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Berufsunfähigkeit – Nachprüfungsverfahren – Wahrung der bisherigen Lebensstellung

Eine Berufsunfähigkeitsversicherung soll vor finanziellem Ruin schützen. Doch ein Mann, der nach seiner BU eine erfolgreiche Umschulung machte und wieder gut verdiente, verlor seine Rente. Sein Versicherer stoppte die Zahlungen und berief sich auf die neue Tätigkeit. Das OLG Nürnberg entschied nun, dass selbst nach der Erkrankung erworbene Fähigkeiten eine Leistungseinstellung rechtfertigen können.

Übersicht

Zum vorliegenden Urteil Az.: 8 U 2115/20 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: OLG Nürnberg
  • Datum: 07.11.2022
  • Aktenzeichen: 8 U 2115/20
  • Verfahrensart: Urteil im Berufungsverfahren
  • Rechtsbereiche: Versicherungsrecht (Berufsunfähigkeitsversicherung)

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Die versicherte Person, ein ehemaliger Anlagenmechaniker, der Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung begehrte.
  • Beklagte: Die Versicherung, die die Berufsunfähigkeitsversicherung ausgestellt und die Leistungen eingestellt hatte.

Worum ging es in dem Fall?

  • Sachverhalt: Ein Versicherter, der wegen Berufsunfähigkeit Leistungen erhielt, absolvierte eine Umschulung und nahm eine neue Tätigkeit auf. Die Versicherung stellte daraufhin die Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente ein. Der Versicherte klagte gegen diese Einstellung.
  • Kern des Rechtsstreits: Es ging darum, ob eine Berufsunfähigkeitsversicherung die Zahlung einstellen darf, wenn der Versicherte nach Eintritt der Berufsunfähigkeit durch eine Umschulung eine neue Tätigkeit erlernt hat und ausübt.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Das Berufungsgericht gab der beklagten Versicherung recht und änderte das Urteil der Vorinstanz ab. Die Klage des Versicherten auf Fortzahlung der Berufsunfähigkeitsrente wurde abgewiesen.
  • Begründung: Das Gericht entschied, dass die Versicherung die Leistung einstellen durfte. Hauptgründe waren, dass die Versicherungsbedingungen die Berücksichtigung neu erworbener Fähigkeiten erlauben und die neue Tätigkeit gesundheitlich möglich war und der bisherigen Lebensstellung entsprach.
  • Folgen: Der Versicherte erhält keine weiteren Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung für den relevanten Zeitraum. Er muss auch die Kosten des Rechtsstreits tragen.

Der Fall vor Gericht


OLG Nürnberg: Leistungseinstellung bei Berufsunfähigkeit nach Umschulung und neuer Tätigkeit zulässig – Kein Schutz für überobligatorisch erworbene Fähigkeiten ohne explizite Vertragsklausel

Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg hat in einem wegweisenden Urteil (Az.: 8 U 2115/20 vom 07.11.2022) entschieden, dass ein Berufsunfähigkeitsversicherer die Zahlung von Leistungen einstellen darf, wenn der Versicherte nach Eintritt der Berufsunfähigkeit durch eine freiwillige Umschulung eine neue, seiner bisherigen Lebensstellung entsprechende Tätigkeit aufnimmt. Dies gilt auch dann, wenn die Versicherungsbedingungen die Berücksichtigung solcher neu erworbener Fähigkeiten und Kenntnisse bei der sogenannten abstrakten oder konkreten Verweisung nicht ausdrücklich regeln.

Schweißer leidet an Rückenschmerzen bei Arbeit in schmutziger Werkshalle mit Metallrohren und Werkzeugen
Symbolbild: KI generiertes Bild

Die Entscheidung stellt klar, dass der Zweck der Berufsunfähigkeitsversicherung – der finanzielle Ausgleich bei Wegfall der Arbeitskraft – erfüllt ist, sobald der Versicherte wieder einer zumutbaren und adäquaten Tätigkeit nachgeht, unabhängig davon, wie er die Fähigkeiten hierfür erworben hat.

Ausgangslage: Vom Anlagenmechaniker zum Maschinenbautechniker und die Rolle der Berufsunfähigkeitsversicherung

Ein Mann, ursprünglich als Anlagenmechaniker mit Spezialisierung als Schweißer im Rohr- und Behälterbau tätig, hatte seit dem Jahr 2001 eine selbstständige Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen. Diese sah im Falle einer mindestens 50-prozentigen Berufsunfähigkeit eine monatliche Rente und weitere Leistungen vor. Im September 2008 erlitt der damals 25-jährige Versicherungsnehmer einen Bandscheibenvorfall mit anschließender Operation an der Lendenwirbelsäule, was zu seiner Berufsunfähigkeit führte. Der Versicherer erkannte seine Leistungspflicht im April 2010 rückwirkend zum September 2008 an und zahlte die vereinbarte Rente. Auch nachfolgende Nachprüfungen in den Jahren 2013 und 2016 bestätigten die Fortdauer der Leistungspflicht.

In der Zwischenzeit zeigte der Versicherungsnehmer Eigeninitiative und absolvierte eine Weiterbildung bzw. Umschulung zum Maschinenbautechniker und Konstrukteur. Bereits seit September 2011 übte er diese neue Tätigkeit aus und wechselte im Januar 2017 zu einem neuen Arbeitgeber. Im Rahmen einer erneuten Nachprüfung, die auch eine ärztliche Untersuchung umfasste, teilte der Versicherer dem Mann im April 2017 mit, dass die Leistungen ab Juni 2017 eingestellt würden. Die Begründung: Durch die Aufnahme der neuen Tätigkeit als Maschinenbautechniker/Konstrukteur werde der bedingungsgemäße Berufsunfähigkeitsgrad von mindestens 50 % nicht mehr erreicht. Diese Tätigkeit sei zumutbar und wahre die bisherige Lebensstellung des Versicherten.

