Skip to content

D&O-Versicherung – Risikoausschluss durch verspätete Insolvenzantragstellung

LG Mönchengladbach – Az.: 1 O 143/14 – Urteil vom 04.05.2016

Es wird festgestellt, dass das zwischen der Firma und der Beklagten abgeschlossene Haftpflichtversicherungsvertragsverhältnis mit der Versicherungsschein Nr. … fortbesteht.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 70 % und die Beklagte zu 30 %.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche aufgrund einer Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung (D & O-Versicherung) geltend.

Die Klägerin war Geschäftsführerin der Firma [im Folgenden: Versicherungsnehmerin], die zwischenzeitlich insolvent ist (vgl. Eröffnungsbeschluss des AG Mönchengladbach vom 29.12.2011, Az: …).

Mit Versicherungsbeginn zum 14.08.2010 kam zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten unter der Versicherungsscheinnummer … ein Vertrag über eine (Vermögensschadens-)Haftpflichtversicherung zustande, dem unter anderem die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Vermögensschadens-Haftpflichtversicherung von Unternehmensleitern und Leitenden Angestellten (ULLA) zugrunde lagen. Letztere lauten auszugsweise wie folgt:

„Teil A Allgemeiner Teil

1. Gegenstand der Versicherung

1.1 Versicherte Tätigkeit

Der Versicherer gewährt Versicherungsschutz für den Fall, dass eine versicherte Person wegen einer in ihrer Eigenschaft gemäß Ziffer 1.2 bei der Versicherungsnehmerin begangenen Pflichtverletzung, einem Tochterunternehmen oder einem auf Antrag mitversicherten Unternehmen aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen für einen Vermögensschaden von der Versicherungsnehmerin oder einem Dritten (hierzu zählt auch der Insolvenzverwalter) auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird. Der Versicherungsnehmerin sind insoweit Tochterunternehmen und auf Antrag mitversicherte Unternehmen gleichgestellt.

1.2 Versicherte Personen

Versicherte Personen sind sämtliche ehemaligen und gegenwärtigen (auch zukünftigen) Mitglieder der geschäftsführenden Organe (Vorstand, Geschäftsführer, etc.) und der Kontrollorgane (Aufsichtsrat, Beirat, Verwaltungsrat, etc.) unter Einschluss von Liquidatoren und Abwicklern für deren Tätigkeit außerhalb eines Insolvenzverfahrens.

Versichert sind auch Generalbevollmächtigte, Prokuristen und leitende Angestellte.

[ … ]

6. Ausschlüsse

Ausgeschlossen vom Versicherungsschutz sind Haftpflichtansprüche

wegen vorsätzlicher Schadensverursachung oder durch wissentliches Abweichen von Gesetz, Vorschrift, Beschluss, Vollmacht oder Weisung oder durch sonstige wissentliche Pflichtverletzung durch eine versicherte Person.

Den versicherten Personen werden Handlungen oder Unterlassungen nicht zugerechnet, welche von anderen versicherten Personen begangen wurden.

Sofern die vorsätzliche Schadensverursachung oder wissentliche Pflichtverletzung streitig ist, besteht Versicherungsschutz für die Abwehr- und Verteidigungskosten unter der Bedingung, dass der Vorsatz oder die wissentliche Pflichtverletzung nicht durch rechtskräftige Entscheidung, Vergleich oder Anerkenntnis festgestellt wird. Erfolgt eine solche Feststellung, entfällt der Versicherungsschutz rückwirkend. Die versicherten Personen sind dann verpflichtet, dem Versicherer die erbrachten Leistungen zurückzuerstatten.

[ … ]“

Der Gründung der Versicherungsnehmerin lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Bruder der Klägerin, der Zeuge …, war alleiniger Gesellschaftergeschäftsführer der Firma … (Unternehmen in der Briefzustellung) mit Sitz in F, die Ende des Jahres 2009 Steuerschulden in Höhe von 240.000,00 EUR aufwies, die sie nicht bedienen konnte. Deswegen entschloss der Zeuge … sich Ende April 2010 dazu, dieses Unternehmen nicht weiter zu betreiben und für die Steuerschulden die persönliche Verantwortung zu übernehmen. In der Folge meldete er am 07.02.2011 Privatinsolvenz an. Im Weiteren kam es zu einem Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung, das mit einer Bewährungsstrafe endete.

In dieser Situation kam der Bruder der Klägerin auf die Idee, anstelle der zahlungsunfähigen …, eine neue Gesellschaft, die Versicherungsnehmerin, zu gründen, die den Geschäftsbetrieb der zahlungsunfähigen „Altgesellschaft“ fortsetzen sollte. In diesem Zusammenhang kam es zu Gesprächen zwischen der Klägerin und ihren Brüdern.

Die Klägerin ließ sich von dem Zeugen … überreden, in der neu zu gründenden Gesellschaft formal die Rolle der Geschäftsführerin zu übernehmen, da er selbst hierzu in Anbetracht seiner wirtschaftlichen Situation (bevorstehende Privatinsolvenz) nicht in der Lage war und die beiden anderen Brüder aufgrund ihrer beruflichen Situation nicht zur Verfügung standen. Dabei bestand zwischen den Beteiligten Einigkeit darüber, dass die Klägerin hauptberuflich (Arbeitgeberzustimmung zur Nebentätigkeit wurde erteilt) nach wie vor als Chemikerin der Firma … tätig sein würde.

Die Klägerin wurde von Rechtsanwalt … über ihre Kontrollpflichten als Geschäftsführerin aufgeklärt.

Buchhalterische Belange sollten durch einen externen Consulter, Herrn …, betreut werden. Die faktische Geschäftsführung (Zahlungsverkehr, Auskehrung der Gehälter an die Mitarbeiter, Kundenkontakt) sollte dem Zeugen … als Prokuristen obliegen.

Die Klägerin und der Zeuge … sprachen einmal pro Woche (samstags), nachdem die Klägerin die Geschäftspost gesichtet hatte, über die Belange der Versicherungsnehmerin. Darüber hinaus sollte die Klägerin für die Ausweitung der geschäftlichen Tätigkeit der Versicherungsnehmerin – zu der es angesichts der sodann eintretenden Insolvenz nicht mehr kam -, konkret für die Errichtung eines Lebensmittellieferservices für Senioren sowie die Durchführungen eines umweltfreundlichen Verfahrens zum Färben von Textilien und die Ausweitung des Abhol- und Zustellservices in Form eines Fullservices (letzteres gemeinsam mit ihrem Bruder), verantwortlich sein.

Unmittelbar nach erfolgter Gründung der Versicherungsnehmerin und der formalen Bestellung der Klägerin als Geschäftsführerin des Unternehmens stellte der Zeuge … als Prokurist der Gesellschaft bei der Beklagten den Antrag auf Abschluss einer „Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Unternehmensleiter und leitende Angestellte“. Im Rahmen der Antragstellung – das Beratungsgespräch fand am 14.08.2010 in den Geschäftsräumen der Versicherungsnehmerin zwischen dem Zeugen … und dem Mitarbeiter der Beklagten, dem Zeugen …, statt – legte der Zeugen … jedenfalls die im Zusammenhang mit der Gründung der Versicherungsnehmerin geschlossenen notariellen Verträge vor. Der weitere Inhalt des Beratungsgesprächs ist zwischen den Parteien streitig. Die in dem Versicherungsantrag zum Zwecke der Risikoermittlung unter Ziffer 1 gestellte Frage „Liegt im Zeitpunkt der Antragstellung ein Insolvenzgrund im Sinne der §§ 16 ff. InsO vor?“ wurde mit „nein“ beantwortet. Der Zeuge … unterzeichnete sodann den Versicherungsantrag, wobei die Klägerin von den Umständen und Hintergründen Kenntnis hatte.

