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Berufsunfähigkeitsversicherung – Beweislast für Berufsunfähigkeit bei Versicherungsnehmer

BU-Versicherung: Versicherungsnehmer muss Berufsunfähigkeit beweisen

Das Oberlandesgericht Nürnberg bestätigte die Entscheidung des Landgerichts Nürnberg-Fürth, indem es die Berufung des Klägers zurückwies. Der Kläger konnte nicht überzeugend darlegen, dass eine mindestens 50 %-ige Einschränkung seiner Berufsausübungsfähigkeit vorliegt, was für die Leistungsansprüche aus der Berufsunfähigkeitsversicherung entscheidend war. Die Argumentation des Klägers, die Beklagte hätte aufgrund eines Gutachtens ihre Leistungspflicht anerkennen müssen, wurde ebenfalls zurückgewiesen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 8 U 344/23 >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Berufung zurückgewiesen: Das OLG Nürnberg bestätigte die Entscheidung des Landgerichts und wies die Berufung des Klägers zurück.
  2. Kostenpflicht des Klägers: Der Kläger muss die Kosten des Berufungsverfahrens tragen.
  3. Kein Nachweis der Berufsunfähigkeit: Der Kläger konnte die erforderliche 50 %-ige Einschränkung seiner Berufsausübungsfähigkeit nicht beweisen.
  4. Bindung an erstinstanzliche Feststellungen: Das Berufungsgericht ist grundsätzlich an die Tatsachenfeststellungen der ersten Instanz gebunden.
  5. Kein Anerkenntnis der Leistungspflicht: Die Beklagte hat ihre Leistungspflicht nicht anerkannt, was rechtlich zulässig ist.
  6. Unabhängigkeit der Versicherer bei Gutachtenbewertungen: Versicherer sind nicht verpflichtet, die Ergebnisse eingeholter Gutachten vorbehaltlos zu akzeptieren.
  7. Kein Raum für Fiktion eines Leistungsanerkenntnisses: Da die Beklagte eine Leistungsablehnung erklärt hatte, gibt es keinen Anlass für die Annahme eines fiktiven Leistungsanerkenntnisses.
  8. Revisionszulassung ausgeschlossen: Eine Zulassung zur Revision im Rahmen des Verfahrens nach § 522 Abs. 2 ZPO wurde ausgeschlossen.

Berufsunfähigkeitsversicherung und Beweislast – ein juristischer Überblick

Die Berufsunfähigkeitsversicherung steht oft im Zentrum rechtlicher Auseinandersetzungen, besonders wenn es um die Beweislast für den Eintritt der Berufsunfähigkeit geht. Dieses Thema berührt grundlegende Fragen des Versicherungsrechts und stellt sowohl für Versicherungsnehmer als auch für Versicherer eine bedeutende Herausforderung dar. Im Kern geht es darum, wer die Beweisführung für die Bedingungen einer Berufsunfähigkeit zu erbringen hat, eine Situation, die häufig zu gerichtlichen Verfahren führt.

In der Regel müssen Versicherungsnehmer nachweisen, dass die Voraussetzungen einer Berufsunfähigkeit erfüllt sind, um Leistungen aus der Versicherung zu erhalten. Die rechtliche Auseinandersetzung konzentriert sich dabei oft auf die Auslegung undAnwendung der Versicherungsbedingungen sowie auf die Bewertung medizinischer Gutachten. Gerade in Fällen, in denen es um hohe Leistungsansprüche geht, wie es oft bei der Berufsunfähigkeitsversicherung der Fall ist, kann die gerichtliche Klärung dieser Fragen weitreichende finanzielle und persönliche Konsequenzen haben.

In den folgenden Abschnitten wird ein konkretes Urteil des OLG Nürnberg betrachtet, welches einen exemplarischen Fall in diesem Rechtsbereich behandelt. Dieser Fall illustriert, wie das Gericht mit den Aspekten der Beweislast und den damit verbundenen Herausforderungen umgeht. Tauchen Sie mit uns ein in die Welt des Versicherungsrechts und erfahren Sie mehr über die spannenden Details dieses spezifischen Falles.

Der Rechtsstreit um Berufsunfähigkeitsansprüche

In einem bedeutenden Urteil des OLG Nürnberg wurde eine Klage eines Versicherungsnehmers gegen seine Berufsunfähigkeitsversicherung abgewiesen. Der Fall drehte sich um die Ansprüche des Klägers, die er aus seiner bei der Beklagten gehaltenen Berufsunfähigkeitsversicherung geltend machte. Das Landgericht Nürnberg-Fürth hatte die Klage zuvor als unbegründet abgewiesen, woraufhin der Kläger Berufung einlegte.

