Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Einmal anerkannt, meistens gebunden: Versicherung muss trotz späterer Zweifel weiterzahlen
- Was war passiert? Der Streit um die Berufsunfähigkeitsrente
- Der Weg durch die Instanzen: Von widersprüchlichen Angaben zur Berufung
- Die Kernfrage vor dem Oberlandesgericht: Gebunden an die erste Zusage?
- Die Entscheidung des Oberlandesgerichts: Versicherung muss zahlen
- Die Gründe: Warum das Gericht so entschied
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Unter welchen Voraussetzungen darf meine Berufsunfähigkeitsversicherung (BUV) meine Rentenzahlungen einstellen?
- Kann meine BUV die Zahlung einstellen, wenn sie nachträglich Fehler bei der ursprünglichen Prüfung feststellt oder ich angeblich schon vor Vertragsbeginn berufsunfähig war?
- Was ist ein „Nachprüfungsverfahren“ bei der BUV und welche Rechte und Pflichten habe ich dabei?
- Was sollte ich tun, wenn meine Berufsunfähigkeitsversicherung meine Zahlungen einstellen möchte oder bereits eingestellt hat?
- Was bedeutet es, wenn meine BUV meine Berufsunfähigkeit nur befristet anerkannt hat?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 25 U 2202/17 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: OLG München
- Datum: 30.11.2018
- Aktenzeichen: 25 U 2202/17
- Verfahrensart: Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Berufsunfähigkeitsversicherung
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Ein Versicherungsnehmer, der Leistungen aus seiner Berufsunfähigkeitsversicherung forderte und gegen die Befristung dieser Leistungen klagte.
- Beklagte: Ein Berufsunfähigkeitsversicherer, der Leistungen zunächst befristet anerkannte und später eine „Mitgebrachte Berufsunfähigkeit“ einwandte.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Der Kläger schloss eine Berufsunfähigkeitsversicherung ab und beantragte Leistungen wegen psychischer Erkrankungen. Der Versicherer erkannte die Leistungen zunächst befristet an, woraufhin der Kläger auf unbefristete Leistungen klagte.
- Kern des Rechtsstreits: Es ging um die Frage, ob der Versicherer die Zahlung von Berufsunfähigkeitsrenten nach einem bereits erfolgten Anerkenntnis befristen oder wegen einer sogenannten „mitgebrachten Berufsunfähigkeit“ einstellen durfte.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das OLG München änderte das Urteil des Landgerichts ab und gab der Berufung des Klägers weitgehend statt. Der Versicherer wurde zur Zahlung rückständiger und zukünftiger Berufsunfähigkeitsrenten sowie zur Beitragsbefreiung verurteilt.
- Begründung: Der Senat befand, dass der Kläger weiterhin berufsunfähig ist und der Versicherer den Beweis für eine Besserung des Gesundheitszustandes nicht erbrachte. Der Versicherer ist an sein früheres Anerkenntnis gebunden und kann sich davon nicht lösen, indem er eine „mitgebrachte Berufsunfähigkeit“ einwendet oder die ursprünglich zugrunde gelegte Tätigkeit korrigiert.
- Folgen: Der Versicherer muss dem Kläger bis zum Vertragsende im Jahr 2033 die vereinbarten monatlichen Berufsunfähigkeitsrenten zahlen und ihn von der Beitragspflicht befreien. Zudem muss er Zinsen für die ausstehenden Zahlungen leisten. Eine weitere Revision wurde nicht zugelassen.
Der Fall vor Gericht
Einmal anerkannt, meistens gebunden: Versicherung muss trotz späterer Zweifel weiterzahlen
Stellen Sie sich vor, Sie haben eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen – eine finanzielle Absicherung für den Fall, dass Sie Ihren Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben können. Nach langer Krankheit stellen Sie einen Antrag, und die Versicherung erkennt Ihre Berufsunfähigkeit an und beginnt, Ihnen eine monatliche Rente zu zahlen.

Doch nach einiger Zeit stellt die Versicherung die Zahlungen wieder ein oder will sie von Anfang an gar nicht geleistet haben. Genau um einen solchen Fall, bei dem es um die Fortzahlung einer bereits anerkannten Berufsunfähigkeitsrente ging, stritt ein Versicherter mit seiner Versicherung vor dem Oberlandesgericht (OLG) München. Das Gericht musste klären, unter welchen Umständen eine Versicherung ihre Leistungszusage zurücknehmen darf.
Was war passiert? Der Streit um die Berufsunfähigkeitsrente
Ein Mann, nennen wir ihn Herr K., hatte im März 2013 eine Berufsunfähigkeitsversicherung – oft BUV genannt, eine Versicherung, die einspringt, wenn man seinen Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann – abgeschlossen. Diese sicherte ihm im Falle einer Berufsunfähigkeit von mindestens 50% eine monatliche Rente von ursprünglich 6.800 Euro, zusätzliche Gewinnanteile und die Befreiung von den monatlichen Versicherungsbeiträgen in Höhe von rund 609 Euro zu. Die Vertragslaufzeit, also der Zeitraum, für den der Versicherungsschutz galt, war bis Ende Februar 2033 vereinbart.
Im November 2014 war es dann so weit: Herr K. beantragte Leistungen bei seiner Versicherung, die wir hier „die Versicherung“ nennen wollen. Als Grund gab er eine Anpassungsstörung und eine depressive Episode an – beides psychische Erkrankungen, die die Arbeitsfähigkeit stark beeinträchtigen können. In seinem Antrag beschrieb er detailliert seine letzte berufliche Tätigkeit bei einer Firma, die wir „Firma A“ nennen, als die Tätigkeit, die er „in gesunden Tagen“ ausgeübt hatte. Das ist wichtig, denn die Berufsunfähigkeit wird immer im Verhältnis zur konkret ausgeübten Tätigkeit bewertet.
