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Berufsunfähigkeitsversicherung – Leistungsklage bei Klage auf Feststellung des Fortbestandes

OLG Stuttgart: Mutwillige Doppelklage zur Berufsunfähigkeit gescheitert

In einem Rechtsstreit um Berufsunfähigkeitsleistungen lehnte das OLG Stuttgart die Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine separate Leistungsklage ab, da bereits ein Verfahren bezüglich des Fortbestands desselben Versicherungsvertrags anhängig ist, wobei das Gericht die separate Klage als mutwillig und unnötig kostensteigernd erachtete. Die Entscheidung beruht auf der Einschätzung, dass die Klageanträge im bereits laufenden Verfahren hätten geltend gemacht werden können, wodurch eine effizientere und kostengünstigere Rechtsverfolgung möglich gewesen wäre.

Übersicht

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✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Das OLG Stuttgart wies die sofortige Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe zurück, weil die beabsichtigte separate Leistungsklage als mutwillig erachtet wurde, da bereits ein Verfahren zum Fortbestand des Vertrages läuft.
  • Eine Klageerweiterung im bestehenden Verfahren wäre kostengünstiger und effizienter gewesen, weshalb die separate Klage unnötige Kosten verursachen würde.
  • Die Entscheidung betont die Notwendigkeit einer wirtschaftlichen und sachorientierten Prozessführung, die Doppelklagen vermeidet und somit die Ressourcen des Gerichts und der Staatskasse schont.
  • Die beabsichtigte Klage bezieht sich auf Leistungsansprüche aus einem Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrag, deren Geltendmachung in einem bereits anhängigen Verfahren möglich gewesen wäre.
  • Die Mutwilligkeit einer Klage ergibt sich, wenn kein sachlicher Grund für die Durchführung separater Verfahren vorliegt und dadurch höhere Kosten entstehen.
  • Die Entscheidung verdeutlicht die Bedeutung der Verfahrenseffizienz und der Kostenminimierung im Justizsystem.
  • Das Urteil stützt sich auf die Rechtsprechung zur Mutwilligkeit im Sinne des § 114 Abs. 1 ZPO und betont die Pflicht zur wirtschaftlichen Prozessführung.
  • Es besteht keine Kostenentscheidung gemäß § 127 Abs. 4 ZPO, und die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben.

Effiziente Rechtsverfolgung im Versicherungsrecht

Mit einer Berufsunfähigkeitsversicherung wollen sich Arbeitnehmer vor den finanziellen Folgen einer dauerhaften Erwerbsunfähigkeit schützen. Doch nicht immer verläuft die Leistungsgewährung reibungslos. Divergierende Auffassungen zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer über den Eintritt eines Leistungsfalles führen häufig zu gerichtlichen Auseinandersetzungen.

Dabei steht oft die Frage im Mittelpunkt, ob die Klage auf Feststellung des Fortbestandes des Versicherungsvertrages und die Leistungsklage in einem oder in separaten Verfahren verfolgt werden sollten. Eine wirtschaftliche und effiziente Prozessführung unter Berücksichtigung von Aspekten wie Kostenminimierung und Verfahrensökonomie ist sowohl für Kläger als auch für Gerichte von großer Bedeutung.

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➜ Der Fall im Detail


Streit um Berufsunfähigkeitsversicherung erreicht Oberlandesgericht Stuttgart

Im Zentrum des Rechtsstreits steht ein Antragsteller, der gegen den Beschluss des Landgerichts Ansbach Berufung einlegte. Er begehrte die Feststellung, dass sein Vertrag über eine Berufsunfähigkeitsversicherung trotz Rücktritts- und Anfechtungserklärungen der Versicherung fortbesteht. Die Versicherung hatte den Vertrag aufgrund angeblicher Verletzungen vorvertraglicher Anzeigepflichten durch den Kläger rückwirkend für aufgelöst erklärt.

Die juristische Auseinandersetzung

Der Kläger argumentierte, dass seit April 2020 eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit eingetreten sei, bedingt durch eine dissoziative Störung und eine anhaltende posttraumatische Belastungsstörung. Aufgrund dieser Erkrankungen sei er unfähig, seinen Beruf oder irgendeinen anderen Beruf auszuüben. Im Zuge dessen stellte er Anträge auf Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung, die von der Versicherung abgelehnt wurden. Daraufhin strebte er zunächst eine gerichtliche Feststellung des Fortbestehens seines Versicherungsvertrages an.

Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart

Das OLG Stuttgart wies die sofortige Beschwerde des Klägers zurück und bestätigte damit den Beschluss des Landgerichts Ansbach. Das Gericht begründete seine Entscheidung mit der Mutwilligkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung des Klägers. Es wurde festgestellt, dass der Kläger die Möglichkeit gehabt hätte, seine Leistungsanträge im Rahmen einer Klageerweiterung im bereits laufenden Verfahren zu seinem ursprünglichen Feststellungsbegehren einzubringen.

Rechtliche Erwägungen und deren Folgen

Die Gerichte legten dar, dass eine Rechtsverfolgung dann als mutwillig angesehen wird, wenn der Kläger keine nachvollziehbaren Gründe dafür vorbringt, warum er seine Ansprüche nicht in einem bereits anhängigen Verfahren geltend macht, insbesondere, wenn ihm ein kostengünstigerer und erfolgversprechender Weg offensteht. In diesem Kontext wurde betont, dass die Staatskasse nicht für unnötige Kosten aufkommen muss, die durch eine unwirtschaftliche Prozessführung entstehen.

Wirtschaftlichkeit und Effizienz im Justizwesen

Dieser Fall illustriert die Bedeutung einer wirtschaftlichen und effizienten Prozessführung. Durch die Entscheidung des OLG Stuttgart wird deutlich, dass die Gerichte eine unnötige Belastung des Justizsystems und der Staatskasse durch doppelte Rechtsverfolgungen vermeiden möchten. Die Entscheidung stärkt die Rechtsprechung zur Mutwilligkeit und setzt klare Anforderungen an eine sachgerechte Prozessführung.