Die Rolle der Beweislast und medizinischen Gutachten

Im Kern des Rechtsstreits stand die Beweislast des Klägers als Versicherungsnehmer. Er war gefordert, den Eintritt des Versicherungsfalls einer mindestens 50 %-igen Einschränkung seiner Berufsausübungsfähigkeit nachzuweisen. Das Landgericht folgte uneingeschränkt den Feststellungen und Bewertungen der von ihm beauftragtenmedizinischen Sachverständigen. Diese hatten offensichtlich nicht bestätigt, dass eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit vorlag. Interessanterweise griff die Berufungsbegründung des Klägers diese Beweiswürdigung nicht an, was zur Bindungswirkung dieser Feststellungen im Berufungsverfahren führte.

Argumentation des Klägers und rechtliche Bewertung

Der Kläger argumentierte, dass das Landgericht keine Beweisaufnahme hätte durchführen dürfen und dass die Beklagte aufgrund eines von ihr eingeholten Gutachtens ihre Leistungspflicht hätte anerkennen müssen. Diese Argumentation verkannte jedoch die relevanten gesetzlichen und vertraglichen Regelungen. Insbesondere wurde das Konzept des „fingierten Leistungsanerkenntnisses“ diskutiert, das jedoch im konkreten Fall keine Anwendung fand. Der Senat hielt fest, dass für eine solche Fiktion kein Raum sei, da die Beklagte eine Leistungsablehnung erklärt hatte und der Versicherungsnehmer in der Folge seine Ansprüche gerichtlich durchsetzen musste.

Urteil des OLG Nürnberg und Ausblick

Letztlich wurde die Berufung des Klägers zurückgewiesen, da das OLG Nürnberg keine Aussicht auf Erfolg sah und auch keine grundsätzliche Bedeutung der Sache erkannte. Interessanterweise wurde auch die Zulassung zur Revision ausgeschlossen, was zeigt, dass das Gericht von der Richtigkeit seiner Entscheidung überzeugt war. Der Fall zeigt deutlich, wie komplex und herausfordernd Rechtsstreitigkeiten im Bereich der Berufsunfähigkeitsversicherung sein können, insbesondere wenn es um die Beweislast und die Auslegung von Versicherungsbedingungen geht.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde auf 117.823,15 € festgesetzt, was die finanzielle Tragweite des Falles unterstreicht. Dieses Urteil stellt einen wichtigen Präzedenzfall dar und wird sicherlich sowohl für Versicherungsnehmer als auch für Versicherer in ähnlichen Fällen von Bedeutung sein.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was versteht man unter der Beweislast in der Berufsunfähigkeitsversicherung?

Die Beweislast in der Berufsunfähigkeitsversicherung bezieht sich auf die Verantwortung des Versicherten, den Eintritt der Berufsunfähigkeit nachzuweisen. Der Versicherte muss umfangreiche und umfassende Tätigkeitsbeschreibungen vor und nach Eintritt der Berufsunfähigkeit anfertigen und dem Versicherer gegenüber darlegen, dass er seine zuletzt konkret ausgeübte Tätigkeit nicht mehr ausüben kann.

Darüber hinaus muss der Versicherte auch nachweisen, dass er keine andere Erwerbstätigkeit ausüben kann, die seiner Lebensstellung, seinen Kenntnissen und Fähigkeiten angemessen ist. Dieser sogenannte Negativbeweis kann in der Regel nur dann ordnungsgemäß angetreten werden, wenn der Versicherer den von ihm behaupteten Vergleichsberuf bezüglich der ihn prägenden Merkmale näher konkretisiert.

In der Nachprüfung, also wenn die Versicherungsgesellschaft prüft, ob die versicherte Person weiterhin berufsunfähig ist, liegt die Beweislast jedoch beim Versicherer. Der Versicherer muss in diesem Fall beweisen, dass die versicherte Person nicht mehr berufsunfähig ist.

Es ist daher für den Versicherten von großer Bedeutung, sich bei der Geltendmachung von Ansprüchen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung rechtlich beraten zu lassen, um sicherzustellen, dass alle notwendigen Informationen und Beweise korrekt und vollständig vorgelegt werden.