Die Versicherung leitete daraufhin eine Leistungsprüfung ein. Sie beauftragte einen psychiatrischen Fachgutachter, Dr. Strasser, der Herrn K. untersuchte. Auf Basis dieses Gutachtens traf die Versicherung im Juni 2015 eine Entscheidung: Sie erkannte die Leistungsansprüche von Herrn K. an, allerdings nur für einen begrenzten Zeitraum – vom 1. Mai 2013 bis zum 31. März 2015. Ein Anerkenntnis ist die Erklärung des Versicherers, dass er seine Leistungspflicht dem Grunde und der Höhe nach akzeptiert. Die Befristung, also die zeitliche Begrenzung dieser Zusage, begründete die Versicherung damit, dass Herr K. laut Gutachten nur bis maximal Anfang März 2015 berufsunfähig gewesen sei. Danach habe der Grad seiner Berufsunfähigkeit nur noch bei 20-40% gelegen, was unter der vertraglich vereinbarten Schwelle von 50% lag.
Der Weg durch die Instanzen: Von widersprüchlichen Angaben zur Berufung
Herr K. war mit dieser Befristung nicht einverstanden und zog vor Gericht. Er argumentierte, sein Gesundheitszustand habe sich seit dem Zeitpunkt des Anerkenntnisses nicht gebessert. Er sei weiterhin berufsunfähig. Er führte zudem aus, dass seine maßgebliche Tätigkeit die bei der Firma A gewesen sei, die er bis November 2011 ausgeübt habe. Spätere Pläne für eine neue Selbstständigkeit seien durch Unfälle und Krankheiten durchkreuzt worden. Bereits 2012 sei er wegen Depressionen gesundheitlich angeschlagen gewesen.
Die Versicherung hingegen behauptete, der Gesundheitszustand von Herrn K. habe sich im März 2015 auf Dauer erheblich verbessert. Außerdem warf sie Herrn K. vor, widersprüchliche Angaben zu seiner beruflichen Tätigkeit ab November 2011 gemacht zu haben. Zusätzlich brachte die Versicherung ein gewichtiges Argument vor: Herr K. sei möglicherweise schon bei Vertragsbeginn berufsunfähig gewesen – eine sogenannte „mitgebrachte Berufsunfähigkeit“. Nach den Versicherungsbedingungen (§ 1 I der AVB – Allgemeine Versicherungsbedingungen, das sind die allgemeinen Vertragsregeln einer Versicherung) müsse die Berufsunfähigkeit aber erst während der Vertragslaufzeit eintreten. Wenn sie schon vorher bestand, gäbe es keinen Anspruch.
Das Landgericht München II, die erste gerichtliche Instanz, wies die Klage von Herrn K. ab. Die Begründung: Herr K. habe nicht ausreichend klar dargelegt, welche berufliche Tätigkeit er zuletzt in gesunden Tagen ausgeübt habe. Seine Angaben seien widersprüchlich gewesen. Da die Versicherung dies bestritten hatte, hätte Herr K. hier genauer vortragen müssen (Juristen sprechen von einer sekundären Darlegungslast – wenn eine Seite etwas bestreitet, muss die andere Seite, die sich darauf beruft, detaillierter werden). Weil die Tätigkeit in gesunden Tagen nicht klar feststellbar sei, sei auch keine Beweisaufnahme, also zum Beispiel die Befragung von Zeugen oder die Einholung eines neuen Gutachtens, nötig gewesen. Dies wäre eine unzulässige Ausforschung gewesen, also ein Versuch, ohne konkrete Anhaltspunkte nach Beweisen zu suchen.
Gegen dieses Urteil legte Herr K. Berufung ein, das heißt, er beantragte eine Überprüfung der Entscheidung durch die nächsthöhere Instanz, das Oberlandesgericht München. Er war der Ansicht, das Landgericht habe Fehler gemacht, indem es keine Beweise erhoben habe, obwohl er Zeugen für seine Tätigkeit bei Firma A benannt hatte.
Die Kernfrage vor dem Oberlandesgericht: Gebunden an die erste Zusage?
Das Oberlandesgericht (OLG) München musste nun entscheiden. Die zentrale Frage war: Konnte sich die Versicherung von ihrem ursprünglichen Anerkenntnis der Berufsunfähigkeit einfach so lösen, indem sie es befristete oder später argumentierte, die Berufsunfähigkeit habe schon bei Vertragsbeginn bestanden? Oder war sie an ihre erste Entscheidung gebunden, zumindest was die Grundlagen dieser Entscheidung anging? Und was ist, wenn die Versicherungsbedingungen selbst eine Befristung des Anerkenntnisses ausschließen?
Das OLG holte zunächst ein neues psychiatrisches Gutachten ein, diesmal von Professor Dr. S.
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts: Versicherung muss zahlen
Das OLG München änderte das Urteil des Landgerichts zugunsten von Herrn K. ab. Die Versicherung wurde verurteilt, an Herrn K. rückständige Renten in Höhe von über 84.000 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Außerdem muss sie Herrn K. ab März 2016 bis zum Vertragsende (längstens bis 28.02.2033) die monatliche Berufsunfähigkeitsrente von über 7.000 Euro zahlen und ihn von den Beiträgen befreien. Zusätzlich wurde festgestellt, dass die Versicherung auch zukünftige Überschussanteile zahlen muss.
Lediglich die Forderung von Herrn K. nach Erstattung seiner vorgerichtlichen Anwaltskosten wies das Gericht ab. Die Kosten des gesamten Rechtsstreits musste aber die Versicherung tragen, da Herr K. im Wesentlichen gewonnen hatte.