Streitpunkt vor Gericht: Dürfen nach Umschulung erworbene Fähigkeiten zur Leistungseinstellung der BU-Rente führen?

Der Versicherungsnehmer widersprach der Leistungseinstellung und zog vor Gericht. Er argumentierte, die neue Tätigkeit sei dem Versicherer bereits bei früheren Nachprüfungen bekannt gewesen und könne daher nicht mehr als Grundlage für eine Verweisung – also die Aufforderung, eine andere Tätigkeit auszuüben – dienen. Entscheidend sei für ihn aber, dass die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB-BU) die Berücksichtigung von Fähigkeiten, die erst nach Eintritt des Versicherungsfalls durch eine Umschulung erworben wurden, nicht vorsehen. Er sei zu dieser Umschulung nicht verpflichtet gewesen; es handele sich um eine Überobligatorische Anstrengung, die nicht zu seinem Nachteil gereichen dürfe. Zudem rügte er formelle Mängel der Einstellungsmitteilung. Er forderte die Weiterzahlung der Rente, die Feststellung der Beitragsfreiheit und die Erstattung vorgerichtlicher Kosten.

Der Versicherer hingegen vertrat die Ansicht, bei den früheren Nachprüfungen zwar von der Umschulung an sich, nicht aber von der konkreten, die Lebensstellung wahrenden Tätigkeit und deren Einkommensverhältnissen Kenntnis gehabt zu haben. Die Verweisungsklausel in den AVB-BU stelle nicht auf den Zeitpunkt des Erwerbs der Fähigkeiten ab.

Die Entscheidung des Landgerichts Regensburg: Schutz für überobligatorische Anstrengungen des Versicherten

Das Landgericht Regensburg gab der Klage des Versicherungsnehmers in erster Instanz vollumfänglich statt. Die Richter begründeten dies im Wesentlichen damit, dass mangels einer expliziten vertraglichen Regelung in den AVB-BU neu erworbene Fähigkeiten und Kenntnisse bei der Verweisung auf einen anderen Beruf nicht berücksichtigt werden dürften. Der Versicherungsnehmer sei zur Umschulung nicht verpflichtet gewesen. Fähigkeiten, die er sich freiwillig und über das vertraglich Geschuldete hinaus angeeignet habe (überobligatorisch), könnten eine Leistungseinstellung nicht rechtfertigen. Ob die Tätigkeit dem Versicherer bereits bekannt war oder die Lebensstellung wahrte, sei dabei unerheblich. Gegen dieses Urteil legte der Versicherer Berufung ein.

Das Urteil des OLG Nürnberg: Leistungseinstellung durch Berufsunfähigkeitsversicherung nach erfolgreicher Umschulung ist rechtens

Das Oberlandesgericht Nürnberg änderte das Urteil des Landgerichts Regensburg ab und wies die Klage des Versicherungsnehmers vollumfänglich ab. Die Kosten des Rechtsstreits wurden dem Versicherungsnehmer auferlegt. Das OLG kam zu dem Schluss, dass der Versicherungsnehmer für den Zeitraum ab Juni 2017 keinen Anspruch mehr auf Leistungen aus seiner Berufsunfähigkeitsversicherung habe, da der Versicherer die Leistungen wirksam eingestellt habe.

Die Begründung des OLG Nürnberg im Detail: Formelle und materielle Rechtmäßigkeit der Leistungseinstellung

Das Gericht prüfte sowohl die formellen als auch die materiellen Voraussetzungen der Leistungseinstellung.

Formelle Anforderungen an die Einstellungsmitteilung erfüllt
Das OLG stellte fest, dass das Schreiben des Versicherers vom April 2017 den formellen Anforderungen an eine Einstellungsmitteilung genügte. Eine solche Mitteilung muss für den Versicherten nachvollziehbar begründen, warum die Leistungspflicht enden soll. Bei einer konkreten Verweisung auf eine bereits ausgeübte Tätigkeit, wie im vorliegenden Fall, sind die Anforderungen an die Vergleichsbetrachtung (Darstellung der früheren und der neuen Tätigkeit, benötigte Fähigkeiten, finanzielle und soziale Wertschätzung) geringer, da der Versicherte den neuen Beruf bereits kennt. Die Mitteilung des Versicherers stellte die frühere und die neue Tätigkeit gegenüber, nannte Einschränkungen, fasste das ärztliche Gutachten verständlich zusammen und erwähnte die Wahrung der Lebensstellung durch ein höheres Einkommen. Dies bewertete das Gericht als ausreichend.

Kein Verlust der Verweisungsmöglichkeit durch frühere Nachprüfungen
Das Gericht verneinte auch, dass der Versicherer seine Verweisungsmöglichkeit „verbraucht“ habe, also durch frühere Nachprüfungen verloren hätte. Zwar verliert ein Versicherer Verweisungsmöglichkeiten, die ihm schon bei der erstmaligen Leistungsanerkennung oder bei vorhergehenden Nachprüfungen bekannt waren und die er hätte nutzen können. Im konkreten Fall hatte der Versicherer bei der Nachprüfung 2013/2016 zwar Kenntnis von der Umschulung und einer Tätigkeit als Maschinenbautechniker, aber nicht von der konkreten Ausgestaltung der Tätigkeit als Konstrukteur und der damit verbundenen Wahrung der Lebensstellung, insbesondere des Einkommens. Dieses war seinerzeit unstreitig geringer, sodass eine Verweisung damals nicht in Betracht kam. Die relevante Kenntnis über die tatsächliche Gleichwertigkeit der neuen Tätigkeit erlangte der Versicherer erst im Rahmen des streitgegenständlichen Nachprüfungsverfahrens.