Das vorliegende Urteil

OLG Nürnberg – Az.: 8 U 344/23 – Beschluss vom 22.08.2023

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 31.01.2023, Aktenzeichen 8 O 5649/20, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das in Ziffer 1. genannte Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 117.823,15 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um Leistungsansprüche des Klägers aus der bei der Beklagten zu Vers.-Nr. … gehaltenen Berufsunfähigkeitsversicherung.

Das Landgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen.

Hinsichtlich der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 31.01.2023 Bezug genommen.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seine Klageansprüche in unverändertem Umfang weiter.

Im Berufungsverfahren beantragt der Kläger:

I. Das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth, Aktenzeichen 8 O 5649/20, vom 31.01.2023 wird abgeändert.

II. Die Beklagte hat dem Kläger rückständige Berufsunfähigkeitsrenten von März 2017 bis inklusive August 2020 in Höhe von monatlich 1.300,00 EUR, mithin insgesamt 54.383,78 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 1.300,00 EUR ab dem 01.03.2017, 01.04.2017, … und letztmals dem 01.08.2020 zu zahlen.

III. Die Beklagte hat den Kläger ab September 2020 bis längstens inklusive Juni 2044 eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente, monatlich im Voraus, in Höhe von 1.300,00 EUR zu zahlen.

IV. Die Beklagte hat dem Kläger überbezahlte Beiträge für den Monat März 2017 in Höhe von 145,45 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01.03.2017 zu zahlen.

V. Die Beklagte hat den Kläger von seiner Beitragsleistungspflicht zum Versicherungsvertrag mit der Versicherungsschein-Nr. … ab März 2017 bis längstens inklusive Juni 2044 freizustellen.

VI. Die Beklagte hat den Kläger von den außergerichtlichen Kosten der Rechtsverfolgung in Höhe von 2.417,90 € freizustellen.

Die Beklagte beantragt: Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

II.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 31.01.2023, Aktenzeichen 8 O 5649/20, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 18.07.2023 Bezug genommen. Dort war zur Sache ausgeführt worden:

Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht die eingeklagten Leistungsansprüche des Klägers aus der bei der Beklagten zu Vers.-Nr. … gehaltenen Berufsunfähigkeitsversicherung abgelehnt und die Klage als unbegründet abgewiesen.

Es wird zunächst Bezug genommen auf die Gründe des angefochtenen Urteils, die den Senat überzeugen.

Ergänzend ist zur kurzen Begründung der Bestätigung der angefochtenen Entscheidung (vgl. § 540 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) im Hinblick auf die Berufungsbegründung vom 17.04.2023 noch auszuführen:

1.

Der Kläger hat weder neue berücksichtigungsfähige Tatsachen vorgetragen (§ 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) noch konkrete Anhaltspunkte aufgezeigt, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Tatsachenfeststellungen des Landgerichts begründen würden (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Es ist daher von dem im angefochtenen Urteil zugrunde gelegten Sachverhalt auszugehen. Dieser rechtfertigt weder eine andere Entscheidung noch ist eine Rechtsverletzung vorgetragen, auf der die erstinstanzliche Entscheidung beruhen würde (§ 513 Abs. 1 ZPO).

Da die Berufung – abweichend von ihrer früheren Funktion als vollwertige zweite Tatsacheninstanz – nunmehr in erster Linie der Fehlerkontrolle und Fehlerbeseitigung dient, ist das Berufungsgericht an die vom Gericht des ersten Rechtszugs festgestellten Tatsachen grundsätzlich gebunden; eine erneute Tatsachenfeststellung ist nur als Ausnahme vorgesehen, soweit die erste Instanz die Feststellungen nicht vollständig und überzeugend getroffen hat (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Zweifel im Sinne dieser Vorschrift liegen nur dann vor, wenn – aufgrund konkreter Anhaltspunkte – aus der Sicht des Berufungsgerichts eine gewisse – nicht notwendig überwiegende – Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Falle erneuter Tatsachenfeststellungen die erstinstanzlichen Feststellungen keinen Bestand haben werden, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt (vgl. BGHZ 158, 269 ff. = NJW 2004, 1876 ff.; BGHZ 162, 313 ff. = NJW 2005, 1583 ff.; BGH, NJW 2003, 3480 ff.; OLG Bamberg, Beschluss vom 13.11.2012 – 5 U 66/12, r+s 2013, 573).

Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Allerdings können sich Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit entscheidungserheblicher Feststellungen auch aus der Möglichkeit unterschiedlicher Wertungen ergeben (vgl. BGH NJW 2005, 1583). Hat sich aber das Erstgericht mit den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt – ist die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich und verstößt sie nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze – und ist auch das Berufungsgericht von der Richtigkeit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung überzeugt, so sind die Feststellungen bindend. Eine Partei kann dann nicht in zulässiger Weise ihre eigene Würdigung an die Stelle derjenigen des Erstgerichts setzen.

Nach der gesetzlich gebotenen eigenen Beweiswürdigung unter Einbeziehung der Argumente der Berufungsbegründung und im Bewusstsein, dass es sich bei der Berufungsinstanz um eine zweite – wenn auch eingeschränkte – Tatsacheninstanz handelt, deren Aufgabe in der Gewinnung einer fehlerfreien und überzeugenden und damit richtigen Entscheidung des Einzelfalls besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 04.09.2019 – VII ZR 69/17, juris Rn. 10 f.), kommt der Senat hier zu einer Bindungswirkung der erstinstanzlichen entscheidungserheblichen Feststellungen nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an deren Richtigkeit oder Vollständigkeit vermag der Senat nicht zu erkennen.

2.

Das – sachverständig beratene – Landgericht hat die eingeklagten Leistungsansprüche deshalb abgewiesen, weil es dem beweispflichtigen Kläger als Versicherungsnehmer nicht gelungen sei, den Eintritt des Versicherungsfalls einer mindestens 50 %-igen Einschränkung seiner Berufsausübungsfähigkeit im versicherten Beruf nachzuweisen (LGU 6-7). Das Landgericht folgt hierbei uneingeschränkt den Feststellungen und Bewertungen der von ihm beauftragten medizinischen Sachverständigen (Prof. Dr. K., Handchirurgie, sowie Prof. Dr. S., Radiologie).

Diese der richterlichen Überzeugungsbildung in erster Instanz zugrunde liegende Beweiswürdigung wird von der – fristgebundenen – Berufungsbegründungsschrift vom 17.04.2023 mit keinem Wort angegriffen.

Nach den oben dargestellten Grundsätzen des Berufungsrechts entfaltet dieses Beweisergebnis deshalb Bindungswirkung für das vorliegende Rechtsmittelverfahren.

3.

Die Berufung des Klägers beschränkt sich auf den Angriff, das Landgericht hätte überhaupt keine Beweisaufnahme durchführen dürfen und hätte deshalb die von ihm eingeholten Sachverständigengutachten nicht zur Urteilsgrundlage erheben dürfen. Denn tatsächlich hätte die Beklagte nach dem Ergebnis des von ihr im Rahmen der vorgerichtlichen Leistungsprüfung eingeholten Gutachtens (Prof. Dr. H., E.) ihre Leistungspflicht anerkennen müssen. Da sie dies pflichtwidrig nicht getan habe, sei sie so zu behandeln, als ob ein bindendes Leistungsanerkenntnis des BU-Versicherers vorliege und deshalb hätte der Klage – unabhängig vom Beweisergebnis des Prozesses – in jedem Fall stattgegeben werden müssen.

Dieses Berufungsvorbringen überzeugt nicht und bleibt in der Sache ohne Erfolg. Es verkennt die Besonderheiten der insoweit einschlägigen gesetzlichen (vgl. § 173 VVG) und vertraglichen (vgl. §§ 11, 12 AVB, Anlage K 2) Regelungen.

a)

Der BU-Versicherer ist nach den vorgenannten Bestimmungen, die Gegenstand des abgeschlossenen Versicherungsvertrages sind, gehalten, eine fristwahrende Erklärung darüber abzugeben, „ob er seine Leistungspflicht anerkennt“ (§ 173 Abs. 1 VVG) bzw. „ob und in welchem Umfang wir eine Leistungspflicht anerkennen“ (§ 11 AVB).

Dieser Erklärungspflicht ist die Beklagte im Streitfall – unstreitig – nachgekommen. Sie hat mit Schreiben vom 15.05.2020 (Anlage K 6) eine Leistungspflicht abgelehnt, da bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit nicht vorliege, und hat dieses Ergebnis ihrer bedingungsgemäßen Leistungsprüfung (diese wiederum verzögert durch den Vorprozess LG Nürnberg-Fürth, Az. 8 O 5060/17, zu Anfechtung/Rücktritt des Versicherers) dem Kläger gegenüber auf vier Druckseiten ausführlich begründet.

Damit ist im Streitfall kein Raum für die Fiktion eines Leistungsanerkenntnisses. Denn einer solchen Rechtsfigur bedarf es nur, wenn gerade keine Erklärung des Versicherers über seine Leistungspflicht abgegeben wird und der Versicherungsnehmer den Eindruck haben kann, es werde von Versichererseite „auf Zeit gespielt“.