Die Gründe: Warum das Gericht so entschied
Aber warum kam das OLG zu diesem Ergebnis, das so anders war als das der ersten Instanz? Die Begründung des Gerichts ist für das Verständnis von Berufsunfähigkeitsversicherungen sehr aufschlussreich.
Das einmal gegebene Wort zählt: Die Bindung an das Anerkenntnis
Der Knackpunkt war das ursprüngliche Anerkenntnis der Versicherung vom Juni 2015. Das Gericht stellte fest, dass die Versicherung dieses Anerkenntnis ausdrücklich auf die von Herrn K. in seinem Leistungsantrag geschilderte Tätigkeit bei der Firma A gestützt hatte. Entscheidend war nun ein Blick in die Versicherungsbedingungen von Herrn K.s Vertrag: Dort war in § 17 der AVB eine Befristung des Anerkenntnisses ausdrücklich ausgeschlossen. Das bedeutet, wenn die Versicherung einmal „Ja“ zur Leistung sagt, kann sie dieses „Ja“ nicht einfach mit einem Ablaufdatum versehen.
Wenn eine Versicherung ihre Leistungspflicht anerkannt hat, kann sie sich davon nur unter bestimmten Voraussetzungen wieder lösen. Dies geschieht im Rahmen eines sogenannten Nachprüfungsverfahrens, das im § 174 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) – dem zentralen Gesetz für Versicherungsverträge – geregelt ist. Sinn dieser Regelung ist es, den Versicherten zu schützen. Hat der Versicherer einmal geleistet oder seine Leistungspflicht anerkannt, soll er nicht plötzlich und ohne Weiteres die Zahlungen einstellen können. Der Versicherte hat einen gewissen Bestandsschutz: Die Versicherung bleibt an ihr Anerkenntnis gebunden, bis sie erfolgreich das Nachprüfungsverfahren durchgeführt hat.
Die „Nachprüfung“: Nur für echte Veränderungen, nicht für alte Fehler
Was bedeutet das konkret für das Nachprüfungsverfahren? Nach § 174 VVG wird der Versicherer nur dann von seiner Leistungspflicht frei, wenn er feststellt, dass die Voraussetzungen seiner Leistungspflicht entfallen sind, und er diese Veränderung dem Versicherten schriftlich mitteilt. Das Wort „entfallen“ ist hier entscheidend. Es bedeutet, dass eine Bedingung, die vorher da war (z.B. die Berufsunfähigkeit), nun nicht mehr da ist (z.B. weil sich der Gesundheitszustand gebessert hat).
Das Gericht machte sehr deutlich: Eine Nachprüfung ist nicht dafür da, dass die Versicherung eine sachlich vielleicht falsche Entscheidung, die sie ursprünglich getroffen hat, korrigiert. Wenn die Versicherung zum Beispiel bei ihrer ersten Prüfung falsche Informationen hatte oder die Fakten falsch bewertet hat (und es sich nicht um einen Fall von arglistiger Täuschung durch den Versicherten handelt), kann sie das nicht einfach im Nachprüfungsverfahren „reparieren“. Das Gericht formulierte es so: „Davon [vom Entfallen der Leistungsvoraussetzungen] kann nicht gesprochen werden, wenn sie zu keinem Zeitpunkt vorgelegen haben.“
Das bedeutete für den Fall von Herrn K.: Die Versicherung war an ihr ursprüngliches Anerkenntnis gebunden. Sie konnte im Nachprüfungsverfahren weder argumentieren, dass sie bei ihrem Anerkenntnis fälschlicherweise die Tätigkeit bei Firma A zugrunde gelegt hatte, noch konnte sie sich darauf berufen, die Berufsunfähigkeit habe schon bei Vertragsbeginn bestanden (die „mitgebrachte Berufsunfähigkeit“). Diese Einwände hätte sie vor dem ersten Anerkenntnis prüfen und geltend machen müssen. Nachdem sie aber anerkannt hatte, waren diese Türen verschlossen. Die Versicherung hatte die Tätigkeit bei Firma A, wie von Herrn K. beschrieben, ihrer Entscheidung zugrunde gelegt und war daran gebunden.
Der aktuelle Gesundheitszustand: Weiterhin berufsunfähig
Nachdem geklärt war, dass die Versicherung an die Grundlagen ihres ersten Anerkenntnisses gebunden war, musste nur noch geprüft werden, ob sich der Gesundheitszustand von Herrn K. seitdem so verbessert hatte, dass er nicht mehr zu mindestens 50% berufsunfähig war. Und genau hier kam das neue Gutachten von Professor Dr. S ins Spiel.
Dieser Sachverständige kam in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass Herr K. weiterhin unter einer mittelgradigen depressiven Episode mit chronischem Verlauf leidet und zusätzlich ein schädlicher Gebrauch von Alkohol besteht. Diese Erkrankungen führen zu erheblichen Leistungseinschränkungen, die eine Berufsunfähigkeit von deutlich mehr als 50% bedingen. Wichtig war auch: Die Versicherung hatte gegen dieses für sie ungünstige Gutachtenergebnis keine Einwendungen erhoben.
Damit stand für das OLG fest: Die Versicherung hatte den ihr obliegenden Beweis, dass sich der Gesundheitszustand von Herrn K. gebessert und der Grad der Berufsunfähigkeit auf unter 50% gesunken war, nicht geführt. Im Gegenteil, es stand fest, dass Herr K. weiterhin zu mehr als 50% berufsunfähig war.