Juristische Strategien und ihre Grenzen

Die Auseinandersetzung verdeutlicht zudem, dass juristische Strategien, die auf die Eröffnung paralleler Verfahren abzielen, kritisch geprüft und gegebenenfalls als mutwillig eingestuft werden können. Die Entscheidung unterstreicht die Notwendigkeit für Kläger, die Möglichkeiten einer Prozesserweiterung zu prüfen und zu nutzen, um die Effizienz des Rechtssystems nicht zu untergraben und zusätzliche Kosten zu vermeiden.

Schutz der Integrität von Versicherungsverhältnissen

Im weiteren Sinne trägt das Urteil auch zum Schutz der Integrität von Versicherungsverhältnissen bei. Indem es klare Richtlinien für die Geltendmachung von Ansprüchen innerhalb bestehender Verfahren setzt, fördert es eine transparente und gerechte Handhabung von Versicherungsfällen. Diese Rechtsprechung dient somit sowohl dem Interesse der Versicherungsnehmer als auch dem der Versicherungsgesellschaften.

Lehren für die Praxis

Abschließend lehrt dieser Fall, dass Versicherungsnehmer bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche auf eine bedachte und strategische Vorgehensweise achten sollten. Die Entscheidung des OLG Stuttgart erinnert daran, dass die Wahl des prozessualen Weges nicht nur von den Erfolgsaussichten, sondern auch von der Wirtschaftlichkeit und Prozesseffizienz abhängig gemacht werden sollte.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Welche Voraussetzungen müssen für Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung erfüllt sein?

Basierend auf den vorliegenden Informationen müssen folgende wesentliche Voraussetzungen erfüllt sein, damit Leistungen aus einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) in Anspruch genommen werden können:

  1. Vorliegen einer Krankheit, Körperverletzung oder eines mehr als altersentsprechenden Kräfteverfalls. Unter Krankheit versteht man einen vom Normalzustand abweichenden körperlichen oder geistigen Zustand, der die berufliche Leistungsfähigkeit dauerhaft beeinträchtigt.
  2. Einschränkung der Berufsausübung um mindestens 50% im zuletzt ausgeübten Beruf für voraussichtlich mindestens 6 Monate. Der Versicherte muss also seinen Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, zu mindestens 50% nicht mehr ausüben können.
  3. Die Berufsunfähigkeit muss voraussichtlich auf Dauer bestehen, also für einen längeren, nicht absehbaren Zeitraum. In der Regel wird von mindestens 6 Monaten ausgegangen.
  4. Der Versicherte muss die Berufsunfähigkeit durch ärztliche Atteste und Gutachten nachweisen. Der Versicherer prüft dann, ob die Voraussetzungen erfüllt sind.
  5. Die Berufsunfähigkeit bezieht sich auf den zuletzt konkret ausgeübten Beruf und die damit verbundenen Tätigkeiten und Anforderungen. Eine abstrakte Verweisung auf einen anderen Beruf ist in den meisten modernen Verträgen ausgeschlossen.

Wichtig ist, dass diese Voraussetzungen kumulativ vorliegen müssen. Sind alle Bedingungen erfüllt, besteht ein Anspruch auf die vereinbarte monatliche BU-Rente. Die genaue Definition und die Leistungsvoraussetzungen sind aber immer den individuellen Vertragsbedingungen zu entnehmen.

Was bedeutet es, wenn eine Versicherung einen Vertrag wegen Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten anficht?

Wenn eine Versicherung einen Vertrag wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflichten anficht, hat dies für den Versicherungsnehmer schwerwiegende Folgen:

  1. Der Versicherungsvertrag wird rückwirkend von Anfang an nichtig. Es ist dann so, als hätte der Vertrag nie bestanden. Der Versicherungsnehmer verliert damit auch für die Vergangenheit seinen Versicherungsschutz.
  2. Die Versicherung muss keinerlei Leistungen erbringen, auch nicht für bereits eingetretene Versicherungsfälle. Selbst wenn der Versicherungsnehmer jahrelang Beiträge gezahlt hat, bekommt er im Falle der Anfechtung nichts.
  3. Der Versicherer darf sogar die bereits gezahlten Versicherungsbeiträge behalten. Der Versicherungsnehmer hat also über Jahre Beiträge umsonst gezahlt und bekommt diese nicht zurück. Dies ist eine Besonderheit des Versicherungsrechts nach § 37 Abs. 1 VVG.
  4. Eine Anfechtung kommt nur bei arglistiger, also vorsätzlicher Täuschung durch den Versicherungsnehmer in Betracht. Der Versicherer muss beweisen, dass der Versicherungsnehmer bewusst und gewollt falsche Angaben gemacht hat, um den Versicherer zum Vertragsabschluss zu bewegen.
  5. Die Anfechtung muss der Versicherer innerhalb eines Jahres ab Kenntnis von der Täuschung erklären. Die Anfechtung selbst ist aber auch noch bis zu 10 Jahre nach Vertragsschluss möglich.

Für den Versicherungsnehmer bedeutet die Anfechtung also den vollständigen Verlust des Versicherungsschutzes, ohne dass er die gezahlten Beiträge zurückbekommt. Da die Folgen so gravierend sind, sollte man die vorvertraglichen Anzeigepflichten unbedingt korrekt und vollständig erfüllen und sich bei einer Anfechtung anwaltlich beraten lassen.

Wie kann man vorgehen, wenn die Berufsunfähigkeitsversicherung die Leistung verweigert?

