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Betriebsschließungsversicherung bei Corona-Pandemie

OLG Dresden – Az.: 4 U 98/21 – Urteil vom 15.06.2021

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 17.12.2020 – 3 O 1143/20 – wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss: Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens wird auf 90.642,86 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt von der Beklagten Leistungen aus einer Betriebsschließungsversicherung für den Zeitraum vom 22.03.2020 bis 14.05.2020.

Er betreibt auf dem W…-Platz x in L… die Gaststätte „M…“ und hat mit der Beklagten zum 01.01.2019 eine Inventarversicherung einschließlich Betriebsschließung für die Haftzeit von vier Wochen abgeschlossen (Anlage B1, Bl. 103 f. d. A.). Er hat am 09.04.2020 zum 18.03.2020 die Betriebsschließungsversicherung auf acht Wochen erweitert (Anlagen K2, K3).

Die Versicherungsbedingungen (Fassung Januar 2017) enthalten unter anderem folgende Regelungen:

1. Der Versicherer leistet Entschädigung

bis zu den vereinbarten Entschädigungsbegrenzungen für den Fall, dass die zuständige Behörde aufgrund von Gesetzen zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen, Maßnahmen der in den Ziffern 1.1 bis 1.4 oder soweit zusätzlich vereinbart auch der in Ziff. 1.5 genannten Art ergriffen hat. …

1.1 Betriebsschließung

Als Betriebsschließung gilt, wenn die Behörde den versicherten Betrieb ganz oder teilweise zur Verhinderung und Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern bei Menschen schließt oder deshalb Tätigkeitsverbote gegen sämtliche Betriebsangehörige ausspricht…

2. Meldepflichtige Krankheiten oder meldepflichtige Krankheitserreger im Sinne dieses Vertrages sind nur die im Folgenden aufgeführten:

2.1 Meldepflichtige Krankheiten

Botulismus, …

2.2 Meldepflichtige Krankheitserreger

Adenoviren, …

In den Versicherungsbedingungen ist COVID-19/ SARS-CoV-2 nicht aufgeführt. Mit Schreiben vom 09.04.2020 (Anlage K 2) übersandte die Beklagte dem Kläger den Versicherungsschein zur Vertragsänderung zum 18.03.2020. Dort wurde u. a. Folgendes ausgeführt:

Bitte beachten Sie folgenden Hinweis:

Die in unseren Bedingungen zur Betriebsschließung aufgeführten „Krankheiten und Krankheitserreger“ enthalten eine abschließende Aufzählung der versicherten Krankheiten bzw. Krankheitserreger…. Demnach ist eine behördlich angeordnete Betriebsschließung aufgrund von COVID-19-Erkrankungen bzw. SARS-CoV-2-Viren nicht versichert.

Mit der Allgemeinverfügung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhang vom 20.03.2020 zum Schutz vor dem Coronavirus wurde der Betrieb von Gaststätten untersagt. Aufgrund weiterer Allgemeinverfügungen und Verordnungen blieb die Schließung bis 14.05.2020 angeordnet.

Mit Schreiben vom 31.03.2020 begehrte der Kläger Versicherungsleistungen. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 02.04.2020 ihre Einstandspflicht ab.

Der Kläger ist der Auffassung, dass ihm ein Anspruch aus der Versicherung zustehe. Die aufgezählten Krankheiten in den Bedingungen seien nur als Beispiele und Informationen zu verstehen gewesen. Die Bedingungen enthielten keine hinreichend klare Klausel über den Ausschluss von bestimmten Krankheiten und Krankheitserregern. Die Klausel sei mehrdeutig und daher sei die kundenfreundlichste Variante der Auslegung zu wählen. Die Verweisung sei zudem dynamisch. Zu berücksichtigen seien die Auffangregelungen in §§ 6 und 7 IfSG, weshalb auch neue Erkrankungen in den Versicherungsschutz einbezogen seien.

