OLG Köln – Az.: 9 U 172/20 – Beschluss vom 19.07.2021
1. Der Senat weist darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Kläger gegen das am 24.06.2020 verkündete Schlussurteil des Landgerichts Köln – 20 O 241/19 – gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Die Kläger erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe
I.
Der Senat ist einstimmig der Ansicht, dass die zulässige Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO noch rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO). Da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und eine mündliche Verhandlung ebenfalls nicht geboten ist (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 3 und 4 ZPO), soll über das Rechtsmittel durch Beschluss entschieden werden.
Das Landgericht hat die Klage bezüglich der Klageanträge zu 1) und zu 3), welche die Kläger mit der Berufung gegen die Beklagte zu 1) weiterverfolgen, zu Recht abgewiesen.
Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil. Das Berufungsvorbringen der Kläger rechtfertigt keine andere rechtliche Beurteilung; das Rechtsmittel ist unbegründet.
Ergänzend sieht sich der Senat nur zu folgenden Anmerkungen veranlasst:
Das Landgericht hat zutreffend erkannt, dass der Klageantrag zu 1) unbegründet ist. Den Klägern steht gegen die Beklagte zu 1) kein Anspruch auf Versicherungsleistung aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Hausratsversicherungsvertrag in Verbindung mit § 1 VVG zu aufgrund des Ereignisses vom 09.08.2018 zu.
Es bedurfte hierbei keiner Entscheidung, ob sich eine versicherte Gefahr als bestimmungsmäßiger Raub räuberische Erpressung zu Lasten der Klägerin verwirklicht hat.
Das durch die Beklagten zu 2) und 3) der Klägerin weggenommene Bargeld in Höhe von 6.000,00 € gehört jedenfalls nicht zu den Sachen, welche nach Ziff. 6 der allgemeinen Hausrat-Versicherungsbedingungen (VHB 2008) der Beklagten zu 1) gegen Raub versichert sind, da es gemäß Ziff. 6.4.2 VHB 2008 vom Versicherungsschutz ausgenommen ist.
Nach Ziff. 6.4.2 VHB 2008 erstreckt sich der Versicherungsschutz ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen nicht auf Schäden durch Raub gemäß Ziffer 6.2 VHB 2008 an Sachen, die an den Ort der Wegnahme oder Herausgabe erst auf Verlangen der Täter herangeschafft werden.
Die Voraussetzungen der Ziffer 6.4.2 VHB 2008 sind in Bezug auf das Bargeld, welches Gegenstand des von den Klägern geltend gemachten bedingungsgemäßen Raubes war, offensichtlich erfüllt.
Die Klägerin hat das Bargeld vor der von ihr im Rahmen ihrer erstinstanzlichen persönlichen Anhörung geschilderten Wegnahme durch die Beklagten zu 2) und 3) erst an den Ort der Wegnahme herangeschafft. Das Bargeld als solches befand sich am 09.08.2018 zunächst nicht an dem Versicherungsort, nämlich im Haus der Kläger, sondern in der nahegelegenen P.-Bank. Die Klägerin hat nach ihrem eigenen Vortrag und dem des Klägers das Bargeld in Höhe von 6.000,00 € am 09.08.2018 erst bei der P.-Bank von ihrem Sparbuch abgehoben und sodann zu ihrer Wohnanschrift verbracht, wo es dann in die Hände der Beklagten zu 2) und 3) gelangt ist.
Dies erfolgte nach dem klägerischen Vortrag auch auf Verlangen der Täter, d.h. der Beklagten zu 2) und 3), welche die Klägerin aufgefordert haben, Geld bei der Bank zu holen, nachdem diese erklärt hatte, sie habe kein Geld.
Der Einwand der Kläger, das streitgegenständliche Geld sei vor der Fahrt der Klägerin zur P.-Bank bereits als „Buchgeld“ auf dem Sparkonto der Klägerin im Haus der Kläger vorhanden gewesen, verfängt nicht, wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, und vermag keinen weitergehenden Versicherungsschutz zu begründen.
Das von den Klägern so bezeichnete „Buchgeld“ ist gegenüber dem nachfolgend abgehobenen Bargeld ein aliud und war nicht Gegenstand der Wegnahme durch die Beklagten zu 2) und 3).
