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D & O-Versicherung – Wirksamkeitskontrolle – claims-made-Prinzip

LG Wiesbaden – Az.: 7 O 120/10 – Urteil vom 23.02.2011

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Kläger begehren Feststellung des Bestehens des Versicherungsschutzes aus einer Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung.

Der Kläger zu 2) ist amtierender Vorstand bei der Klägerin zu 1), einem Dienstleistungs- und Handelsverbund.

Die Klägerin zu 1) schloss am 19.12.2002 bei der Beklagten eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Unternehmensleiter mit der Nr. … mit dem Vertragsbeginn zum 01.01.2003 und einer Deckungssumme von 5 Millionen Euro ab (vgl. Bl. 16 ff d.A., Anlage K 1). In die Versicherung wurden die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Vermögensschaden- Haftpflichtversicherung von Unternehmensleitern und leitenden Angestellten (ULLA) (Stand Juli 2001) einbezogen (Bl. 19 ff d.A.).

In Ziffer 1 der ULLA ist vorgesehen, dass Versicherungsschutz für den Fall gewährt wird, dass eine versicherte Person wegen einer bei Ausübung der organschaftlichen Tätigkeit bei der Versicherungsnehmerin oder einem Tochterunternehmen begangenen Pflichtverletzung aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen für einen Vermögensschaden von Dritten oder von der Versicherungsnehmerin auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird. Versicherte Personen sind sämtliche gegenwärtigen oder ehemaligen Mitglieder des Aufsichtsrates, des Vorstandes oder der Geschäftsführung sowie die Leitenden Angestellten.

In Ziffer 2 der ULLA heißt es:

„Versicherungsfall ist die erstmalige Geltendmachung eines Haftpflichtanspruches gegen eine versicherte Person durch Dritte oder durch die Versicherungsnehmerin aufgrund einer tatsächlichen oder behaupteten Pflichtverletzung einer versicherten Person. Im Sinne dieses Vertrages ist ein Haftpflichtanspruch geltend gemacht, wenn gegen eine versicherte Person ein Anspruch schriftlich erhoben wird oder ein Dritter der Versicherungsnehmerin oder der versicherten Person schriftlich mitteilt, einen Anspruch gegen eine versicherte Person zu haben.“

Den zeitlichen Umfang des Versicherungsschutzes regelt Ziffer 3 der ULLA wie folgt:

„3.1 Anspruchserhebung (claims made): Versicherungsschutz besteht für während der Dauer des Versicherungsvertrages eingetretene Versicherungsfälle. Für vor Vertragsbeginn begangene Pflichtverletzungen gilt dies jedoch nur, wenn den versicherten Personen bis zum Abschluss der Versicherung die Pflichtverletzungen nicht bekannt waren. Als bekannt gilt eine Pflichtverletzung, wenn sie von der Versicherungsnehmerin oder versicherten Person als – wenn auch nur möglicherweise – objektiv fehlsam erkannt oder ihnen, wenn auch nur bedingt, als fehlsam bezeichnet worden ist, auch wenn Schadensersatzansprüche weder erhoben noch angedroht noch befürchtet worden sind.

3. 2 Nachhaftung für Anspruchserhebungen nach Vertragsbeendigung: Soweit keine anderweitige Vereinbarung getroffen wird, sind Schadensersatzansprüche versichert, die nicht später als in dem im Versicherungsschein benannten Zeitraum nach Vertragsende geltend gemacht werden für Pflichtverletzungen, die vor Vertragsende begangen wurden.“

Zudem vereinbarten die Parteien einen Zusatz zu den ULLA 2001 in Ergänzung zu Ziffer 3.2.1 der Versicherungsbedingungen, wonach die Nachmeldefrist zwei Jahre beträgt und sich mit jeder Verlängerung des Versicherungsschutzes um drei Monate, jedoch insgesamt maximal 36 Monate verlängert (vgl. Zusatzvereinbarung Bl. 28, Anlage K 2).

