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Unfallversicherung – Hinweispflicht des Versicherers bei Anzeige eines Versicherungsfalles

OLG Dresden – Az.: 4 U 1097/18 – Beschluss vom 12.10.2018

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.

2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von drei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.

3. Der Termin zur mündlichen Verhandlung am 18.12.2018 wird aufgehoben.

Gründe

Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch – einstimmig gefassten – Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Klägers bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Invaliditätsleistungen aus der bei der Beklagten gehaltenen Unfallversicherung, Vers.-Nr. XX xx/xxxx/xxxxxxx/xxx wegen des Unfallereignisses vom 21.01.2014.

1. Mit der ärztlichen Bescheinigung vom 20.03.2015 (Anlage K4) wurde eine unfallbedingte Invalidität im Sinne der Ziff. 2.1.1.1 Allianz AUB 2000 nicht festgestellt, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat. Von der Berufung wird hiergegen nichts erinnert. Der Kläger hat innerhalb der 15-Monatsfrist auch keine weitere ärztliche Bescheinigung bei der Beklagten eingereicht, so dass etwaige Ansprüche verfristet sind.

2. Die Beklagte ist auch nicht ausnahmsweise wegen Verletzung von Hinweispflichten aus § 186 VVG daran gehindert, sich auf das Fristversäumnis des Klägers zu berufen.

Nach § 186 VVG hat der Versicherer den Versicherungsnehmer, der einen Versicherungsfall anzeigt, auf vertragliche Anspruchs- und Fälligkeitsvoraussetzungen sowie einzuhaltende Fristen hinzuweisen. Unterbleibt dieser Hinweis, kann sich der Versicherer auf Fristversäumnis nicht berufen. Der nach der Anzeige eines Versicherungsfalls zu erteilende Hinweis muss vollständig und darf nicht irreführend sein, wobei nicht nur auf den Wortlaut, sondern auf den Gesamtzusammenhang der Belehrung abzustellen ist (vgl. Leverenz in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. 2010, § 186 Rdn. 21). Hier hat die Beklagte bereits mit Schreiben vom 09.04.2014 (Anlage BLD 2) zum einen um nähere Angaben zu dem Unfallereignis gebeten und zum anderen die Voraussetzungen für eine Invaliditätsleistung aufgeführt und dabei ausdrücklich auf das Erfordernis einer ärztlichen Feststellung und einer Geltendmachung der Invalidität innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall hingewiesen. Nachdem der Kläger erst mit Schreiben vom 02.02.2015 die erbetenen weiteren Angaben zum Unfallereignis übermittelt hatte, hat sie diesen Hinweis nochmals ausdrücklich wiederholt mit Schreiben vom 02.03.2015 und zudem auch auf den demnächst bevorstehenden Fristablauf hingewiesen. Hierauf hat der Kläger wiederum erst mit Schreiben vom 20.03.2015 unter Übersendung einer ärztlichen Bescheinigung, aus der sich gerade keine dauerhafte Invalidität ergab, geantwortet. Auf diesen Umstand hat die Beklagte den Kläger zwar erst mit Schreiben vom 16.04.2015 hingewiesen. Entgegen der Ansicht der Berufung liegt hierin aber kein zu der Annahme treuwidrigen Verhaltens führender Pflichtverstoß der Beklagten. Denn auf die Einzelheiten der in der Rechtsprechung herausgearbeiteten inhaltlichen Anforderungen an eine ordnungsgemäße ärztliche Feststellung der Invalidität und ihre Geltendmachung braucht nicht hingewiesen zu werden (Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 27. April 2016 – 5 U 36/15 -, Rn. 41 – 48, juris m.w.N.).

Abgesehen von der gesetzlich gesondert geregelten Hinweispflicht aus § 186 VVG kann der Versicherer nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu einer zusätzlichen (erläuternden) Belehrung verpflichtet sein, wenn der Versicherte trotz des Hinweises nach § 186 VVG im Unklaren ist, was von ihm zur Geltendmachung und Wahrung seiner Ansprüche zu veranlassen ist. Das kann etwa der Fall sein, wenn der Versicherer innerhalb der 15-Monatsfrist erkennt, dass der Versicherte Invalidität geltend machen will, das von ihm vorgelegte ärztliche Attest den Anforderungen an eine ärztliche Invaliditätsfeststellung aber nicht genügt oder gar gänzlich fehlt (vgl. OLG München, VersR 2012, 1116; OLG Naumburg, VersR 2013, 229; Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl. 2015, Ziff. 2 AUB 2010 Rdn. 28; Rixecker in Römer/Langheid, VVG, 4. Aufl. 2014, § 186 Rdn. 10; Grimm, Unfallversicherung, 5. Aufl. 2013, Ziff. 2 AUB 2010 Rdn. 17). Ohne Erfolg macht die Berufung in diesem Zusammenhang geltend, es sei von gesteigerten Anforderungen an die Hinweispflicht auszugehen, da die vorgelegten ärztlichen Befunde hier den Eintritt einer dauerhaften Gesundheitsschädigung nahegelegt hätten. Dies ist nicht der Fall. Vielmehr ist der ursprünglichen Schadensmeldung nur zu entnehmen, dass infolge des Sturzes ein Sehnenanriss vorlag, der von einem Allgemeinmediziner behandelt wurde und zu keiner Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit geführt hat. Auch die Schadensschilderung des Klägers vom 02.02.2015 spricht nicht für den Eintritt einer schwerwiegenden Gesundheitsbeeinträchtigung, da er außer einer Schnittwunde an der Hand und Schulterschmerzen, die zwei Tage nach dem Sturz aufgetreten sein sollen, keine weiteren Beeinträchtigungen und insbesondere keine dauerhaften Gesundheitsschäden schildert. Auch der ärztlichen Bescheinigung vom 20.03.2015 ist kein konkreter Anhalt für das Bestehen eines Dauerschadens zu entnehmen. Die Frage danach wird nur mit „möglicherweise ja“ beantwortet, ohne dass irgendwelche näheren Erläuterungen zum bestehenden Krankheitsbild, Befunden oder zu ärztlicherseits durchgeführten Behandlungsmaßnahmen, -umfang oder -dauer folgen. Auch die mitgeteilte Diagnose (Diagnoseschlüssel M.75.1 = Läsionen der Rotatorenmanschette) entspricht nur dem bereits in der Unfallmeldung dargestellten Sehenanriß, legt aber nicht das Vorliegen eines dauerhaften Gesundheitsschadens nahe.

