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Betriebshaftpflichtversicherung – bereitgestellte Fassadenplatten als Erfüllungsschaden

OLG Köln – Az.: I-9 U 72/18 – Beschluss vom 31.01.2019

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Köln (20 O 393/17) vom 09.05.2018 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsmittels trägt die Klägerin.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 29.247,08 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt Leistungen aus einem Betriebshaftpflichtversicherungsvertrag, den die inzwischen insolvente A aus B (im Folgenden: Versicherungsnehmerin) bei der Beklagten unterhalten hat.

Unter § 38 Nr. 15 d) Abs. 1 der Versicherungsbedingungen (BÜBA-SIFA 2011), der mit „Sonstige Tätigkeitsschäden“ überschrieben ist, ist geregelt, dass die gesetzliche Haftpflicht aus Schäden, die an fremden Sachen durch eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit an oder mit diesen Sachen entstanden sind und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden beim Vorliegen der weiteren in der Klausel genannten Voraussetzungen in den Versicherungsschutz eingeschlossen sind. Im 3. Absatz der Versicherungsbedingung ist klargestellt, dass die in § 39 Nr. 1 BÜBA-SIFA 2011 enthaltene Bestimmung bestehen bleibt.

Gemäß § 39 Nr. 1 BÜBA-SIFA 2011 sind sog. Erfüllungsansprüche vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Danach besteht kein Versicherungsschutz für „Ansprüche, auch wenn es sich um gesetzliche Ansprüche handelt,

a) auf Erfüllung von Verträgen, Nacherfüllung, aus Selbstvornahme, Rücktritt, Minderung, auf Schadensersatz statt der Leistung;

b) wegen Schäden, die verursacht werden, um die Nacherfüllung durchführen zu können;

c) wegen des Ausfalls der Nutzung des Vertragsgegenstandes oder wegen des Ausbleibens des mit der Vertragsleistung geschuldeten Erfolges;

d) auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen im Vertrauen auf ordnungsgemäße Vertragserfüllung;

e) auf Ersatz von Vermögensschäden wegen Verzögerung der Leistung;

f) wegen anderer an die Stelle der Erfüllung tretender Ersatzleistungen“.

Die Klägerin behauptet, sie habe die Versicherungsnehmerin der Beklagten beauftragt, von ihr, der Klägerin, bereitgestellte Fassadenplatten zu grundieren und zu lackieren. Nachdem sie die ordnungsgemäß lackierten Fassadenplatten abgeholt habe, habe sie feststellen müssen, dass die Platten auf der Sichtseite zusammenklebten und sich beim Trennen der Platten die Farboberflächen mit Holzfasern von den Platten abgelöst hätten. Dies sei darauf zurückzuführen, dass die Platten nach Beendigung der Arbeiten durch Mitarbeiter der Versicherungsnehmerin zu früh aufeinander gestapelt worden seien. Es sei nicht möglich gewesen, die Platten einzubauen bzw. zu überarbeiten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes einschließlich der dort gestellten Schlussanträge wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 09.05.2018 mit der Begründung abgewiesen, dass die Beklagte aufgrund des Risikoausschlusses gemäß § 39 Nr. 1 a) BÜBA-SIFA 2011 leistungsfrei sei.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung.

Die Klägerin trägt vor, das Landgericht habe in unzulässiger Weise eine Parallele zu dem Sachverhalt gezogen, der der Entscheidung des Landgerichts Köln vom 26.08.2009 – Az.: 20 O 215/07 – zugrunde gelegen habe.