Bereits im Januar 2011 war die Versicherungsnehmerin nicht mehr in der Lage, offene Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Da die Volksbank als Hausbank der Versicherungsnehmerin nicht dazu bereit war, durch Gewährung von Krediten zu helfen, gewährte die Klägerin dieser einen „Privatkredit“. In der Zeit zwischen dem 28.01.2011 bis zum 05.07.2011 leistete die Klägerin sodann Zahlungen von ihrem Privatkonto in einer Gesamthöhe von 63.256,20 EUR (vgl. Auflistung Bl. 6 des Schriftsatzes der Beklagten vom 16.09.2014, Bl. 73 d.A.). Diese gingen überwiegend an die Versicherungsnehmerin. Die Zahlungen vom 05.07.2011 gingen unmittelbar an diverse Mitarbeiter der Gesellschaft und stellten Lohnzahlungen dar, die die Gesellschaft zu diesem Zeitpunkt nicht erbringen konnte.

Nach einer Pfändung des Finanzamtes stellte die Klägerin am 09.11.0211 für die Versicherungsnehmerin einen Insolvenzantrag bei dem Amtsgericht Mönchengladbach(Az: …).

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Versicherungsnehmerin meldete die Klägerin den Eintritt des Versicherungsfalles bei der Beklagten.

Ein gegen die Klägerin im Zusammenhang mit der Insolvenzeröffnung eingeleitetes Ermittlungsverfahren wurde zwischenzeitlich gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

Die Klägerin wurde in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführerin der Versicherungsnehmerin bislang wie folgt in Anspruch genommen:

In einem vor dem Landgericht Mönchengladbach unter dem Az: … geführten Rechtsstreit nahm die Firma … die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführerin auf Zahlung gemäß § 823 Abs. 2 i.V.m. § 15 a Abs. 1 InsO wegen Verletzung der Insolvenzantragspflicht in Anspruch. Der Zeuge … hatte für die Klägerin bei der für die Versicherungsnehmerin am 22.09.2011 zwei Fahrzeuge gekauft. Zweitinstanzlich wurde dieses Verfahren durch Abschluss eines Vergleichs beendet, in dem sich die hiesige Klägerin u.a. zur Zahlung von 7.500,00 EUR sowie 80% der erstinstanzlichen Kosten verpflichtete (vgl. Sitzungsprotokoll des OLG Düsseldorf vom 13.02.2014). Die Klägerin teilte der Beklagten den vorstehenden Sachverhalt nebst Widerrufsmöglichkeit bis zum 28.02.2014 mit. Eine Anweisung der Beklagten, den Vergleich zu widerrufen, erfolgte nicht. Die Klägerin veranlasste sodann die Zahlung in Höhe von 7.500,00 EUR.

In einem vor dem Landgericht Mönchengladbach unter dem Az: … geführten Rechtsstreit nahm der Insolvenzverwalter der Versicherungsnehmerin, Herr Rechtsanwalt …, die hiesige Klägerin auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 221.801,47 EUR in Anspruch wegen der Ausführung von Überweisungen durch die Versicherungsnehmerin in einem Zeitraum (2. August bis 8. November 2011), als bereits längere Zeit Insolvenzreife des Unternehmens vorgelegen habe. Auch diesen Sachverhalt zeigte die Klägerin der Beklagten an. Mit Urteil vom 18.06.2014 wurde die Klägerin zur Zahlung verurteilt, Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche des Insolvenzverwalters gegen die damaligen Zahlungsempfänger sowie unter dem Vorbehalt von Gegenansprüchen.

Im Zusammenhang mit der Anmeldung der Ansprüche durch die Klägerin bei der Beklagten wies die Beklagte wiederholt darauf hin, dass eine vorsätzliche Insolvenzverschleppung einen Haftungsausschluss nach sich ziehe.

Am 29.01.2014 fand eine Telefonkonferenz zwischen der Klägerin, deren Prozessbevollmächtigten sowie einem Prozessbevollmächtigten der Beklagten statt. Über den Inhalt des Gesprächs erstellte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten, Rechtsanwalt …, einen Aktenvermerk (Bl. 37ff. d. GA). Die Klägerin übersandte den Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit Schreiben vom 10.02.2014 hinsichtlich des Aktenvermerkes Ergänzungen sowie Korrekturen zu (Bl. 48ff. d.GA). In der Folge erklärte die Beklagte über ihre Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 27.02.2014 gegenüber den Prozessbevollmächtigten der Klägerin (Bl. 101ff. d. GA) sowie gegenüber der Klägerin persönlich (Bl. 54 d. GA) die Anfechtung des mit der Versicherungsnehmerin geschlossenen Vertrages wegen arglistiger Täuschung gemäß §§ 22 VVG, 123 Abs. 1 BGB. Zur Begründung wurde angeführt, die Beklagte sei über die Stellung der Klägerin als „Strohfrau“ sowie die tatsächliche Rolle des bei Vertragsschluss getäuscht worden.

Weitere, über die bereits gerichtliche geltend gemachten Ansprüche hinausgehende Forderungen, die aufgrund Insolvenz gegenüber der Klägerin persönlich als Geschäftsführerin geltend gemacht werden könnten, sind noch nicht abschließend zu beziffern. Es stehen u.a. noch Forderungen wegen Steuerverbindlichkeiten sowie wegen Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit der Erfüllung von Verpflichtungen gegenüber Sozialversicherungsträgern im Raum. Insgesamt ist wegen Forderungen in Höhe von ca. 300.000,00 EUR zu erwarten, dass die Klägerin aufgrund ihrer Geschäftsführertätigkeit bei der Versicherungsnehmerin in Anspruch genommen wird und deswegen Versicherungsschutz bei der Beklagten benötigt.

Die Klägerin behauptet, Hintergrund der Gründung der Versicherungsnehmerin sei die Fortsetzung der Geschäfte der insolventen Firma … mit dem solventen Teil des Kundenstammes gewesen, um insbesondere die Arbeitsplätze zu erhalten. Insbesondere habe auch sie, die Klägerin, (nebenberuflich) im Unternehmen tätig werden sollen. Von einer „Strohfrautätigkeit“ könne mithin keine Rede sein, weshalb nach Ansicht der Klägerin auch die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nicht durchgreifen könne.

Die Versicherungsnehmerin sei zu keinem Zeitpunkt zahlungsunfähig gewesen. Erst, nachdem eine Pfändung durch das Finanzamt ausgebracht worden sei, habe die Zahlungsfähigkeit festgestanden. Unmittelbar danach habe sie, die Klägerin, einen Insolvenzantrag gestellt, was zwischen den Parteien unstreitig ist. Eine Überschuldung sei ihr, der Klägerin, nicht bekannt gewesen. Vielmehr sei sie bis zuletzt von einer positiven Zukunftsprognose für die Versicherungsnehmerin ausgegangen. Insbesondere angesichts der weiteren geplanten Geschäftsfelder habe sie auch nicht davon ausgehen müssen, dass die Prognose für die Versicherungsnehmerin negativ sei.