Wenn die Berufsunfähigkeitsversicherung die Leistung verweigert, gibt es verschiedene Möglichkeiten für den Versicherten dagegen vorzugehen:

Widerspruch einlegen

Als ersten Schritt sollte man schriftlich Widerspruch gegen die Leistungsablehnung einlegen und die Gründe darlegen, warum man die Entscheidung des Versicherers für falsch hält. Oft beruhen Ablehnungen auf Missverständnissen oder fehlenden Informationen, die so ausgeräumt werden können.

Weitere Unterlagen einreichen

Häufig liegen der Ablehnung unvollständige oder falsch interpretierte Unterlagen zugrunde. Daher sollte man prüfen, ob die eigenen Angaben korrekt erfasst wurden und gegebenenfalls ergänzende Atteste, Befunde oder Gutachten nachreichen, die den Leistungsanspruch untermauern.

Anwaltliche Unterstützung in Anspruch nehmen

Da das Recht der Berufsunfähigkeitsversicherung sehr komplex ist, ist es ratsam sich anwaltlich beraten zu lassen. Ein auf dieses Rechtsgebiet spezialisierter Fachanwalt kann die Erfolgsaussichten einer Klage einschätzen und die Ansprüche außergerichtlich oder vor Gericht durchsetzen.

Ombudsmann oder Schlichtungsstelle einschalten

Als kostengünstige Alternative zu einer Klage kann man sich auch an den Versicherungsombudsmann oder eine Schlichtungsstelle wenden. Diese können eine gütliche Einigung zwischen Versichertem und Versicherer herbeiführen.

Klage einreichen

Bleiben alle außergerichtlichen Bemühungen erfolglos, bleibt nur noch der Weg einer Klage vor dem Zivilgericht. Die Erfolgsquote liegt laut Expertenschätzungen bei 60-80%. Allerdings sollte man die Kosten und die lange Verfahrensdauer nicht unterschätzen.

Neuen Leistungsantrag stellen

Verschlechtert sich der Gesundheitszustand weiter, kann zu einem späteren Zeitpunkt ein neuer Leistungsantrag gestellt werden. Dann muss der Versicherer erneut prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Leistungspflicht vorliegen. Das Vorgehen hängt immer vom Einzelfall ab. In jedem Fall sollten Versicherte eine ungerechtfertigte Leistungsablehnung nicht einfach hinnehmen, sondern ihre Ansprüche mit Beharrlichkeit und fachkundiger Unterstützung durchsetzen. Denn eine Berufsunfähigkeitsversicherung ist oft existenziell wichtig.

Was ist der Unterschied zwischen einer Leistungsklage und einer Feststellungsklage?

Der wesentliche Unterschied zwischen einer Leistungsklage und einer Feststellungsklage liegt in ihrem Ziel und Zweck:

Leistungsklage

Mit einer Leistungsklage begehrt der Kläger die Verurteilung des Beklagten zu einem bestimmten Tun, Dulden oder Unterlassen. Im Verwaltungsrecht dient sie der Geltendmachung von öffentlich-rechtlichen Ansprüchen auf eine konkrete Leistung der Verwaltung, z.B. die Auszahlung von Sozialleistungen oder die Erteilung einer Genehmigung. Die Leistungsklage ist auf die Durchsetzung eines konkreten Anspruchs gerichtet. Bei Erfolg ergeht ein Leistungsurteil, das den Beklagten unmittelbar zu der begehrten Leistung verpflichtet.

Feststellungsklage

Demgegenüber dient die Feststellungsklage der verbindlichen Klärung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts. Sie zielt also nicht auf eine konkrete Leistung ab, sondern auf die gerichtliche Feststellung einer bestimmten Rechtslage. Bei Erfolg ergeht ein Feststellungsurteil, das die strittige Rechtsfrage verbindlich klärt, ohne dem Beklagten unmittelbar eine Leistungspflicht aufzuerlegen. Die Feststellungsklage hat damit eher deklaratorischen Charakter.

Subsidiarität der Feststellungsklage

Wichtig ist, dass die Feststellungsklage nur zulässig ist, wenn der Kläger sein Ziel nicht ebenso gut mit einer Leistungsklage erreichen kann. Sie ist also gegenüber der Leistungsklage subsidiär. Der Kläger muss ein besonderes Feststellungsinteresse darlegen.

Typische Anwendungsfälle

Die Leistungsklage ist die „Standardklage“, wenn der Kläger einen konkreten Anspruch durchsetzen möchte. Die Feststellungsklage kommt hingegen in Betracht, wenn eine verbindliche Klärung einer Rechtsfrage erforderlich ist, ohne dass schon ein konkreter Leistungsanspruch geltend gemacht werden kann oder soll. Zusammengefasst zielt die Leistungsklage auf die Durchsetzung eines konkreten Anspruchs, während die Feststellungsklage der Klärung einer Rechtsfrage dient. Die Feststellungsklage ist gegenüber der Leistungsklage subsidiär.

Warum ist die wirtschaftliche und effiziente Prozessführung im Justizsystem wichtig?