Wenn aber der Versicherer – wie hier – als Ergebnis seiner Leistungsprüfung dem Versicherungsnehmer mitgeteilt hat, dass er eine vertragliche Leistungspflicht für nicht gegeben hält, dann ist der Versicherungsnehmer gehalten, seine für berechtigt gehaltenen Leistungsansprüche im Prozesswege durchzusetzen.

Es ist weder vertraglich noch gesetzlich bestimmt, dass der Versicherer an Ergebnis und/oder Begründung eines von ihm eingeholten Privatgutachtens gebunden wäre. Eine Art „Schiedsklausel“ oder „Stichentscheidsklausel“, wonach sich die Vertragsparteien ohne weiteren Beurteilungs- oder Nachprüfungsspielraum dem Ergebnis eines von Versichererseite eingeholten Gutachtens zu unterwerfen haben, ist für den Senat nicht ersichtlich – der Berufungsführer trägt hierzu auch nichts vor.

b)

Es kommt deshalb im Streitfall nicht mehr entscheidungserheblich darauf an, dass selbst bei Anwendung der anerkannten Grundsätze zur Rechtsfigur eines „fingierten Leistungsanerkenntnisses des Berufsunfähigkeitsversicherers“ (vgl. zusammenfassend etwa: Th. Richter, Private Berufsunfähigkeitsversicherung, 2. Aufl. 2020, Abschn. P IV., S. 430-431 m.w.N.; Prölss/Martin/Lücke, VVG, 31. Aufl., § 173 Rn. 13-14 m.w.N.) ein Rechtsmittelerfolg des Klägers nicht gegeben wäre.

Ein Versicherer kann auch dann, wenn er kein Anerkenntnis seiner Leistungspflicht abgegeben hat, den späteren Wegfall einer zunächst bestehenden Berufsunfähigkeit nur durch eine den inhaltlichen Anforderungen des Nachprüfungsverfahrens genügende Änderungsmitteilung geltend machen (vgl. BGH, Beschluss vom 13.03.2019 – IV ZR 124/18, juris Rn. 17).

Macht der Versicherungsnehmer mangels Anerkenntnis des Versicherers seine Ansprüche im Wege der Klage geltend und führt dort den Nachweis bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit, steht dem Versicherer im selben Rechtsstreit der Beweis offen, dass und ab welchem Zeitpunkt die Voraussetzungen für eine Herabsetzung oder Einstellung der Leistungen nach der für das Nachprüfungsverfahren geltenden Versicherungsbedingung eingetreten sind (vgl. BGH, a.a.O., juris Rn. 21).

Auch wenn der Versicherer kein Anerkenntnis abgegeben hat und noch kein gerichtliches Urteil über seine Leistungspflicht vorliegt, ist die bedingungsgemäße Beurteilung, ob die einmal eingetretene Berufsunfähigkeit bereit wieder entfallen ist, nur im Wege des Vergleichs zweier Zustände und ihrer Auswirkungen möglich. Der Gesundheitszustand des Versicherungsnehmers, der einem gebotenen Anerkenntnis hätte zugrunde gelegt werden müssen, ist danach dem späteren Gesundheitszustand gegenüberzustellen. Die Änderungsmitteilung des Versicherers kann auch in einem während des Rechtsstreits übermittelten Schriftsatz des Versicherers zu sehen sein (vgl. BGH, a.a.O., juris Rn. 23).

Der Versicherer ist aber an die Regeln gebunden, die er selbst in seinen Versicherungsbedingungen für die Nachprüfung von Berufsunfähigkeit aufgestellt hat, wenn er ein nach Sachlage gebotenes Anerkenntnis bislang nicht abgegeben hat (vgl. BGH, a.a.O., juris Rn. 19 m.w.N.). Voraussetzung dieser Bindung ist daher allein, dass ein Anerkenntnis objektiv geboten war, weil bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit vorlag (vgl. auch Klenk in: Looschelders/Pohlmann, VVG, 3. Aufl. § 173 Rn. 23). Ob der Versicherer subjektiv zum damaligen Zeitpunkt Anlass hatte, seine Leistungspflicht in Frage zu stellen, ist dabei ohne Belang (a.A. Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 3. Aufl., L Rn. 14; Rixecker in: Langheid/Rixecker, VVG, 6. Aufl. § 173 Rn. 5; HK-VVG/Mertens, 4. Aufl., § 173 Rn. 6) – so auch zutreffend vom Erstgericht unter Verweis auf BGH, Urteil vom 18.12. 2019 – IV ZR 65/19, juris Rn. 19, ausgeführt (LGU 7).

