, wie die unbekannten Täter gleichwohl trotz abgeschlossenen Garagentors in die Garage gelangen konnten — nicht. Der Sachverständige hat festgestellt, dass das Tor der Garage, auch wenn es verschlossen war, ohne Spuren geöffnet werden konnte. Der Drehgriff des Tors mit dem Schließzylinder ist mit zwei horizontal verlaufenden Verriegelungsstangen verbunden, an deren seitlichen Enden sich Sperrzapfen befinden, die in dafür vorgesehene Öffnungen des Torrahmens hineinragen, wodurch im Regelfall bewirkt wird, dass das auf diese Weise ordnungsgemäß verschlossene Garagentor nicht geöffnet werden kann. Allerdings waren diese Verriegelungsstangen — deren genaue Position lässt sich dort, wo die Stangen mit dem Schließmechanismus des Drehgriffs verbunden sind, verändern — so eingestellt, dass die Schließzapfen bei betätigtem Schließmechanismus (statt der möglichen 22 Millimeter links und 17 Millimeter rechts) nur noch 11 Millimeter links und 8 Millimeter rechts seitlich über das Tor hinausstanden. Da das Tor, bedingt durch einen Spalt zwischen Tor und Rahmen von etwa 5 bis 6 Millimetern, seitlich Spiel aufweist, ragten die an ihren Ende konisch geformten Zapfen zwar noch deutlich über den Rand des Tores hinaus, sie drangen aber nicht mehr ausreichend in den Torrahmen ein. Die Verriegelungszapfen konnten deshalb gelöst werden, indem das Tor, um den rechten Verriegelungszapfen auszurasten, nach links gedrückt, das Tor auf der rechten Seite dann leicht nach außen gezogen und anschließend, um den linken Verriegelungszapfen ausrasten zu lassen, das Tor wieder ganz auf die rechte Seite geschoben wurde. Um das zu bewerkstelligen gab es nach der Darstellung des Sachverständigen drei Möglichkeiten. Entweder man benutzte dafür ein Hebelwerkzeug oder man bewegte das Tor rein manuell mit den Fingern oder man erreichte den selben Effekt durch ein entsprechendes Rütteln an dem Tor.

Es spricht viel dafür, dass die unbekannten Täter in der zuerst beschriebenen Weise, also unter Verwendung eines Hebelwerkzeugs, vorgegangen sind. Da es keinen Anhaltspunkt dafür gibt, dass die unbekannten Täter wissen konnten, dass die Verriegelungsstangen verstellt waren (in dem selben Zeitraum wurden nach der von der Beklagten nicht bestrittenen Darstellung des Klägers in der näheren Umgebung noch weitere Einbruchdiebstähle verübt), dürften sie sogleich ein Hebelwerkzeug angesetzt und dadurch die nötige Verschiebung des Tors in seitliche Richtungen und nach vorne erreicht haben. Dann lag wegen der Verwendung des Hebelwerkzeuges, die den Umfang der nötigen Kraft zur Überwindung des Hindernisses reduzierte, Gewalt in dem oben beschriebenen Sinne vor. Gleiches gilt aber auch dann, wenn die unbekannten Täter das Hindernis lediglich manuell — durch planmäßiges seitliches Verschieben und Ziehen des Tores nach vorne oder durch entsprechendes Rütteln an dem Tor — überwunden haben sollten. Der Sachverständige hat den Kraftaufwand, der dafür erforderlich sei, in seinem Gutachten (S. 13, Bl. 94 d.A.) als „mittlere manuelle Gewalt“ und bei der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens vor dem Senat als „mittlere Kraft“ bezeichnet. Das genügt hier nach Auffassung des Senats. Allen oben zitierten Definitionen zum Umfang des nötigen Krafteinsatzes ist gemeinsam, dass Krafteinwirkungen von nur geringer Intensität ausgeschieden werden sollen. Darüber geht das hinaus, was der Sachverständige als nötigen physischen Einsatz, um die Verriegelungsstangen des Garagentors ausrasten zu lassen, beschrieben hat. Hinzu kommt, dass sich den Ausführungen des Sachverständigen vor dem Senat — er hat erklärt, er habe, um nachzuvollziehen, wie das Tor habe geöffnet werden können, einen Schraubendreher angesetzt, um das Tor nicht unnötig durchzubiegen — entnehmen lässt, dass bei einem Vorgehen nach den beiden anderen von dem Sachverständigen beschriebenen Alternativen mit einem (wenn auch nur geringfügigen oder auch nur vorübergehenden) Verbiegen des Tores gerechnet werden muss. Auch dies zeigt, dass dann, wenn auf diese Weise manuell vorgegangen wird, nicht lediglich von einem nur unerheblichen Einsatz von physischer Kraft ausgegangen werden kann. Damit ist jedenfalls die Schwelle überschritten, ab der man von „Gewalt“ und damit von einem „Einbrechen“ im Sinne der vereinbarten Versicherungsbedingungen ausgehen muss. Dass das so gefundene Ergebnis richtig ist, zeigt auch ein Vergleich mit dem Beispiel einer anderen Handlungsalternative, die unzweifelhaft die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Buchstabe a) VHB 84 erfüllt. Schlägt ein Dieb eine auch nur einfach verglaste kleine Fensterscheibe ein, um dadurch an den Fenstergriff zu gelangen, das Fenster zu öffnen und dadurch in das Gebäude zu gelangen, so begeht er ohne Weiteres einen Einbruchdiebstahl im Sinne der vereinbarten Vertragsklausel. Der dabei zur Überwindung des Hindernisses nötige Aufwand ist — ebenso wie die dafür erforderliche kriminelle Energie — jedenfalls nicht größer als das von dem Sachverständigen beschriebene Vorgehen zum Öffnen des Garagentors.