Diese Frage verdeutlicht die Bedeutung einer sinnvollen und kostenbewussten Inanspruchnahme gerichtlicher Verfahren und deren Auswirkungen auf das Rechtssystem und die öffentlichen Mittel.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 114 ZPO (Prozesskostenhilfe und Mutwilligkeit): Erläutert die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe und definiert, unter welchen Umständen eine Rechtsverfolgung als mutwillig angesehen wird. Im Kontext des Falls spielt dies eine Rolle, da das Gericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Kläger aufgrund der Mutwilligkeit seiner Rechtsverfolgung ablehnte.
  • § 127 ZPO (Sofortige Beschwerde): Ermöglicht es Parteien, gegen bestimmte gerichtliche Entscheidungen sofortige Beschwerde einzulegen. Dies ist relevant, da der Kläger von diesem Recht Gebrauch machte, um gegen die Ablehnung der Prozesskostenhilfe durch das Landgericht vorzugehen.
  • § 567 ZPO (Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde): Bestimmt die Fälle, in denen eine sofortige Beschwerde gegen gerichtliche Entscheidungen statthaft ist. Im vorliegenden Fall war die sofortige Beschwerde des Klägers gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe zulässig.
  • § 204 BGB (Hemmung der Verjährung durch Rechtsverfolgung): Erklärt, wie die Verjährung von Ansprüchen durch die Einleitung gerichtlicher Verfahren gehemmt wird. Dies spielt eine Rolle, da der Kläger durch seinen Antrag auf Prozesskostenhilfe und die Einreichung der Klage die Verjährung seiner Ansprüche zu hemmen suchte.
  • § 261 ZPO (Rechtshängigkeit): Definiert, wann eine Angelegenheit als bei Gericht anhängig gilt und welche Auswirkungen dies hat. Für den Fall bedeutend, da die Frage der Rechtshängigkeit und die Möglichkeit einer Klageerweiterung zentrale Punkte der gerichtlichen Entscheidung waren.
  • Versicherungsvertragsgesetz (VVG), insbesondere §§ 19 (Anzeigepflicht), 21 (Rücktritt) und 123 BGB (Anfechtung wegen Täuschung): Diese Vorschriften regeln die vorvertragliche Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers, die Folgen ihrer Verletzung sowie die Möglichkeiten des Versicherers, den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten oder vom Vertrag zurückzutreten. Im vorliegenden Fall argumentierte die Versicherung, den Vertrag aufgrund solcher Verstöße aufgelöst zu haben, was direkt die rechtliche Auseinandersetzung zwischen den Parteien beeinflusste.


Das vorliegende Urteil

OLG Stuttgart – Az.: 8 W 444/24 – Beschluss vom 12.03.2024

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers/Klägers gegen den Beschluss des Landgerichts Ansbach vom 25.01.2024, Az. 3 O 1283/23 Ver, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der Antragsteller/Kläger (künftig: Kläger) führt unter dem Az. 3 O 980/22 vor dem Landgericht Ansbach ein Verfahren, in welchem er festgestellt wissen will, dass sein bei der Antragsgegnerin/Beklagten gehaltener Vertrag über eine Berufsunfähigkeitsversicherung weder durch Rücktritt vom 19.06.2020 noch durch Anfechtung vom 08.07.2020 aufgelöst wurde, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht. Auf seinen verfahrenseinleitenden Antrag vom 17.10.2022 hin wurde dem Kläger für jenes erstinstanzliche Verfahren mit Beschluss vom 29.12.2022 antragsgemäß Prozesskostenhilfe bewilligt. Der exakte Stand jenes Rechtsstreits ist den Akten des vorliegenden Beschwerdeverfahrens nicht zuverlässig zu entnehmen.

Mit Antrag vom 22.12.2023, eingegangen beim Landgericht Ansbach am 27.12.2023, hat der Kläger beantragt (Auszug):

… wird die Gewährung von Prozesskostenhilfe gemäß anliegendem Entwurf einer Klageschrift (Anl. 1) beantragt. Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst diversen Anlagen (Anl. 2) ist beigefügt.

Das Gericht wird auf die drohende Verjährung zum 31.12.2023 ausdrücklich hingewiesen.

Es wird daher beantragt, den Antrag ohne Rücksicht auf die Erfolgsaussichten der Klage an die Beklagtenseite bekannt zu geben und zuzustellen, um eine Hemmung der Verjährung in jedem Fall komplett zu erreichen. Das Gericht hat nach der Rechtsprechung des BGH vom 24.01.2008, IX ZR 195/06 entsprechend zu verfahren. Wir sehen einer Bestätigung des Gerichts entgegen, wonach kurzfristig an die Beklagtenseite komplett zugestellt wurde.

Dem beigefügten Klageentwurf vom 22.12.2023 ist zu entnehmen, dass gegen die Beklagte nunmehr bezifferte Leistungsanträge aus demselben Vertragsverhältnis geltend gemacht werden sollen (rückständige Renten, zukünftige Monatsrenten, Beitragserstattung, künftige Beitragsfreistellung), und zwar mit der Behauptung, es sei seit April 2020 eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit eingetreten, weil der Kläger wegen einer „dissoziativen Störung im Zusammenhang mit multiplen Traumatisierungen“ sowie einer „anhaltenden posttraumatischen Belastungsstörung nach vielfältigen schweren Traumatisierungen“ in keinster Weise mehr in der Lage sei, seinen Beruf oder irgendeinen anderen Beruf auszuüben.

Die Antragsgegnerin/Beklagte hat mit Schriftsatz vom 05.01.2024 die Zurückweisung des Prozesskostenhilfegesuchs beantragt und ausgeführt, es liege doppelte Rechtshängigkeit vor, weil unter Az. 3 O 980/22 das anderweitige Klageverfahren anhängig sei, zudem sei die – beabsichtigte – Leistungsklage unbegründet, weil die Beklagte wirksam den Vertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten und zudem wirksam den Rücktritt erklärt habe.

Mit Beschluss vom 25.01.2024 hat der zuständige Einzelrichter der Zivilkammer den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung mutwillig erscheine: Der Kläger könne vorliegend die Klageanträge aus diesem Verfahren in dem bereits anhängigen Verfahren als Klageerweiterung einbringen; dies zumal, da für die streitgegenständlichen Ansprüche auch die Fragestellungen des Rücktritts und der Anfechtung der Berufsunfähigkeitsversicherung durch die Beklagte wesentlich und essenziell seien; bei der Klageerweiterung würden sich Anwaltsgebühren und Kosten aus dem Gesamtstreitwert errechnen und deutlich niedriger ausfallen als wenn diese in zwei Verfahren jeweils gesondert würden.

Diese Entscheidung wurde den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 29.01.2024 zugestellt.