Die Beklagte ist dem mit der Auffassung entgegengetreten, der Versicherungsschutz greife nicht, weil in den Versicherungsbedingungen eindeutig ein abschließender Katalog von Krankheiten enthalten sei, für die allein Versicherungsschutz zugesagt sei. Dies folge aus der Formulierung, dass „nur die folgenden Krankheiten und Krankheitserreger“ vom Versicherungsschutz umfasst seien. Eine Auslegung gegen diesen eindeutigen Wortlaut sei nicht möglich. Des Weiteren seien nur intrinsische Gefahren, also das Auftreten einer Krankheit oder eines Erregers innerhalb des versicherten Betriebes, versichert.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 17.12.2020 – auf das wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird – abgewiesen. Es hat angenommen, dass Betriebsschließungen wegen des Corona-Virus nach dem Wortlaut nicht zu den versicherten Gefahren gehörten.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er meint, die Vorstellung des Versicherungsnehmers sei von den Werbeaussagen in dem Flyer zur Betriebsschließungsversicherung (Anlage K 1) geprägt worden. Das Landgericht habe sich nicht mit dem Vertragsschluss vom 09.04.2020 rückwirkend zum 18.03.2020 auseinandergesetzt. Unzutreffend habe das Landgericht angenommen, dass die Aufzählung der Krankheiten und Krankheitserreger in den allgemeinen Versicherungsbedingungen abschließend sei. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses sei die Erkrankung an COVID-19 schon meldepflichtig gewesen, der Kläger habe daher die berechtigte Erwartung gehabt, dass COVID-19 vom Versicherungsschutz erfasst sei. Zudem hätte er kein Interesse gehabt, eine Versicherung abzuschließen, die von einer abschließenden Liste meldepflichtiger Krankheiten mit Stand vom 01.01.2001 ausgehe. Die Parteien hätten bei Vertragsschluss umfassenden Versicherungsschutz auch gegen die Gefahr einer Betriebsschließung wegen COVID-19 gewollt. Jedenfalls sei die Klausel Ziff. 2 der Bedingungen überraschend und daher nicht Vertragsbestandteil geworden. Sie sei zudem intransparent und benachteilige den Kläger unangemessen. Er habe nicht überschauen können, dass COVID-19-Erkrankungen ausgeschlossen seien.

Der Kläger beantragt:

Das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 17.12.2020, Az.: 03 O 1143/20, wird abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 90.642,86 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB gem. § 247 BGB seit dem 04.04.2020 sowie vorgerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.863,40 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB gem. § 247 BGB ab Zustellung der Klage zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil. Der Kläger könne aus dem Umstand, dass sie den Vertrag Anfang April rückwirkend zum 18.03.2020 erweitert habe, nichts herleiten. Die jüngere Police dokumentiere lediglich, dass die Haftzeit auf acht Wochen erhöht worden sei. Der vorgelegte Flyer werbe für eine Betriebsschließungsversicherung, hierbei werde jedoch die COVID-19-Erkrankung nicht erwähnt. Die Beklagte habe jedenfalls kein Interesse gehabt, Betriebsschließungen wegen der COVID-19-Pandemie zu versichern, was sie auch ausdrücklich im Schreiben vom 09.04.2020 klargestellt habe. Die Klausel sei weder überraschend, noch mehrdeutig und auch nicht intransparent. Aus dem Umstand, dass Prionenerkrankungen ausdrücklich vom Leistungsumfang ausgeschlossen worden sei, könne nicht geschlossen werden, dass im Gegenschluss alle nach dem Infektionsschutzgesetz umfassten Krankheiten vom Versicherungsschutz umfasst seien. Dies beruhe lediglich darauf, dass diese Erkrankung nicht vollständig erforscht sei und damit ein unkalkulierbares Risiko darstelle.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

A.

Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass dem Kläger kein Anspruch auf Zahlung von 90.642,86 € aus der Betriebsschließungsversicherung zum 01.01.2019/18.03.2020 für den Zeitraum vom 22.03.2020 bis 14.05.2020 zusteht.

Ein Versicherungsfall liegt nicht vor, denn Betriebsschließungen wegen des COVID-19-Erregers sind nach den Versicherungsbedingungen nicht vom Versicherungsschutz umfasst.

Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an (vgl. BGH, Urteil vom 06.03.2019 – IV ZR 72/18 – juris, vgl. Senat, Urteil vom 08.06.2021 – 4 U 61/21). In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (vgl. BGH a.a.O.). Spricht der Versicherungsvertrag üblicherweise eine bestimmte Personengruppe an, so kommt es auf die Verständnismöglichkeiten dieser Adressatengruppe an (vgl. Senat, Urteil vom 08.06.2021 – 4 U 61/21).