In Ziffer 12.1 der ULLA ist geregelt, dass den Anspruch auf Versicherungsschutz nur die versicherten Personen, im Falle einer Haftungsfreistellung gemäß Ziffer 8.4 die Versicherungsnehmerin, geltend machen können.

Die Klägerin zu 1) stellte am 07.09.2004 vor dem Amtsgericht – Insolvenzgericht – Düsseldorf einen Insolvenzantrag (Bl. 31 ff d.A., Anlage K 3). Mit Beschluss vom 07.09.2004 bestellte das Amtsgericht Düsseldorf Herrn Rechtsanwalt A zum vorläufigen Insolvenzverwalter der Klägerin zu 1) und ordnete einen Zustimmungsvorbehalt an (vgl. Bl. 41 f d.A., Anlage K 4). In einem weiteren Beschluss vom 17.09.2004 sprach das Amtsgericht Düsseldorf ein allgemeines Verfügungsverbot aus (Bl. 43 d.A.).

Mit Schreiben vom 29.09.2004 erklärte die Beklagte im Einvernehmen und nach Absprache mit dem Insolvenzverwalter der Klägerin zu 1) die Kündigung des Versicherungsvertrages gemäß Ziffer 3.3 in Verbindung mit Ziffer 11.2 zum 17.09.2004 wegen der Auferlegung des allgemeinen Verfügungsverbotes durch Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf (Bl. 47 d.A., Anlage K 5).

Mit Beschluss vom 01.12.2004 eröffnete das Amtsgericht Düsseldorf das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin zu 1) und ernannte Herrn Rechtsanwalt A zum Insolvenzverwalter (vgl. Bl. 45 f d.A.).

Mit Schreiben vom 17.01.2005 zeigten der Kläger zu 2) und die Vorstände B und C der Beklagten an, dass anlässlich des Insolvenzverfahrens der Klägerin zu 1) Haftpflichtansprüche entstehen könnten. Wegen des genauen Inhalts des Schreibens wird auf Bl. 77 d.A. (Anlage K 7) Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 25.01.2005 teilte die Beklagte dem Kläger zu 2) die Schadennummer für den Vorgang mit und erklärte unter anderem Folgendes:

„Da zum jetzigen Zeitpunkt konkrete Schadensersatzvorwürfe Ihnen gegenüber noch nicht erhoben worden sind, werden wir von hier aus einstweilen keine weiteren Aktivitäten entfalten, sondern auf eine weitere Nachricht Ihrerseits warten.“

Wegen des weiteren Inhalts des Schreibens wird auf Bl. 79 d. A. (Anlage K 8) Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 21.04.2006 wandte sich der Kläger zu 2) unter Bezugnahme auf die Schadensmeldung vom 17.01.2005 erneut an die Beklagte. Wegen des Inhalts des Schreibens wird auf Bl. 80 d.A. (Anlage K 9) verwiesen.

Der Insolvenzverwalter gründete am 11.12.2006 die D GmbH und beauftragte diese damit, Schadensersatzansprüche gegenüber dem Kläger zu 2) und weiteren Organmitgliedern der Klägerin zu 1) geltend zu machen.

Mit Bestätigung des Insolvenzplanes wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin zu 1) am 14.11.2007 wieder aufgehoben.

Die D GmbH erhob gegen den Kläger zu 2) sowie weitere Vorstände und Aufsichtsratsmitglieder der Klägerin zu 1) am 18.02.2009 vor dem Landgericht Düsseldorf Klage (vgl. Klageschrift Bl. 48 ff. d.A., Anlage K 6). Die Klage wurde dem Kläger zu 2) am 06.04.2009 zugestellt. Mit anwaltlichem Schreiben vom 17.04.2009 zeigte der Kläger zu 2) die Klageerhebung der Beklagten an (Bl. 81 ff. d.A., Anlage K 10). Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 19.06.2009, dass der Vorgang unter einer anderen Schadennummer geführt werde und Versicherungsschutz nicht bestehe, da die Nachhaftungsfrist zum 17.12.2006 abgelaufen und die Klageerhebung am 18.02.2009 daher nach Ablauf der vertraglich vereinbarten Nachmeldefrist erfolgt sei (vgl. Bl. 83 f d.A., Anlage K 11). Der Kläger zu 2) wandte sich mit Schreiben vom 18.09.2009 erneut an die Beklagte (Bl. 85 ff d.A., Anlage K 12). Mit Schreiben vom 07.10.2009 lehnte die Beklagte ihre Einstandspflicht ab (Bl. 88 d.A., Anlage K 13).