Dagegen hat der Kläger mit Schriftsatz vom 26.02.2024, eingegangen bei dem Oberlandesgericht Nürnberg am selben Tag, sofortige Beschwerde eingelegt und diese näher begründet.

Nach Zuleitung der Beschwerdeschrift hat das Landgericht mit Beschluss vom 01.03.2024 eine Abhilfe abgelehnt und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde (vgl. § 127 Abs. 2 Satz 2, § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) des Antragstellers/Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat zu Recht die beantragte Gewährung von Prozesskostenhilfe wegen Mutwilligkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung (vgl. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO) abgelehnt.

1.

Maßgeblich sind hierbei die von der Rechtsprechung für den Begriff der Mutwilligkeit aufgestellten – und vom Gesetzgeber mit Wirkung zum 01.01.2014 in die Legaldefinition des § 114 Abs. 2 ZPO übernommenen – Grundsätze. Diese hat das Landgericht hier beachtet und zutreffend auf den Streitfall angewandt.

Während die hinreichende Aussicht auf Erfolg die materielle Begründetheit des Anspruchs betrifft, wird von der Frage der Mutwilligkeit in erster Linie die verfahrensmäßige Geltendmachung des Anspruchs betroffen. Mutwillig ist in der Regel eine Rechtsverfolgung, wenn eine wirtschaftlich leistungsfähige, also nicht bedürftige Partei bei sachgerechter und vernünftiger Einschätzung der Prozesslage von ihr Abstand nehmen oder ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde, weil ihr ein kostengünstigerer Weg offensteht und dieser Weg genauso Erfolg versprechend ist. Mutwilligkeit i.S.v. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO liegt deshalb regelmäßig vor, wenn eine Partei keine nachvollziehbaren Sachgründe dafür vorbringt, aus welchen Gründen sie einen neuen Prozess anstrengt, obwohl sie das gleiche Klageziel kostengünstiger im Wege der Erweiterung einer bereits anhängigen Klage hätte erreichen können (vgl. BAG, Beschluss vom 17.02.2011 – 6 AZB 3/11, BAGE 137, 145-149, juris Rn. 9 m.w.N.; vom erkennenden Senat vorliegend ergänzt um den Zusatz „Abs. 1“ bei § 114 ZPO, wegen nachträglicher Gesetzesänderung).

Weitgehend Einigkeit besteht insoweit, als die Staatskasse nicht verpflichtet ist, Kosten zu tragen, die bei Beachtung der Grundsätze einer wirtschaftlichen Prozessführung nicht entstanden wären, und deshalb Gebühren, die erst dadurch entstehen, dass Streitgegenstände in gesonderten Klagen statt durch Klagehäufung geltend gemacht werden, grundsätzlich nicht zu erstatten sind. Der Wortlaut des § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO bindet die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Rechtsverfolgung mit der Formulierung „wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung … nicht mutwillig erscheint“ daran, dass diese nicht mutwillig ist. Wird mit der ganz überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum angenommen, dass derjenige mutwillig handelt, der von zwei gleichwertigen prozessualen Wegen denjenigen beschreitet, von dem er von vornherein annehmen muss, dass er der kostspieligere ist, darf solch eine unwirtschaftliche Prozessführung nicht erst im Kostenfestsetzungsverfahren berücksichtigt werden. Selbst wenn eine uneingeschränkt in getrennt erhobenen Klagen jeweils erfolgte Bewilligung von Prozesskostenhilfe die Staatskasse nicht hindern würde, im Kostenfestsetzungsverfahren zu prüfen, ob die durch den Rechtsanwalt verursachten Kosten überhaupt notwendig waren, so schließt der Wortlaut des § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO doch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe schon von vornherein aus, wenn die genannten Bewilligungsvoraussetzungen nicht erfüllt sind. Dies ist der Fall, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung mutwillig ist. Die Möglichkeit einer Beschränkung der Mutwilligkeit auf durch eine unwirtschaftliche Prozessführung entstehende Mehrkosten hat im Wortlaut des § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO keinen Niederschlag gefunden. Eine beabsichtigte Rechtsverfolgung ist entweder mutwillig oder sie ist es nicht (vgl. BAG, a.a.O., juris Rn. 12 m.w.N.).

Schließlich ist eine Rechtsverfolgung mehrerer Ansprüche gegen dieselbe Partei in getrennten Prozessen nur dann mutwillig, wenn dies zu höheren Kosten für die Staatskasse führt und keine nachvollziehbaren Sachgründe für diese Prozessführung vorliegen. Legt der Antragsteller plausibel dar, dass ein sachlich begründeter Anlass bestanden hat, trotz der höheren Kosten von der möglichen Klageerweiterung in einem anhängigen Rechtsstreit abzusehen, kann dies die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine neue Klage rechtfertigen. Ob dies der Fall ist, ist aber vom Gericht im Bewilligungsverfahren zu beurteilen und nicht vom Urkundsbeamten im Kostenfestsetzungsverfahren (vgl. BAG, a.a.O., juris Rn. 14).

Können mehrere Ansprüche in einer gemeinsamen Klage oder kann ein Anspruch durch Klageerweiterung in einem bereits anhängigen Rechtsstreit geltend gemacht werden, ist das Betreiben eines weiteren Prozesses mutwillig, es sei denn, es bestehen ernsthafte Gründe für die 2. Klage (vgl. Zöller/Schultzky, ZPO, 35. Aufl., § 114 Rn. 49 mit Verweis auf: BGH, JurBüro 2014, 203; OLG Nürnberg, MDR 2011, 256).

2.

