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Kaskoversicherung – Indizien für die Vortäuschung eines Vandalismusschadens

LG Aachen – Az.: 9 O 328/11 – Urteil vom 16.03.2012

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages-

Tatbestand

Zwischen dem Kläger und der Beklagten bestand ein Kaskoversicherungsvertrag für einen Mercedes E 280.

Am 28.12.2010 erstattete der Kläger bei der Polizeidienststelle in T Anzeige gegen Unbekannt wegen vermeintlicher Beschädigung des Mercedes durch Vandalismus. Der Kläger meldete den vermeintlichen Versicherungsfall und verlangte von der Beklagten die Zahlung der Reparaturkosten auf Gutachtenbasis in Höhe von 5.764,60 Euro netto.

Die Beklagte trat in die Leistungsprüfung ein und befragte den Kläger zu Vorschäden. Daraufhin nannte er einen weiteren Vandalismusschaden von Anfang 2010, wonach das Fahrzeug von blau in schwarz umlackiert wurde und einen fremdverschuldeten Unfall vom 22.11.2010. Der Kläger überreichte ein privates Nachgutachten des Sachverständigen B zum Unfall vom 22.11.2010, in dem es u. a. hieß, dass das Fahrzeug „gutachtenabweichend instandgesetzt“ worden sei.

Die Beklagte forschte weiter nach und erfuhr von folgenden weiteren vom Kläger gemeldeten und von Versicherern regulierten Schäden:

01./02.08.2004: Vandalismusschaden in der Türkei, bei dem ein Audi des Klägers rundum zerkratzt worden sein soll.

22.03.2006: Fremdverschuldeter Unfall mit einem Mercedes E 320 des Klägers, beim dem es zu einem Heckschaden gekommen sein soll.

18.03.2007: Vandalismusschaden in B, bei dem ein Mercedes E 320 des Klägers rundum zerkratzt worden sein soll. Die A-Versicherung regulierte auf Basis von 5.300,00 Euro brutto.

31.10.2007: Fremdverschuldeter Unfall mit Mercedes E 320 des Klägers, bei dem es zu einem Heckschaden gekommen sein soll.

28.12.2009: Vandalismusschaden an dem Mercedes E 280 des Klägers, der rundum zerkratzt worden sein soll. Die E E1-Versicherung regulierte auf Basis von 7.300,00 Euro brutto.

15.01.2010: Unfall, bei dem der Schädiger beim Ausparken den Mercedes 280 des Klägers an der rechten Seite beschädigt haben soll. Der Schaden wurde mit 4.800,00 Euro brutto beziffert.

22.11.2010: Unfall, bei dem ein Herr F beim Ausparken den Mercedes E 280 des Klägers an der rechten Seite beschädigt haben soll. Der Schaden wurde mit 6.600,00 Euro brutto beziffert.

Mit Schreiben vom 29.07.2011 wies die Beklagte die Ansprüche des Klägers zurück. Der Kläger widersprach dem und erklärte zugleich sein Einverständnis mit einer Instandsetzung des Mercedes in einer von der Beklagten zu benennenden Werkstatt.

Kaskoversicherung - Indizien für die Vortäuschung eines Vandalismusschadens
Symbolfoto: Von cunaplus/Shutterstock.com

Der Kläger behauptet, den Mercedes im Mai 2009 von der Z-Automobile GmbH gegen Barzahlung übereignet bekommen zu haben. Weiter behauptet er, am 28.12.2010 den Mercedes E 280 gegen 16:30 Uhr auf der Parkfläche S-mühle/E-gasse geparkt zu haben. Als er gegen 17:30 Uhr zurückgekehrt sei, habe er das Fahrzeug rundum zerkratzt vorgefunden. Diese Kratzer seien bei Abstellen des Fahrzeugs noch nicht vorhanden gewesen. Vorschäden seien nicht vorhanden gewesen. Nach dem Vandalismusschaden vom 28.12.2009 sei das Fahrzeug sachgerecht umlackiert worden. Die Reparaturkosten betrügen netto 5.764,60 Euro.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.764,60 Euro nebst Jahreszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 13.07.2011 zu zahlen sowie an ihn außergerichtliche, nicht erstattungsfähige Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 285,24 Euro nebst Jahreszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, dass der Kläger zum Zeitpunkt des vermeintlichen Schadensereignisses nicht Eigentümer des Mercedes E 280 gewesen sei. Weiter behauptet die Beklagte, dass der angebliche Vandalismusschaden nur vorgetäuscht sei. Dafür sprächen folgende Umstände: Für die Beschädigung wurde mehrfach neu angesetzt, was untypisch sei. Es gebe eine Vielzahl der Vorschäden, die ebenfalls nur vorgetäuscht seien. Auch sei anschließend nicht fachgerecht repariert worden. Die Beklagte ist der Ansicht, auch deswegen leistungsfrei zu sein, weil der Kläger die Vorschäden nur „scheibchenweise“ eingeräumt habe. Wegen der Einzelheiten wird auf die chronologische Aufzählung der Beklagten auf den Seiten 8 und 9 des Schriftsatzes der Beklagten vom 31.10.2011 (Bl. 49 f.) verwiesen. Die erforderlichen Reparaturkosten betrügen laut Gutachten des TÜV nur 3.097,24 Euro.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Klage ist zulässig. Der Kläger ist Versicherungsnehmer und legt seine Eigentümerstellung zum maßgeblichen Zeitpunkt schlüssig dar. Eine Beweisaufnahme zur Eigentümerstellung konnte unterbleiben, da die Klage bereits aus anderen Gründen nicht begründet ist.

Unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt kann der Kläger von der Beklagten Leistungen aus dem Kaskoversicherungsvertrag wegen des vermeintlichen Vandalismusschadens verlangen.

Die Beweislast für einen Versicherungsfall trägt grundsätzlich der Versicherungsnehmer. Damit sein Versicherungsschutz in einem Fall, wie er hier behauptet wird, nicht entwertet wird, kommen ihm jedoch Beweiserleichterungen zugute. Es genügt, dass Tatsachen feststehen, aus denen sich das äußere Bild des Versicherungsfalls mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erschließen lässt. Ist das äußere Bild bewiesen, so muss der Versicherer seinerseits Tatsachen beweisen, aus denen sich die erhebliche Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung des Versicherungsfalls ergibt. Hierbei ist zu beachten, dass der Versicherer nicht die Vortäuschung an sich voll zu beweisen hat, sondern lediglich die erhebliche Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung. Gelingt der Versicherung dieser Beweis, muss der Versicherungsnehmer den vollen Beweis des Versicherungsfalls erbringen. Die erhebliche Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung kann sich insbesondere ergeben aus der Person des Anspruchstellers bzw. seines Repräsentanten, seinem Verhalten bzw. dem Verhalten seines Repräsentanten aus den Tatumständen oder aus Widersprüchen zwischen dem Vortrag des Versicherungsnehmers und den Zeugenaussagen.

Es kann dahinstehen, ob dem Kläger der Nachweis eines äußeren Bildes des Vandalismusschadens gelungen ist.

Das Gericht hat aufgrund folgender Indizien Zweifel am Sachvortrag des Klägers, so dass von einer erheblichen Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung des Vandalismusschadens auszugehen ist: Zunächst fällt auf, dass das äußere Bild nicht typisch ist für einen Vandalismusschaden. Hier wurde mit dem beschädigenden Werkzeug mehrfach angesetzt, um das Fahrzeug rundum zu zerkratzen. Es ist ungewöhnlich, dass sich jemand so viel Zeit nimmt, um ein Auto nur zu zerkratzen. Hinzu kommt, dass der Kläger zunächst fiktiv abrechnen wollte. Das Abrechnen auf fiktiver Basis ist zwar das Recht eines Geschädigten und für sich genommen nicht verdachtsbegründend. Es ist aber zu sehen, dass in Fällen, in denen nachgewiesenermaßen Schadensfälle fingiert bzw. manipuliert wurden, in den überwiegenden Fällen von Seiten des vermeintlich Geschädigten die Abrechnung auf Gutachtenbasis verlangt wird. Letztlich entscheidend für einen fingierten Versicherungsfall sprachen jedoch Anzahl und Art der Vorschäden. So hat der Kläger angeblich innerhalb von gut sechs Jahren zehn Schadensfälle gemeldet. Mit dem hier vorliegenden Fall würde es sich allein um den vierten Vandalismusschaden handeln. Das ist für sich genommen schon ungewöhnlich, wird aber gänzlich unglaubhaft, wenn man betrachtet, dass sich auch noch das Schadensbild jeweils ähnelt: In allen Fällen wurden die Fahrzeuge des Klägers rundum beschädigt und es wurden teilweise mit 5.300,00 Euro brutto und 7.300,00 Euro brutto beachtliche Schadenssummen geltend gemacht. Bezahlt wurden die Versicherungsleistungen unter anderem von der A- Versicherung, der E E1-Versicherung und der Beklagten. Zusätzlich zu den Vandalismusschäden hat der Kläger weitere vier Unfallschäden gemeldet. Bei zwei Unfällen innerhalb von gut zehn Monaten soll jeweils die rechte Seite des geparkten Fahrzeugs des Klägers beschädigt worden sein. In zwei weiteren Fällen soll der Pkw des Klägers jeweils einen Heckschaden erlitten haben. Eine solche Schadenhäufung ist ungewöhnlich und mit der normalen Lebenswahrscheinlichkeit nicht Einklang zu bringen.

Es mag dahinstehen, ob die genannten Indizien bereits für sich jeweils alleine ausreichen, um eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für die Vortäuschung des Versicherungsfalls zu begründen. Jedenfalls bei einer Gesamtschau begründen die Indizien ein solches Maß an Zweifeln an der klägerischen Darstellung, dass von einer erheblichen Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung des Vandalismusschadens ausgegangen werden muss. Es mag einzelne Punkte geben, für die die gegebenen Erklärungsversuche nachvollziehbar sind. Jedoch in der Gesamtschau der Indizien und angesichts der Vielzahl der verdachtserregenden Umstände ist das Gericht vom Vorliegen eines vorgetäuschten Schadens überzeugt.

Unter diesen Umständen hätte der Kläger den vollen Beweis dafür führen müssen, dass das Kraftfahrzeug tatsächlich in von ihm nicht zu vertretender Weise beschädigt worden ist. Diesen Beweis kann der Kläger nicht führen. Hierfür stehen dem Kläger keine geeigneten Beweismittel zur Verfügung. Die vom Kläger benannten Beweismittel sind lediglich geeignet, das äußere Bild zu beweisen. Den Vollbeweis für einen von ihm nicht zu vertretenden Vandalismusschaden kann der Kläger damit nicht führen.

Es kann daher dahinstehen, ob Obliegenheitsverletzungen, die eine Leistungspflicht der Beklagten ausschließen, vorliegen.

Die Nebenforderungen teilen das Schicksal des Hauptantrags.

II.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.

III.

Streitwert: 5.764,60 Euro

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