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Berufshaftpflichtversicherung – Deckungsanspruch unterliegt dreijähriger Verjährung

Deckungsanspruch im Berufshaftpflichtversicherungsrecht: Verjährung des Anspruchs als zentrales Thema im Beschluss des Kammergerichts

Die Auseinandersetzung zwischen einem Architekten und seiner Berufshaftpflichtversicherung über den Anspruch auf Deckung im Zusammenhang mit einem Bauvorhaben bildet den Kern eines Urteils des Kammergerichts (KG) unter dem Aktenzeichen 6 U 191/21 vom 13.01.2023. In dem Fall stritten die Parteien über die Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Versicherungsschutzes durch die Beklagte. Im Zentrum des Disputs steht die Frage, ob die Ansprüche des Klägers aufgrund einer dreijährigen Verjährungsfrist erloschen sind.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 6 U 191/21 >>>

Vertragsbeziehung und Ablehnung des Versicherungsschutzes

Seit dem 1. August 1999 bestand zwischen den Parteien eine Berufshaftpflichtversicherung. Die Beklagte lehnte jedoch den Versicherungsschutz mit Schreiben vom 13. Mai 2009 ab.Der Grund dafür war, dass der Kläger im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben nicht selbst, sondern als Partner eines anderen Architekturbüros tätig war. Dieses andere Büro hatte eine separate Versicherung. In den darauffolgenden Jahren wechselten die Parteien weitere Schreiben, wobei die Beklagte die Leistung dauerhaft verweigerte.

Entscheidung des Landgerichts Berlin und Berufung

Das Landgericht Berlin wies die Klage des Architekten ab, da die Beklagte die Leistung wegen des streitgegenständlichen Schadensereignisses dauerhaft verweigern durfte und die Ansprüche des Klägers verjährt waren. Der Kläger legte gegen diese Entscheidung Berufung ein, was das Kammergericht aber als offensichtlich aussichtslos einstufte und daher die Berufung zurückzuweisen beabsichtigte.

Frage des Stillhalteabkommens

Ein zentraler Punkt in der Berufung war die Frage, ob ein verjährungshemmendes Stillhalteabkommen zwischen den Parteien bestand. Der Kläger konnte dies jedoch nicht hinreichend nachweisen. Nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) ist ein solches Abkommen nur anzunehmen, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, die hier nicht gegeben waren.

Schlusswürdigung und Bedeutung des Falles

Die Entscheidung des Kammergerichts hebt die Wichtigkeit der Verjährungsfristen im Versicherungsrecht hervor, insbesondere im Kontext der Berufshaftpflichtversicherung. Sie unterstreicht, dass sowohl Versicherer als auch Versicherte sich genau über die Bedingungen und Fristen im Klaren sein müssen. Dieser Fall illustriert auch, wie komplex die juristischen Fragen im Versicherungsrecht sein können, vor allem, wenn es um die Interpretation von Vertragsbedingungen und die Anwendung von Verjährungsvorschriften geht.


Das vorliegende Urteil

KG – Az.: 6 U 191/21 – Beschluss vom 13.01.2023

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 1. September 2021, Az. 23 O 439/13, gemäß § 522 Absatz 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

2. Es ist beabsichtigt den Streitwert für die Berufungsinstanz auf EUR 511.291,88 festzusetzen.

3. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt mit der Berufung von der beklagten Versicherungsgesellschaft weiterhin eine Deckungszusage aus einem zwischen den Parteien bestehenden Berufshaftpflichtversicherungsvertrag.

Ausweislich eines Nachtrages vom 3. Juli 2000 zur Versicherungsnummer ### bestand zwischen den Parteien seit dem 1. August 1999 eine Berufshaftpflichtversicherung. Der Kläger, von Beruf Architekt, ist darin unter seiner Anschrift in der ### in ### als Versicherungsnehmer geführt, unter der Überschrift „Berufs-Haftpflicht“ ist ein „Architekturbüro“ aufgeführt.