Zudem sei die Beklagte über ihren zuständigen Mitarbeiter, den Zeugen …, an die Versicherungsnehmerin herangetreten und habe den Abschluss der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung angeraten, und zwar in Kenntnis des Umstandes, dass faktischer Geschäftsführer der Versicherungsnehmerin nicht die Klägerin, sondern deren Bruder sein sollte. Dem vorangegangen sei ein Gespräch des Zeugen mit der Zeugin …, einer Mitarbeiterin der Volksbank …, bei der sich eine Agentur der Beklagten befindet. Die Zeugin … habe in Kenntnis der genauen Situation um die Firma des Bruders sowie der Versicherungsnehmerin den Kontakt zu dem zuständigen Mitarbeiter der Beklagten vermittelt.

Den Versicherungsantrag – auch jenen für die streitgegenständliche Versicherung – habe der Zeuge … sodann in den Räumen der Versicherungsnehmerin unterzeichnet, wobei der Zeuge … zu diesem Termin bereits vorausgefüllte Antragsformulare, die lediglich noch um das Datum und die Unterschrift hätten ergänzt werden müssen, mitgebracht habe. Vor Unterzeichnung habe der Zeuge … darauf hingewiesen, dass die Klägerin Geschäftsführerin der Versicherungsnehmerin sei. Gleichwohl habe der Zeuge … die Unterzeichnung des Versicherungsantrags durch den Zeugen unter Hinweis auf dessen Stellung als faktischer Geschäftsführer ausdrücklich akzeptiert. Auch sei es der Zeuge … gewesen, der zum Abschluss einer Geschäftsführer-Haftpflichtversicherung geraten habe, damit sowohl die Klägerin als auch der in wesentlich größerem Umfang für die Versicherungsnehmerin tätige Zeuge … abgesichert seien.

Unabhängig davon bestehe nach Ansicht der Klägerin der Versicherungsschutz auch dann, wenn sie lediglich als „Strohfrau“ eingesetzt worden wäre, da der Versicherungsvertrag keinen Anhaltspunkt enthalte, in welchem Umfang der leitende Angestellte tatsächlich in dem Unternehmen tätig werden müsse. Auch aus den Versicherungsbedingungen folge kein entsprechender Haftungsausschluss.

Die Klägerin ist außerdem der Ansicht, dass eine vorsätzliche Schadensverursachung durch sie zu keinem Zeitpunkt vorgelegen habe. Insbesondere habe sie nicht gegen Verpflichtungen, die aus dem Versicherungsvertrag resultierten, verstoßen. Dies gelte insbesondere hinsichtlich der Behauptung, sie habe nicht für die rechtzeitige Stellung des Insolvenzantrages gesorgt. Denn gerade aufgrund der nach Ansicht des Insolvenzverwalters verspäteten Insolvenzanmeldung werde sie, die Klägerin, nunmehr in Anspruch genommen. Eine entsprechende Versicherung bei der Beklagten wäre aber sinnlos, wenn der Versicherungsnehmer alles dafür tun müsse, dass die Beklagte als Versicherer nicht eintrittspflichtig sei.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin Versicherungsschutz aus der Haftpflichtversicherung, Versicherungsschein Nr. … zu gewähren;

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 7.500,00 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sie von Ansprüchen des Insolvenzverwalters Rechtsanwalt … freizustellen sind, soweit diesem Verfahren vor dem Landgericht Mönchengladbach durch Herrn Rechtsanwalt … geltend gemacht werden.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, sie habe den unter dem 14.08.2010 geschlossenen Versicherungsvertrag wirksam mit Schreiben vom 27.02.2014 gemäß §§ 22 VVG, 123 BGB wegen arglistiger Täuschung angefochten.

Unabhängig davon sei sie, die Beklagte, auf der Grundlage der Vertragsbestandteil gewordenen Versicherungsbedingungen auch nicht dazu verpflichtet, der Klägerin als Scheingeschäftsführerin der Versicherungsnehmerin Deckungsschutz zu gewähren, zumal diese auch einen (hypothetisch einmal als gegeben unterstellten) Versicherungsfall durch wissentliche Pflichtverletzung verursacht habe. Hierzu behauptet sie, dass die Klägerin lediglich Scheingeschäftsführerin, nicht aber verantwortlich handelnde Geschäftsführer der Versicherungsnehmerin gewesen, was allen Beteiligten bereits zum Zeitpunkt der Gründung der Versicherungsnehmerin klar gewesen sei. Dies belege bereits ihre fortgesetzte hauptberufliche Tätigkeit als Chemikerin.

Weiter behauptet die Beklagte, dass sowohl für die Klägerin als auch für deren Bruder bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung bzw. bei Gründung der Versicherungsnehmerin klar gewesen sei, dass die neu gegründete Gesellschaft keine irgendwie geartete Überlebenschance habe und letztlich bereits zum Zeitpunkt der Gründung „überschuldet“ im Sinne der §§ 19 ff. InsO gewesen sei.

Da die Klägerin jedenfalls im Juli 2011, was zwischen den Parteien unstreitig ist, Lohnzahlung an diversen Mitarbeiter der Versicherungsnehmerin leistete, sei die Versicherungsnehmerin jedenfalls zu diesem Zeitpunkt zahlungsunfähig gewesen. Aus den Zahlungen ab Januar 2011 ergebe sich ohne weiteres, dass die Klägerin von der wirtschaftlichen Situation der Versicherungsnehmerin positive Kenntnis gehabt habe.

Mithin habe die Klägerin gewusst, dass sie die finanzielle Situation des Unternehmens ständig im Blick haben müsse und im Falle der Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung der Gesellschaft gehalten gewesen sei, rechtzeitig Insolvenzantrag zu stellen. Trotz dieser Gegebenheiten habe die Klägerin sich um nichts gekümmert und ihren Bruder auch dann noch „weiter wurschteln“ lassen, nachdem dieser Anfang 2011 Privatinsolvenz angemeldet hatte. Zudem habe die Klägerin es in Kenntnis der finanziellen Situation zugelassen, dass ihr Bruder ab August 2011, also zu einem Zeitpunkt, als man seitens der Versicherungsnehmerin noch nicht einmal mehr dazu der Lage gewesen sei, Gehaltszahlungen an die Mitarbeiter zu erbringen, von dem Konto der Versicherungsnehmerin die Zahlungen vorzunehmen, die der Insolvenzverwalter der Versicherungsnehmerin in dem Verfahren … nach § 64 S. 1 GmbHG gegen die hiesige Klägerin geltend gemacht habe.

Die Beklagte behauptet, dass sie niemals einen Versicherungsvertrag mit der Versicherungsnehmerin abgeschlossen hätte, wenn sie von den tatsächlichen Gegebenheiten, insbesondere der Tatsache Kenntnis gehabt hätte, dass die Klägerin nur als Scheingeschäftsführerin tätig werden würde und die Geschäfte der Versicherungsnehmerin tatsächlich von deren Bruder ausgeführt werden sollten, der in Anbetracht des bevorstehenden Privatinsolvenzantrages nicht dazu in der Lage war, Geschäftsführer der Versicherungsnehmerin zu sein, und darüber hinaus gewusst habe, dass die Versicherungsnehmerin nur die Geschäfte der zahlungsunfähig gewordenen … fortsetzen sollte.