Die Versicherungsbedingungen sind aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers dahingehend zu verstehen, dass in Ziffer 1 SVFP-BS der Umfang der Hauptleistungspflicht definiert wird und Ziffer 2 SVFP-BS eine Einschränkung des Versicherungsschutzes für bestimmte Krankheiten und Erreger enthält.

a)

Die Beklagte hat in Ziffer 1 SVFP-BS eine Entschädigung für den Fall versprochen, dass die zuständige Behörde aufgrund von Gesetzen zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten bei Menschen, Maßnahmen – wie z. B. eine Betriebsschließung – beschlossen hat. Es steht hier nicht im Streit, dass durch die Allgemeinverfügung zum Vollzug des Infektionsschutzgesetzes vom 21.03.2020 durch das Sächsische Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt die Schließung von Gaststätten angeordnet wurde. Die Schließung dauerte ebenso unstreitig vom 20.03.2020 bis 14.05.2020 an. Der Kläger musste daher den Betrieb seiner Gaststätte in dieser Zeit einstellen. Zwar war der Krankheitserreger COVID-19 bzw. SARS-CoV-2 zu diesem Zeitpunkt weder in § 6 noch in § 7 IfSG als meldepflichtige Krankheit aufgenommen. Gleichwohl handelte es sich um eine meldepflichtige Erkrankung nach § 15 Abs. 1 IfSG i.V.m. § 1 CoronaVMeldeV vom 01.02.2020. § 15 des IfSG ermächtigt das Bundesministerium für Gesundheit, durch Rechtsverordnung die Meldepflicht für die in § 6 oder § 7 IfSG aufgeführten Krankheitserreger zu erweitern. Dies ist in § 1 CoronaVMeldeV vom 01.02.2020 erfolgt bis COVID-19 in den Regelungen der §§ 6 und 7 IfSG in der Fassung vom 23.05.2020 als meldepflichtiger Krankheitserreger und Krankheit aufgenommen wurde.

b)

Gleichwohl ist kein Versicherungsfall eingetreten, denn in Ziffer 2 SVFP-BS werden COVID-19 und SARS-CoV-2 nicht aufgeführt. Durch die Verwendung der Worte „nur“ und „im Folgenden“ sowie der Aufzählung der Krankheiten und Krankheitserreger ist für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer ersichtlich, dass die Aufzählung abschließend ist.

Der Wortlaut der Klausel ist eindeutig und damit der Auslegung nicht zugänglich. Sie verweist hinsichtlich der meldepflichtigen Krankheiten und Erreger nicht auf die Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes. Daher sind die Vertragsbedingungen, was ohne Weiteres erkennbar und letztlich nicht deutlicher als durch die Verwendung des Wortes „nur“ zu formulieren ist, nicht als offener, sondern vielmehr als geschlossener Katalog ausgestaltet, zumal der auf der Hand liegende Sinn und Zweck einer derart umfassenden Aufzählung letztendlich nur darin liegen kann, genau diese Krankheiten und Krankheitserreger als vom Versicherungsschutz umfasst anzusehen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 15.02.2021 – 7 U 351/20 – juris). Wegen des eindeutigen Wortlautes wird ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer klar erkennen können, dass der Versicherer nur für die im Katalog aufgeführten Krankheiten und Erreger Versicherungsschutz gewährt (vgl. Fortmann in VersR 2020, 1073 – juris; vgl. auch OLG Hamm, Beschluss vom 15.07.2020 – 20 W 21/20 – juris; vgl. LG Stuttgart, Urteil vom 30.09.2020 – 16 O 305/20 – juris; vgl. LG Bochum, Urteil vom 15.07.2020 – 4 O 215/20 – juris).

Ohne Erfolg stützt sich der Kläger auf Entscheidungen anderer Gerichte, denn der Wortlaut der Versicherungsbedingungen in den vom Kläger in Bezug genommenen Entscheidungen unterscheidet sich von dem hier vorliegenden Bedingungswerk (vgl. nur LG Düsseldorf, Urteil vom 19.02.2021 – 40 O 53/20; LG Darmstadt, Urteil vom 09.12.2020 – 4 O 220/20; LG Hamburg, Urteil vom 04.11.2020 – 412 HKO 91/20; LG München 1, Urteil vom 01.10.2020 – 12 O 5895/20 – sämtlich zitiert nach juris). In den dort entschiedenen Fällen wurde zur Definition der meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger auf die „in §§ 6 und 7 IfSG namentlich genannten Krankheiten oder Krankheitserreger“ verwiesen, wobei zum Teil die Krankheiten und Krankheitserreger in einer Liste aufgeführt werden. Diese Fallkonstellationen sind nicht vergleichbar. Im vorliegenden Fall besteht keine Verweisung auf §§ 6 und 7 IfSG und die dort namentlich aufgeführten Krankheiten und Krankheitserregern. Die Beklagte hat sich für eine enumerative und abschließende Aufzählung der versicherten Krankheiten und dies mit dem Wort „nur“ kenntlich gemacht. Damit ist für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer ersichtlich, dass die beklagte Versicherung allein für behördliche Maßnahme wegen der dort genannten Krankheiten und Krankheitserreger Versicherungsschutz bietet.