Bei dem von den Klägern so bezeichneten „Buchgeld“ bzw. bei einem Sparguthaben auf einem Sparbuch handelt es sich rechtlich nach herrschender Meinung um ein durch den Einleger/Sparer der Bank gewährtes Darlehen (MüKoBGB/Habersack, 8. Aufl. 2020, BGB § 808 Rn. 22), das nach Kündigung durch den Sparer als Darlehensgeber von der Bank zurückzuzahlen ist. Bei dem Sparbuch handelt es sich um eine sich hierüber verhaltende Schuldurkunde im Sinne des § 952 Abs. 1 S.1 BGB, deren Eigentümer der Gläubiger der Darlehensforderung gegen die Bank ist. Am Versicherungsort vorhanden war damit lediglich das Sparbuch als Urkunde, während die Darlehensforderung als ein Recht nicht verortet werden kann.
Die zunächst vorhandene und mit der Kündigung fällig werdende Forderung der Klägerin zu 2) in Höhe von 6.000,00 € gegen die P.-Bank existierte zum Zeitpunkt der Wegnahme des Bargeldes durch die Beklagten zu 2) und 3) im Übrigen bereits nicht mehr, sondern war schon zuvor durch Erfüllung des Auszahlungsanspruchs seitens der P.-Bank gegenüber der Klägerin zu 2) erloschen.
Dass das Sparguthaben und das sodann von dem Postsparbuch abgehobene Bargeld denselben wirtschaftlichen Wert darstellen, ist für die Auslegung der Klausel in Ziff. 6.4.2 VHB 2008 und den sich aus ihr ergebenden Umfang der Versicherungsleistung ebenso unerheblich
Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, stellt die Klausel unter Ziffer 6.4.2 VHB 2008 offensichtlich nicht auf den durch einen Gegenstand verkörperten wirtschaftlichen Wert, sondern auf die Sache selbst ab.
Dies ergibt sich durch Auslegung des Versicherungsscheins und der in den Versicherungsvertrag einbezogenen Versicherungsbedingungen VHB 2008.
Für die Auslegung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) ist maßgebend, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei aufmerksamer Durchsicht und verständiger Würdigung die jeweils gewählte (Wort-)Fassung der AVB unter Berücksichtigung ihres dabei erkennbar werdenden Sinnzusammenhangs verstehen muss (st. Rspr., z.B. BGH Urt. v. 1. 4. 2015 – IV ZR 104/13; OLG Koblenz, r+s 2015, 250). Es ist darauf abzustellen, welche Bedeutung die von den Versicherern verwendeten Ausdrücke im gewöhnlichen Sprachgebrauch haben, also wie ein durchschnittlicher, verständiger, aber juristisch und versicherungstechnisch nicht vorgebildeter Versicherungsnehmer sie verstehen würde (BGH Urt. v. 26. 04. 2006 – IV ZR 154/05; LG Essen, r+s 2006, 323; BGH, Urt. v. 20. 06. 1990 – IV ZR 172/89; Nürnberg 1990, 289, r+s 1990, 310).
Sachen sind nicht nur nach dem Gesetz gemäß § 90 BGB, sondern auch – für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbar – in dem hier maßgeblichen Regelungszusammenhang des Versicherungsumfangs der Hausratversicherung nach den VHB 2008 lediglich körperliche Gegenstände. Im Sinne der Regelung des Versicherungsumfangs in Ziff. 1.1 VHB 2008 folgt dies daraus, dass neben dem gesondert aufgeführten Bargeld nur körperliche Gegenstände „einem Haushalt zur Einrichtung oder zum Gebrauch oder Verbrauch dienen können“. Weiterhin ist speziell hinsichtlich der Versicherung gegen Diebstahl und Raub eine Wegnahme oder Herausgabe ebenfalls nur in Bezug auf körperliche Gegenstände möglich, nicht aber im Hinblick auf (körperlose) Forderungen. Im Rahmen der Regelung des Versicherungsumfangs definiert Ziff. 2 VHB 2008 als Wertsachen ebenfalls ausschließlich körperliche Gegenstände: „Wertsachen sind
2.1.1 Bargeld und auf Geldkarten geladene Beträge;
2.1.2 Urkunden einschließlich Sparbücher und sonstige Wertpapiere“.
Soweit dort im Übrigen Sparbücher im Zusammenhang mit Urkunden genannt werden, im Gegensatz zu den auf Geldkarten geladenen Beträgen, welche – als eine alternative Geldform – neben Bargeld aufgeführt werden, zeigt dies auch, dass die VHB 2008 Sparbücher nicht mit Bargeld gleichsetzen.