Mit Urteil vom 24.09.2010 wies das Landgericht Düsseldorf die Klage gegen den Kläger zu 2) und weitere Organmitglieder der Klägerin zu 1) ab (vgl. Urteil vom 24.09.2010, Aktenzeichen: 40 O 17/10 des Landgerichts Düsseldorf, Bl. 198 ff. d. A., Anlage K 16).

Die Kläger vertreten die Auffassung, die Klägerin zu 1) sei trotz der Regelung in Ziffer 12.1 der ULLA für die Feststellungsklage aktivlegitimiert, da sie wegen ihrer Fürsorgepflichten gegenüber ihren Organmitgliedern ein Feststellungsinteresse gemäß § 256 ZPO daran habe, ob der von ihr besorgte und zugesagte Versicherungsschutz greife.

Die Kläger vertreten die Auffassung, sie hätten berechtigterweise davon ausgehen können, mit dem Schreiben vom 17.01.2005 alles Erforderliche getan zu haben, um die Ansprüche aus der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung zu wahren, da ihnen bereits die Schadennummer mitgeteilt worden sei. Die Beklagte habe es pflichtwidrig unterlassen, den Kläger zu 2) auf die vertraglichen Anspruchs- und Fälligkeitsvoraussetzungen hinzuweisen. So sei insbesondere ein Hinweis erforderlich gewesen, dass noch kein Schadenfall eingetreten und dass eine Umstandsanzeige in dem Versicherungsvertrag nicht vorgesehen ist. Spätestens zum Ablauf der Nachhaftungsfrist sei ein Hinweis auf den möglichen Verlust des Deckungsschutzes erforderlich gewesen. Durch ihr Verhalten habe die Beklagte den Kläger zu 2) „sehenden Auges in den Ablauf der Nachhaftungsfrist getrieben“.

Die Kläger vertreten darüber hinaus die Auffassung, dass die Einbeziehung der Klausel in Ziffer 2 und 3 der ULLA (Claims Made-Prinzip) in den Versicherungsvertrag gemäß § 305 c Abs. 1 BGB als überraschende Klausel unwirksam sei. Die Klausel sei gemäß § 307 BGB unwirksam, weil das in den Versicherungsbedingungen geregelte Anspruchserhebungsprinzip die Kläger unangemessen benachteilige. Die damit verbundenen Nachteile werden nicht ausreichend durch Vorteile ausgeglichen, da in den Versicherungsbedingungen nicht die Möglichkeit vorgesehen sei, eine Umstandsmeldung vor Ablauf der Nachmeldefrist zu tätigen und die Rückwärtsversicherung derart eingeschränkt und unklar formuliert sei, dass sie im Ergebnis leerlaufe.

Die Kläger beantragen, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern aus der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung mit der Klägerin zu 1) mit der Police Nr. … vom 19. Dezember 2002 Versicherungsschutz zu gewähren, im Hinblick auf Schadensersatzansprüche, die gegen den Kläger zu 2) und weitere ehemalige Organmitglieder der Klägerin zu 1) von der D GmbH mit der Klage vom 18. Februar 2009 vor dem Landgericht Düsseldorf (Aktenzeichen: 40 O 17/09) wegen angeblicher Pflichtverletzungen gemäß § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG geltend gemacht werden.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung. Sie vertritt hierzu die Meinung, dass Ansprüche der Kläger mit Ablauf des 31.12.2006 nach § 12 Abs. 1 S. 1 VVG a.F. verjährt seien, da das Vertragsverhältnis mit Wirkung zum 17.09.2004 beendet worden sei.