Entgegen der Auffassung des Klägers stellt sich die Frage nicht, ob eine dynamische oder statische Verweisung vorliegt, denn es liegt überhaupt keine Verweisung auf die Regelungen von §§ 6, 7 IfSG zur Definition der Krankheiten und Krankheitserreger vor.

Der Ausschluss der Einstandspflicht für Prionenerkrankungen in Ziffer 3.5 SVFP-BS mag zwar auf den ersten Blick sinnlos sein, weil diese Erkrankung nicht in Ziffer 2 SVFP-BS enthalten ist. Gleichwohl hat dieser ausdrückliche Ausschluss als klarstellender Hinweis seinen Sinn, da es sich nicht um keine Viruskrankheit oder Erregerübertragung handelt, sondern um eine spezielle Reaktion von Zellproteinen auf Gehirnzellen, so dass eine Ansteckung im alltäglichen Kontakt kaum möglich ist (vgl. Senat, Urteil vom 08.06.2021 – 4 U 61/21).

c)

Der Umstand, dass der Kläger die Versicherung am 09.04.2020 erweitert hat, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn ein übereinstimmender Wille der Vertragsparteien, das konkret eingetretene Risiko einer Betriebsschließung wegen COVID-19 zu versichern, ist nicht erkennbar. Zum einen bestand der Vertrag schon seit dem 01.01.2019 und wurde lediglich im Hinblick auf die Haftzeit von vier Wochen auf acht Wochen erweitert (Anlage B 1, Bl. 103 d. A). Zum anderen mag es zwar ein für die Beklagte erkennbares Interesse des Klägers gewesen sein, sich wegen COVID-19 weiter abzusichern. Ein Wille der Beklagten dahingehend, für dieses Risiko einstehen zu wollen, ist aber nicht erkennbar. Sie hat im Gegenteil mit Schreiben vom 09.04.2020 (Anlage K 2) bei Übersendung des Versicherungsscheins ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ihre Bedingungen eine abschließende Aufzählung enthalten und die Corona-Pandemie keine Auswirkung auf den Deckungsschutz hat. Sie hat ebenso ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die angeordnete Betriebsschließung wegen COVID-19 nicht versichert ist.

In diesem Zusammenhang kann sich der Kläger auch nicht mit Erfolg auf die Entscheidung des Landgerichtes München (Urteil vom 01.10.2020 – 12 O 5895/20 – juris) stützen, denn in dem dort entschiedenen Fall wurde dem Versicherungsnehmer eine Vertriebsinformation mit dem Hinweis ausgehändigt, dass das Corona-Virus anderen Krankheitserregern gleichstehe, was sich auch aus der dortigen Vertriebsinformation ergeben hat. Demgegenüber ist dem Kläger weder mündlich noch durch eine schriftliche Information ein Deckungsschutz für COVID-19 zugesagt worden. Der als Anlage K1 vorgelegte Flyer gibt hierfür nichts her. Er enthält lediglich eine allgemeine Werbung für die Betriebsschließungsversicherung. Das Corona-Virus wird nicht erwähnt. Es wird auch nicht der Eindruck erweckt, dass die Betriebsschließung Deckungsschutz für die bereits bestehende Pandemie gewährt. Der Kläger mag zwar davon ausgegangen sein, dass er gegen alle Arten von behördlich angeordneten Betriebsschließungen aufgrund des Infektionsschutzgesetzes abgesichert ist, jedoch findet diese Vorstellung weder in den Versicherungsbedingungen noch im Flyer eine Stütze. Die Frage, unter welchen Umständen werbliche Anpreisungen auf den Inhalt eines Versicherungsvertrages einwirken, kann angesichts dessen dahinstehen.

d)

Die Klausel in den Geschäftsbedingungen der Beklagten ist auch nicht gem. § 305 ff. BGB unwirksam.

Ziffer 1 i.V.m. Ziffer 2 CVFP-BS sind nicht intransparent. Nach dem Transparenzgebot ist der Verwender allgemeiner Geschäftsbedingungen gehalten, Rechte und Pflichten des Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 20.11.2019 – IV ZR 159/18 – juris). Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass die Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und Glauben, dass die Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen soweit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Dem Versicherungsnehmer soll bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vor Augen geführt werden, in welchem Umfang er Versicherungsschutz erlangt und welche Umstände seinen Versicherungsschutz gefährden (vgl. BGH, Urt. v. 20.11.2019 – IV ZR 159/18 – juris). Maßgebend sind die Verständnismöglichkeiten des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden Durchschnittskunden. Insoweit gilt kein anderer Maßstab als derjenige, der auch bei der Auslegung von Versicherungsbedingungen zu beachten ist (vgl. BGH a.a.O.).