Mit Schreiben vom 17. April 2008 zeigte der Kläger der Beklagten an, dass er mit Anwaltsschreiben vom 14. April 2008 auf Schadensersatz wegen mangelhafter Architektenleistungen im Zusammenhang mit einem Bauvorhaben in der ### in ### in Anspruch genommen werde. Mit Schreiben vom 13. Mai 2009, dem Kläger am 15. Mai 2009 zugegangen, lehnte die Beklagte den Versicherungsschutz ab, da der Kläger im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben nicht selbst, sondern als Partner eines anderen Architekturbüros tätig gewesen sei, welches eine separate Versicherung unterhalte. Zwischen den Parteien wurden in der Folge der Leistungsablehnung weitere Schreiben gewechselt, bis die Beklagte unter dem 2. Oktober 2012 unter Bezugnahme auf ihr Schreiben vom 13. Mai 2009 die Deckung ablehnte.

Unter dem 18. November 2013 erhob der Kläger sodann die verfahrensgegenständliche Klage beim Landgericht Berlin, die der Beklagten unter dem 27. Januar 2014 zugestellt worden ist. Der Kläger beantragte damit zunächst sinngemäß, die Beklagte zu verurteilen, ihm Versicherungsschutz wegen der gegen ihn gerichteten Ansprüche im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben ### in ### zu gewähren. Nachdem am Schluss der mündlichen Verhandlung am 19. Dezember 2014 Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 13. Februar 2015 anberaumt worden ist, hat das Landgericht auf Antrag des Klägers vom 12. Januar 2015, mit Einverständnis der Beklagten, mit Beschluss vom 30. Januar 2015 das Ruhen des Verfahrens angeordnet.

Unter dem 28. April 2015 und dem 31. März 2020 schrieb der Klägervertreter den Beklagtenvertreter an. Mit Schreiben vom 30. April 2020 lehnte die Beklagte die Gewährung von Versicherungsschutz ab und erhob die Einrede der Verjährung. Am 28. Oktober 2020 beantragte der Kläger sodann die Fortsetzung des Rechtsstreits. Nachdem der Kläger einen Vergleich mit der Bauherrin des Bauvorhabens ### wegen der gegen ihn gerichteten Ansprüche geschlossen hatte, beantragte der Kläger nunmehr ihm Versicherungsschutz nach Maßgabe des zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrages, ferner auch im Zusammenhang mit der abgeschlossenen Vergleichsvereinbarung vom 29. März/1. April 2021 zu gewähren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere dargelegt, dass etwaige Ansprüche des Klägers verjährt seien, nachdem die Beklagte sich hierauf berufen habe.

Der Kläger hat gegen das ihm am 3. September 2021 zugestellte Urteil des Landgerichts Berlin mit am 1. Oktober 2021 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und die Berufung mit am 29. Dezember 2021 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz begründet, nachdem die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 3. Januar 2022 verlängert worden war. Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Anliegen weiter. Zur Begründung macht er insbesondere geltend, dass die Verjährung aufgrund schwebender Verhandlungen zwischen den Parteien gehemmt gewesen sei und es der Beklagten überdies nach Treu und Glauben versagt sei, sich auf die Einrede der Verjährung zu berufen.

Der Kläger beantragt, die angefochtene Entscheidung abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm Versicherungsschutz nach Maßgabe des streitgegenständlichen Versicherungsvertrages, ferner auch im Zusammenhang mit der abgeschlossenen Vergleichsvereinbarung vom 29. März/1. April 2021 (Anlage K62) zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien samt Anlagen und auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers hat nach dem einstimmigen Ergebnis der Vorberatung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

1. Die Berufung ist zulässig. Insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 517, 519, 520 ZPO).

2. Sie ist indes in der Sache unbegründet. Die Berufung kann gemäß § 513 Absatz 1 ZPO nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht oder gemäß § 529 ZPO zu berücksichtigende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Beide Voraussetzungen liegen offensichtlich nicht vor. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die Beklagte darf wegen des streitgegenständlichen Schadensereignisses die Leistung aus dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrag dauerhaft verweigern, da etwaige Ansprüche des Klägers insoweit verjährt sind. Das Berufungsvorbringen führt zu keiner abweichenden Beurteilung.

a) Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass sich die Beklagte mit Erfolg auf die Einrede der Verjährung berufen kann, wobei offen bleiben kann, ob die Verjährung sich vorliegend nach § 12 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag vom 30. Mai 1908 in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Januar 1964 (im Folgenden: § 12 VVG a.F.) bzw. § 10 der AHB Stand 1/95 oder nach § 195 BGB richtet. Selbst unter Zugrundelegung der für den Kläger günstigen Annahmen einer dreijährigen Regelverjährung und der endgültigen Leistungsverweigerung durch das Ablehnungsschreiben vom 2. Oktober 2012 war die Verjährung jedenfalls bereits eingetreten, als der Klägervertreter sich mit Schreiben vom 31. März 2020 wieder an den Beklagtenvertreter wandte und erst Recht als er mit seinem Antrag vom 28. Oktober 2020 begehrte, das Verfahren wieder aufzunehmen.

aa) Die Verjährungsfrist beginnt – unabhängig von der Frage, ob vorliegend die für Altfälle geltende Vorschrift des § 12 VVG a.F. bzw. § 10 der AHB Stand 1/95 oder die dreijährige Regelverjährung nach § 195 BGB anzuwenden ist – mit dem Schluss des Jahres der Fälligkeit zu laufen, also erst nachdem der Gläubiger gegen den Versicherungsnehmer Haftpflichtansprüche ernsthaft geltend gemacht hat (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 1976 – IV ZR 123/74, BeckRS 1976, 30382982; Beckmann/Matusche-Beckmann/v. Rintelen, Versicherungsrechts-Handbuch, 3. Auflage 2015, § 26 Rn. 217). Dies war hier der 31. Dezember 2008. Denn der Kläger wurde ausweislich seiner Schadensanzeige vom 17. April 2008 ernstlich, nämlich mit Anwaltsschreiben der Vertreter der Bauherrin des Bauvorhabens ### auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Dies war ihm insoweit auch bewusst, als er die Beklagte hierüber mit seiner Schadensanzeige informierte und in der Folge Deckungsschutz begehrte. Der Versicherungsschutz stand ihm grundsätzlich nach § 1 Nr. 1 der AHB Stand 1/95 in dem Moment zu, als er von einem Dritten wegen eines Schadensereignisses in Anspruch genommen wurde.

bb) Die Verjährung war sodann für die Dauer der Leistungsprüfung nach § 15 VVG gehemmt, bis die Beklagte hier mit Schreiben vom 13. Mai 2009, dem Kläger unter dem 15. Mai 2009 zugegangen, ihre Eintrittspflicht ablehnte.

Geht man zugunsten des Klägers davon aus, dass die Beklagte sodann unmittelbar in eine erneute Sachprüfung eingetreten ist, so endete die Hemmung gemäß § 15 VVG jedoch spätestens, als sie ihre Einstandspflicht erneut unter dem 2. Oktober 2012 ablehnte.

Bei Zugrundelegung dieser für den Kläger günstigeren Variante wurde der Lauf der Verjährung zunächst durch die Klageerhebung am 18. November 2013 gehemmt. Die Voraussetzungen des § 167 ZPO dürften vorliegen, so dass die unier dem 27. Januar 2014 erfolgte Klagezustellung für den Beginn dieser Hemmungsperiode nicht entscheidend ist.

Allerdings endete diese erneute Hemmung sechs Monate nach dem Beschluss des Landgerichts vom 30. Januar 2015, mit dem das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden ist. Denn insoweit bestimmt § 204 Absatz 2 Satz 3 in Verbindung mit Satz 1 BGB, dass das Ende der durch die Klageerhebung eingetretene Hemmung sechs Monate nach der letzten Verfahrenshandlung eintritt. Dies war hier der vorgenannte Beschluss vom 30. Januar 2015, so dass die Verjährung am 31. Juli 2015 erneut zu laufen begann.

(1) Soweit die Berufung vorträgt, zwischen den Parteien hätten bereits vor dem 30. Januar 2015 Verhandlungen über den Anspruch geschwebt, weshalb die Verjährung auch nach § 203 BGB gehemmt gewesen sei, führt dies zu keinem für den Kläger günstigen Ergebnis.