Die Beklagte rügt die fehlende Aktivlegitimation der Klägerin zu 1) unter Hinweis auf die Regelung in Ziffer 12.1 der ULLA.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, sie könne sich auf den Ablauf der Nachhaftungsfrist berufen, da die Einbeziehung des „Claims-made Prinzips“ in den Vertrag wirksam sei und die Kläger nicht unverschuldet an der Einhaltung der Nachhaftungsfrist gehindert worden seien. Zudem sei ein Versicherungsnehmer verpflichtet, die Fortsetzung des Versicherungsvertrages mit dem Versicherer zu vereinbaren, wenn ihm dies wirtschaftlich zumutbar und mit einer Inanspruchnahme zu rechnen sei. Die Beklagte sei zur Fortsetzung des Vertrages zu den vereinbarten Konditionen bereit gewesen. Der Versicherungsvertrag sei auf Wunsch des Insolvenzverwalters beendet worden, obwohl der Insolvenzverwalter schon vor Ablauf der Nachhaftungsfrist wiederholt erklärt habe, dass er die Organe der Klägerin zu 1) wegen angeblicher Verfehlungen auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch nehmen werde und für diesen Zweck noch vor Ablauf der Nachhaftungsfrist am 11.12.2006 die D GmbH gegründet habe. Den Klägern sei daher vorwerfbar, vor Ablauf der Nachhaftungsfrist nicht alles in ihrer Macht Stehende unternommen zu haben, um in den Genuss der Gewährung von Versicherungsschutz zu gelangen. Bei Innenregressansprüchen sei von dem Versicherungsnehmer zu verlangen, dass er in Kenntnis der die Nachmeldefristen betreffenden Regelungen die seinen Organen gegenüber bestehenden Ansprüche rechtzeitig vor Ablauf der Nachmeldefrist ordnungsgemäß geltend macht, damit die versicherten Personen dem Versicherer gegenüber dies noch innerhalb des Laufs der Nachmeldefrist anzeigen können. Das insoweit nachlässige Verhalten des Insolvenzverwalters sei den Klägern zuzurechnen.

Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig. Es besteht ein Feststellungsinteresse im Sinne von § 256 ZPO daran, ob hinsichtlich des Rechtsstreits vor dem Landgericht Düsseldorf zum Aktenzeichen 40 O 17/10 Versicherungsschutz besteht, da die Beklagte mit Schreiben vom 07.10.2009 ihre Einstandspflicht abgelehnt hat.

Die Klage ist unbegründet.

Der Klägerin zu 1) fehlt bereits die Aktivlegitimation, da in Ziffer 12.1 der ULLA geregelt ist, dass Anspruch auf Versicherungsschutz nur die versicherten Personen geltend machen können. Lediglich im Falle einer Haftungsfreistellung gemäß Ziffer 8.4 – welche hier nicht vorliegt – kann auch die Versicherungsnehmerin Versicherungsschutz geltend machen. Versicherte Personen sind gemäß Ziffer 1.2 der ULLA sämtliche gegenwärtigen oder ehemaligen Mitglieder des Aufsichtsrates, des Vorstands oder der Geschäftsführung sowie Leitende Angestellte. Der Kläger zu 2) ist als Vorstand der Klägerin zu 1) eine versicherte Person in diesem Sinne. Die Klägerin zu 1) ist jedoch als Versicherungsnehmerin angesichts der Regelung in Ziffer 1.2 der ULLA nicht befugt, Ansprüche auf Versicherungsschutz geltend zu machen.

Der Kläger zu 2) hat keinen Versicherungsschutz aus der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung bei der Beklagten mit der Nr.: … hinsichtlich der Schadensersatzansprüche, die gegen ihn von der D GmbH mit der Klage vom 18.02.2009 vor dem Landgericht Düsseldorf wegen angeblicher Pflichtverletzungen gemäß § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG geltend gemacht werden.