Materielle Voraussetzungen für die Leistungseinstellung lagen vor
Entscheidend war für das OLG Nürnberg, dass im Zeitpunkt der Einstellungsmitteilung die tatsächlichen Voraussetzungen für einen Wegfall der Leistungspflicht gegeben waren.

Berücksichtigung neu erworbener Fähigkeiten und Kenntnisse nach Umschulung zulässig
Der Kernpunkt der Entscheidung betrifft die Frage, ob Fähigkeiten, die erst nach Eintritt der Berufsunfähigkeit durch eine Umschulung erworben wurden, bei der Verweisung berücksichtigt werden dürfen. Die Versicherungsbedingungen (§ 2 Abs. 1, § 13 Abs. 1 AVB-BU) erlauben die Verweisung auf eine tatsächlich ausgeübte „andere Tätigkeit“, die der bisherigen Lebensstellung entspricht. Das Bedingungswerk erwähnte – anders als manche Musterbedingungen – keine Einschränkung bezüglich „Ausbildung und Erfahrung“ oder dem Zeitpunkt des Erwerbs dieser.
Das OLG schloss sich der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte (OLG München, OLG Stuttgart) an, die vom Bundesgerichtshof (BGH) bestätigt wurde. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer müsse bei verständiger Würdigung einer Klausel, die Kenntnisse und Fähigkeiten nicht explizit an einen bestimmten Erwerbszeitpunkt koppelt, nicht davon ausgehen, dass der Versicherer bei einer Nachprüfung auf Tätigkeiten beschränkt sei, die der Versicherte aufgrund vor dem Versicherungsfall vorhandener Fähigkeiten hätte ausüben können. Wenn die Bedingungen hinsichtlich der „anderen Tätigkeit“ keinen Bezug zu vorhandenen oder erworbenen Kenntnissen aufweisen, spiele die Frage, wann diese erworben wurden, für die Zulässigkeit der Verweisung keine Rolle. Es sei nicht fernliegend, dass Versicherungsnehmer nach Eintritt eines BU-Falls erfolgreich Umschulungen absolvieren. Ein damit verbundener Wegfall der Leistungspflicht sei nicht unbillig und kein Anlass, den Versicherten für seine Initiative zu „bestrafen“. Der Zweck der Berufsunfähigkeitsversicherung sei der Ausgleich finanzieller Nachteile durch den Ausfall der Arbeitskraft und die Verhinderung eines sozialen Abstiegs. Wenn dieser Zweck durch eine neue, adäquate Tätigkeit erreicht werde, sei der Versicherungsfall im Grunde beendet, unabhängig davon, wie die Fähigkeit zur Ausübung dieser neuen Tätigkeit erlangt wurde.

Gesundheitliche Eignung für die neue Tätigkeit als Maschinenbautechniker nachgewiesen
Der Versicherungsnehmer hatte bestritten, die neue Tätigkeit in einem die Berufsunfähigkeit ausschließenden Grad ausüben zu können. Die Beweislast hierfür trug der Versicherer. Diesen Beweis sah das OLG durch ein im Berufungsverfahren eingeholtes Sachverständigengutachten als erbracht an. Die Sachverständige hatte den Gesundheitszustand des Mannes zum maßgeblichen Zeitpunkt der Einstellungsentscheidung (April 2017 bzw. des zugrundeliegenden ärztlichen Gutachtens vom Februar 2017) beurteilt.
Sie stellte fest, dass die Operation im Jahr 2016 einen guten Verlauf gezeigt hatte, die Beschwerden deutlich nachgelassen hatten und der Schmerzmittelbedarf rückläufig war. Es gab keine neurologischen oder sensomotorischen Ausfälle. Die ausgeübte Tätigkeit als Maschinenbautechniker/Konstrukteur wurde als leichte Tätigkeit eingestuft (sitzend/stehend am Schreibtisch, ohne Heben/Tragen, mit freier Wahl der Arbeitshaltung). Auch unterstützende Tätigkeiten bei der Prototypenmontage fielen in diese Kategorie. Es gab zum damaligen Zeitpunkt keine Hinweise auf eine zukünftig zu erwartende Verschlechterung; eher sei mit einer Verbesserung zu rechnen gewesen. Die Sachverständige kam zum Schluss, dass der Versicherungsnehmer in dieser Tätigkeit aus orthopädischer Sicht zum relevanten Zeitpunkt nicht zu mindestens 50 % für voraussichtlich mindestens drei Jahre eingeschränkt war. Ein späterer ungünstigerer Krankheitsverlauf (eine weitere Operation im Jahr 2018) war zum Zeitpunkt der Einstellungsentscheidung nicht vorhersehbar und daher für die Prognoseentscheidung irrelevant.

