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Auslandsreise-Krankenversicherung – Notwendigkeit Rücktransport mit Charterflugzeug

OLG Hamm – Az.: I-20 U 37/18 – Urteil vom 15.03.2019

Die Berufung der Beklagten gegen das am 08. Februar 2018 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung restlicher Kosten für einen Rücktransport aus dem Ausland mit einem Charterflugzeug. Sie unterhält seit 1994 bei der Beklagten eine Auslandsreise – Krankenversicherung.

Nach den vertraglichen Vereinbarungen besteht Versicherungsschutz unter anderem bei einem im Ausland unvorhergesehen eintretenden Versicherungsfall, welcher als medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen definiert ist.

Die Leistungen der Beklagten sehen unter anderem einen Rücktransport aus dem Ausland vor. Die entsprechende Klausel in den Versicherungsbedingungen der Beklagten (§ 4 Nr. 2) lautet wie folgt: „Die Mehrkosten eines medizinisch notwendigen und ärztlich angeordneten Rücktransports aus dem Ausland werden erstattet, wenn an Ort und Stelle bzw. in zumutbarer Entfernung eine ausreichende medizinische Behandlung nicht gewährleistet und dadurch eine Gesundheitsschädigung zu befürchten ist. Zusätzlich werden die Mehrkosten für eine Begleitperson erstattet, wenn die Begleitung medizinisch notwendig und ärztlich angeordnet ist. Die Rückführung muss an den ständigen Wohnsitz oder in das von dort nächsterreichbare geeignete Krankenhaus erfolgen. Soweit medizinische Gründe nicht entgegenstehen, ist das jeweils kostengünstigste Transportmittel zu wählen.“

Als vertragliche Serviceleistung bietet die Beklagte zudem einen 24 Stundennotruf sowie die „Organisation des Krankenrücktransportes“ an.

Die Klägerin erlitt am 03.07.2015 in Rumänien als Radfahrerin einen Verkehrsunfall, bei dem sie u.a. eine Schlüsselbeinfraktur, eine Rippenserienfraktur mit Pneumothorax und eine Lungenkontusion erlitt.

Ihr Vater beantragte bei der Beklagten telefonisch einen Rücktransport. Dies wurde von der Beklagten unter Hinweis darauf, dass nach Auskunft eines Arztes in Rumänien die Klägerin bald aus der stationären Behandlung entlassen werden könne, abgelehnt, was objektiv nicht zutraf.

Aufgrund der Weigerung der Beklagten setzte sich der Vater der Klägerin mit der B Versicherungs-AG in Verbindung. Diese teilte dem Vater mit, dass nach ihren Recherchen die beiden am nächsten zu dem Krankenhaus gelegenen Flughäfen in Rumänien nicht von Linienflugzeugen angeflogen werden würden, welche die Möglichkeit eines Liegendtransports (mit einem sog. „Stretcher“) böten.

Die behandelnde Ärztin der Klägerin hatte sich zudem gegen einen solchen Liegendtransport mit einem Linienflugzeug unter Hinweis darauf ausgesprochen, dass die Druckverhältnisse in einem solchen Flugzeug wegen der Lungenverletzung der Klägerin zu gefährlich seien.

Der Vater der Klägerin beauftragte daraufhin die B Versicherungs-AG mit dem Rücktransport der Klägerin durch ein Ambulanzflugzeug. Die Klägerin wurde am 08.07.2015 nach Hamburg, dem Wohnort Ihres Vaters, geflogen. Wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unstreitig geworden ist, hätte ein Flug zu dem am nächsten zum Wohnwert der Klägerin gelegenen Flughafen (Münster) dasselbe gekostet.

Die B Versicherungs-AG stellte der Klägerin für den Flug einen Betrag von 16.800 EUR in Rechnung. Nachdem die Klägerin die Beklagte zur Zahlung dieses Betrages aufgefordert hatte, erstattete die Beklagte nach erneuter Prüfung einen Betrag von 7.300 EUR mit der Begründung, dass zwar eine medizinische Notwendigkeit für einen Rücktransport bestanden habe. Nicht notwendig gewesen sei aber der Ambulanzflug, da ein Rückflug mit einem Linienflugzeug – bei einem Liegendtransport auf einem Stretcher – von Belgrad (Serbien) aus möglich gewesen wäre. Ein solcher Flug hätte lediglich 7.300 EUR gekostet. Die Entfernung zwischen dem Krankenhaus, in welchem die Klägerin lag, und Belgrad beträgt über 300 km.

Dabei war – wie vor dem Senat unstreitig gewesen ist (siehe auch bereits Schriftsatz der Beklagten vom 29.08.2017, dort S. 3 = GA 69) – nicht nur ein Liegendtransport, sondern ein ärztlich begleiteter Liegendflug medizinisch notwendig.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Zahlung des restlichen Betrags von 9.500 EUR (16.800 EUR abzgl. 7.300 EUR) nebst vorgerichtlichen Anwaltskosten mit der Begründung geltend gemacht, dass der Rücktransport per Ambulanzflugzeug medizinisch notwendig gewesen sei. Sie habe schwere Verletzungen erlitten, die einen Rücktransport mit einem Linienflugzeug nicht erlaubt hätten. Dies gelte aufgrund der langen, beschwerlichen und gefährlichen Wegstrecke erst recht für einen Flug von dem über 300 km entfernten Flughafen Belgrad. Ohnehin habe die Beklagte durch ihre unberechtigte Weigerung ihre vertragliche Pflicht zur Organisation des Rücktransports verletzt.