Zwar ist der in dieser Bestimmung verwendete Begriff dar „Verhandlungen“ nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs weit auszulegen. Verhandlungen schweben danach schon dann, wenn eine der Parteien Erklärungen abgibt, die der jeweils anderen die Annahme gestatten, der Erklärende lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung des Anspruchs oder dessen Umfang ein. Nicht erforderlich ist, dass dabei Vergleichsbereitschaft oder Bereitschaft zum Entgegenkommen signalisiert wird oder dass Erfolgsaussicht besteht (vgl. nur BGH, Urteil von 14. Juli 2009 – XI ZR 18/08, BGHZ 182, 76 = VersR 2010, 775, 776). Notwendig ist indessen ein zweiseitiger kommunikativer Prozess, sodass das Angebot zu Verhandlungen oder gar Vorschläge zu einem konkreten Entgegenkommen noch keine Verhandlung sind, wenn es bzw. sie unerwidert bleiben (BeckOGK/Meller-Hannich, BGB, 2022, § 203 Rn. 17). Die vom Kläger vorgelegten außergerichtlichen Schreiben lassen eine zweiseitige Kommunikation nicht deutlich erkennen. Der Klägervertreter hat, insbesondere in seinem Schriftsatz vom 2. Januar 2015, lediglich erklärt, dass sein Mandant an einer einvernehmlichen Streitbeilegung interessiert sei. Die Beklagte hat mit Schriftsätzen vom 8. und 21. Januar 2015 einzig im Zusammenhang mit dem Ruhen des Verfahrens ihr Einverständnis erklärt, sich indes zum streitgegenständlichen Anspruch oder den Vergleichswünschen nicht verhalten. Dabei handelt es sich aber um eine verfahrensrechtliche Frage, die mit der inhaltlichen Auseinandersetzung über den in Rede stehenden Anspruch schon nichts zu tun hat. Auf die Beantwortung der Frage, ob das erklärte Einverständnis zu einem anderen Zweck erfolgen könnte, als der Ermöglichung der genaueren Bezifferung der Schadenssumme im Haftpflichtverhältnis und damit der Schaffung einer Verhandlungsgrundlage für das Deckungsverhältnis, kommt es insoweit nicht an.

Ungeachtet dessen, ist die Vorschrift des § 203 BGB – wonach eine Verjährungshemmung eintritt, sofern zwischen den Parteien Verhandlungen über streitgegenständliche Ansprüche stattfinden – nach der Gesetzessystematik nicht anwendbar, wenn – wie hier – die Verjährung durch Rechtsverfolgung gehemmt worden ist. Andernfalls würden Sinn und Zweck der Regelung des § 204 Absatz 2 Satz 3 BGB unterlaufen und der durch die Regelung des § 204 Absatz 2 BGB bezweckte Schutz der Rechtssicherheit nicht gewahrt (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 1999 – XII ZR 113/97, NJW 1999, 1101, 1102). In einer derartigen Situation hat es der Kläger in der Hand, der Gefahr der wirksamen Erhebung der Verjährungseinrede zu begegnen, indem er entweder das Verfahren wieder rechtzeitig betreibt oder einen (ggf. weiteren) Verjährungsverzicht mit der beklagten Partei vereinbart. Insoweit ist § 204 BGB lex specialis zu § 203 BGB, mit der Folge, dass letztere Norm keine Anwendung findet.