Wahrung der bisherigen Lebensstellung durch die neue Tätigkeit als Konstrukteur
Schließlich prüfte das Gericht, ob die neue Tätigkeit als Maschinenbautechniker und Konstrukteur der bisherigen Lebensstellung des Mannes als Anlagenmechaniker entsprach. Dies wird anhand einer Gesamtabwägung beurteilt, bei der der soziale Status im Wesentlichen erhalten bleiben muss. Die neue Tätigkeit darf keine deutlich geringeren Kenntnisse und Fähigkeiten erfordern und in Vergütung sowie sozialer Wertschätzung nicht spürbar unter das Niveau des früheren Berufs absinken.
Das OLG befand, dass die Tätigkeit als Maschinenbautechniker und Konstrukteur unzweifelhaft keine deutlich geringeren, sondern eher höhere Kenntnisse und Fähigkeiten erfordere als die des Anlagenmechanikers. Auch genieße sie kein geringeres Sozialprestige. Der Mann war vollzeitbeschäftigt bei einem marktführenden Unternehmen und wirkte maßgeblich an Entwurfserstellung, Baugruppenplanung und Projektierung mit. Entscheidend für die Lebensstellung ist auch das erzielte Einkommen. Hier sei ein Nettovergleich vorzuziehen. Da der Mann in seiner neuen Tätigkeit ein höheres Einkommen erzielte, war auch unter diesem Aspekt die Lebensstellung gewahrt.

Da der Versicherungsnehmer zum maßgeblichen Zeitpunkt die neue Tätigkeit gesundheitlich im die Berufsunfähigkeit ausschließenden Umfang ausüben konnte und diese seiner bisherigen Lebensstellung entsprach, waren die Voraussetzungen für die Einstellung der Leistungspflicht gegeben. Die Klage wurde daher abgewiesen.

Fazit: OLG Nürnberg stärkt Position der Versicherer bei Umschulung nach Berufsunfähigkeit unter bestimmten Vertragsbedingungen

Das Urteil des OLG Nürnberg verdeutlicht, dass Versicherungsnehmer, die nach Eintritt einer Berufsunfähigkeit eine erfolgreiche Umschulung absolvieren und eine neue, ihrer bisherigen Lebensstellung entsprechende Tätigkeit aufnehmen, damit rechnen müssen, dass ihre Berufsunfähigkeitsrente eingestellt werden kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Versicherungsbedingungen – wie im vorliegenden Fall – keine explizite Regelung enthalten, die die Berücksichtigung solcher neu erworbener Fähigkeiten ausschließt oder an den Zeitpunkt des Erwerbs vor Eintritt der Berufsunfähigkeit knüpft. Die Entscheidung betont den Zweck der Berufsunfähigkeitsversicherung als Absicherung gegen den finanziellen Ruin und sozialen Abstieg, nicht als lebenslange Rente trotz wiedererlangter Erwerbsfähigkeit in einem zumutbaren Beruf. Für Versicherungsnehmer bedeutet dies, dass Eigeninitiative und erfolgreiche berufliche Neuorientierung zwar positiv sind, aber unter Umständen zum Wegfall der BU-Leistungen führen können, wenn die neue Tätigkeit die Kriterien der Zumutbarkeit und der Wahrung der Lebensstellung erfüllt und die Vertragsbedingungen dies nicht explizit anders regeln.


Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil zeigt, dass Berufsunfähigkeitsversicherer Leistungen einstellen dürfen, wenn Versicherte durch eine erfolgreiche Umschulung eine neue, gleichwertige Tätigkeit aufnehmen können, sofern die Versicherungsbedingungen keine expliziten Einschränkungen zu neu erworbenen Fähigkeiten enthalten. Der Zweck der Berufsunfähigkeitsversicherung ist der finanzielle Ausgleich bei Wegfall der Arbeitskraft und die Verhinderung eines sozialen Abstiegs – ist dieser Zweck durch eine neue, adäquate Tätigkeit erfüllt, kann die Leistungspflicht enden, unabhängig davon, wie die Fähigkeiten für die neue Tätigkeit erworben wurden. Für Versicherungsnehmer bedeutet dies, dass berufliche Neuorientierung nach Berufsunfähigkeit zwar positiv ist, aber unter Umständen zum Wegfall der Versicherungsleistungen führen kann.

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Häufig gestellte Fragen zu versicherungsrechtlichen Themen

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wann darf eine Berufsunfähigkeitsversicherung die Leistungen nach einer Nachprüfung einstellen?

Eine Berufsunfähigkeitsversicherung kann die Zahlung der vereinbarten monatlichen Rente einstellen, wenn sie nach einer sogenannten Nachprüfung feststellt, dass die versicherte Person nicht mehr berufsunfähig im Sinne der Versicherungsbedingungen ist.

Wann gilt man nicht mehr als berufsunfähig?

Das ist in der Regel dann der Fall, wenn Ihre Gesundheit sich so verbessert hat, dass Sie wieder eine zumutbare Tätigkeit ausüben können. Dabei kommt es nicht nur darauf an, ob Sie Ihren ursprünglichen Beruf wieder ausüben können. Viele Verträge sehen vor, dass auch eine andere Tätigkeit geprüft werden kann.

Die Zumutbarkeit der neuen Tätigkeit

Die Frage, ob eine andere Tätigkeit für Sie „zumutbar“ ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Die Versicherung prüft dabei, ob die neue Arbeit Ihrer Ausbildung, Ihren bisherigen Kenntnissen und Fähigkeiten entspricht. Es geht darum, dass die neue Tätigkeit grundsätzlich mit dem vergleichbar ist, was Sie bisher getan haben, auch wenn es ein anderer Beruf ist. Stellen Sie sich vor, Sie waren Ingenieur. Dann wäre eine Arbeit als einfacher Hilfsarbeiter in der Regel nicht zumutbar.