Ein kleiner Wermutstropfen für Herrn K. war die Ablehnung seiner Forderung nach Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten. Hierfür hätte sich die Versicherung im Verzug befinden müssen, als Herr K. seinen Anwalt beauftragte. Verzug bedeutet, dass ein Schuldner seine fällige Leistung trotz Mahnung nicht erbringt. Eine solche Mahnung oder eine endgültige Leistungsverweigerung durch die Versicherung lag aber zum Zeitpunkt der Anwaltsbeauftragung noch nicht vor. Das Schreiben der Versicherung vom Juni 2015, mit dem sie die Leistungen zwar befristete, aber grundsätzlich anerkannte, war keine solche endgültige Verweigerung.
Zusammenfassend hat das OLG München klargestellt, dass ein Versicherer, der einmal eine Berufsunfähigkeit anerkannt hat – insbesondere wenn seine eigenen Bedingungen eine Befristung dieses Anerkenntnisses ausschließen –, sich davon nur schwer wieder lösen kann. Er kann im Nachprüfungsverfahren nicht einfach Fehler seiner ursprünglichen Entscheidung korrigieren oder Einwände vorbringen, die er schon damals hätte prüfen müssen. Er muss stattdessen nachweisen, dass sich die Umstände, die zur Berufsunfähigkeit geführt haben, tatsächlich und maßgeblich zum Positiven verändert haben.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil verdeutlicht, dass Versicherungen an bereits ausgesprochene Anerkenntnisse einer Berufsunfähigkeit grundsätzlich gebunden bleiben und sich davon im Nachprüfungsverfahren nur lösen können, wenn sich der Gesundheitszustand des Versicherten tatsächlich verbessert hat. Die Versicherung kann nachträglich keine Einwände erheben, die sie bereits vor dem Anerkenntnis hätte prüfen können, wie etwa eine „mitgebrachte Berufsunfähigkeit“ oder eine fehlerhaft zugrunde gelegte berufliche Tätigkeit. Dies stärkt die Rechtsposition von Versicherten erheblich, da einmal anerkannte Leistungsansprüche nicht ohne nachweisliche Besserung des Gesundheitszustands entzogen werden können.
Befinden Sie sich in einer ähnlichen Situation? Fragen Sie unsere Ersteinschätzung an.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Unter welchen Voraussetzungen darf meine Berufsunfähigkeitsversicherung (BUV) meine Rentenzahlungen einstellen?
Ihre Berufsunfähigkeitsversicherung (BUV) darf Ihre Rentenzahlungen nicht willkürlich oder einfach so einstellen. Dafür gibt es klare gesetzliche Regeln. Die Einstellung der Zahlungen ist nur dann möglich, wenn die ursprünglichen Voraussetzungen für die Leistungspflicht nicht mehr gegeben sind. Das bedeutet, dass sich Ihr Gesundheitszustand maßgeblich und dauerhaft verbessert haben muss, sodass Sie nicht mehr berufsunfähig im Sinne des Vertrags sind.
Das Nachprüfungsverfahren nach § 174 VVG
Die rechtliche Grundlage für eine mögliche Einstellung der Rentenzahlungen durch den Versicherer ist das sogenannte Nachprüfungsverfahren nach § 174 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG). Dieses Verfahren erlaubt es dem Versicherer, in bestimmten Zeiträumen zu überprüfen, ob Sie weiterhin berufsunfähig sind und somit ein Anspruch auf die Rentenzahlung besteht. Es ist ein Kontrollmechanismus, der sicherstellen soll, dass Leistungen nur erbracht werden, solange die vertraglichen Bedingungen erfüllt sind.
Wann die Voraussetzungen als „weggefallen“ gelten
Die Voraussetzungen für die Zahlung der BUV-Rente gelten in der Regel als weggefallen, wenn sich Ihr Gesundheitszustand so erheblich und auf Dauer gebessert hat, dass Sie Ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit oder eine im Vertrag genannte andere Tätigkeit wieder in dem Maße ausüben können, wie es vor der Berufsunfähigkeit der Fall war oder wie es der Definition im Vertrag entspricht.
Stellen Sie sich vor, Sie waren aufgrund einer schweren Rückenverletzung berufsunfähig, die Sie an der Ausübung Ihres Berufs hinderte. Wenn diese Verletzung durch eine erfolgreiche Operation und Rehabilitation vollständig ausgeheilt ist und Sie nachweislich wieder in der Lage sind, Ihren Beruf ohne Einschränkungen auszuüben, könnten die Voraussetzungen für die BUV-Rente weggefallen sein. Es geht also immer darum, ob die gesundheitliche Beeinträchtigung, die zur ursprünglichen Berufsunfähigkeit geführt hat, nicht mehr in dem erforderlichen Ausmaß besteht.
Die Beweislast liegt beim Versicherer
Ein ganz wichtiger Punkt für Sie als Versicherte Person ist, dass der Versicherer die volle Beweislast trägt, wenn er die Rentenzahlungen einstellen möchte. Das bedeutet: Der Versicherer muss Ihnen klar und eindeutig nachweisen, dass die Berufsunfähigkeit nicht mehr vorliegt. Er kann die Zahlungen nicht einfach ohne Weiteres stoppen.
Der Versicherer muss Ihnen darlegen, aufgrund welcher Tatsachen und welcher medizinischen Nachweise er der Meinung ist, dass Sie nicht mehr berufsunfähig sind. Dies beinhaltet in der Regel eine erneute ärztliche Begutachtung oder die Anforderung aktueller medizinischer Unterlagen. Erst wenn diese Nachweise eindeutig belegen, dass die gesundheitlichen Einschränkungen, die zur Berufsunfähigkeit geführt haben, nicht mehr in dem vertraglich relevanten Maße bestehen, darf die Rentenzahlung eingestellt werden. Eine nur leichte oder vorübergehende Besserung des Gesundheitszustands reicht dafür nicht aus. Die Besserung muss nachhaltig und von Bedeutung sein, um die ursprüngliche Einschätzung der Berufsunfähigkeit zu widerlegen.