Vor diesem Hintergrund ist evident, dass das nachgewiesene objektive Bestehen von bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit als bedingungsgemäßer Eintritt des Versicherungsfalls feststehen muss, um überhaupt zu einem Anerkennensgebot des BU-Versicherers kommen zu können.

Genau daran fehlt es aber hier, denn durch das bindende Beweisergebnis des erstinstanzlichen Verfahrens steht fest, dass zu keiner Zeit innerhalb des streitgegenständlichen Zeitraums die Voraussetzungen einer vertraglichen Leistungspflicht der Beklagten bestanden haben.

Die Ausführungen in der Gegenerklärung vom 17.08.2023 wurden zur Kenntnis genommen und geprüft. Sie geben indes zu einer Änderung in der rechtlichen Bewertung des Falles keinen Anlass. Der Berufungsführer repetiert bereits aktenkundigen Klagevortrag, er zeigt hierbei keine neuen Gesichtspunkte oder Argumente auf, die nicht schon Gegenstand bisheriger gerichtlicher Prüfungen und Entscheidungen im Streitfall gewesen wären.

Das von der Gegenerklärung (dort unter Ziffer 1.) thematisierte Problem der vom Senat in seinem Hinweis vorgenommenen Differenzierung in der Ausgangslage je nachdem, ob der Versicherer überhaupt keine Erklärung über seine Leistungsbereitschaft abgegeben hat, oder ob der Versicherungsnehmer mit einer erklärten Leistungsablehnung konfrontiert ist, ist letztlich nicht entscheidungserheblich. Der Senat bleibt bei seiner Auffassung und weist abschließend darauf hin, dass auch Lücke in: Prölss/Martin, VVG, 31. Aufl., § 173 Rn. 13 seine kommentierenden Ausführungen zum „Fingierten Anerkenntnis“ mit dem Halbsatz einleitet: „Erklärt sich der VR nicht, obwohl er sich bedingungsgemäß erklären müsste, …“.

Auch soweit sich die Gegenerklärung darüber hinaus mit der vorgeblichen Bindung des Versicherers an ein von ihm eingeholtes medizinisches Gutachten befasst, bleibt der Senat bei seiner im Hinweis ausführlich dargelegten Rechtsauffassung. Dem BU-Versicherer kann im Rahmen der außergerichtlichen Leistungsprüfung nicht vorgeschrieben werden, dass er ungeachtet des Inhalts des beauftragten Gutachtens jedenfalls dessen Ergebnis insbesondere dann vorbehaltlos zu akzeptieren habe, wenn der Gutachter den Eintritt des Versicherungsfalls „Berufsunfähigkeit“ zugunsten des Versicherten attestiere. Der Versicherer ist vielmehr frei in seiner abschließenden Bewertung, ob er das eingeholte fachmedizinische Gutachten inhaltlich für überzeugend hält oder eben nicht.

Die Argumentation der Gegenerklärung, es hätte nach Vorliegen des Gutachtens „eine für den Kläger positive Leistungsentscheidung ergehen müssen“, weil sich nach einer „Gesamtschau zu diesem Zeitpunkt das Vorliegen einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit aufdrängt“, überzeugt nicht. Vielmehr ist – wie die Gegenerklärung auch erkennt – zutreffend, dass jenes Begutachtungsergebnis „mit in die Waagschale zur Beurteilung gelegt werden muss, ob zu diesem Zeitpunkt ein Anerkenntnis geboten war“, wie auch es zutreffend ist, dass „der Kläger zumindest nach Treu und Glauben annehmen“ durfte, „dass das Ergebnis des Gutachtens markanten Einfluss auf die Leistungsentscheidung haben wird“. Diesen Anforderungen ist die vorgerichtliche Leistungsprüfung der Beklagten im Streitfall aber gerecht geworden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10, §§ 709, 711 ZPO.

Die im Rahmen der Gegenerklärung vom 17.08.2023 ausdrücklich beantragte Zulassung der Revision scheidet schon im Ansatz aus, denn das hier zur Anwendung gekommene Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO setzt voraus, dass der Senat die Gründe einer Revisionszulassung für nicht gegeben erachtet (vgl. § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO einerseits, § 543 Abs. 2 ZPO andererseits).

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.

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