Im vorliegenden Fall einer Streitigkeit mit dem eigenen BU-Versicherer wegen Leistungen aus einem bestehenden Versicherungsvertragsverhältnis gilt es zunächst, nachfolgende Besonderheiten zu bedenken:

a)

Der Kläger/Versicherungsnehmer behauptet, im April 2020 sei der Versicherungsfall bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit eingetreten und deshalb könne er – längstens bis zum Ende der Vertragslaufzeit im Jahre 2060 – die vertraglich ausbedungenen Leistungen (1.030,07 € Monatsrente und Beitragsfreistellung) beanspruchen.

Nachdem die Beklagte (Versicherer) im Rahmen der Leistungsprüfung Erkenntnisse zu Erkrankungen und Behandlungen des Klägers erlangte, hat sie durch Ausübung der Gestaltungsrechte „Rücktritt wegen der Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten“ (Schreiben vom 19.06.2020) sowie „Vertragsanfechtung wegen arglistiger Täuschung“ (Schreiben vom 08.07.2020) den Bestand des streitgegenständlichen Versicherungsvertrages angegriffen.

Dadurch hat sich das Rechtsschutzziel des Versicherten vom ursprünglichen Durchsetzen vertraglicher Leistungsansprüche erweitert um das Interesse, den Fortbestand seines Versicherungsschutzes gerichtlich feststellen zu lassen. Denn selbst wenn der konkret behauptete Versicherungsfall aus April 2020 nicht vorliegen würde und deshalb entsprechende Leistungsansprüche nicht zuerkannt werden könnten, wäre das einredelose Fortbestehen des Vertrages Voraussetzung dafür, dass bei künftigen Versicherungsfällen innerhalb des versicherten Zeitraumes bis Mai 2060 ein Berufsunfähigkeitsschutz dem Grunde nach besteht. Der Kläger als Versicherungsnehmer hat deshalb ein evidentes und rechtlich schützenswertes Interesse daran, nicht noch einmal aus Anlass eines künftigen Leistungsantrages mit dem Einwand der Beklagten konfrontiert zu werden, von Versichererseite sei das nämliche Vertragsverhältnis bereits im Jahre 2020 rechtswirksam beendet worden.

b)

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass seit Erhebung der ersten, nur auf Feststellung des Vertragsbestands gerichteten, Klage (resp. PKH-Antrag für beabsichtigte Klage) im Oktober 2022 (= Gegenstand des Verfahrens LG Ansbach, Az. 3 O 980/22) die äußeren Fallumstände zur Charakterisierung des Rechtsschutzziels des Klägers unverändert sind.

Es ist deshalb geboten, im Rahmen des vorliegenden Beschwerdeverfahrens die beiden vom Kläger eingeschlagenen Stränge der Rechtsverfolgung (isoliertes Feststellungsbegehren einerseits, Leistungsanträge andererseits) einer einheitlichen Gesamtbetrachtung zu unterziehen, um die Frage der Mutwilligkeit abklären zu können.

c)

Im Rahmen dieser Gesamtbetrachtung ist schon im Ausgangspunkt fraglich, ob die gewählte zeitliche und prozessuale Aufspaltung der beiden Rechtsschutzbegehren den Anforderungen an eine konzentrierte sachorientierte Prozessführung auf Kosten der Allgemeinheit (vgl. BGH, Beschluss vom 10.08.2017 – III ZA 42/16, juris Rn. 6) entspricht.

Dies könnte nur dann zu bejahen sein, wenn „ernsthafte Gründe“ (vgl. Zöller/Schultzky, a.a.O., § 114 Rn. 49) dafür gegeben sind, denn „Mutwilligkeit im Sinne von § 114 (ergänzt: Abs. 1) Satz 1 ZPO liegt regelmäßig vor, wenn eine Partei keine nachvollziehbaren Sachgründe dafür vorbringt, warum sie eine Mehrzahl von Ansprüchen nicht in einer Klage geltend macht, oder nicht plausibel erklärt, aus welchen Gründen sie einen neuen Prozess anstrengt, obwohl sie das gleiche Klageziel kostengünstiger im Wege der Erweiterung einer bereits anhängigen Klage hätte erreichen können“ (vgl. BGH, Beschluss vom 21.11.2013 – III ZA 28/13, juris LS 1).

In der maßgeblichen Fachliteratur im Bereich des privaten Berufsunfähigkeitsversicherungsrechts wird die hier von den Prozessbevollmächtigten des Klägers gewählte Aufspaltung als aus anwaltlicher Sicht „fehlerhaft“ eingeordnet, heißt es doch etwa bei Neuhaus (Berufsunfähigkeitsversicherung, 4. Aufl. 2020, Kapitel 18. Besonderheiten des Berufsunfähigkeits-Prozesses von A-Z, VIII. Klageantrag, Rn. 49) dazu:

Weitere vermeidbare Fehler bei der Formulierung der Anträge sind:

– Bei Anfechtung/Rücktritt wird zusätzlich zum Antrag auf BU-Leistungen kein Antrag gestellt, dass die Versicherung unverändert fortbesteht. Incidenter erfolgt natürlich aufgrund des Leistungsantrags eine Prüfung, ob der Vertrag fortbesteht. Aufgrund der Kausalitätsthematik des § 21 Abs. 2 VVG ist es aber beim Rücktritt nach § 19 VVG möglich, dass der Versicherer BU-Leistungen erbringen muss und der Vertrag trotzdem durch den Rücktritt beendet wird. Übt der Versicherer ein Gestaltungsrecht aus, hat der VN ein Feststellungsinteresse, dass auch über den (unveränderten) Fortbestand des Vertrages gerichtlich entschieden wird …

– Trotz Anfechtung/Rücktritt und behauptetem Leistungsanspruch des VN wird nur eine isolierte Feststellungsklage auf Fortbestand der Versicherung erhoben. Dadurch erhält der VN keinen Leistungsanspruch, und es muss ggf. ein weiterer Prozess geführt werden. Ferner besteht eine anwaltliche Haftungsgefahr, denn der Leistungsanspruch kann bei eingetretener Fälligkeit (§ 14 VVG, Leistungsablehnung des Versicherers) selbständig verjähren (Verjährung des sog. Stammrechts, → Kap. 4 Rn. 237 ff.), da in einem solchen Fall keine Hemmung durch die Klage erfolgt. Stattdessen sollte die Leistungsklage mit der Feststellungsklage, dass die Versicherung fortbesteht, kombiniert werden.

d)

Weder der PKH-Antrag des Klägers vom 22.12.2023 noch das nachfolgende Beschwerdevorbringen lässt solche „ernsthaften“ oder „nachvollziehbare Sachgründe (plausibel erklärt)“ erkennen, um die getrennte Rechtsverfolgung in zwei getrennten Prozessen gerechtfertigt erscheinen zu lassen.

Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung vom 25.01.2024 ausgeführt, dass der Kläger seine fraglichen Leistungsansprüche ohne Weiteres in dem – bei derselben Zivilkammer des Prozessgerichts, aber offenbar bei einem anderen Einzelrichter – bereits anhängigen Klageverfahren (Az. 3 O 980/22) zu seinem ursprünglichen Feststellungsbegehren im Wege einer zulässigen Klageerweiterung geltend machen könnte.

Für das Beschwerdegericht sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass dieser Weg einer zulässigen Klageerweiterung aus prozessrechtlichen Gründen verbaut sein könnte.

Auch das Beschwerdevorbringen enthält hierzu nichts Weiterführendes. Die dort vorgebrachten Argumente

– Im Falle einer möglichen Klageerweiterung wird oftmals mit geringeren Kosten aufgrund eines degressiven Anstiegs der Gerichts- und Anwaltsgebühren argumentiert. Dies trifft auf die vorliegende Konstellation jedoch nicht zu (vgl. Beschwerdeschrift, S. 2).

– Daher drohte im hiesigen Verfahren auf Leistung aus Berufsunfähigkeitsversicherung mittlerweile die Verjährung, weshalb ein Antrag auf PKH erforderlich war um anschließend Klage einzureichen (vgl. Beschwerdeschrift, S. 3).

– Hervorzuheben ist, dass die beiden Verfahren unterschiedliche Sachverhalte und Ansprüche betreffen. Einmal auf Feststellung des Vertragsverhältnisses, das andere Mal auf Leistung. Im Verfahren auf Feststellung des Vertragsverhältnisses waren im Rahmen der Beweisaufnahme lediglich der Kläger anzuhören, der Zeuge und Versicherungsvertreter sowie die Mutter des Klägers als Zeugin zu vernehmen. Hier ging es ausschließlich um die Frage, ob der Versicherungsvertreter und damit auch die Beklagte Kenntnis über den Komplex der Gesundheitsfragen hatte bzw. oben beschriebene Zusicherungen gemacht hat. Im hiesigen Verfahren auf Leistung aus der Berufsunfähigkeitsversicherung hingegen hat der Antragsteller seine frühere Tätigkeit und die dementsprechende Berufsunfähigkeit zu beweisen. Hierzu sind voraussichtlich medizinische Gutachten einzuholen. Es findet keine parallele Beweiserhebung statt (vgl. Beschwerdeschrift, S. 3).

– Auch ist das unterschiedliche Verfahrensstadium des bereits anhängigen und des beabsichtigten weiteren Verfahrens zu berücksichtigen. Im Verfahren auf Feststellung hat bereits die mündliche Verhandlung stattgefunden, sodass dieses jedenfalls nahezu entscheidungsreif ist, wenn nicht sogar ein Urteil bereits erlassen wurde (vgl. Beschwerdeschrift, S. 3).

liegen zum Teil neben der Sache und werden ansonsten den vorgenannten Besonderheiten des Berufsunfähigkeits-Prozesses nicht gerecht.

Zunächst ist – wie oben bereits ausgeführt – für das Beschwerdegericht nicht erkennbar, dass jenes Parallelverfahren bereits abgeschlossen (beendet) und deshalb einer Klageerweiterung nicht mehr zugänglich wäre. Das kryptische Vorbringen des Beschwerdeführers, jener Prozess sei „nahezu entscheidungsreif“ wenn „nicht sogar ein Urteil bereits erlassen wurde“ erscheint befremdlich. Der Kläger muss vortragen können, in welcher konkreten Lage sich der anderweitig von ihm geführte Prozess befindet. Seine „Mutmaßungen“ hierzu halten sich im Ungefähren und können keine verlässliche Entscheidungsgrundlage im Beschwerdeverfahren sein. Der Kläger will auf Kosten der Allgemeinheit mittels Prozesskostenhilfe prozessieren, dann muss er auch die entsprechenden Voraussetzungen dafür darlegen und glaubhaft machen (vgl. § 118 Abs. 2 ZPO). Bei dieser Sachlage muss das Beschwerdegericht deshalb – in Übereinstimmung mit der angefochtenen Entscheidung – davon ausgehen, dass eine Klageerweiterung nach wie vor möglich wäre.

Die Frage der Erforderlichkeit einer förmlichen Beweisaufnahme zu verschiedenen Beweisfragen ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Zum einen würde gerade ein Zusammenführen der beiden Streitgegenstände in einem einheitlichen Verfahren gewährleisten, dass jegliches Beweisergebnis ohne Einschränkungen verwertet werden kann und eine wiederholte/doppelte Beweiserhebung ausgeschlossen wäre. Zum anderen ist aber – wie oben bereits dargestellt – die Verschiedenheit der Beweisfragen (wirksame Ausübung der Gestaltungsrechte durch den Versicherer einerseits, Vorliegen der bedingungsgemäßen Leistungsvoraussetzungen andererseits) gerade kein sachlicher Grund für das getrennte Führen zweier Prozesse.