Kann meine BUV die Zahlung einstellen, wenn sie nachträglich Fehler bei der ursprünglichen Prüfung feststellt oder ich angeblich schon vor Vertragsbeginn berufsunfähig war?
Nein, grundsätzlich kann Ihre Berufsunfähigkeitsversicherung (BUV) die Zahlung nicht einfach einstellen, wenn sie nachträglich eigene Fehler bei der ursprünglichen Prüfung feststellt oder behauptet, Sie seien bereits vor Vertragsbeginn berufsunfähig gewesen. Einmal anerkannte Berufsunfähigkeit genießt einen besonderen Schutz.
Bindungswirkung des Anerkenntnisses
Wenn Ihre Versicherung Ihre Berufsunfähigkeit einmal anerkannt hat, ist sie an diese Entscheidung grundsätzlich gebunden. Man spricht hier von der Bindungswirkung des Anerkenntnisses oder dem Bestandsschutz. Dies bedeutet für Sie, dass die Versicherung ihre einmal getroffene Entscheidung nicht ohne Weiteres revidieren kann. Die Versicherung kann nicht einfach behaupten, sie habe sich bei der ersten Prüfung geirrt, oder sie habe wichtige Informationen übersehen.
Das Nachprüfungsverfahren: Wofür es da ist und wofür nicht
Die Berufsunfähigkeitsversicherung hat zwar die Möglichkeit, ein Nachprüfungsverfahren durchzuführen. Dieses Verfahren ist jedoch ausschließlich dazu gedacht, zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Berufsunfähigkeit noch immer vorliegen. Es geht darum, ob sich Ihr Gesundheitszustand oder Ihre berufliche Situation so verbessert hat, dass Sie nicht mehr als berufsunfähig gelten.
Das Nachprüfungsverfahren ist ausdrücklich nicht dazu da, um:
- Ursprüngliche Fehler der Versicherung zu korrigieren: Wenn die Versicherung bei der ersten Prüfung etwas übersehen oder falsch eingeschätzt hat, kann sie dies nicht im Nachprüfungsverfahren nachholen.
- Neue Einwände vorzubringen: Die Versicherung kann nicht plötzlich neue Argumente anführen, die sie bereits bei der ersten Prüfung hätte erheben können (z.B. der Einwand, Sie seien schon vor Vertragsbeginn berufsunfähig gewesen, oder die zuletzt ausgeübte Tätigkeit sei falsch zugrunde gelegt worden). Solche Einwände müssen bereits bei der ersten Prüfung geklärt werden.
Wegfall der Voraussetzungen als einziger Grund
Der einzige rechtlich zulässige Weg für die Versicherung, die Zahlungen nach einem Anerkenntnis einzustellen, ist der Wegfall der Voraussetzungen für die Berufsunfähigkeit. Dies bedeutet, dass die Versicherung nachweisen muss, dass Sie tatsächlich nicht mehr berufsunfähig sind, weil sich Ihr Gesundheitszustand wesentlich verbessert hat und Sie wieder in der Lage wären, Ihren Beruf wie vor der Berufsunfähigkeit auszuüben. Es muss sich also eine tatsächliche Veränderung zum Positiven ergeben haben.
Für Sie bedeutet das: Einmal als berufsunfähig anerkannt, sind Sie vor nachträglichen „Sinneswandeln“ der Versicherung wegen angeblicher Fehler der ursprünglichen Prüfung geschützt.
Was ist ein „Nachprüfungsverfahren“ bei der BUV und welche Rechte und Pflichten habe ich dabei?
Stellen Sie sich vor, Sie erhalten bereits Leistungen aus Ihrer Berufsunfähigkeitsversicherung (BUV). Der Begriff „Nachprüfungsverfahren“ beschreibt einen gesetzlich geregelten Vorgang, bei dem Ihr Versicherer regelmäßig überprüft, ob die Voraussetzungen für Ihre Berufsunfähigkeit weiterhin bestehen. Dies ist ein Standardprozess, da eine Berufsunfähigkeit nicht immer dauerhaft sein muss und sich Ihr Gesundheitszustand oder Ihre berufliche Situation ändern kann. Das Ziel ist es, sicherzustellen, dass die Versicherungsleistungen nur so lange erbracht werden, wie die vertraglich vereinbarte Berufsunfähigkeit tatsächlich vorliegt.
Das Nachprüfungsverfahren einfach erklärt
Für Sie als Versicherter bedeutet das Nachprüfungsverfahren, dass Ihr Versicherer in bestimmten Abständen oder bei Anhaltspunkten für eine Veränderung überprüfen darf, ob Sie noch in dem Umfang berufsunfähig sind, wie es für die Leistungspflicht vereinbart wurde. Der Versicherer wird dabei in der Regel Informationen und Unterlagen von Ihnen anfordern. Dies kann etwa aktuelle ärztliche Befunde oder Berichte betreffen, die Auskunft über Ihren derzeitigen Gesundheitszustand und Ihre Leistungsfähigkeit geben. Auch Fragen zu einer eventuell wieder aufgenommenen beruflichen Tätigkeit sind möglich.
Ihre Mitwirkungspflichten als Versicherter
Als Versicherter haben Sie im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens eine sogenannte Mitwirkungspflicht. Das bedeutet, Sie sind verpflichtet, dem Versicherer die zur Prüfung erforderlichen Auskünfte zu erteilen und angeforderte Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Dazu gehören beispielsweise:
- Aktuelle ärztliche Atteste oder Berichte, die Ihren Gesundheitszustand und Ihre verbliebene Leistungsfähigkeit dokumentieren.