b)     Die Beklagte ist nicht nach § 61 VVG von ihrer Verpflichtung zur Leistung frei geworden. Sie hat nicht nachgewiesen, dass der Kläger den Einbruch durch grobe Fahrlässigkeit ermöglicht hat.

Zwar steht aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen fest, dass die zu knapp eingestellten Verriegelungsstangen das Eindringen in die Garage erleichtert haben. Der Sachverständige hat weiter überzeugend dargelegt, dass die Verriegelungsstangen ursprünglich einmal richtig eingestellt gewesen sein müssen, so dass sie weiter in die Öffnungen am Torrahmen hineinragten; das lasse sich aufgrund von Betätigungs- und Kontaktspuren an den Stangen und dem Torrahmen schließen. Die Verriegelungsstangen müssen also nachträglich verstellt worden sein. Wann und durch wen und aus welchem Anlass und bei welcher Gelegenheit das geschehen ist, konnte jedoch nicht geklärt werden. Das Tor der Garage sei, so hat der Kläger bei seiner persönlichen Anhörung vor dem Senat erklärt, 1983 oder 1984 in neuwertigem Zustand eingebaut worden. Vorgenommen worden sei der Einbau von seinem Bruder und seinem Schwiegervater und anderen Bekannten; er selbst sei nicht dabei gewesen, er habe sich damals die Woche über an seiner Arbeitsstelle in Köln aufgehalten. Er selbst habe auch in der Folge die Verriegelungsstangen nicht verstellt. Einen Schlüssel zu der Garage hätten seine Schwiegereltern und sein Bruder besessen. Er könne sich aber eigentlich auch nicht vorstellen, dass seine Schwiegereltern oder sein Bruder die Verriegelungsstangen verstellt hätten. Der Sachverständige hat, von dem Senat befragt, erklärt, es lasse sich anhand der vorhandenen Spuren zeitlich nicht einordnen, wann die Verriegelungsstangen verstellt worden seien.

Danach kann offenbleiben, ob es als grob fahrlässig (und nicht als bloß fahrlässig) angesehen werden muss, dass die Verriegelungsstangen knapper eingestellt und dadurch ein erhöhtes Risiko für einen Einbruch geschaffen wurde. Ebenso braucht der Frage nicht näher nachgegangen zu werden, ob eine Anwendung des § 61 VVG auch dann in Betracht kommt, wenn die Gefahrenlage, die den Versicherungsfall begünstigt hat, bereits bei Vertragsschluss vorgelegen hat, was hier nicht ausgeschlossen werden kann (zu dieser Problematik etwa Langheid, a.a.O., Rn. 4 zu § 61 VVG, und Prölls, a.a.O., Rn. 6 zu § 61 VVG jeweils m.w.N.). Denn die Beklagte hat nicht nachgewiesen, dass die Verriegelungsstangen von dem Kläger, dem Versicherungsnehmer, verstellt wurden. Es kann, auch wenn sich der Kläger das „eigentlich“ nicht vorstellen kann, nicht ausgeschlossen werden, dass sein Bruder oder sein Schwiegervater — sie hatten das Tor auch eingebaut und hatten in der Folge auch einen Schlüssel zu der Garage — während der Abwesenheit des Klägers die Verriegelungsstangen verstellt und den Kläger darüber später nicht informiert haben und dies auch nicht mehr tun mochten, nachdem sich der Einbruchdiebstahl ereignet hatt. Davon, dass das in einer Situation geschehen sein könnte, in der der Bruder des Klägers oder sein Schwiegervater als Repräsentant des Klägers angesehen werden müssten, mit der Folge, dass dem Kläger deren Verhalten zugerechnet werden müsste, kann nicht ausgegangen werden, denn es ist völlig unklar, wann und unter welchen Umständen und bei welcher Gelegenheit die Verriegelungsstangen verstellt wurden.