Die bisherige Lebensstellung

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die sogenannte „bisherige Lebensstellung“. Das bedeutet, dass die neue, zumutbare Tätigkeit Ihrem früheren sozialen Status und insbesondere Ihrem früheren Einkommen entsprechen muss. Sie dürfen durch die neue Arbeit nicht in eine deutlich schlechtere finanzielle Situation geraten, als Sie es vor Ihrer Berufsunfähigkeit waren. Die Versicherung darf Sie also nicht auf einen Job verweisen, der weit unter dem liegt, was Sie vorher verdient haben und was Ihre soziale Position ausgemacht hat.

Das Verfahren der Nachprüfung

Die Versicherung führt eine Nachprüfung durch, um zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Berufsunfähigkeit weiterhin bestehen. Sie wird dazu in der Regel neue medizinische Gutachten oder Berichte einholen. Wenn die Versicherung auf Basis dieser Prüfung zu dem Ergebnis kommt, dass Sie nicht mehr berufsunfähig sind und eine zumutbare Tätigkeit ausüben können, die Ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht, kann sie die Rentenzahlung einstellen. Die Beweislast dafür, dass Sie nicht mehr berufsunfähig sind, liegt dabei bei der Versicherung.


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Was bedeutet „Wahrung der bisherigen Lebensstellung“ im Zusammenhang mit der Berufsunfähigkeitsversicherung?

Wenn Sie eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) haben, zahlt diese in der Regel, wenn Sie Ihren zuletzt ausgeübten Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben können. Die Formulierung „Wahrung der bisherigen Lebensstellung“ ist dabei ein zentraler Begriff, der Sie davor schützen soll, vom Versicherer auf eine völlig andere und deutlich schlechtere Tätigkeit verwiesen zu werden.

Früher gab es oft die sogenannte „abstrakte Verweisung“. Das bedeutete, der Versicherer konnte die Leistung verweigern, wenn Sie irgendeinen anderen Beruf ausüben könnten, auch wenn dieser sozial oder finanziell viel schlechter war als Ihr ursprünglicher Beruf. Moderne BU-Verträge beinhalten meist einen Verzicht auf diese abstrakte Verweisung. Das bedeutet: Der Versicherer kann Sie nur auf einen konkreten Beruf verweisen, den Sie tatsächlich ausüben, und dieser Beruf muss Ihrer bisherigen Lebensstellung entsprechen.

Was genau bedeutet „Lebensstellung“? Es geht dabei um mehr als nur das Einkommen. Gerichte und Versicherer betrachten hier eine Kombination verschiedener Faktoren, um zu beurteilen, ob eine neue Tätigkeit noch vergleichbar ist. Zu diesen Faktoren gehören typischerweise:

  • Das bisherige Einkommen: Dies ist ein sehr wichtiger Aspekt. Eine neue Tätigkeit, die nur einen Bruchteil Ihres bisherigen Gehalts einbringt, wird in der Regel nicht als Wahrung der Lebensstellung angesehen. Es gibt keine feste Prozentgrenze, aber ein deutlicher Rückgang spricht gegen die Wahrung.
  • Das soziale Ansehen und die berufliche Position: Es zählt auch, welche Stellung Ihr Beruf in der Gesellschaft hatte, welche Verantwortung Sie trugen und welche Position Sie in einer Hierarchie innehatten. Eine Tätigkeit ohne Verantwortung oder mit deutlich geringerem Ansehen würde oft nicht als gleichwertig betrachtet.
  • Die erworbene Qualifikation und Ausbildung: Die neue Tätigkeit sollte die Ausbildung und die speziellen Fähigkeiten, die Sie für Ihren ursprünglichen Beruf benötigt haben, zumindest teilweise berücksichtigen oder ein vergleichbares Qualifikationsniveau erfordern.

Für Sie als Versicherter bedeutet dies: Der Versicherer kann die Zahlung Ihrer BU-Rente nicht einfach einstellen, indem er auf eine beliebige andere Tätigkeit verweist. Er muss nachweisen, dass Sie tatsächlich eine andere Tätigkeit ausüben, die in ihrer Gesamtheit (Einkommen, Position, Ansehen, Qualifikation) noch dem Niveau Ihres früheren Berufs entspricht. Gelingt ihm dieser Nachweis nicht, bleibt Ihr Anspruch auf die BU-Rente bestehen, solange die Berufsunfähigkeit im ursprünglichen Beruf vorliegt.

Die Bewertung der Lebensstellung erfolgt immer anhand der konkreten Umstände Ihres Einzelfalls. Versicherer und Gerichte prüfen sorgfältig, ob die genaue neue Tätigkeit im Vergleich zur alten Tätigkeit diese Kriterien erfüllt.


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Werden Fähigkeiten, die ich nach Eintritt der Berufsunfähigkeit durch Umschulung erworben habe, bei der Beurteilung meiner Berufsunfähigkeit berücksichtigt?

Grundsätzlich kann gesagt werden, dass Fähigkeiten, die Sie durch eine Umschulung oder Weiterbildung nachdem die Berufsunfähigkeit eingetreten ist erworben haben, bei der Beurteilung Ihres Leistungsanspruchs eine Rolle spielen können. Es geht dabei um die Frage, welche beruflichen Möglichkeiten Sie trotz Ihrer gesundheitlichen Einschränkungen noch haben.

Viele Berufsunfähigkeitsversicherungen enthalten Klauseln, die es dem Versicherer ermöglichen, auf eine andere, vergleichbare Tätigkeit zu verweisen. Das bedeutet, wenn Sie trotz Ihrer ursprünglichen Berufsunfähigkeit eine andere Tätigkeit ausüben könnten, die Ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht (vergleichbares Einkommen, vergleichbare Qualifikation), kann der Versicherer die Leistung kürzen oder verweigern.