Hinzu kommt, dass die Beklagte mit Schreiben vom 16.04.2015 den Kläger auch auf die Unzulänglichkeit der ärztlichen Bescheinigung und erneut auf die Folgen der Fristversäumnis hingewiesen hat. Es trifft zwar zu, dass die Beklagte diesen – erneuten – Hinweis erst nach einer längeren Bearbeitungszeit erteilt hat. Dies kann der Beklagten jedoch angesichts der vorherigen Versäumnisse des Klägers nicht als Verschleppung angelastet werden. Die Wahrung der Fristen ist grundsätzlich Sache des Versicherungsnehmers. Die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten erfordert, dass der Versicherungsnehmer in geeigneter Weise die notwendigen Maßnahmen ergreift, die zur Wahrung der Fristen erforderlich sind (vgl. OLG München, Urteil vom 29. Juli 2004 – 1 U 2965/04 -, juris). Das dem Schreiben vorangegangene Verhalten des Klägers lässt diese notwendige Sorgfalt vermissen, da er die drohende Versäumung der Frist maßgeblich verursacht hat. Dass ihm nach dem weiteren Hinweis der Beklagten auf die Notwendigkeit, eine weitere Bescheinigung erstellen zu lassen, nur noch sehr wenig Zeit dafür verblieb, ist daher nicht der Beklagten im Sinne einer vorwerfbaren Pflichtverletzung anzulasten.

Ferner kann hier offen bleiben, ob ein Hinweis auf die Rechtsfolgen einer Untätigkeit zu verlangen ist. Insoweit schuldet der Versicherer nämlich nur eine „abstrakte“ Erklärung (vgl. Leverenz in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. 2010, § 186 Rdn. 22). Dem ist die Beklagte mit dem Hinweis auf die Folge des „Wegfalls des Invaliditätsanspruchs“ aber schon im Schreiben vom 09.04.2014 und erneut im Scheiben vom 02.03.2014 nachgekommen. Mehr kann von dem Versicherer nicht verlangt werden. Ebenso wenig wie er die Rechtsprechungsgrundsätze zu den inhaltlichen Anforderungen an Invaliditätsfeststellung und -geltendmachung darzulegen hat, braucht er den Versicherungsnehmer aufzuklären, dass und unter welchen Voraussetzungen dem Einwand der Fristversäumnis wiederum Gegenrechte entgegenhalten werden könnten (vgl. Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 27. April 2016 – 5 U 36/15 -, Rn. 41 – 48, juris).

Schließlich ist die Berufung auf die Fristversäumung auch nicht deshalb treuwidrig, weil die Beklagte nach Fristablauf die Erstellung eines Gutachtens veranlasst hat. Die Fristversäumnis kann bei einer nachträglichen Gutachtenerstellung allenfalls dann nicht eingewandt werden, wenn hierdurch ein schutzwürdiges Vertrauen des Versicherungsnehmers hervorgerufen wird, dass ihn entweder dazu veranlasst, weitere erfolgversprechende Maßnahmen zur Verfolgung seines Anspruches zu unterlassen oder zumindest, wenn sich der Versicherungsnehmer nach Fristablauf auf Veranlassung des Versicherers hin umfänglichen, mit erheblichen körperlichen und seelischen Unannehmlichkeiten verbundenen ärztlichen Untersuchungen unterzogen hat (BGH, Urt. v. 28.06.1978 – IV ZR 7/77 – VersR 1978, 1036, 1038; OLG Hamm, Urt. v. 16.02.2007 – 20 U 219/06 – RuS 2008, 123). Dies kann aber bei dem Untersuchungstermin bei Prof. Dr. Gahr, bei dem sich der Kläger lediglich am Oberkörper entkleiden musste, nicht festgestellt werden.

Der Senat rät daher zur Rücknahme der Berufung, die zwei Gerichtsgebühren spart.

 

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