(2) Auch nach dem 30. Januar 2015 schwebten keine die Verjährung hemmenden Verhandlungen über den Anspruch zwischen den Parteien. Die Beklagte hat sich nach dem Beschluss des Landgerichts vom 30. Januar 2015 nicht mehr beim Kläger gemeldet. Der Kläger selbst hat mit Schriftsätzen vom 23. Februar und sodann zuletzt vom 28. April 2015 der Beklagten Mitteilungen gemacht und um Stellungnahme der Beklagten zu einer im Haftpflichtverhältnis erstrebten Lösung gebeten. Die Beklagte hat sich – soweit erkennbar – hierzu nicht erklärt, insoweit fehlt es auch hier an einer zweiseitigen Kommunikation. Ungeachtet dessen aber endet die Hemmung noch § 203 Satz 1 BGB auch gleichsam durch das Einschlafen der Verhandlungen. Das ist der Zeitpunkt, in dem spätestens eine Erklärung der anderen Seite zu erwarten gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 – VII ZR 285/12, NJW-RR 2014, 981, 982). Hier hatte sich der Klägervertreter zuletzt mit seinem Schriftsatz vom 28. April 2015 dem Beklagtenvertreter gegenüber erklärt, wobei auch dies schon nicht zum verfahrensgegenständlichen Anspruch im engeren Sinne erfolgte. Der Beklagtenvertreter ist auf die Angelegenheit nicht zurückgekommen, was allerdings unter gewöhnlichen Bedingungen spätestens zwei Wochen später zu erwarten gewesen wäre. Wollte man § 203 BGB anwenden, endeten damit die unterstellten Verhandlungen und damit die Hemmung jedenfalls mit Ablauf des 12. Mai 2015 und damit sogar früher, als die Hemmung durch die gerichtliche Geltendmachung nach § 204 Absatz 2 BGB.

(3) Schließlich kann das Verhalten der Beklagten nicht dahingehend verstanden werden, dass sie an ihrer früheren Leistungsablehnung nicht habe festhalten wollen oder aber gar in eine erneute Leistungsprüfung habe einsteigen wollen. Die Beklagte hat erklärt, mit dem Ruhen des Verfahrens einverstanden zu sein. In dieser allein prozessual relevanten Erklärung ist keine Erklärung zu dem vom Kläger verfolgten Anspruch zu erblicken.

(4) Der von der Berufung geltend gemachte Abschluss eines Stillhalteabkommens im Sinne eines Verjährungsverzichts ist nicht hinreichend nachgewiesen. Ein verjährungshemmendes Stillhalteabkommen ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nur anzunehmen, wenn der Schuldner auf Grund einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung berechtigt sein soll, vorübergehend die Leistung zu verweigern, und der Gläubiger sich umgekehrt der Möglichkeit begeben hat, seine Ansprüche jederzeit weiterzuverfolgen (BGH, Urteil vom 6. Juli 2000 – IX ZR 134/99, NJW 2000, 2661). Eine solche Vereinbarung kann auch „stillschweigend“ durch schlüssiges Verhalten getroffen werden. Hierfür muss aber ein äußeres Verhalten festgestellt werden, welches als Ausdruck einer solchen einvernehmlichen Entschließung ausgelegt werden kann. Bei Würdigung der einzelnen Umstände kann nach §§ 133, 157 BGB eine solche Vereinbarung der Parteien nicht erkannt werden. Sie ist insbesondere nicht anhand der Erklärung der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 8. Januar 2015 zu belegen, wonach Einverständnis mit dem Ruhen des Verfahrens besteht, damit dem Kläger genügend Zeit verbleibt im Haftungsverhältnis die notwendigen Klärungen vorzunehmen. Ungeachtet der möglichen Deutung, dass dem Kläger damit letztlich ermöglicht werden könnte, die ihn treffende Schadensersatzpflicht zu beziffern, um in Kenntnis dessen Vergleichsverhandlungen mit der Beklagten führen zu können, bleibt der Umstand, dass die Beklagte diese Erklärung mit Blick auf ihre Zustimmung zu einem Ruhen des Verfahrens abgegeben hat. Den anwaltlich vertretenen Parteien war insoweit bewusst, dass in der Folge die durch die Klageerhebung bewirkte Hemmung mit Ablauf von sechs Monaten zu einem Ende käme. Wie die Berufung zu dem Schluss kommt, dass die Beklagte damit erklärt hätte, erneut in die Leistungsprüfung einsteigen zu wollen, ist unerfindlich. Denn der streitgegenständliche Anspruch selbst ist in keiner Weise Gegenstand der Erklärung.

cc) Dass die Beklagte den Kläger nicht gemäß § 186 VVG auf die Verjährungsfrist für Leistungsansprüche hingewiesen hat, hindert nicht die Erhebung der Einrede der Verjährung. Denn § 186 VVG gilt allein für die Unfallversicherung. Der Kläger macht jedoch Ansprüche aus einem Haftpflichtversicherungsverhältnis geltend.