Der Versicherungsfall ist weder während des Bestehens des Versicherungsverhältnisses noch während der Nachhaftungsfrist eingetreten.

Die Versicherungsbedingungen sind gemäß § 5 a VVG a.F. in den Vertrag einbezogen worden.

Gemäß Ziffer 2. 1 der ULLA ist ein Versicherungsfall die erstmalige Geltendmachung eines Haftpflichtanspruches gegen eine versicherte Person durch Dritte oder durch die Versicherungsnehmerin aufgrund einer tatsächlichen oder behaupteten Pflichtverletzung einer versicherten Person. Im Sinne dieses Vertrages ist ein Haftpflichtanspruch geltend gemacht, wenn gegen eine versicherte Person ein Anspruch schriftlich erhoben wird oder ein Dritter der Versicherungsnehmerin oder der versicherten Person schriftlich mitteilt, einen Anspruch gegen eine versicherte Person zu haben.

Schriftlich wurde der Haftpflichtanspruch gegenüber dem Kläger zu 2) erstmals mit der Klageerhebung am 18.02.2009 erhoben. Das Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin zu 1) und der Beklagten wurde jedoch durch Schreiben vom 29.09.2004 mit Wirkung zum 17.09.2004 beendet. Die schriftliche Geltendmachung des Anspruchs erfolgte nicht innerhalb der Nachhaftungsfrist, die in Ziffer 3.2 in Verbindung mit der Zusatzvereinbarung zwei Jahre beträgt und sich mit jeder Verlängerung des Versicherungsschutzes um drei Monate verlängert, jedoch maximal 36 Monate beträgt. Da der Versicherungsvertrag zunächst für ein Jahr abgeschlossen wurde und sich nach den Versicherungsbedingungen jeweils um ein Jahr verlängerte, ist angesichts des Versicherungsbeginns zum 01.01.2003 der Vertrag einmal verlängert worden, so dass die Nachhaftungsfrist 27 Monate betrug. Die Nachhaftungsfrist endete zum 17.12.2006 und somit mehr als zwei Jahre vor der erstmaligen schriftlichen Geltendmachung der Haftpflichtansprüche gegenüber dem Kläger zu 2).

Die Beklagte ist nicht gehindert, sich auf den Ablauf der Nachhaftungsfrist zum 17.12.2006 – wie mit Schreiben vom 07.10.2009 geschehen – zu berufen. Sie handelte insbesondere nicht treuwidrig. Entgegen der Auffassung der Kläger hat die Beklagte den Kläger zu 2) nicht „sehenden Auges in den Ablauf der Nachhaftungsfrist getrieben“. Eine Aufklärungs- oder Hinweispflichtverletzung der Beklagten lässt sich aus dem Schreiben vom 25.01.2005 nicht entnehmen. Die Kläger durften anlässlich dieses Schreibens nicht darauf vertrauen, dass sie alles getan haben, um den Versicherungsfall zu melden. Im Jahre 2005 gab es noch keinen Versicherungsfall im Sinne der Ziffer 2 der ULLA und dies hat die Beklagte auch deutlich gemacht, in dem sie mitteilte, dass erst einmal von Seiten der Versicherung nichts unternommen werde, da zum damaligen Zeitpunkt konkrete Schadensersatzvorwürfe noch nicht erhoben worden sind. Es wurde in diesem Zusammenhang außerdem mitgeteilt, dass man auf eine weitere Nachricht der Kläger warte. Angesichts dieser Formulierung konnten die Kläger nicht berechtigterweise davon ausgehen, es sei alles Erforderliche unternommen worden. Eines Hinweises auf das Fehlen einer Umstandsmeldung in den Versicherungsbedingungen bedurfte es nicht. Es musste sich der Beklagten nicht aufdrängen, dass die Kläger die vertraglichen Vereinbarungen scheinbar nicht richtig verstanden haben. Es lag vielmehr nahe, dass der Kläger zu 2) vorsorglich bereits mitteilte, dass mit der Inanspruchnahme von Versicherungsschutz zu rechnen ist und sicherlich ging der Kläger zu 2) zum damaligen Zeitpunkt auch davon aus, dass mit einer zeitnahen schriftlichen Geltendmachung durch den Insolvenzverwalter zu rechnen ist. Das sich die schriftliche Geltendmachung von Haftpflichtansprüchen derart verzögerte, liegt nicht im Verantwortungsbereich der Beklagten und sie hatte hierauf auch keinen Einfluss, so dass bereits aus diesem Grund nicht erkennbar ist, warum sie den Kläger zu 2) sehenden Auges in den Ablauf der Nachhaftungsfrist getrieben haben sollte. Die Nachhaftungsfrist lief erst am 17.12.2006 und damit fast zwei Jahre nach Verfassung des Schreibens vom 25.01.2005 ab. Auch das Schreiben des Klägers zu 2) vorm 21.04.2006 musste die Beklagte nicht zu einem Hinweis auf den Inhalt des Versicherungsvertrages veranlassen, da sie im Schreiben vom 25.01.2005 bereits deutlich gemacht hatte, dass konkrete Schadensersatzvorwürfe noch nicht geltend gemacht wurden und hieran hat sich durch die Übersendung von Anerkenntnisurteilen hinsichtlich der Nichtigkeit der Jahresabschlüsse für die Jahre 2002 und 2003 nichts geändert.