Für den bestrittenen Fall, dass der Vortrag der Klägerin über die Kenntnis des Zeugen … betreffend die Ausgestaltung der Gesellschaftsverhältnisse und die Verteilung der Aufgaben bei der Versicherungsnehmerin zutreffen sollte, sei insoweit ein kollusives Zusammenwirken zwischen dem Zeugen … und dem Zeugen … zum Nachteil der Beklagten anzunehmen.

Die Beklagte ist außerdem der Ansicht, dass in der Person der Klägerin aber auch der gemäß Teil A Nr. 6 ULLA formulierte Ausschlusstatbestand der vorsätzlichen bzw. wissentlichen Pflichtverletzung erfüllt sei. Denn obwohl die Klägerin positive Kenntnis von ihren Aufgaben als Geschäftsführerin der Versicherungsnehmerin gehabt habe, habe sie sich nicht um das Unternehmen gekümmert, sondern es zugelassen, dass ihr kreditunwürdiger Bruder in dem Unternehmen schalten und walten konnte. Selbst als die Klägerin gewusst habe, dass sich die Versicherungsnehmerin in Zahlungsschwierigkeiten befand, weil diese nicht einmal mehr in der Lage war, die fälligen Gehaltszahlungen ihrer Mitarbeiter zu erbringen, habe die Klägerin es nicht für nötig befunden, sich von ihrem Bruder über die genaue Lage des Unternehmens aufklären zu lassen oder einen außenstehenden Fachmann (z.B. Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer) mit der Beantwortung der Frage zu beauftragen, ob ein Grund für die Stellung eines Insolvenzantrags bestehe oder nicht. Dadurch, dass sie einfach gar nichts getan habe, habe sie jedenfalls billigend in Kauf genommen, dass Dritte durch das Verhalten ihres Bruders geschädigt werden könnten. Wäre die Klägerin dagegen ihren Kontrollpflichten nachgekommen, hätten durch rechtzeitige Stellung des Insolvenzantrages die Zahlungen, die Gegenstand des Verfahrens LG MG, Az.: … waren, und hinsichtlich des Verfahrens … der Abschluss des Kaufvertrages vermieden werden können.

Die Kammer hat gemäß dem Beweisbeschluss vom 09.04.2015 (Bl. 162 d. GA) Beweis erhoben durch Zeugenvernahme. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 05.11.2015 (Bl. 170 d. GA) verwiesen. Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereicht Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist lediglich hinsichtlich des Antrages zu 1) begründet, ansonsten unbegründet.

I.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Feststellung, dass der Versicherungsvertrag nach wie vor fortbesteht.

1. Der Antrag zu 1) war von der Kammer zunächst dahingehend auszulegen, dass es der Klägerin insoweit nicht um Versicherungsschutz für einen konkreten Haftpflichtfall geht, sondern um die Feststellung, dass der Versicherungsvertrag nicht beendet und insbesondere nicht aufgrund der Anfechtung der Beklagten rückwirkend als nichtig anzusehen ist, sodass sie grundsätzlich (vorbehaltlich der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des Versicherungsfalles sowie von Ausschlussgründen im Einzelfall) zur Versicherungsleistung verpflichtet ist. Auf einen entsprechenden Hinweis der Kammer vom 26.11.2015 hat die Klägerin diese Auslegung der Kammer mit Schriftsatz vom 16.02.2016 klarstellend bestätigt.

Das Feststellungsinteresse der Klägerin ergibt sich daraus, dass – unstreitig – mit weiteren Haftpflichtfällen zu rechnen ist, für die ev. Versicherungsschutz zu gewähren ist.

2.

Der zwischen der Beklagten und der Versicherungsnehmerin geschlossene Vertrag ist nach wie vor wirksam.

a) Der Vertrag ist insbesondere nicht wirksam gemäß § 123 Abs. 1 BGB, § 22 VVG angefochten worden und daher nicht ex tunc nichtig, § 142 Abs. 1 BGB.

Darlegungs- und beweisbelastet für sämtliche Anfechtungsvoraussetzungen ist die Beklagte als Anfechtende.

(1) Die Beklagte hat zunächst mit Schreiben vom 27.02.2014 sowohl gegenüber der Klägerin als auch gegenüber deren Prozessbevollmächtigten die Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung im Sinne des § 123 BGB erklärt. Damit hat sie die Jahresfrist des § 124 Abs. 1 BGB eingehalten. Gemäß § 124 Abs. 2 BGB beginnt diese Frist im Falle der arglistigen Täuschung mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung (hier über die personellen Besonderheiten innerhalb der Versicherungsnehmerin etc.) entdeckt. Vorliegend muss davon ausgegangen werden, dass die Beklagte spätestens mit dem Telefonat vom 29.01.2014 zwischen den Prozessbevollmächtigten der Beklagten sowie der Klägerin von den Umständen der Firmengründung, den personellen Besonderheiten sowie der wirtschaftlichen Lage der Versicherungsnehmerin Bescheid gewusst hat.

(2) § 22 VVG und § 123 BGB setzen eine Täuschung über einen Gefahrumstand zum Zwecke der Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums voraus. Die Irrtumserregung kann durch Vorspiegeln falscher Tatsachen oder das Unterdrücken bzw. Verschleiern wahrer Tatsachen erfolgen und muss für den Annahmeentschluss des Versicherers kausal geworden sein. Auf subjektiver Seite ist erforderlich, dass ein bewusstes und willentliches Einwirken auf den Entscheidungswillen des Versicherers stattfindet und der Vertragspartner die Erkenntnis hat, dass der Versicherer den Antrag sonst nicht oder nur zu anderen Konditionen angenommen hätte.

Die von der Beklagten benannten Anfechtungsgründe der Nichtoffenbarung der Scheingeschäftsführung der Klägerin in Verbindung mit einer faktischen Geschäftsführung durch den Zeugen … sowie der bereits vorliegenden Überschuldung im Zeitpunkt der Antragstellung sind als Irrtumserregung durch Verschweigen einzuordnen. Das setzt voraus, dass auf Seiten der Versicherungsnehmerin eine Rechtspflicht zur Aufklärung über diese Umstände (Offenbarungspflicht) bestanden hat. Ob eine Offenbarungspflicht in concreto besteht, beurteilt sich maßgeblich nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung hinsichtlich des jeweiligen Geschäftsbereichs. Ungefragt (spontan) offenbart werden müssen alle diejenigen Umstände, die für den anderen Teil offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung sind (vgl. Armbrüster/Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2015, § 123, Rn. 31, 32).

(a) Soweit die Beklagte behauptet, sie hätte die Versicherung bei Kenntnis der Rolle der Klägerin als Scheingeschäftsführerin und des Umstandes der faktischen Geschäftsführung durch den Zeugen … nicht geschlossen, stellt dieses „Konstrukt“ einen wesentlichen Umstand für den Abschluss einer D & O-Versicherung und damit eine offenbarungspflichtige Tatsache dar, sodass damit das Verschweigen bzw. die Täuschung hierüber einen Anfechtungsgrund iSd § 123 Abs. 1 BGB begründet. Das Wesen der D & O-Versicherung ist, Risiken der leitenden Organe abzusichern, sodass der Umstand, dass geplant war, dass die Klägerin als Geschäftsführerin ihre Leitungsfunktion nicht wahrnehmen sollte und stattdessen diese Funktion durch eine Person wahrgenommen werden sollte, die mit dem Vorgängerunternehmen Insolvenz angemeldet hatte, eine deutliche Risikoerhöhung dargestellt hat.