dd) Der Einrede der Verjährung steht schließlich auch der Einwand der Treuwidrigkeit nicht entgegen. Die Verjährungseinrede mag im Ausnahmefall zwar unbeachtlich sein, wenn sie gegen das Verbot der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) verstößt. Der Zweck der Verjährungsregelung verlangt es jedoch, an diesen Einwand strenge Anforderungen zu stellen, so dass dieser einen groben Verstoß gegen Treu und Glauben voraussetzt (vgl. etwa BGH, Urteil vom 21.6.2001 – IX ZR 73/00, BGHZ 148, 156 = NJW 2001, 3543, 3545; Urteil vom 1. Oktober 1987 – IX ZR 202/86, NJW 1988, 265, 266). Dies kann der Fall sein, wenn der Schuldner den Gläubiger von der rechtzeitigen Geltendmachung seiner Forderung abgehalten hat, etwa indem er den Gläubiger nach objektiven Maßstäben zur Annahme veranlasst hat, der Anspruch werde auch ohne Rechtsstreit erfüllt (vgl. BGH, Urteil vom 21.6.2001 – IX ZR 73/00, BGHZ 148, 156 = NJW 2001, 3543, 3545). Die Verjährungseinrede ist aber nicht allein deswegen ein Rechtsmissbrauch, weil der Schuldner zum geltend gemachten Anspruch geschwiegen hat oder der Gläubiger der Ansicht war, er könne mit der Betreibung des gerichtlichen Verfahrens noch zuwarten (vgl. BGH, Urteil vom 14. November 2013 – IX ZR 215/12, DStR 2014, 1023, 1024; Urteil vom 1. Oktober 1987 – IX ZR 202/86, NJW 1988, 265, 266).

Ein derartiger Vertrauenstatbestand ist vorliegend ebenso wenig ersichtlich, wie das Vorliegen eines von der Berufung als „Schwebezustand“ bezeichneten Unklarheit über die Verjährungsfrage. Es bleibt nicht ersichtlich, woraus der Kläger Verhandlungen mit der Beklagten über den streitgegenständlichen Anspruch herleitet. Denn die aus den Schriftsätzen des Klägers ersichtlichen Vergleichswünsche sind einseitige Erklärungen geblieben, zu denen die Beklagte sich nicht geäußert hat. Entgegen der Berufung ist es zudem der Gläubiger eines Anspruches, der im Falle einer drohenden Verjährung die Aufgebe hat, zur Sicherung seiner eigenen Rechtsposition verjährungshemmende Maßnahmen zu ergreifen. Es bedurfte daher allenfalls einer Handlung des Klägers, um einen – hier freilich schon nicht bestehenden – etwaigen „Schwebezustand“ zu beenden. Die Erhebung der Verjährungseinrede ist auch nicht deshalb treuwidrig, weil (auch) die Beklagte dem Landgericht gegenüber erklärt hatte mit einem Ruhen des Verfahrens einverstanden zu sein; auch nicht, aufgrund der diesem Einverständnis gegenüber dem Kläger beigelegten Begründung, um dem Kläger Zeit für die Klärung offener Fragen im Haftpflichtverhältnis zu erlauben. Ein Verzicht auf die Einrede der Verjährung war mit dieser Erklärung der Beklagten wie gezeigt nicht verbunden; sie hat damit lediglich zum Ausdruck gebracht, nicht auf den Fortgang des Verfahrens zu bestehen. Die Verantwortung für das Betreiben des Prozesses lag unabhängig von der Erklärung der Beklagten allein im Verantwortungsbereich des Klägers. Wenn dann zudem – wie hier – der Kläger und nicht etwa die Beklagte vermeintliche Vergleichsverhandlungen bzw. den Kontakt einschlafen lässt, ist für die Annahme eines treuwidrigen Verhaltens des Beklagten erst Recht kein Raum (vgl. BGH, Urteil vom 16. März 2009 – II ZR 32/08, NJW 2009, 1598, 1601).

3. Der Senat weist auf KV Nr. 1222 der Anlage 1 zu § 3 Absatz 2 GKG hin, wonach sich die Gerichtsgebühren für das Berufungsverfahren bei Rücknahme der Berufung halbieren.

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