Die Regelungen in Ziffer 2 und 3 der ULLA sind nicht überraschend im Sinne von § 305 c BGB. Nach § 305 c BGB werden Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht Vertragsbestandteil. Bei der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Unternehmensleiter handelt es sich um einen eigenständigen Versicherungstypus, der spezielle Regelungen für das Bestehen von Versicherungsschutz bereit hält. Das Anspruchserhebungsprinzip ist bei sogenannten D & O-Versicherungen keineswegs ungewöhnlich, sondern regelmäßiger Vertragsinhalt. Bei der D & O-Versicherung handelt es sich um ein besonderes Produkt aus dem Bereich der Haftpflichtversicherungen, das für ganz besondere Risiken entwickelt und auf dem deutschen Markt angeboten wird. Insofern kann zur Beurteilung der Frage, ob die claims made-Klausel ungewöhnlich ist, nicht auf alle Haftpflichtversicherungen abgestellt werden, sondern es muss auf den Markt für das spezielle Produkt der D & O-Versicherung abgestellt werden. In diesem Marktsegment ist das claims made-Prinzip so verbreitet, dass die Bestimmungen nicht als ungewöhnlich angesehen werden können (vgl. Landgericht München, Urteil vom 25.09.2008, Az: 12 O 20461/07; OLG München, Urteil vom 08.05.2009, Az: 25 U 5136/08).

Die Versicherungsnehmerin musste mit einer derartigen Klausel rechnen, da es sich bei der D & O-Versicherung um eine Spezialbranche für bestimmte Kunden handelt, und zwar Unternehmen, die ihre Organe absichern wollen. In diesem Umfeld muss der potentielle Versicherungsnehmer erwarten und damit rechnen, dass die Versicherungsbedingungen und insbesondere die konkrete Ausgestaltung des Versicherungsschutzes und die Definition des Versicherungsfalles auf die Besonderheiten des abgesicherten besonderen Risikos angepasst sind. Gerade auch weil es sich in diesem Bereich der Spezialversicherung um Kunden handelt, die geschäftlich erfahren sind und sich mit den jeweiligen Gegebenheiten am Markt auseinandersetzen, kann das claims made-Prinzip für den Bereich der D & O-Versicherung in Anbetracht der beteiligten Verkehrskreise nicht als überraschend gewertet werden (vgl. Landgericht München a.a.O.).

Die Regelungen in Ziffer 2 und 3 der ULLA sind nicht gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam, da sie klar und verständlich sind.