Dass vorliegend von dem Umstand einer faktischen Geschäftsführung durch den Zeugen … und damit einhergehend von einer Scheingeschäftsführung der Klägerin auszugehen ist, belegen die von der Klägerin selbst im Rahmen der Klage vorgetragenen sowie in ihrem Schreiben an die Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 27.02.2014 mitgeteilten Tatsachen. Unstreitig ist insoweit, dass sie ihrem Bruder insgesamt die wirtschaftliche Leitung des Unternehmens überlassen hat. Unter anderem hat sie in ihrem Schreiben vom 27.02.2014 erläutert, dass sie darauf vertraut habe, dass der Zeuge … „faktisch Geschäftsführer“ sei.

Allerdings steht nach durchgeführter Beweisaufnahme nicht mit hinreichender Sicherheit fest, dass der Beklagten diese Informationen nicht – in ihr zurechenbarer Art und Weise – mitgeteilt worden sein sollten. Der Inhalt der bei Antragsaufnahme erteilten Informationen ist nach durchgeführter Beweisaufnahme nicht eindeutig. Diese Unklarheiten gehen hier zu Lasten der insoweit beweisbelasteten Beklagten.

Es ist zwar nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung der Kammer bewiesen, dass die Zeugin … als Versicherungsagentin für die Beklagte tätig geworden ist und daher ihr Wissen bezüglich der organisatorischen Umstände bei der Versicherungsnehmerin der Beklagten nach § 166 Abs. 1 BGB zuzurechnen wären. Insoweit hat die Zeugin … glaubhaft bekundet, dass sie selber keine Versicherungen abschließe, sondern lediglich Bankkunden mit Versicherungsbegehren an den Zeugen … weiterreiche, was der Zeuge … im Wesentlichen auch bestätigt hat.

Allerdings ist der Beklagten das Wissen des für sie handelnden Mitarbeiters, des Zeugen … gemäß § 166 Abs. 1 BGB zuzurechnen (vgl. insoweit auch den Hinweis der Kammer mit Beschluss vom 09.04.2015 zu Zif. 2. zur Einordnung des Zeugen, dem von den Parteien nicht widersprochen worden ist). Insoweit ist die Kammer bereits nach der Aussage des Zeugen … nicht davon überzeugt, dass diesem im Zeitpunkt der Unterzeichnung des Versicherungsvertrages die personelle geschäftliche Situation nicht mitgeteilt worden ist, hier also objektiv eine Täuschung überhaupt vorlag. Außerdem waren die Bekundungen des Zeugen … geeignet, weitere Zweifel an den Angaben des Zeugen zu wecken.

Der Zeuge … hat zwar bekundet, dass er nicht sagen könne, wie es um die wirtschaftliche Situation der Altfirma bestellt gewesen sei, da er solche Informationen in der Regel nicht bekomme und auch hinsichtlich der Klägerin nicht gewusst habe, dass diese Geschäftsführerin gewesen sei, sondern ihm gesagt worden sei, dass es sich bei ihr um eine Gesellschafterin handele.

Die Aussage des Zeugen … kann jedoch nicht zuletzt aufgrund deutlicher Erinnerungslücken nicht zur hinreichenden Überzeug der Kammer führen.

Der Zeuge … hatte sowohl hinsichtlich des Ablaufs etwaiger Beratungsgespräche im Vorfeld des Treffens vom 14.08.2010 als auch hinsichtlich des Ablaufs des Treffens mit dem Zeugen … am Tag der Unterzeichnung des Versicherungsvertrages kaum mehr konkrete Erinnerungen. Er hat stattdessen überwiegend Angaben dazu gemacht, wie er üblicherweise bei derartigen Versicherungsabschlüssen vorgehe. Er hat außerdem bekundet, dass es auch für das „Altunternehmen“ bereits eine entsprechende D & O-Versicherung gegeben habe, was unstreitig nicht der Fall war.

In Bezug auf den maßgeblichen Fragenkomplex, ob er über die Stellung des Zeugen … als Prokurist und der Klägerin als Geschäftsführerin Bescheid gewusst habe, waren die im Laufe der Befragung getätigten Aussagen des Zeugen … nicht überzeugend. Der Zeuge hat die diesbezüglichen Angaben immer wieder korrigiert. So hat er zunächst bekundet, dass sich der Zeuge … als Geschäftsführer der Firma … vorgestellt habe. Im Anschluss hat der Zeuge seine Angabe dahingehend abgeändert, dass der Zeuge … in der neuen Firma derjenige gewesen sei, der „alles macht“, er könnte sich aber nicht erinnern, ob er sich konkret als Geschäftsführer vorgestellt habe. Auf Vorhalt der Kammer hat er schließlich bestätigt, dass der auf dem Antrag neben der Unterschrift des Zeugen ersichtliche Zusatz „Prokurist“ von ihm sei.

Der Zeuge … hat im Widerspruch dazu bekundet, dass er bei dem Termin mit dem Zeugen … zumindest kurz deutlich gemacht habe, welche Rolle seine Schwester in dem Unternehmen spielen solle, dass sie offiziell Geschäftsführerin sei, er aber als Prokurist das Tagesgeschäft leite. Diese Angaben werden durch den von dem Zeugen … im Antrag hinzugefügten Zusatz „Prokurist“ zumindest indiziell bestätigt.

Der Zeuge … hat außerdem bekundet, dass er während des ganzen Gesprächs den Eindruck gehabt habe, dass der Zeuge … gut informiert gewesen sei. Als er im Rahmen des Gesprächs gefragt habe, ob denn nicht auch seine Schwester mitunterzeichnen müsse, da er nur Gesamtprokura habe, habe der Zeuge … sinngemäß gesagt, dass „man ihn ja kenne“.

Eine Täuschung der Beklagten und insbesondere ein (subjektiv) arglistiges Verhalten auf der Seite der Klägerin kann auf dieser Grundlage nicht bejaht werden.

(b) Auch eine Berufung auf den Anfechtungsgrund des Verschweigens einer – ebenfalls als offenbarungspflichtig einzuordnenden – angeblichen Insolvenzreife bzw. Überschuldung der Versicherungsnehmerin bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrages hat keinen Erfolg.

((1)) Die Kammer kann bereits keine wirksame Anfechtungserklärung binnen Jahresfrist feststellen, die auf diese Umstände gestützt wurde.

Der Anfechtungserklärung der Beklagten vom 27.02.2014 lässt sich nicht entnehmen, dass die Beklagte ihre Anfechtung auch auf diesen Umstand gestützt hätte.

Zwar muss der Anfechtungsgrund nicht zwingend in der Anfechtungserklärung benannt werden. Es ist aber erforderlich, dass für den Anfechtungsgegner erkennbar ist, auf welchen tatsächlichen Grund die Anfechtung gestützt wird (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 73. Auflage, 2014, § 143 Rn. 3). Aufgrund der Formulierung der Anfechtungserklärung der Beklagten vom 27.02.2014 musste daher die Klägerin davon ausgehen, dass die Anfechtung lediglich aufgrund der Verheimlichung der faktischen Geschäftsführung durch ihren Bruder erfolgte.