Neu erworbene Fähigkeiten durch eine Umschulung können zeigen, dass Sie tatsächlich in der Lage sind, eine solche andere Tätigkeit auszuüben. Die Versicherungsgesellschaft kann diese neuen Fähigkeiten daher in ihre Betrachtung einbeziehen, um zu prüfen, ob eine Verweisung auf eine andere Tätigkeit möglich ist.

Es kommt dabei immer auf die konkreten Umstände Ihres Einzelfalls, insbesondere aber auf die genauen Regeln und Formulierungen in Ihrem individuellen Versicherungsvertrag an. Einige Verträge haben spezifische Klauseln, die sich auf Umschulungen beziehen, andere nicht. Die Gerichte haben sich in der Vergangenheit bereits mit solchen Fragen beschäftigt und dabei oft darauf abgestellt, was die versicherte Person aufgrund ihrer gesamten Fähigkeiten und Kenntnisse – auch neu erworbener – objektiv noch leisten kann und welche Tätigkeit ihr sozial zumutbar wäre.

Für Sie bedeutet das: Ihre neu erworbenen Fähigkeiten sind potenziell relevant für die Einschätzung Ihrer verbleibenden beruflichen Möglichkeiten.


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Was ist der Unterschied zwischen abstrakter und konkreter Verweisung in der Berufsunfähigkeitsversicherung?

Wenn Sie eine Leistung aus Ihrer Berufsunfähigkeitsversicherung beantragen, weil Sie Ihren Beruf nicht mehr ausüben können, prüft der Versicherer, ob Sie tatsächlich berufsunfähig sind. Ein wichtiger Punkt dabei ist die sogenannte „Verweisung“. Das bedeutet, der Versicherer prüft, ob Sie trotz Ihrer gesundheitlichen Einschränkungen noch eine andere Tätigkeit ausüben könnten. Hier gibt es grundsätzlich zwei Arten: die abstrakte und die konkrete Verweisung.

Was bedeutet Verweisung in diesem Zusammenhang?

Vereinfacht gesagt prüft der Versicherer, ob Sie trotz Ihrer Berufsunfähigkeit in Ihrem zuletzt ausgeübten Beruf noch in der Lage sind, eine andere Tätigkeit auszuüben. Wenn das der Fall ist und bestimmte Bedingungen erfüllt sind, kann der Versicherer die Leistung verweigern oder einstellen. Die Versicherungsbedingungen (AVB) Ihrer Berufsunfähigkeitsversicherung legen fest, ob und in welchem Umfang eine Verweisung möglich ist.

Abstrakte Verweisung: Die theoretische Möglichkeit

Bei der abstrakten Verweisung prüft der Versicherer, ob Sie aufgrund Ihrer Ausbildung, Ihrer Fähigkeiten und Ihrer bisherigen Lebensstellung theoretisch in der Lage wären, eine andere, vergleichbare Tätigkeit auszuüben. Dabei spielt es keine Rolle, ob Sie eine solche andere Tätigkeit tatsächlich ausüben oder ob es überhaupt eine konkrete, offene Stelle für Sie gibt. Es geht allein um die theoretische Möglichkeit.

  • Beispiel: Stellen Sie sich einen Handwerker vor, der wegen einer Knieerkrankung seinen schweren körperlichen Beruf nicht mehr ausüben kann. Bei abstrakter Verweisung würde der Versicherer prüfen, ob dieser Handwerker aufgrund seiner Qualifikationen und Erfahrungen beispielsweise eine leitende Position im Handwerk, eine Tätigkeit im Kundenservice oder eine Büroarbeit ausüben könnte, die seiner früheren Tätigkeit sozial und finanziell vergleichbar ist. Es wird nicht geprüft, ob er tatsächlich einen solchen Job gefunden hat oder finden würde.

Die abstrakte Verweisung ist für Versicherte oft nachteilig. Deshalb ist es wichtig, in den Versicherungsbedingungen darauf zu achten, ob die abstrakte Verweisung ausgeschlossen ist. Viele moderne Berufsunfähigkeitsversicherungen verzichten auf die abstrakte Verweisung.

Konkrete Verweisung: Die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit

Die konkrete Verweisung liegt vor, wenn Sie tatsächlich eine andere Tätigkeit ausüben, nachdem Sie in Ihrem ursprünglichen Beruf berufsunfähig geworden sind. Der Versicherer kann sich dann auf diese neue Tätigkeit berufen, um die Leistung einzustellen oder zu verweigern.

Allerdings sind hierfür strenge Voraussetzungen zu erfüllen. Die neue Tätigkeit muss für Sie zumutbar sein. Das bedeutet insbesondere, dass die neue Tätigkeit Ihrer bisherigen Lebensstellung sozial und finanziell vergleichbar sein muss. Eine Tätigkeit gilt als nicht vergleichbar oder nicht zumutbar, wenn beispielsweise das Einkommen deutlich unter dem liegt, das Sie in Ihrem ursprünglichen Beruf erzielen konnten.

  • Beispiel: Der Handwerker aus dem vorherigen Beispiel beginnt nach Eintritt seiner Berufsunfähigkeit tatsächlich, als Pförtner zu arbeiten. Wenn diese Tätigkeit im Vergleich zu seinem ursprünglichen Handwerksberuf nicht sozial und finanziell vergleichbar ist (z.B. deutlich geringeres Einkommen, geringeres Ansehen), kann der Versicherer die Leistung nicht wegen konkreter Verweisung einstellen. Ist die Tätigkeit aber vergleichbar (was bei einem Wechsel vom Handwerk zum Pförtner eher unwahrscheinlich ist), wäre eine konkrete Verweisung möglich.