Die Kläger konnten sich durch Lektüre der Regelungen in Ziffer 2 und 3 der ULLA ohne weiteres ein Bild davon machen, unter welchen Voraussetzungen Versicherungsschutz besteht. Die Formulierungen sind klar und deutlich und lassen erkennen, dass in Abweichung von anderen Versicherungsarten ein Versicherungsfall erst vorliegt, wenn ein Haftpflichtanspruch schriftlich geltend gemacht wird. In Ziffer 3 wird deutlich gemacht, dass Versicherungsschutz auch für den Fall besteht, dass sich eine Pflichtverletzung bereits vor Vertragsbeginn ereignet hat, der Anspruch jedoch während der Versicherungsdauer im Sinne von Ziffer 2. 2 der ULLA schriftlich geltend gemacht wird und die Pflichtverletzung der Versicherungsnehmerin nicht bereits bei Vertragsschluss bekannt war. Zudem wird in Ziffer 3.2 der ULLA das Prinzip der Nachhaftung erläutert und in Verbindung mit der Zusatzvereinbarung zu Ziffer 3.2.1. war für die Versicherungsnehmerin klar erkennbar, dass für einen begrenzten Zeitraum nach Vertragsende Versicherungsschutz besteht, wenn eine Pflichtverletzung vor Vertragsende begangen wurde, aber erst während der Nachhaftungszeit schriftlich geltend gemacht wird. Jedes andere Verständnis dieser aufeinander bezogenen Regelungsinhalte liegt gänzlich fern und ist mit dem Wortlaut der Regelungen ebenso wie mit ihrem ohne weiteres erkennbaren Sinn nicht zu vereinbaren (vgl. OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 13.03.2008, Az: 16 U 134/07).

Zudem scheidet eine Unwirksamkeit der Klauseln gemäß § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB aus, da die Regelungen zum Anspruchserhebungsprinzip die Versicherungsnehmerin nicht unangemessen benachteiligen. Beim Anspruchserhebungsprinzip liegt gegenüber dem Verstoßprinzip der Nachteil für den Versicherungsnehmer darin, dass nur solche Schadensersatzansprüche erfasst sind, die während der Versicherungszeit geltend gemacht werden und somit alle Ansprüche ausgeschlossen sind, die erst nach der Versicherungszeit geltend gemacht werden. Es kann sich dabei nachteilig auswirken, dass während der Vertragslaufzeit begangene, zu einem Schadensersatzanspruch führende Pflichtverletzungen nur dann gedeckt sind, wenn die hierauf beruhenden Ansprüche noch während der Vertragslaufzeit geltend gemacht werden (vgl. Landgericht München a.a.O.; OLG München a.a.O.). Allerdings wird dieser Nachteil dadurch ausreichend abgemildert, dass die Versicherungsbedingungen in Ziffer 3.2 in Verbindung mit der Zusatzvereinbarung eine Nachmeldefrist von zwei bis zu drei Jahren vorsehen und somit den Versicherungsschutz auf die Zeit nach Vertragsbeendigung erstrecken, wenn hinsichtlich Pflichtverletzungen, die vor Vertragsbeendigung begangen wurden, eine schriftliche Geltendmachung erst nach Vertragsende erfolgt. Zusätzlich ist in Ziffer 3.1 der ULLA vorgesehen, dass auch hinsichtlich von Pflichtverletzungen, die vor Vertragsbeginn begangen wurden, aber erst während der Vertragsdauer erstmals geltend gemacht werden, Versicherungsschutz besteht, wenn diese Pflichtverletzung dem Versicherungsnehmer nicht vor Vertragsschluss bekannt war. Die Einschränkung hinsichtlich der Kenntnis einer begangenen Pflichtverletzung schränkt diese Rückwirkung des Versicherungsschutzes zwar ein, ist aber zum Schutze des Versicherers erforderlich. Es ist ein dem Versicherungsrecht immanentes Prinzip, dass Risiken, die sich bereits verwirklicht haben, nicht mehr nachträglich versicherbar sind (vgl. Landgericht München a.a.O.). Nach Auffassung des Gerichts werden die Kläger durch das Anspruchserhebungsprinzip im konkreten Fall nicht unangemessen benachteiligt, da sie bei einer Vertragsdauer von lediglich 21 Monaten in den Genuss einer Nachmeldefrist von 27 Monaten kamen und damit für eine vergleichsweise geringe Versicherungsprämie auf den Zeitraum von 21 Monaten bezogen, für vier Jahre Versicherungsschutz hatten. Vor diesem Hintergrund stehen die Kläger nicht schlechter als bei einer Versicherung mit einer Versicherungsdauer von 21 Monaten, der das Verstoßprinzip zu Grunde liegt und bei der keine Nachmeldefrist vorgesehen ist. Bei dieser Betrachtung fällt es nicht entscheidend ins Gewicht, dass die Versicherungsbedingungen keine Umstandsmeldung vorsehen.