Auch die Ausführungen der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 16.09.2014 (Bl. 68 ff. d. A.) sind nicht als erneute konkludente Anfechtungserklärung aufgrund einer (angeblichen) anfänglichen Überschuldung/ Insolvenzreife zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu verstehen. Bei einer Anfechtungserklärung ist zwar nicht erforderlich, dass das Wort „anfechten“ fällt; der Erklärende muss lediglich erkennen lassen, dass die Partei das Geschäft aufgrund eines Willensmangels/einer Täuschung nicht gelten lassen will (Palandt/Ellenberger, aaO.). Hier ist jedoch nicht der Wille erkennbar, dass erneut die Anfechtung des Versicherungsvertrages erklärt werden sollte.

Weiterhin ist der Anfechtungsgrund auch nicht mit den schriftlichen Ausführungen vom 16.09.2014 hinsichtlich der Anfechtungserklärung vom 27. Februar 2014 wirksam nachgeschoben worden, da ein Nachschieben ohne erneute Anfechtungserklärung unzulässig ist (vgl. Busch/Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage, 2015, § 143 Nr. 10).

((2)) Überdies ist schon nach dem Vortrag der Beklagten auch nicht davon auszugehen, dass schon zum Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrages – der unmittelbar nach der Gründung der Versicherungsnehmerin erfolgte – bereits eine Überschuldung bzw. Insolvenzreife bei der Versicherungsnehmerin vorgelegen hat. Die Beklagte hat hierzu keine hinreichenden Umstände vorgetragen. Insbesondere ist festzuhalten, dass die von der Beklagten angeführten, bei dem ehemaligen Unternehmen des Zeugen … entstandenen Schulden in Höhe von 240.000,00 EUR gerade nicht mit auf die Versicherungsnehmerin übergegangen sind. Dass der wirtschaftliche Erfolg der Versicherungsnehmerin ev. sehr unsicher sein würde, begründet für sich nicht die Annahme einer Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit. Dass bei der Rechtsform der UG eine geringe Eigenkapitaldecke vorliegt, ist systemimmanent und für sich ebenfalls nicht zur Bejahung einer Insolvenzreife ausreichend.

((3)) Unabhängig vom Vorstehenden ist aber auch der ebenfalls für die Bejahung einer arglistigen Täuschung erforderliche subjektive Tatbestand weder auf der Grundlage des Vortrages der Beklagten noch aufgrund des Sachvortrages im Übrigen festzustellen.

Es ist insoweit für die Kammer auch nach dem Vortrag der Beklagten nicht ersichtlich, dass und warum für die Klägerin und den Zeugen … zum Zeitpunkt der Antragstellung schon „unter Anlehnung objektiver Kriterien klar“ gewesen sei, „dass die neu gegründete Gesellschaft keine irgendwie geartete Überlebenschance“ gehabt habe und, „bei Lichte betrachtet, schon zum Zeitpunkt der Gründung „überschuldet“ im Sinne der §§ 19 InsO“ gewesen sei. Auch die Annahme, dass nach objektiven Kriterien eine wirtschaftliche Betätigung der neu gegründeten UG sehr wahrscheinlich erfolglos sein würde, führt nicht zu der Annahme, dass dies auch der Klägerin mit dem für die Bejahung von Arglist notwendigen Grad bewusst war.

b) Für den von der Beklagten erhobenen Einwand des „kollusiven Zusammenwirkens“ der Zeugen … und … gibt es keinerlei Anhaltspunkte, sodass auch nicht insoweit von einer Nichtigkeit des Versicherungsvertrages auszugehen ist.

c) Sonstige Beendigungsgründe im Hinblick auf das Versicherungsverhältnis sind nicht ersichtlich.

2. Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf Ersatz der von ihr im Rahmen des Verfahrens … geleisteten Zahlungen in Höhe von 7.500,00 EUR.

Zwar handelt es sich bei dem geltend gemachten Haftpflichtanspruch grundsätzlich um einen versicherten Schaden im Sinne der Ziff. 1.1, 1.3 ULLA, da die Klägerin als versicherte Person im Sinne Ziff. 1.2 ULLA (s.o.) für eine bei der Versicherungsnehmerin begangene Pflichtverletzung von der Firma … GmbH in Anspruch genommen worden ist. Die Beklagte ist jedoch gemäß § 6 Absatz 2 Alt. 3 ULLA wegen einer „wissentlichen Pflichtverletzung“ der Klägerin leistungsfrei.

a) Die Beklagte gehört als (formale) Geschäftsführerin zu dem gemäß § Ziff. 1.1, 1.2 ULLA versicherten Personenkreis.

Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs auszulegen, wobei es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen ankommt ; Allgemeine Versicherungsbedingungen sind aus sich heraus zu interpretieren, wobei in erster Linie vom Wortlaut der Klausel auszugehen ist und der mit ihr verfolgte Zweck und ihr Sinnzusammenhang zusätzlich zu berücksichtigen sind, soweit diese für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (statt vieler BGH, Urteil vom 22.01.2014, IV ZR 344/12, zitiert nach Juris, mwN.). Auf der Grundlage dieser Auslegungskriterien und des insoweit eindeutigen Wortlautes zählen Geschäftsführer zum versicherten Personenkreis. Der Geschäftsführer ist in Ziff. 1.1, 1.2 ULLA als versichertes Organ ausdrücklich aufgeführt. Die Klägerin ist vorliegend die durch den Gesellschaftsvertrag bestellte und nach außen als solche benannte Geschäftsführerin. Sie ist damit zur Vertretung der Versicherungsnehmerin rechtlich befugt. Die Einschränkung, dass – wie von der Beklagten zum Ausdruck gebracht – Versicherungsschutz nur für diejenigen Personen gewährt werde, die auch tatsächlich für das versicherte Unternehmen die Rolle des Geschäftsführers ausüben und diese Rolle nicht lediglich pro forma übernommen haben, lässt sich der Klausel nicht entnehmen.

b) Die Beklagte ist allerdings gemäß § 6 Absatz 2 Alt. 3 ULLA leistungsfrei. Danach ist Versicherungsschutz für solche Haftpflichtansprüche ausgeschlossen, die auf einer „wissentlichen Pflichtverletzung“ der versicherten Person beruhen. Eine „wissentliche Pflichtverletzung“ setzt dabei voraus, dass der Versicherungsnehmer die verletzte Pflicht positiv kennt und sich auch bewusst ist, gegen diese Pflicht zu handeln (BGH, NJW 2006, 289, 291; BGH, NJW 2006, 1311, 1312). Der Schadenserfolg selbst muss dabei nicht von dem Willen des Versicherten umfasst sein (vgl. BGH, NJW-RR 1991, 145; Prölls/Martin, VVG, AVB-AVG Ziff. 5, Rn. 2).

Hier ist betreffend die Klägerin eine solche „wissentliche Pflichtverletzung“ in Bezug auf den durch die Firma … geltend gemachten Anspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB iVm § 15 a Abs. 1 InsO wegen Verletzung ihrer Insolvenzantragspflicht als Geschäftsführerin der Versicherten anzunehmen.