Es liegt auch kein Wertungswiderspruch bei der hier vorgenommenen Auslegung der Ziff. 6.4.2 VHB 2008 vor, wenn die Kläger, hätten sie den Betrag von 6.000,00 € statt auf dem Sparbuch in bar am Versicherungsort verwahrt, im Falle des Raubes diese Bargelds Versicherungsschutz erhalten hätten, diesen aber nunmehr nicht erhalten, da sie das Geld auf der Bank aufbewahrt haben, sich lediglich das Sparbuch am Versicherungsort befand und das Bargeld erst auf Verlangen der Täter an den Versicherungsort herbeigeschafft wurde. Ein solchermaßen umsichtigerer Versicherungsnehmer wird hierdurch auch nicht, wie die Kläger meinen, bestraft.
Die Regelung der Ziffer 6.4.2 VHB 2008 verfolgt – wie die Kläger selbst nicht in Abrede stellen – das nachvollziehbare Interesse des Versicherers, sein Risiko im Rahmen der Hausratsversicherung auf jene Werte zu beschränken, die zum Schadenzeitpunkt am Versicherungsort bereits vorhanden waren, da das Risiko in der Prämienkalkulation sonst nicht beherrschbar wäre. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf denkbare Fälle, in denen für die Täter auf Kredit eine verlangte – auch höherwertige – Sache erst durch den Versicherungsnehmer erworben würde. Zwar mag das Risiko der Wegnahme im Rahmen eines Diebstahls oder Raubes im Hinblick auf vorhandenes Bargeld deutlich höher sein, als in dem Fall, dass sich das Geld auf der Bank und lediglich das Sparbuch am Versicherungsort befindet. Denn für den Täter besteht ein höheres Risiko der Entdeckung, wenn er auf der Bank erst noch ein Sparbuch einlösen muss, um es wirtschaftlich verwerten zu können. Jedoch unterliegen Bargeld und sonstige Wertsachen im Rahmen der Hausratsversicherung besonderen Entschädigungsgrenzen – wie sie vorliegend auch dem Versicherungsschein vom 06.03.2017 zu entnehmen sind -, oberhalb derer kein Versicherungsschutz gewährt wird, so dass der weniger umsichtige Versicherungsnehmer durch Verwahrung von Bargeld am Versicherungsort oberhalb der Entschädigungsgrenzen nicht das Risiko der Versicherung, sondern sein eigenes erhöht. Durch die Klausel der Ziff. 6.4.2 VHB 2008 begrenzt der Versicherer den Versicherungsschutz wirksam auf ein überschaubares Risiko, unabhängig davon, wieviel Bargeld der Versicherungsnehmer am Versicherungsort vorhält. Der Versicherungsnehmer kann sich hierauf einstellen und bis zur Entschädigungsgrenze unter den Aufbewahrungsbedingungen seines Versicherungsvertrages Bargeld am Versicherungsort vorhalten, das im Falle eines Diebstahls oder Raubes versichert wäre, und im Übrigen die sicherere Einlage oder Verwahrung auf der Bank wählen.
Bedenken gegen die Wirksamkeit der Klausel Ziff. 6.4.2 VHB 2008 haben die Kläger nicht erhoben und sind auch sonst nicht ersichtlich. Die Kläger wenden sich lediglich gegen die Anwendung der Klausel auf ihren konkreten Fall. Dieser hat aber auf den objektiv zu bestimmenden Inhalt der Begrenzung des versicherten Risikos durch die bezeichnete Klausel keinen Einfluss.
Mangels eines Hauptanspruchs besteht auch der mit dem ursprünglichen Klageantrag zu 3) geltend gemachte Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten aus den §§ 286, 280 BGB nicht.
II.
Die Kläger erhalten Gelegenheit, zur Stellungnahme – auch zur Frage der Durchführung des Berufungsverfahrens – innerhalb der ihnen gesetzten Frist (Eingang bei Gericht). Auf die kostenrechtliche Privilegierung einer Berufungsrücknahme – statt 4 fallen nur 2 Gerichtsgebühren an (Nr. 1222 KV zu § 3 Abs. 2 GKG) – wird hingewiesen.