Das OLG München hatte zwar in seiner Entscheidung vom 08.05.2009 (Az: 25 U 5136/08) ausgeführt, dass es als Vorteile, die die mit dem Anspruchserhebungsprinzip verbundenen Nachteile ausreichend abmildern, die Nachhaftungsfrist, die Rückwärtsversicherung und die Möglichkeit der Umstandsmeldung ansieht. Diese Umstandsmeldung war in den dort zu beurteilenden Versicherungsbedingungen jedoch nur innerhalb von 60 Tagen nach Zugang der Kündigung möglich. Sie hätte dem vorliegenden Rechtsstreit somit nicht zum Erfolg verhelfen können, da die Kündigung vom 29.09.2004 stammt und das Schreiben vom 17.01.2005, welches die Kläger als Umstandsmeldung werten, damit nach Ablauf einer entsprechenden Frist verfasst worden wäre. Nach alledem kommt der Umstandsmeldung bei einer Gesamtabwägung keine derart entscheidende Bedeutung zu, dass man allein wegen deren Fehlen von einer unangemessenen Benachteiligung der Versicherungsnehmerin ausgehen müsste.

Gegen eine Unwirksamkeit des Anspruchserhebungsprinzip nach § 307 BGB spricht des Weiteren, dass der Gesetzgeber der VVG-Reform das Anspruchserhebungsprinzip ausdrücklich als eine Möglichkeit der Definition des Versicherungsfalles anerkannt hat (vgl. BT-Drucksache 16/3945, S. 85). Insoweit wird in der Gesetzesbegründung zu § 100 VVG n.F. ausgeführt, dass als Versicherungsfall unter anderem das Schadensereignis (z. B. Allgemeine Haftpflichtversicherung), der Rechtsverstoß (z.B. Anwalts- und Notarhaftpflichtversicherung), der Planungsfehler (z.B. Architektenhaftpflichtversicherung), das Inverkehrbringen eines Produktes (z.B. Produkthaftpflichtversicherung), die erstmalige Feststellung des Schadens (z.B. Umwelthaftpflichtversicherung) oder die Schadensmeldung – auch „claims made“ genannt – (z.B. Allgemeine Haftpflichtversicherung, D & O-Versicherung) vereinbart werden. Diese Gestaltungsmöglichkeiten werden laut Gesetzesbegründung auch im neuen VVG nicht eingeschränkt und es wird hinzugefügt, dass in den Vorschriften des VVG der Begriff des Schadensereignisses im alle Versicherungsfälle umfassenden Sinn verwendet wird.

Hinzu kommt, dass es der Klägerin zu 1) ohne weiteres möglich gewesen wäre, den Versicherungsvertrag fortzuführen und damit einen länger andauernden Versicherungsschutz zu erreichen. Der Versicherungsvertrag wurde jedoch im Einvernehmen mit dem Insolvenzverwalter bereits kurz nach Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens beendet. Zu diesem Zeitpunkt war absehbar, dass unter Umständen mit der Geltendmachung von Haftpflichtansprüchen zu rechnen ist und es erscheint unbillig, die Beklagte zu verpflichten, über den Ablauf der Nachhaftungsfrist hinaus Versicherungsschutz zu gewähren, obwohl es möglich gewesen wäre, gegen Prämienzahlung den Versicherungsvertrag fortzuführen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

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