- Informationen über eine mögliche Wiederaufnahme einer beruflichen Tätigkeit oder andere Veränderungen, die Ihre Arbeitsfähigkeit betreffen.
- Geben Sie dem Versicherer, falls erforderlich, die Einwilligung zur Einholung von Auskünften bei Ihren behandelnden Ärzten oder zur Durchführung einer medizinischen Untersuchung durch einen vom Versicherer beauftragten Arzt.
Es ist wichtig zu wissen, dass diese Mitwirkungspflicht nicht unbegrenzt ist. Die Anforderungen des Versicherers müssen verhältnismäßig und für die Prüfung der Berufsunfähigkeit tatsächlich relevant sein. Sie müssen keine unnötigen oder überzogenen Forderungen erfüllen.
Ihr Schutz: Der Bestandsschutz
Ein zentrales Recht und ein wichtiger Schutz für Sie als Versicherter im Nachprüfungsverfahren ist der sogenannte Bestandsschutz. Dieser bedeutet, dass die Beweislast beim Versicherer liegt. Nachdem die Berufsunfähigkeit einmal festgestellt wurde und Leistungen erbracht werden, muss der Versicherer nun nachweisen, dass sich Ihre Situation so verändert hat, dass die Berufsunfähigkeit nicht mehr oder nur noch in geringerem Maße vorliegt. Sie müssen also nicht erneut beweisen, dass Sie berufsunfähig sind.
Der Versicherer muss konkrete Tatsachen und medizinische Nachweise vorlegen, die belegen, dass sich Ihr Gesundheitszustand und Ihre Leistungsfähigkeit seit der ursprünglichen Feststellung der Berufsunfähigkeit so verbessert haben, dass die Kriterien für die Berufsunfähigkeit nicht mehr erfüllt sind. Erkenntnisse aus dem Nachprüfungsverfahren, die zu einer Änderung der Leistungen führen sollen, muss Ihnen der Versicherer schriftlich und nachvollziehbar begründet mitteilen. Dies gibt Ihnen die Möglichkeit, die Entscheidung zu prüfen und gegebenenfalls darauf zu reagieren.
Was sollte ich tun, wenn meine Berufsunfähigkeitsversicherung meine Zahlungen einstellen möchte oder bereits eingestellt hat?
Wenn Ihre Berufsunfähigkeitsversicherung ankündigt, die Zahlungen einzustellen, oder dies bereits getan hat, ist es wichtig zu wissen, dass diese Entscheidung nicht automatisch endgültig ist. Es handelt sich um eine komplexe Situation, die ein genaues Verständnis der zugrunde liegenden Gründe erfordert.
Die Bedeutung der Beweislast
Ein zentraler Punkt in Fällen der Berufsunfähigkeitsversicherung ist die Beweislast. Wenn der Versicherer Ihnen bereits Leistungen wegen Berufsunfähigkeit gewährt hat und diese nun einstellen möchte, liegt die Beweislast dafür, dass die Berufsunfähigkeit nicht mehr besteht, in der Regel beim Versicherer. Dies bedeutet, dass der Versicherer darlegen und beweisen muss, dass sich Ihr Gesundheitszustand so verbessert hat, dass Sie die im Vertrag festgelegte Leistungsgrenze für die Berufsunfähigkeit unterschreiten, oder dass andere vertragliche Voraussetzungen für die Einstellung der Leistungen vorliegen. Für Sie als versicherte Person bedeutet das, dass Sie nicht selbst beweisen müssen, weiterhin berufsunfähig zu sein, sondern vielmehr die Argumente und Beweise des Versicherers sorgfältig prüfen sollten.
Sorgfältige Dokumentation ist entscheidend
Unabhängig davon, ob der Versicherer die Beweislast trägt oder nicht, ist es für Sie von größter Bedeutung, alle relevanten Unterlagen sorgfältig zu sammeln und zu ordnen. Dazu gehören insbesondere:
- Alle medizinischen Befunde, Diagnosen und Arztberichte, die Ihren Gesundheitszustand betreffen – sowohl aus der Zeit vor der Einstellung der Leistungen als auch aktuelle Unterlagen.
- Gutachten (des Versicherers oder von Ihnen eingeholte), die Ihre Berufsunfähigkeit beurteilen.
- Die gesamte Korrespondenz mit Ihrer Versicherungsgesellschaft (Briefe, E-Mails, Telefonnotizen).
- Ihr Versicherungsvertrag mit den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB).
Eine lückenlose Dokumentation hilft Ihnen, die Argumente des Versicherers nachzuvollziehen und Ihre eigene Situation klar darzulegen.
Die Vielschichtigkeit der Prüfung
Fälle, in denen eine Berufsunfähigkeitsversicherung Leistungen einstellen möchte, sind oft rechtlich und medizinisch sehr komplex. Der Versicherer überprüft typischerweise, ob der vertraglich vereinbarte Grad der Berufsunfähigkeit (oft 50 %) weiterhin erreicht wird oder ob eine sogenannte „abstrakte Verweisung“ möglich ist – also ob Sie trotz Ihrer Einschränkungen noch in der Lage wären, einen anderen, vergleichbaren Beruf auszuüben. Solche Prüfungen erfordern detaillierte medizinische Kenntnisse und eine genaue Auslegung der Versicherungsbedingungen. Verlassen Sie sich nicht allein auf die Ausführungen des Versicherers, sondern machen Sie sich selbst ein umfassendes Bild der Lage und der vorgebrachten Gründe.
Was bedeutet es, wenn meine BUV meine Berufsunfähigkeit nur befristet anerkannt hat?