Die von der Beklagten daneben vertretene Auffassung, es sei schon für sich betrachtet, grob fahrlässig, in einer Garage eine Vielzahl von Werkzeugen und anderen Gegenständen mit erheblichem Wert aufzubewahren, teilt der Senat nicht; es ist nicht unüblich, in einer Garage nicht nur sein Fahrzeug abzustellen, sondern dort außerdem Werkzeug- und andere Gegenstände, wie etwa Fahrräder und Skier, zu verwahren, auch wenn sich dabei der Wert der Gegenstände insgesamt auf einen nicht unerheblichen Betrag summiert.

c)     Die Beklagte ist auch nicht nach § 25 Abs. 1 VVG in Verbindung mit § 13 Abs. 2 VHB 84 von ihrer Verpflichtung zur Leistung frei geworden.

aa)    Eine Gefahrerhöhung im Sinne der genannten Vorschriften kommt nur dann in Betracht, wenn sich die Risikolage nach Vertragsschluss verschlechtert hat (dazu etwa Langheid, a.a.O., Rn. 1 zu den §§ 23bis 25 VVG, und Prölls, a.a.O., Rn. 4 ff zu § 23 VVG, jeweils m.w.N.). Nach den Ausführungen des Sachverständigen kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Verriegelungsstangen bereits vor 1988, als der Versicherungsvertrag geschlossen wurde, verstellt wurden. Dass eine Gefahrerhöhung nach Vertragsschluss eingetreten ist, hat die Beklagte daher nicht nachgewiesen.

bb)    Nach § 13 Abs. 3 Buchstabe b) VHB 84 liegt eine Gefahrerhöhung auch dann vor, wenn die ansonsten ständig bewohnte Wohnung länger als 60 Tage oder über eine für den Einzelfall vereinbarte längere Frist hinaus unbewohnt bleibt und auch nicht beaufsichtigt wird, wobei es als Beaufsichtigung im Sinne dieser Klausel anzusehen ist, wenn sich während der Nacht eine dazu berechtigte volljährige Person in der Wohnung aufhält. Der Kläger hielt sich seit Herbst 1994 zusammen mit seiner Familie aus beruflichen Gründen in Portugal auf. Es lag daher für die Dauer des Auslandsaufenthaltes des Klägers eine Gefahrerhöhung im Sinne von § 13 Abs. 3 Buchstabe b) VHB 84 vor. Der Kläger hatte jedoch der Beklagten diesen Sachverhalt mitgeteilt und damit seiner Verpflichtung, eine Gefahrerhöhung anzuzeigen (§ 13 Abs. 2 VHB 84 i.V.m. § 23 Abs. 1 VVG) genügt. Die Beklagte hat sich mit dieser Gefahrerhöhung einverstanden erklärt (§ 13 Abs. 2 VHB 84 i.V.m. § 23 Abs. 1 VVG), und zwar, wie sich aus ihrem Schreiben an den Kläger vom 8.3.1995 (Bl. 39 d.A.) ergibt, zunächst unter der Voraussetzung, dass das Gebäude jeden zweiten bis dritten Tag kontrolliert werde. Daraufhin hat sich der Bruder des Klägers, der sich während des Auslandsaufenthaltes des Klägers um das Haus kümmern sollte, an die zuständige Sachbearbeiterin bei der Beklagten gewandt und darauf hingewiesen, dass eine Kontrolle in einem Abstand von drei bis vier Tagen für ihn normalerweise kein Problem sei, er eine solche Kontrolle während seines Urlaubs oder während einer Erkrankung aber nicht gewährleisten könne. Daraufhin wurde dem Bruder des Klägers von der Sachbearbeiterin gesagt, es genüge, wenn er ab und zu nach dem Rechten sehe. Nachdem der Bruder des Klägers das schriftlich haben wollte, übersandte die Beklagte das Schreiben vom 14.3.1995 Bl. 40 d.A.). Darin erklärt die Beklagte nur noch, das Gebäude müsse „regelmäßig kontrolliert“ werden. Der Bruder des Klägers hat dies im Einzelnen bei seiner Vernehmung vor dem Landgericht geschildert. Anlass, an der Richtigkeit dieser Aussage zu zweifeln, besteht nicht. Der Bruder des Klägers durfte danach davon ausgehen, dass er das Haus zwar grundsätzlich jeden dritten oder vierten Tag kontrollieren sollte, nicht aber während seines Urlaubs. Daran hat sich der Bruder des Klägers gehalten. Er hat das Fahrzeug am 16.10.1995 zuletzt benutzt und dann in der Garage abgestellt. Ein oder zwei Tage später war er, wie sich aus seiner Aussage weiter ergibt, nochmals in dem Haus. Kurz darauf fuhr er in Urlaub. Ein, zwei oder drei Tage — genau wusste das der Bruder des Klägers bei seiner Vernehmung durch das Landgericht nicht mehr — nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub ging er wieder zu dem Haus und entdeckte den Einbruch.