(1) § 15 a Abs. 1 InsO verpflichtet die Mitglieder des Vertretungsorgans, hier also die Klägerin als Geschäftsführerin der versicherten UG, für den Fall, dass diese Gesellschaft zahlungsunfähig oder überschuldet ist, ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, einen Eröffnungsantrag zu stellen.

Hier ist von Insolvenzreife der UG zum 31.12.2010 auszugehen, ohne dass es einer weiteren Beweisaufnahme bedürfte, mit der Folge, dass die Klägerin spätestens bis Ende Januar 2011 Insolvenzantrag hätte stellen müssen, und mit der Konsequenz, dass dann der nun schadenträchtige Pkw-Ankauf bei der Fa. … unterblieben und der Schadenfall nicht eingetreten wäre.

(a) Für die Frage der Feststellung der notwendigen Umstände einer solchen Pflichtverletzung kann – im Gegensatz zu dem ebenfalls in Streit stehenden Haftungsanspruch in Verbindung mit dem Rechtsstreit Az.: … – zwar nicht auf die Feststellungen im Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 01.08.2013 (Az: …) oder den Vergleich vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf vom 13.02.2014 (Az.: … ) abgestellt werden.

Im Kontext der Feststellung einer Pflichtverletzung besteht grundsätzlich eine Bindung an die Feststellungen des im Haftpflichtprozess ergehenden Urteils, um zu verhindern, dass die im Haftpflichtprozess getroffenen und diesem zu Grunde liegenden Feststellungen im Deckungsprozess erneut in Frage gestellt werden (vgl. BGH NJW 2015, 947, 948). In dieser Sache ist das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Mönchengladbach jedoch nicht rechtskräftig geworden, sondern in der zweiten Instanz durch Vergleich abgeschlossen worden. Auf die Bindungswirkung des erstinstanzlichen Urteils kann sich die Beklagte daher nicht berufen. Auch der Vergleich, der vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf geschlossen worden ist, entfaltet keine Bindungswirkung hinsichtlich des Vorliegens der Umstände einer Pflichtverletzung (vgl. OLG Köln, Urteil vom 09.12.2003, Az: 9 U 215/02, zitiert nach juris).

(b) Eine Überschuldung der versicherten UG kann aber dennoch im konkreten Fall jedenfalls zum Ende des Jahres 2010 angenommen werden mit der Folge, dass bereits Ende Januar 2011 und damit zu einem Zeitpunkt, der weit vor dem Ankauf der Fahrzeuge lag, Insolvenzantrag hätte gestellt werden müssen. Eine nicht entsprechend § 15 a Abs. 1 InsO rechtzeitig angezeigte Überschuldung der UG ergibt sich dabei auch ohne weitere Beweiserhebung aus dem Vortrag der Parteien selbst, worauf die Kammer bereits im Termin vom 24.03.2016 hingewiesen hat, ohne dass die Parteien, insbesondere die Klägerin, hierauf noch weitergehend vorgetragen hätte oder sich eine entsprechende Vortragmöglichkeit hat einräumen lassen.

Lediglich pauschal bestreitet die Klägerin den Eintritt der Insolvenzreife zum genannten Zeitpunkt. Andererseits hat sie die für die Insolvenzantragspflicht maßgebliche rechnerische Überschuldung (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.02.2008, Az. I-15 U 10/07, zitiert nach Juris) zum genannten Datum nicht in Abrede gestellt. Damit ist eine bilanzielle Überschuldung zu dem genannten Stichtag anzunehmen, da das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich (§ 19 Abs. 2 S. 1 InsO). Objektive Umstände für eine positive Fortführungsprognose, die von der Klägerin in Ansehung der im Übrigen anzunehmenden bilanziellen Überschuldung vorzutragen wären, werden von dieser jedoch trotz entsprechenden Hinweises im Termin am 24.03.2016 nicht benannt.

Unstreitig war die UG auch bereits im Januar 2011 nicht mehr in der Lage, offene Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen, sodass die Klägerin ihr mit einem Privatkredit für die nächsten Monate aushelfen musste.

(2) Nach Überzeugung der Kammer hat die Klägerin auch wissentlich gegen ihre Pflichten aus § 15 a Abs. 1 InsO verstoßen. „Wissentlich“ handelt derjenige, der die verletzten Pflichten positiv kennt und sich bewusst darüber hinwegsetzt (BGH NJW 2006, 289, 291). Bedingter Vorsatz, bei dem der Versicherte die in Rede stehende Verpflichtung nur für möglich hält, reicht dafür ebenso wenig aus wie eine fahrlässige Unkenntnis. Es muss vielmehr feststehen, dass der Versicherte die Pflichten zutreffend gesehen hat (BGH, a.a.O.) Nur wer bewusst verbindliche Handlungs- oder Unterlassungsanweisungen nicht beachtet hat, mit denen ihm ein bestimmtes Verhalten vorgeschrieben worden ist, muss sich den Risikoausschluss der wissentlichen Pflichtverletzung entgegenhalten lassen (BGH, VersR 1992, 994).

Darlegungs- und beweispflichtig für die Verwirklichung der subjektiven Tatbestandsmerkmale des Risikoausschlusses ist grundsätzlich der Versicherer (BGH NJW-RR 2001, 1311). In diesem Rahmen muss vom Versicherer dargelegt werden, der Versicherungsnehmer habe gewusst, wie er sich hätte verhalten müssen. Ausnahmsweise wird allerdings, wenn es sich um die Verletzung elementarer beruflicher Pflichten handelt, deren Kenntnis nach der Lebenserfahrung bei dem Berufsangehörigen vorausgesetzt werden kann, eine Wissentlichkeit zu Lasten des Versicherten vermutet (vgl. BGH, NJW 2015, 947, 948). Bei diesen beruflichen Kardinalspflichten kann vom äußeren Geschehensablauf und dem Ausmaß des objektiven Pflichtverstoßes auf innere Vorgänge geschlossen werden (BGH, aaO., – so etwa die Pflicht des Rechtsanwalts zur Wahrnehmung von Gerichtsterminen, kein Versäumnisurteil gegen sich ergehen zu lassen, den Mandanten über den Verfahrensstand zu unterrichten – vgl. OLG Köln, VersR 2012, 560).

Hier ist bereits aufgrund einer zu Lasten der Klägerin eingreifenden Vermutung von einer „Wissentlichkeit“ auszugehen. Im Übrigen belegen aber auch die dargelegten unstreitigen bzw. von der Klägerin selbst ausgeführten Umstände ihre positive Kenntnis von der konkreten Verpflichtung aus § 15 a Abs. 1 InsO sowie deren Verletzung:

Die aus § 15 a Abs. 1 InsO folgende Pflicht der rechtzeitigen Stellung eines Insolvenzantrages unterfällt den Kardinalpflichten eines Geschäftsführers. Die Vorschrift des § 15 a Abs. 1 InsO stellt eine – wegen ihrer Wesentlichkeit strafbewehrte – gesetzliche Ausprägung der grundlegenden Pflichten eines Geschäftsführers gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG dar, in Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. Kein Geschäftsführer kann sich dabei durch eine interne Geschäftsaufteilung – erst recht nicht durch Delegation auf nachgeordnete Mitarbeiter der Gesellschaft – von dieser das Leitungsorgan treffenden Kardinalpflicht befreien. Selbst wenn der Geschäftsführer für eine ordnungsgemäße Organisation gesorgt hat, ist er verpflichtet, deren Einhaltung und außerdem auch das Verhalten seines Mitgeschäftsführers zu überwachen (vgl. BGH NJW 1994, 2149); dies gilt insbesondere dann, wenn für ihn – wie hier – erkennbar wird, dass die von ihm geführte Gesellschaft in einer Krise steckt (vgl. Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Auflage 2013, zu § 64 GmbHG, Rdnr. 61). All diesen Pflichten hat die Klägerin im für den späteren Schadenseintritt relevanten Zeitraum offenkundig und eklatant nicht genügt.