Wenn Ihre Berufsunfähigkeitsversicherung (BUV) Ihre Berufsunfähigkeit nur befristet anerkannt hat, bedeutet dies, dass der Versicherer Ihre aktuelle gesundheitliche Situation als vorübergehend und verbesserungsfähig einschätzt. Die Leistungen werden Ihnen dann nicht auf unbestimmte Zeit, sondern nur für einen bestimmten, im Anerkennungsschreiben festgelegten Zeitraum gewährt. Der Versicherer geht davon aus, dass Sie nach Ablauf dieser Frist möglicherweise wieder in der Lage sind, Ihrem Beruf nachzugehen oder Ihre Arbeitsfähigkeit sich so weit verbessert, dass die Voraussetzungen für die Berufsunfähigkeit nicht mehr erfüllt sind.
Warum ist die Anerkennung befristet?
Eine befristete Anerkennung der Berufsunfähigkeit ist in der Regel dann vorgesehen, wenn die ärztliche Prognose darauf hindeutet, dass sich Ihr Gesundheitszustand voraussichtlich wieder verbessern wird. Dies kann beispielsweise nach bestimmten Verletzungen oder Erkrankungen der Fall sein, bei denen eine Genesung oder zumindest eine deutliche Besserung erwartet wird. Der Versicherer möchte sicherstellen, dass die Leistungen nur solange gezahlt werden, wie die Berufsunfähigkeit tatsächlich besteht. Ob eine solche Befristung zulässig ist und unter welchen Umständen, hängt maßgeblich von den genauen Bedingungen Ihrer Versicherungsvereinbarung ab, den sogenannten Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB). Diese können eine Befristung ausdrücklich erlauben, regeln oder sogar ausschließen. Es ist daher entscheidend, die eigenen Vertragsbedingungen genau zu kennen.
Was passiert nach Ablauf der Befristung?
Nach Ablauf des befristeten Zeitraums endet die Leistungspflicht des Versicherers nicht automatisch. In der Regel kommt es dann zu einem Nachprüfungsverfahren. Das bedeutet, der Versicherer überprüft erneut, ob die Voraussetzungen für die Berufsunfähigkeit noch immer vorliegen.
Für Sie als versicherte Person ist dabei ein wichtiger Punkt die Beweislast:
- Im Nachprüfungsverfahren, das der Versicherer einleitet, muss der Versicherer beweisen, dass die Berufsunfähigkeit nicht mehr besteht. Er muss also darlegen, dass sich Ihr Gesundheitszustand so verbessert hat, dass Sie Ihrem Beruf wieder nachgehen können.
- In manchen Fällen, je nach den Versicherungsbedingungen und der genauen Ausgestaltung der Befristung, kann es auch sein, dass Sie nach Ablauf der Frist einen neuen Leistungsantrag stellen müssen. In diesem Fall würde die Beweislast, die Berufsunfähigkeit erneut nachzuweisen, wieder bei Ihnen als versicherter Person liegen.
Die genaue Vorgehensweise und die damit verbundenen Anforderungen an den Nachweis werden ebenfalls in Ihren Versicherungsbedingungen geregelt. Ein erneutes, umfassendes medizinisches Gutachten kann dann notwendig sein, um Ihren aktuellen Gesundheitszustand zu belegen. Die Befristung kann für Sie somit eine anhaltende Unsicherheit bedeuten, da der Anspruch auf Leistungen nach Ablauf der Frist erneut auf dem Prüfstand steht.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Anerkenntnis
Ein Anerkenntnis ist die Erklärung eines Versicherers, dass er die Leistungspflicht gegenüber dem Versicherten grundsätzlich und bezüglich der Höhe akzeptiert. Es bedeutet, dass die Versicherung anerkennt, dass ein Leistungsanspruch besteht und sie Zahlungen leisten wird. Dieses Anerkenntnis ist rechtlich verbindlich und begründet einen sogenannten Bestands- oder Bindungsschutz, wodurch die Versicherung sich nicht ohne Weiteres von ihrer Zusage lösen kann. Im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) ist festgelegt, dass die Versicherung nach einem Anerkenntnis eine besondere Pflicht hat, an dieser erstmaligen Feststellung festzuhalten, solange sich die Umstände nicht deutlich ändern.
Beispiel: Wenn Ihre Berufsunfähigkeitsversicherung zugibt, dass Sie berufsunfähig sind und Ihnen eine monatliche Rente zahlt, darf sie diese Anerkennung nicht einfach wieder zurücknehmen, nur weil sie nachträglich andere Informationen entdeckt.
Nachprüfungsverfahren (§ 174 VVG)
Das Nachprüfungsverfahren ist ein gesetzlich geregeltes Verfahren, das es der Versicherung erlaubt, zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Zahlung der Rentenleistung weiterhin erfüllt sind. Es ist in § 174 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) normiert. Dabei darf die Versicherung nur prüfen, ob sich die Umstände, die zur Berufsunfähigkeit geführt haben, so verbessert haben, dass die Leistungspflicht wegfällt. Das Verfahren ist nicht dazu da, ursprüngliche Fehler der Versicherung zu korrigieren oder neue Einwände nachträglich geltend zu machen. Der Versicherungsnehmer muss im Verfahren mitwirken und Auskünfte erteilen, die zur Beurteilung des aktuellen Gesundheitszustands dienen.
Beispiel: Ihre Versicherung kann in regelmäßigen Abständen prüfen lassen, ob Sie noch immer so krank sind, dass Sie berufsunfähig sind, etwa durch neue ärztliche Gutachten.