Die angeführte drohende Verjährung seiner Leistungsansprüche hätte der Beschwerdeführer deshalb ebenso wirksam hemmen können, wenn er einen Klageerweiterungsantrag in Verbindung mit einem Prozesskostenhilfeerweiterungsantrag im laufenden Verfahren eingereicht hätte (vgl. § 204 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 14 BGB, § 261 Abs. 2 ZPO).

In diesem Zusammenhang braucht deshalb nicht abschließend geklärt zu werden, ob der hier zu beurteilende separate zweite Prozesskostenhilfeantrag auch dann mutwillig wäre, wenn zwar eine Klageerweiterung im Ursprungsprozess aus prozessrechtlichen Gründen nicht mehr möglich wäre, diese Vereitelung einer Klageerweiterung indes aber ihrerseits auf mutwilligem Zuwarten des Antragstellers/Klägers beruhen würde.

Schließlich überzeugt auch die kostenrechtliche Beurteilung des Beschwerdeführers nicht.

Das isolierte Geltendmachen des Feststellungsbegehrens zum Fortbestand des BU-Versicherungsvertrages löst Gerichts- und Anwaltsgebühren unter Zugrundelegung eines Streitwertes aus, der – nach Abzug eines Abschlags von 50 % für die behauptete, aber noch ungeklärte Berufsunfähigkeit (vgl. BGH, Beschluss vom 06.10.2011 – IV ZR 183/10, juris Rn. 1) – in Höhe von 50 % des unter Anwendung von § 9 ZPO ermittelten Vertragswertes (Rente zzgl. Beitragsbefreiung) zu bestimmen ist (vgl. Neuhaus Berufsunfähigkeitsversicherung, Kapitel 19. Streitwert, Gebührenstreitwert, Rn. 9; Zöller/Herget, ZPO, 35. Auflage, § 3 ZPO Rn. 16.184 „Berufsunfähigkeits-(Zusatz-)Versicherung“ m.w.N.).

Das isolierte Geltendmachen der – zukünftigen, vom Zeitpunkt der Rechtshängigkeit aus betrachtet (vgl. nachfolgend) – vertraglichen Leistungsansprüche aus einem BU-Versicherungsvertrag löst Gerichts- und Anwaltsgebühren unter Zugrundelegung eines Streitwertes aus, der in Höhe von 100 % des unter Anwendung von § 9 ZPO ermittelten Vertragswertes (Rente zzgl. Beitragsbefreiung) zu bestimmen ist.

Die Kombination der beiden Rechtsschutzbegehren in einer Klage hingegen löst Gerichts- und Anwaltsgebühren unter Zugrundelegung eines Streitwertes aus, der unter Beachtung der gegebenen „wirtschaftlichen Teil-Identität“ in Höhe von insgesamt 120 % des unter Anwendung von § 9 ZPO ermittelten Vertragswertes (Rente zzgl. Beitragsbefreiung) zu bestimmen ist (vgl. BGH, a.a.O., juris Rn. 2; Neuhaus, a.a.O., Kap. 19. Rn. 11).

Hinzu kommt dann noch der Aspekt, dass der Streitwert des bezifferten/bezifferbaren Leistungsbegehrens des BU-Versicherten aus zwei Teilen besteht. Der oben skizzierte „Vertragswert“ (begrenzt durch § 9 ZPO) ist maßgeblich für die zukünftigen, nach Rechtshängigkeit fällig werdenden Leistungen; jene Vertragsleistungen, die im Zeitraum von behauptetem Eintritt des Versicherungsfalls bis zur Rechtshängigkeit angefallen sind, müssen – werterhöhend – gesondert addiert werden (vgl. Neuhaus, a.a.O., Kap. 19. Streitwert, Gebührenstreitwert Rn. 3 m.w.N.; BGH, Beschluss vom 13.08.2015 – III ZR 142/14, BeckRS 2015, 14969 Rn. 5; BGH, Beschluss vom 06.10.2011 – IV ZR 183/10, juris Rn. 3). Dies bedeutet für den Streitfall, dass die um mehr als ein Jahr später erfolgte Anhängigmachung des Leistungsbegehrens zu deutlich höheren Rückstandsbeträgen führt, die wiederum den Streitwert und damit die Gebühren signifikant erhöhen.

Die Kostenersparnis einer verbundenen Rechtsverfolgung in derartigen BU-Fällen liegt deshalb – schon im isolierten Betrachten der maßgeblichen Streitwerthöhe (120 % Vertragswert zuzüglich Rückstände bis Rechtshängigkeit im Vergleich zu 150 % Vertragswert zuzüglich deutlich erhöhter Rückstände bis zum späteren Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Leistungsantrags) – auf der Hand.

Schließlich kommt dann noch der – im Rahmen der Mutwilligkeitsprüfung vernachlässigbare – Gesichtspunkt der degressiven Gebührenstaffelung hinzu, der den Ersparniseffekt einer frühzeitig verbundenen einheitlichen Geltendmachung der Vertragsansprüche des Klägers im Streitfall noch verstärkt.

3.

Eine vernünftig und wirtschaftlich denkende Partei, die die Kosten selbst bezahlen müsste, würde bei dieser Sachlage von einer getrennten/doppelten Prozessführung absehen. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den separaten Klageentwurf vom 22.12.2023 kommt deshalb nicht in Betracht.

Die gegen den Versagungsbeschluss gerichtete Beschwerde ist folglich als unbegründet zurückzuweisen.

4.

Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf § 127 Abs. 4 ZPO und GKG-KV Nr. 1812 nicht veranlasst (vgl. Zöller/Schultzky, a.a.O., § 127 Rn. 42).

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 ZPO) sind nicht gegeben (andernfalls hätte nicht der Einzelrichter des Senats entscheiden dürfen, vgl. Zöller/Feskorn, a.a.O., § 568 Rn. 6 a.E.).

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