Sie rügt zudem, dass das Landgericht zu Unrecht das Vorliegen eines Erfüllungsschadens im Sinne des Ausschlusstatbestandes gemäß § 39 Nr. 1 BÜBA-SIFA 2011 angenommen habe. Die beauftragte Leistung (Grundieren und Lackieren der Fassadenplatten) sei mangelfrei erbracht worden. Das ordnungsgemäße Lagern und Verpacken der Platten sei nach Fertigstellung der beauftragen Arbeiten erfolgt, wobei es sich um eine untergeordnete Nebenpflicht gehandelt habe. Die entsprechenden Tätigkeitsschäden seien gemäß § 38 Nr. 15 d) BÜBA-SIFA 2011 vom Versicherungsschutz umfasst. Dafür spreche auch die als Anlage K 24 vorgelegte Vertriebsinformation. Jede andere Auslegung würde darauf hinauslaufen, dass Tätigkeitsschäden an bereitgestellten Sachen immer als Erfüllungsschaden zu behandeln wären, so dass die Klausel im Ergebnis leerlaufen würde.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 29.247,08 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. aus 27.144,13 Euro seit dem 04.12.2015 und aus 29.247,08 Euro seit dem 08.03.2016 sowie an sie 1.239,49 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus p.a. seit dem 28.01.2017 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Der Beschluss ergeht gemäß § 522 Abs. 2 ZPO.

Zur Begründung wird auf den Hinweisbeschluss vom 25.10.2018 Bezug genommen. An den dortigen Ausführungen hält der Senat auch nach nochmaliger Beratung in geänderter Besetzung fest.

Die hierzu erfolgte Stellungnahme der Klägerin, in der im Wesentlichen das Vorbringen aus der Berufungsbegründung wiederholt wird, rechtfertigt keine abweichende Entscheidung, sondern gibt lediglich zu folgender ergänzenden Begründung Anlass:

Die Beklagte ist aufgrund des Risikoausschlusses gemäß § 39 Nr. 1 a) BÜBA-SIFA 2011 leistungsfrei.

Unter Zugrundelegung des – beklagtenseits bestrittenen – Klägervortrags ist davon auszugehen, dass die Versicherungsnehmerin ihre werkvertraglich geschuldeten Leistungen nicht ordnungsgemäß erbracht hat. Es mag sein, dass die Fassadenplatten – wie die Klägerin behauptet – zunächst sach- und fachgerecht grundiert und lackiert wurden. Zu den vertraglich geschuldeten Leistungen zählte aber auch die ordnungsgemäße Trocknung der bearbeiteten Fassadenplatten. Da die Mitarbeiter der Versicherungsnehmerin die noch nicht vollständig getrockneten Fassadenplatten aufeinandergestapelt haben, wurde diese geschuldete Leistung nicht ordnungsgemäß erbracht.

Angesichts dessen sind die geltend gemachten Ansprüche allesamt als Erfüllungsschäden einzuordnen. Auf die entsprechenden Ausführungen im Hinweisbeschluss vom 25.10.2018, an denen der Senat uneingeschränkt festhält, wird Bezug genommen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich nicht um sonstige Tätigkeitsschäden im Sinne von § 38 Nr. 15 d) Abs. 1 BÜBA-SIFA 2011. Wie bereits im Hinweisbeschluss vom 25.10.2018 ausgeführt, kommt dieser Risikoeinschluss angesichts der unter § 38 Nr. 15 d) Abs. 3 BÜBA-SIFA 2011 enthaltenen Regelung nur zum Tragen, wenn keine Erfüllungsschäden betroffen sind.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 38 Ziff. 15 d) Abs. 4 BÜBA-SIFA 2011, der unter dem 4. Spiegelstrich folgende Regelung enthält:

„Ausgeschlossen bleiben:

[…]

– Haftpflichtansprüche wegen Tätigkeitsschäden an Sachen, die sich beim Versicherungsnehmer zur Lohnbe- und/oder -verarbeitung oder zu sonstigen Zwecken befinden, befunden haben oder die vom Versicherungsnehmer übernommen wurden. Dieser Ausschluss gilt jedoch nur für solche Schäden, die bei dem unmittelbaren Bearbeitungsvorgang entstanden sind. Zu unmittelbaren Bearbeitungsvorgängen zählen nicht z.B. vor- oder nachgelagerte Verpackungstätigkeiten, Transporttätigkeiten oder Lagerung der Sachen.“