Im vorliegenden Fall verspricht die Beklagte in Ziff. 1 SVFP-BS eine Entschädigung für den Fall, dass die zuständige Behörde aufgrund von Gesetzen zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten bei Menschen u. a. eine Betriebsschließung anordnet. In Ziff. 2 SVFP-BS knüpft die Beklagte an dieses allgemeine Leistungsversprechen an, verbindet dies aber mit einem bestimmten Katalog von Krankheiten oder Krankheitserregern. Durch die Benennung einzelner Krankheiten und Krankheitserreger wird das Leistungsversprechen auf bestimmte Fälle beschränkt (vgl. OLG Stuttgart – Urteil vom 15.02.2021 – 7 U 351/20 – juris). Das Leistungsversprechen umfasst bei Betriebsschließungen die in den allgemeinen Geschäftsbedingungen genannten meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger. Der Umfang des Versicherungsschutzes wird damit für den Versicherungsnehmer klar umrissen.

Die Klausel ist auch nicht überraschend i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB. Eine Klausel ist überraschend, wenn sie deutlich in einer Art und Weise von den Erwartungen des Versicherungsnehmers abweicht, mit denen er nach den Umständen vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht (vgl. BGH, Beschluss vom 06.07.2011 – IV ZR 217/09 – juris). Dies ist hier nicht der Fall. Ein durchschnittlich verständiger Versicherungsnehmer muss damit rechnen, dass der Versicherer den Versicherungsschutz auf im Vertrag ausdrücklich genannte Fälle beschränkt und gerade keinen Versicherungsschutz für künftig auftretende, bei Vertragsschluss unbekannte meldepflichtige Krankheiten bzw. Krankheitserreger bieten will, deren Gefahrenpotential er bei Vertragsschluss nicht kalkulieren und deshalb auch nicht bei der Bemessung von Versicherungsumfang und -prämien berücksichtigen konnte (vgl. LG Stuttgart, Urteil vom 30.09.2020 – 16 O 305/20 – juris).

Die Klausel ist auch nicht mehrdeutig i.S.v. § 305c Abs. 2 BGB. Sie erweckt keine Fehlvorstellungen über den Umfang des Versicherungsschutzes. Wie bereits ausgeführt, ist die Klausel in ihrem Wortlaut klar formuliert und lässt eine Auslegung nicht zu.

Eine unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 Abs. 1 BGB liegt ebenfalls nicht vor. Unangemessen ist die Benachteiligung, wenn der Verwender durch einseitiges Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (vgl. Grüneberg in Palandt, 80. Aufl., § 307 Rn. 12). Dies ist hier nicht der Fall. Der Kläger mag zwar ein Interesse an einem umfassenden Versicherungsschutz haben. Die Beklagte hat jedoch andererseits im eigenen und auch im Interesse anderer Versicherungsnehmer im Hinblick auf die Höhe der Prämien ein Interesse daran, ihr Risiko zu begrenzen. Die Einschränkung des Risikos auf Betriebsschließungen nur bei bestimmten Krankheiten und Krankheitserregern ist auch mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen zu vereinbaren und schränkt die Pflichten der Beklagten nicht so stark ein, dass die Erreichung des Vertragszweckes gefährdet wäre, § 307 Abs. 2 BGB. Denn die Versicherung tritt bei einer Betriebsschließung wegen der in den allgemeinen Geschäftsbedingungen genannten Krankheitserregern ein. Die Leistungsbegrenzung begründet für sich genommen noch keine Vertragszweckgefährdung, sondern bleibt grundsätzlich der freien unternehmerischen Entscheidung des Versicherers überlassen, soweit er nicht mit der Beschreibung der Hauptleistung beim Versicherungsnehmer falsche Vorstellungen erweckt (vgl. BGH, Beschluss vom 06.07.2011 – IV ZR 217/09, Rn. 23 – juris). Es liegt keine völlige Entkernung des Schutzgedankens der Betriebsschließungsversicherung vor. Im Hinblick auf den umfangreichen Katalog der versicherten Krankheiten und Krankheitserreger bleibt eine weite Einstandspflicht der Beklagten bestehen.

B.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Die Streitwertfestsetzung folgt § 3 ZPO.

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