d)     Der Kläger hat auch nachgewiesen, dass ihm der geltend gemachte Schaden entstanden ist. Der Senat hat dazu den Kläger nach § 287 ZPO als Partei vernommen. Dass sich in der Garage außer Fahrrädern und Skiern auch eine Vielzahl von Werkzeugen mit zum Teil höherer Qualität und höherem Preis befand, hat der Kläger einleuchtend und für den Senat überzeugend erklärt. Er sei Mitarbeiter der Firma F. Er habe an seiner Arbeitsstelle immer wieder Verbesserungsvorschläge für die Produktion gemacht. Um diese Verbesserungsvorschläge zu erarbeiten, habe er auch einen Teil der Werkzeuge in der Garage benutzt. Für seine Verbesserungsvorschläge habe er von F häufiger Prämien erhalten, durchschnittlich etwa 10.000,– DM bis 15.000,– DM im Jahr. Von diesen Prämien habe er sich auch immer wieder neues Werkzeug gekauft. Andere Werkzeuge habe er rein privat genutzt, wie etwa die Motorsäge; er habe außer einem Gasbrenner auch einen Feststoffbrenner gehabt und zudem einen offenen Kamin, so dass er Holz habe verfeuern können. Die der Klageschrift beigefügte Liste der gestohlenen Gegenstände mit den dort dafür angesetzten Preisen sei von seinem Bruder nach dem Einbruchdiebstahl anhand von Rechnungen gefertigt worden. Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass diese Darstellung des Klägers richtig ist. Der Kläger konnte alle Fragen des Senats zu einzelnen in der Liste aufgeführten Gegenstände präzise und spontan und in jeder Hinsicht glaubhaft beantworten.

Soweit in der Liste auch Werkzeuge aufgeführt sind, bei denen man nach der Schilderung des Klägers geneigt sein könnte, sie eher seiner beruflichen Betätigung zuzuordnen, hat die Beklagte auch insoweit deren Wert zu ersetzen. Nach § 1 Abs. 2 Buchstabe d VHB 84) sind auch Arbeitsgeräte, die dem Beruf oder dem Gewerbe des Versicherungsnehmers dienen, versichert. Das gilt nur dann nicht, wenn sich diese Gegenstände in Räumen befinden, die ausschließlich beruflich oder gewerblich genutzt werden (§ 1 Abs. 2 Buchstabe d) i.V.m. § 10 Abs. 2 S. 3 VHB 84). Das war bei der Garage des Klägers aber nicht der Fall.

Dem Kläger steht daher über den vom Landgericht bereits zuerkannten Betrag zuzüglich Zinsen hinaus ein weiterer Anspruch in Höhe von 25.254,10 DM zu. Der darauf zuerkannte Zinsanspruch ergibt sich aus § 24 Abs. 2 S. 1 VHB 84; der Berufungsantrag des Klägers enthielt, so wie er in dem Schriftsatz des Klägers vom 17.6.1999 formuliert war, eine offensichtliche Unrichtigkeit, gemeint war, wie sich aus der Berufungsbegründung ergibt, ein Zinsanspruch von 4 % aus dem Betrag von 25.254,10 DM seit dem 31.10.1995.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit entspricht den §§ 708Nr. 10, 713 ZPO. Nach § 546 Abs. 2 S. 1 ZPO war der Wert der Beschwer der Parteien festzusetzen; er beträgt für die Beklagte 25.254,10 DM und für den Kläger 5.050,27 DM. Der Streitwert des Berufungsverfahrens war auf 30.304,37 DM festzusetzen.

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