Der entscheidende Unterschied im Überblick

Der Hauptunterschied liegt darin, ob der Versicherer Sie auf eine rein theoretisch mögliche Tätigkeit (abstrakte Verweisung) oder auf eine tatsächlich von Ihnen ausgeübte Tätigkeit (konkrete Verweisung) verweist.

  • Bei der abstrakten Verweisung genügt die Möglichkeit, eine vergleichbare Tätigkeit auszuüben – unabhängig davon, ob Sie sie tatsächlich ausüben oder eine Stelle existiert.
  • Bei der konkreten Verweisung müssen Sie die andere Tätigkeit bereits tatsächlich ausüben, und diese muss zudem in ihrer sozialen Wertigkeit und ihrem Einkommen mit Ihrem ursprünglichen Beruf vergleichbar sein.

Ob Ihr Vertrag eine abstrakte Verweisung zulässt oder nicht, ist ein wesentliches Merkmal Ihrer Berufsunfähigkeitsversicherung. Die konkrete Verweisung ist nach deutschem Recht und in der Regel auch in den Versicherungsbedingungen immer möglich, unterliegt aber strengen Anforderungen an die Zumutbarkeit der neuen Tätigkeit.


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Welche Rechte habe ich, wenn meine Berufsunfähigkeitsversicherung die Leistungen einstellt?

Wenn Ihre Berufsunfähigkeitsversicherung die vereinbarten Zahlungen einstellt, ist dies für Sie eine schwierige Situation. Es ist wichtig zu wissen, dass die Entscheidung der Versicherung nicht zwingend endgültig ist und Ihnen bestimmte Rechte zustehen.

Die Versicherung trifft ihre Entscheidung zur Einstellung der Leistungen meist aufgrund einer eigenen Prüfung, oft nach einer erneuten medizinischen Begutachtung. Sie muss Ihnen die Einstellung der Leistungen schriftlich mitteilen und ausführlich begründen. Diese Begründung ist entscheidend, da sie die Basis für Ihr weiteres Vorgehen bildet.

Ein zentrales Recht, das Sie haben, ist das Recht, die Entscheidung der Versicherung prüfen zu lassen. Dafür sollten Sie die schriftliche Mitteilung der Versicherung, die Versicherungsbedingungen (den Vertrag) sowie alle relevanten medizinischen Unterlagen und Dokumente zu Ihrer Berufsunfähigkeit sorgfältig durchsehen. Es ist wichtig, die Begründung der Versicherung genau mit Ihrer persönlichen Situation und den Bedingungen Ihres Vertrages abzugleichen.

Wenn Sie mit der Entscheidung der Versicherung nicht einverstanden sind, weil Sie die Voraussetzungen für die Berufsunfähigkeit nach den Versicherungsbedingungen weiterhin als erfüllt ansehen, können Sie formal Widerspruch gegen die Einstellung der Leistungen einlegen. Wie dieser Widerspruch einzulegen ist und welche Fristen gelten, steht oft in der Mitteilung der Versicherung oder in Ihren Versicherungsbedingungen. Dieser Schritt ermöglicht es der Versicherung, ihre Entscheidung nochmals zu überprüfen.

Sollte der Widerspruch keinen Erfolg haben und die Versicherung bei ihrer Entscheidung bleibt, besteht die Möglichkeit, die Einstellung der Leistungen gerichtlich überprüfen zu lassen. Das bedeutet, Sie können eine Klage vor dem zuständigen Gericht einreichen. In einem Gerichtsverfahren prüft das Gericht dann unabhängig, ob die Voraussetzungen für die Einstellung der Berufsunfähigkeitsrente tatsächlich gegeben waren, basierend auf Ihrem Versicherungsvertrag und Ihrer gesundheitlichen Situation.

Für diese Schritte ist es unerlässlich, dass Sie Ihre Situation detailliert dokumentieren. Dazu gehören alle ärztlichen Berichte, Gutachten, Korrespondenz mit der Versicherung und Aufzeichnungen über Ihre gesundheitlichen Einschränkungen und deren Auswirkungen auf Ihren Beruf. Eine gründliche Dokumentation kann bei der Überprüfung der Versicherungsentscheidung und in einem möglichen Verfahren von großer Bedeutung sein.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Berufsunfähigkeitsversicherung

Eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) ist eine private Versicherung, die bei Eintritt einer Berufsunfähigkeit eine monatliche Rente zahlt, um Einkommensverluste abzufedern. Berufsunfähigkeit bedeutet, dass der Versicherte seinen zuletzt ausgeübten Beruf aufgrund von Krankheit oder Unfall nicht mehr oder nur noch teilweise ausüben kann. Entscheidend sind die im Vertrag vereinbarten Bedingungen (AVB-BU), die regeln, wann und in welchem Umfang Leistungen gezahlt werden. Eine BU dient somit als Schutz vor dem finanziellen Ruin bei dauerhafter eingeschränkter Erwerbsfähigkeit.


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Verweisung (abstrakte und konkrete Verweisung)

Verweisung bezeichnet die Möglichkeit des Versicherers, die Leistung aus der Berufsunfähigkeitsversicherung einzustellen oder zu verweigern, wenn der Versicherte eine andere zumutbare und vergleichbare Tätigkeit ausüben kann. Die abstrakte Verweisung prüft rein theoretisch, ob jemand aufgrund seiner Qualifikation eine andere Tätigkeit ausüben könnte, ohne dass diese Tätigkeit ausgeübt wird. Die konkrete Verweisung setzt voraus, dass der Versicherte tatsächlich eine andere Tätigkeit ausübt, die sozial und finanziell seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Moderne BU-Verträge schließen oft die abstrakte Verweisung aus, erlauben aber die konkrete Verweisung unter engen Voraussetzungen.