Unstreitig ist, dass die Klägerin über die Pflichten als Geschäftsführerin im Vorfeld unter Einschaltung eines Rechtsanwaltes aufgeklärt worden ist, damit auch über die ihr obliegenden Beobachtungspflichten. Sie hat auch nicht in Abrede gestellt, dass ihr die konkreten Pflichten einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung und insbesondere diejenige aus § 15 a Abs. 1 InsO, bei Überschuldung bzw. Zahlungsunfähigkeit einen Insolvenzantrag zu stellen, bekannt waren.

Weiter war ihr – schon durch die eigene Kredithingabe bereits im Januar 2011 sowie sodann fortlaufend – hinlänglich bekannt, dass hier jedenfalls ein „Auftreten von Krisenzeichen“ vorlag, aufgrund dessen sie unverzüglich und beständig den Finanzstatus des von ihr zu führenden Unternehmens hätte überprüfen und sich hierbei – bei Fehlen der eigenen notwendigen Expertise – hätte extern beraten lassen müssen (vgl. Baumbach/Hueck, aaO., Rdnrn. 61, 61a). Dennoch hat sie nicht reagiert, sondern die ihr obliegenden Kontrollpflichten trotz Kenntnis derselben bewusst missachtet und damit wissentlich eine Situation verschärft, indem sie das Unternehmen „außer Kontrolle“ weiterlaufen ließ und bewusst jede Maßnahme unterließ, um sich überhaupt in die Lage zu versetzen, die Gefahr einer wirtschaftlichen Schieflage rechtzeitig erkennen zu können.

Dass sie sich in diesem Kontext (allein) auf das Wort ihres Bruders verlassen haben will, es handele sich nur um eine vorübergehende Problematik bei im Übrigen günstiger Fortführungsprognose, führt nicht zur Verneinung eines bewussten Verstoßes gegen Kardinalpflichten eines Geschäftsführers: Denn ihr war, da sie unabhängig von der Befragung ihres Bruders bewusst keinerlei Überwachungsmaßnahmen ergriffen hatte, klar, dass sie sich damit gleichzeitig jeder weiteren Möglichkeit, sich einen (objektiven) Einblick in die geschäftliche Situation der Gesellschaft zu verschaffen, verwehrte. Dass sie damit (insbesondere in dem angesichts der Vorgeschichte nicht unwahrscheinlichen Fall der unzutreffenden Prognose des Bruders) keine eigentliche – und insbesondere eigene – Kontrolle ausübte, war auch für die Klägerin offenkundig. Dies kann auch angesichts der auch für sie erkennbaren fortlaufenden Schieflage des Unternehmens und insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Klägerin zu dem Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages mit der Firma … am 22.09.2011 bereits mehrfach der Insolvenzschuldnerin Darlehen gewährt und sogar im Rahmen des letzten Darlehens am 05.07.2011 unmittelbare Zahlungen an verschiedene Mitarbeiter der Insolvenzschuldnerin geleistet hatte, nicht nachvollzogen werden und ist letztendlich als Schutzbehauptung anzusehen.

(3) Ob die Klägerin einen Schädigungsvorsatz hatte, ist bei dem Tatbestand der „wissentlichen Pflichtverletzung“ nicht relevant. Anders als bei der Tatbestandsvariante der „Vorsätzlichen Schadenverursachung“ erfordert diese Ausschlussklausel keine Kenntnis bzw. keinen Willen hinsichtlich des Schadeneintritts – hier also des konkreten Abschlusses des Vertrages mit der Fa. (vgl. hierzu auch Seitz, VersR 2007, 1476, 1477).

(4) Wäre die Klägerin ihren Kontrollpflichten nachgekommen, wäre durch rechtzeitige Stellung des Insolvenzantrages der Ankauf der Fahrzeuge durch den Zeugen auch verhindert worden, so dass Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schadeneintritt vorliegt.

c) Gegen den Ausschluss der Leistungspflicht spricht schließlich auch nicht, dass der letztendlich getätigte Ankauf von Fahrzeugen durch den Zeugen (eigenverantwortlich) ausgeführt worden ist und gemäß Ziff. 6 Abs. 3 ULLA den versicherten Personen Handlungen oder Unterlassungen nicht zugerechnet, welche von anderen versicherten Personen begangen wurden.

Bei den von der Klägerin zu vertretenden (oben näher dargelegten) Pflichtverletzungen geht es um ganz eigene Pflichtverletzungen der Geschäftsführerin. Der Ausschlussgrund der „wissentlichen Pflichtverletzung“ setzt bei dem dargelegten eigenen Unterlassen der Klägerin an. Hätte Sie ihrerseits die Pflichtverletzungen nicht begangen und pflichtgemäß reagiert, wäre durch entsprechendes Handeln ein späterer Vertragsabschluss des Zeugen … für sich schon verhindert worden. Dass auch der Zeuge … (möglicherweise) pflichtwidrig handelte und damit seinerseits keinen Versicherungsschutz genießt, ist davon unabhängig.

3. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Freistellung der von dem Insolvenzverwalter der Versicherten eingeklagten Forderung in dem Verfahren … .

a) Insoweit ist die (objektive) Pflichtverletzung der Klägerin in Bezug auf ihre Pflicht gemäß § 64 GmbHG, Zahlungen zu verhindern, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung erfolgen, aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung bindend festgestellt. Nach den dort getroffenen Feststellungen lag Insolvenzreife zum 31.12.2010 vor; die relevanten Zahlungen, die bei Wahrnehmung ihrer Geschäftsführerpflichten zu verhindern gewesen wären, erfolgten in der Zeit von August bis November 2011.

b) Hinsichtlich der Wissentlichkeit der somit maßgeblichen Pflichtverletzung besteht zwar keine Bindungswirkung; dieser Ausschlussgrund ist vielmehr im Deckungsprozess selbständig zu prüfen (BGH NJW 2015, 947, 948).

Allerdings ist auch bezüglich dieser Pflichtverletzung von „Wissentlichkeit“ auszugehen. Insoweit kann auf die Ausführungen unter Ziff. 2 verwiesen werden.

c) Der Pflichtverstoß der Klägerin war auch kausal für die Auszahlungen der Versicherungsnehmerin, da diese bei rechtzeitiger Stellung eines Insolvenzantrages nicht vorgenommen worden wären.

4. Der mit Antrag zu 2) ebenfalls geltend gemachte Zinsanspruch ist mangels Begründetheit des Hauptantrages nicht begründet (§§ 288, 291 BGB).

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

Der Streitwert wird auf 263.500,00 EUR festgesetzt.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Versicherungsrecht

Egal ob Ihre Versicherung die Zahlung verweigert oder Sie Unterstützung bei der Schadensregulierung benötigen. Wir stehen Ihnen zur Seite.

 

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Versicherungsrecht

Urteile aus dem Versicherungsrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!