Mitgebrachte Berufsunfähigkeit
Mitgebrachte Berufsunfähigkeit bezeichnet den Zustand, dass die versicherte Person bereits vor Beginn des Versicherungsvertrages berufsunfähig war. Laut den meisten Versicherungsbedingungen (z.B. § 1 I AVB) muss die Berufsunfähigkeit jedoch erst während der Vertragslaufzeit eingetreten sein, damit ein Leistungsanspruch entsteht. Wenn jemand also bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses berufsunfähig war, besteht kein Anspruch auf Versicherungsleistungen. Eine spätere Feststellung dieser mitgebrachten Berufsunfähigkeit kann ein Ablehnungsgrund für die Leistungen sein.
Beispiel: Wenn jemand heute eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließt, aber schon vor sechs Monaten wegen einer Krankheit nicht mehr arbeiten konnte, liegt eine mitgebrachte Berufsunfähigkeit vor, die meist nicht versichert ist.
Sekundäre Darlegungslast
Die sekundäre Darlegungslast bedeutet, dass eine Partei im Rechtsstreit verpflichtet ist, zu bestimmten Tatsachen präzise und detaillierte Angaben zu machen, wenn die Gegenseite deren Vorliegen bestreitet. Im zugrundeliegenden Fall musste Herr K. seine konkrete zuletzt ausgeübte Berufstätigkeit genau und widerspruchsfrei benennen, weil die Versicherung dies bestritten hatte. Kommt die Partei dieser Darlegungslast nicht nach, kann dies zu einem Nachteil führen, zum Beispiel, dass das Gericht keine Beweise mehr erhebt, weil die tatsächlichen Voraussetzungen unklar bleiben.
Beispiel: Wenn Sie von Ihrer Versicherung fordern, eine bestimmte Leistung zu zahlen, und diese behauptet, Sie hätten eine falsche Berufsangabe gemacht, müssen Sie genau darlegen, was Ihr letzter Beruf war und wie Sie gearbeitet haben.
Bindungswirkung des Anerkenntnisses (Bestandsschutz)
Die Bindungswirkung bedeutet, dass ein einmal von der Versicherung abgegebenes Anerkenntnis rechtsverbindlich ist und die Versicherung daran grundsätzlich festgehalten wird. Das heißt, die Versicherung kann ihre Anerkennung nicht ohne Weiteres widerrufen oder begrenzen, sofern nicht besondere gesetzliche Voraussetzungen vorliegen, etwa eine tatsächliche und dauerhafte Besserung des Gesundheitszustands (Wegfall der Leistungsvoraussetzungen). Dieser Bestandsschutz dient zum Schutz des Versicherten vor nachträglichen Änderungen oder Rücknahmen der Leistung durch den Versicherer.
Beispiel: Haben Sie nachweislich eine Berufsunfähigkeit anerkannt bekommen und erhalten Zahlungen, kann die Versicherung nicht plötzlich sagen, die Anerkennung sei fehlerhaft gewesen und Leistungen sofort einstellen, ohne ein Nachprüfungsverfahren durchzuführen.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 174 Versicherungsvertragsgesetz (VVG): Regelt das Nachprüfungsverfahren bei Berufsunfähigkeitsversicherungen, wonach der Versicherer seine Leistungspflicht nur einstellen darf, wenn sich die Voraussetzungen der Berufsunfähigkeit tatsächlich geändert haben. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das OLG entschied, dass die Versicherung an ihr Anerkenntnis gebunden ist und nur bei Nachweis einer tatsächlichen Verbesserung der Berufsunfähigkeit die Zahlungen einstellen darf.
- Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB) § 17: Bestimmt, dass eine Befristung eines Anerkenntnisses der Berufsunfähigkeit ausgeschlossen ist. Das bedeutet, eine einmal geleistete Anerkennung ist dauerhaft bindend. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Versicherung konnte das Anerkenntnis nicht zeitlich begrenzen und war somit verpflichtet, die Rentenzahlungen unbefristet fortzusetzen.
- Grundsatz der sekundären Darlegungslast: Wenn eine Partei eine Behauptung bestreitet, muss die andere Partei genauere Vortragspflichten erfüllen, um ihre Behauptungen zu belegen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Herr K. musste konkret und widerspruchsfrei darlegen, welche Tätigkeit er zuletzt ausgeübt hatte, um die Berufsunfähigkeit bezogen auf diese Tätigkeit zu bewerten.
- Grundsatz der Ausforschung: Verbot, ohne konkrete Anhaltspunkte nach Beweisen zu suchen, um eine Behauptung zu widerlegen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Landgericht lehnte eine Beweisaufnahme ab, weil keine klare Feststellung über die zuletzt ausgeübte Tätigkeit von Herrn K. möglich war; das OLG bewertete dies anders und ordnete ein neues Gutachten an.
- Grundsatz der Vertragsbindung aus Anerkenntnis: Das Anerkenntnis des Versicherers ist rechtlich bindend und stellt eine vertragliche Verpflichtung dar, die nicht einseitig und ohne berechtigten Grund zurückgenommen werden darf. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Versicherung konnte das erstmalige Anerkenntnis der Berufsunfähigkeit nicht durch nachträgliche Zweifel ersetzen, wenn diese Zweifel nicht auf einer tatsächlichen Änderung beruhten.
- Beweislastregelungen im Versicherungsrecht: Der Versicherer trägt die Beweislast für einen Wegfall der Leistungsvoraussetzungen und muss eine Verbesserung des Gesundheitszustands nachweisen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das OLG stellte fest, dass die Versicherung keinen Nachweis für eine Besserung des Gesundheitszustands erbringen konnte, womit die Leistungsverpflichtung fortbesteht.
Das vorliegende Urteil
OLG München – Az.: 25 U 2202/17 – Urteil vom 30.11.2018
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