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Nachprüfung

Die Nachprüfung ist ein Verfahren, bei dem der Berufsunfähigkeitsversicherer regelmäßig oder auf Antrag überprüft, ob die Voraussetzungen für die Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente weiterhin vorliegen. Dabei werden oft medizinische Gutachten eingeholt und die aktuelle gesundheitliche sowie berufliche Situation des Versicherten bewertet. Ziel ist es, festzustellen, ob die Berufsunfähigkeit noch besteht oder ob sich die Leistungsbeziehung ändern muss. Die Versicherung hat die Beweislast dafür, dass eine Leistungseinstellung rechtmäßig ist.


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Überobligatorische Anstrengung

Eine überobligatorische Anstrengung beschreibt Leistungen oder Maßnahmen, die ein Versicherter freiwillig und über das vertraglich Vereinbarte hinaus unternimmt, beispielsweise durch eine Umschulung nach Eintritt der Berufsunfähigkeit. Das heißt, der Versicherte hat keine vertragliche Pflicht, diese zusätzliche Qualifikation zu erwerben. Im Versicherungsrecht wird diskutiert, ob solche freiwilligen Verbesserungen die Einstellung der Leistung rechtfertigen dürfen. Ohne ausdrückliche vertragliche Regelung können solche Anstrengungen nicht zu Lasten des Versicherten gehen.


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Wahrung der bisherigen Lebensstellung

Die Wahrung der bisherigen Lebensstellung bedeutet, dass eine alternative Tätigkeit, auf die der Versicherer verweisen will, finanziell, sozial und fachlich dem zuletzt ausgeübten Beruf des Versicherten mindestens ebenbürtig sein muss. Dabei werden Aspekte wie Einkommen (vor allem Nettoverdienst), berufliche Stellung, Qualifikation und gesellschaftliches Ansehen einbezogen. Diese Schutzklausel verhindert, dass Versicherte auf Arbeiten mit deutlich geringerem Status oder Gehalt verwiesen werden, was einem sozialen Abstieg gleichkäme. Nur wenn die neue Tätigkeit diese Kriterien erfüllt, ist eine Verweisung rechtlich zulässig.


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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 163 Versicherungsvertragsgesetz (VVG): Regelt die Voraussetzungen und Folgen der Leistungsfreiheit des Versicherers bei Wegfall der Leistungspflicht, insbesondere bei Änderungen der Versicherungsfähigkeit des Versicherten. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Grundlage für die Leistungseinstellung beim Wegfall der Berufsunfähigkeit durch Aufnahme einer versicherungstechnisch zumutbaren Tätigkeit.
  • Allgemeine Versicherungsbedingungen für Berufsunfähigkeitsversicherungen (AVB-BU), insbesondere § 2 Abs. 1 und § 13 Abs. 1: Definieren die Voraussetzungen der Berufsunfähigkeit und erlauben die Verweisung auf eine andere zumutbare Tätigkeit, die der bisherigen Lebensstellung entspricht. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Entscheidend für die Frage, ob neu erworbene Fähigkeiten bei der Verweisung berücksichtigt werden dürfen, da keine Einschränkung bezüglich des Erwerbszeitpunkts der Kenntnisse in den AVB enthalten ist.
  • Grundsatz der abstrakten und konkreten Verweisung: Versicherer darf den Versicherten auf eine andere Tätigkeit verweisen, die dieser im konkreten oder abstrakten Sinne ausüben kann und die zumutbar ist und die frühere Lebensstellung wahrt. | Bedeutung im vorliegenden Fall: ermöglicht dem Versicherer, die Leistung einzustellen, wenn der Versicherte nach Umschulung eine adäquate, seiner bisherigen Stellung entsprechende Beschäftigung ausübt.
  • Beweislast und medizinische Begutachtung: Der Versicherer trägt die Beweislast, dass die Berufsunfähigkeit weggefallen ist, wovon ärztliche Gutachten und Sachverständigeneinschätzungen abhängig sind. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das OLG erkannte durch ein medizinisches Gutachten den Wegfall der Berufsunfähigkeit aufgrund der gesundheitlichen Eignung zur neuen Tätigkeit an.
  • Grundsatz der Vertragsauslegung nach Treu und Glauben (§ 157 BGB): Vertragsbedingungen sind so auszulegen, wie es der verständige Versicherungsnehmer nach Treu und Glauben erwarten darf. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht entschied, dass eine Einschränkung der Verweisung auf vor Versicherungsfall erworbene Fähigkeiten nicht zugunsten des Versicherten angenommen werden kann, da die AVB dies nicht ausdrücklich regeln.
  • Sozialrechtliche Bewertung der Lebensstellung: Die Bewertung, ob die neue Tätigkeit der bisherigen Lebensstellung entspricht, erfolgt anhand von Vergütung, sozialer Wertschätzung und notwendigen Kenntnissen/Fähigkeiten. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die neue Tätigkeit als Maschinenbautechniker entsprach der sozialen und wirtschaftlichen Stellung des Versicherten, was der Leistungsbeendigung zugrunde lag.

Das vorliegende Urteil


OLG Nürnberg – Az.: 8 U 2115/20 – Urteil vom 07.11.2022


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