Soweit die Klägerin unter Hinweis auf diese Klausel betont, dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse davon ausgehen müsse, dass Schäden, die an fremden Sachen durch die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit an oder mit diesen Sachen entstanden sind und auf eine vor- oder nachgelagerte Verpackungstätigkeit zurückgehen, versichert sind, verfängt dies nicht. Der Senat hält auch insoweit an der im Hinweisbeschluss vom 25.10.2018 geäußerten Rechtsauffassung fest, dass die in § 38 Nr. 15 d) BÜBA-SIFA 2011 enthaltenen Risikoeinschlüsse – also auch der unter dem 4. Spiegelstrich des 4. Absatzes genannte Einschluss – nur dann zum Tragen kommen, wenn keine Erfüllungsschäden betroffen sind. Dies folgt aus § 38 Nr. 15 d) Abs. 3 BÜBA-SIFA 2011, der bestimmt, dass u.a. die in § 39 Nr. 1 (Erfüllungsansprüche) enthaltene Regelung bestehen bleibt. Die systematische Stellung des § 38 Nr. 15 d) Abs. 4 BÜBA-SIFA 2011 lässt zweifelsfrei und auch für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse erkennbar, darauf schließen, dass alle in § 38 Nr. 15 d) BÜBA-SIFA 2011 aufgeführten Risikoeinschlüsse nur bei sonstigen Tätigkeitsschäden im Sinne der Regelung zum Tragen kommen, die keine Erfüllungsschäden darstellen.

Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, eine solche Auslegung würde darauf hinauslaufen, dass Tätigkeitsschäden an zur Verfügung gestellten Sachen immer als Erfüllungsschäden zu behandelt wären, so dass die Klausel leerlaufen würde. Diese Schlussfolgerung ist nicht zutreffend. Ausgeschlossen sind nur solche Schäden, die das Interesse des Auftragsgebers am eigentlichen Leistungsgegenstand betreffen, nicht aber denkbare sonstige Schäden aus Anlass der geschuldeten Leistung.

Dass Ansprüche vom Versicherungsschutz ausgenommen sind, mit denen das unmittelbare Interesse am eigentlichen Leistungsgegenstand geltend gemacht wird, entspricht dem Wesen der Betriebshaftpflichtversicherungen (Späte/Schimikowski, Haftpflichtversicherung, 2. Auflage, Rn. 465). Der Haftpflichtversicherungsschutz soll dazu dienen, Schäden zu decken, die über das unmittelbare Erfüllungsinteresse hinausgehen. Echte vertragliche Erfüllungsansprüche sind nicht versicherbar, weil ihnen das Element der Ungewissheit fehlt. Der Versicherer kann sich dementsprechend nicht durch einen Versicherungsvertrag dazu verpflichten, die vertragliche Leistung, die der Versicherungsnehmer eingegangen ist, an dessen Stelle zu erbringen (Späte/Schimikowski, Haftpflichtversicherung, 2. Auflage, Rn. 400 m.w.N.). Insofern besteht auch kein Unterschied zwischen Haupt- und Nebenleistungspflichten. Beide beruhen nicht auf einem ungewissen Ereignis, sondern gleichermaßen auf der willentlich begründeten Verpflichtung zur Erbringung der jeweiligen Leistung (Späte/Schimikowski, Haftpflichtversicherung, 2. Auflage, Rn. 400 m.w.N.).

Etwas anderes ergibt sich – entgegen der Ansicht der Klägerin – auch nicht aus der als Anlage K 24 vorlegten Vertriebsinformation (Bl. 181 d.A.). Dort heißt es u.a.: „Eingeschlossen ist die gesetzliche Haftpflicht wegen Tätigkeitsschäden an Sachen, die dem Versicherungsnehmer vom Auftraggeber zur Montage/zum Einbau zur Verfügung gestellt werden“. Da die Fassadenplatten nach dem Vortrag der Klägerin nicht durch die Versicherungsnehmerin montiert bzw. eingebaut werden sollten, greift die Klausel von vornherein nicht ein. Ungeachtet dessen wurde klägerseits nicht vorgetragen, dass diese in der Vertriebsinformation angekündigte Klausel im streitgegenständlichen Versicherungsverhältnis tatsächlich vereinbart wurde.

Die weiteren Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO liegen ebenfalls vor. Die Sache hat keine über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung. Zudem ist eine Entscheidung des Senats aufgrund einer mündlichen Verhandlung weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

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