Das Landgericht hat der Klage – mit Ausnahme der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten – mit der Begründung stattgegeben, dass die Beklagte schuldhaft gegen ihre Verpflichtung zur Organisation des Krankenrücktransports verstoßen habe, indem sie den von dem Vater der Klägerin beantragten Rücktransportes verweigert habe. Die Klägerin sei daher berechtigt gewesen, den Rücktransport in eigener Verantwortung durchzuführen. Die Beklagte könne sich aufgrund ihrer Pflichtverletzung nicht darauf berufen, dass ein kostengünstiger Liegendtransport in einer Linienmaschine möglich gewesen wäre. Unerheblich sei auch, dass die Klägerin sich nach Hamburg anstatt zu ihrem Wohnort (Flughafen Münster) habe bringen lassen, zumal für einen Flug nach Münster dieselben Kosten angefallen wären. Zudem habe die Beklagte nicht substantiiert vorgetragen, dass es eine kostengünstigere Möglichkeit des Rücktransports gegeben hätte. Wegen der näheren Einzelheiten der Begründung wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.

Sie rügt, dass sie entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht schuldhaft gegen ihre Verpflichtung zur Organisation des Rücktransportes verstoßen habe. Sie habe keinen Grund zu der Annahme gehabt, dass die Auskunft des Arztes in Rumänien, wonach die Klägerin bald entlassen werden könne, falsch gewesen sei. Sie müsse sich nicht das Verschulden des Arztes zurechnen lassen. Hätte sie rechtzeitig von der Klägerin oder ihrem Vater weitergehende Informationen erhalten, hätte sie die Notwendigkeit eines Rücktransportes bejaht. Selbst bei einer unterstellten Pflichtverletzung käme allenfalls ein Schadensersatzanspruch der Klägerin nach § 281 BGB in Betracht. Ein solcher bestehe aber mangels einer Fristsetzung zur Nacherfüllung durch die Klägerin nicht. Eine Fristsetzung wäre auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer endgültigen und ernsthaften Erfüllungsverweigerung entbehrlich gewesen. Dies ergebe sich daraus, dass die Beklagte nach Eingang der relevanten Informationen die medizinische Notwendigkeit bejaht und die Kosten für einen Linienflug erstattet habe. Durch den unzulässigen Rückgriff auf die Bestimmung des § 242 BGB habe das Landgericht die spezifischen Anspruchsvoraussetzungen dieses Schadensersatzanspruchs umgangen. Das Landgericht hätte daher Feststellungen zu Frage der medizinischen Notwendigkeit eines Rücktransportes im Ambulanzflugzeug treffen müssen. Eine solche läge nämlich nicht vor. Es hätte daher ein wesentlich günstiger Rücktransport in einem Linienflugzeug ausgereicht.

Die Beklagte beantragt,  die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Entgegen der Ansicht der Beklagten stehe ihr der geltend gemachte Anspruch als vertraglicher Erstattungsanspruch und nicht als Schadensersatzanspruch zu. Die Vorschrift des § 281 BGB sei daher nicht anwendbar. Selbst bei Anwendbarkeit des § 281 BGB sei die Klage begründet. Eine Nachfristsetzung sei der Klägerin nämlich in der konkreten Situation nicht zumutbar gewesen und hätte reine Förmelei bedeutet.

Sie habe gegen keinerlei Obliegenheiten verstoßen. Es sei die Beklagte gewesen, die die Organisation des Rücktransportes geschuldet habe. Entscheidend sei nicht, ob sie den günstigsten Rücktransport gewählt habe. Entscheidend sei, dass sie einen Rücktransport gewählt habe, der nach Abwägung der ihr zumutbaren Anstrengungen als angemessen habe gelten dürfen. Sie habe schwer verletzt im Krankenhaus in Rumänien gelegen und nicht die Möglichkeit gehabt, Vergleichsangebote oder Kostenvoranschläge einzuholen. Sie habe auf die Auskunft der B Versicherungs-AG vertrauen dürfen, wonach die nächstgelegenen Flughäfen keine für sie geeignete Flugverbindung anböten und es keine weiteren Transportmöglichkeiten im angemessenen Rahmen gebe. Der von ihr gewählte Charterflug von Rumänien aus sei die einzig medizinisch vertretbare Transportmöglichkeit gewesen. Ein Rückflug in einem Linienflugzeug von Belgrad aus, wie von der Beklagten geltend gemacht, wäre für sie gefährlich und unzumutbar gewesen. Ohnehin habe die Beklagte nicht substantiiert vorgetragen, in welcher Form ein solcher Rücktransport per Linienflugzeug möglich gewesen wäre.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung der restlichen Kosten für den Rücktransport der Klägerin in Höhe von 9.500 EUR nebst Zinsen.

Der Anspruch ergibt sich als Erfüllungsanspruch aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag. Die Klägerin macht – jedenfalls in erster Linie – einen solchen Erfüllungsanspruch geltend.

1.

Die Voraussetzungen für die Erstattung der Kosten des Charterflugs mit medizinischer Begleitung von Rumänien nach Hamburg liegen vor.

Unstreitig lag ein Versicherungsfall im Sinne von § 1 Nr. 2 der Vertragsbedingungen (medizinisch notwendige Heilbehandlung wegen Krankheit oder Unfallfolgen) vor.

Entgegen der Auffassung der Beklagten stellt der hier in Rede stehende Charterflug aber auch einen medizinisch notwendigen Rücktransport im Sinne von § 4 Nr. 2 Satz 1 der Vertragsbedingungen dar.

a)

Für die Frage der medizinischen Notwendigkeit eines Rücktransports in einer Auslands-Krankenversicherung gilt – wie auch bei dem Begriff der medizinischen Notwendigkeit einer Heilbehandlung in der Krankheitskostenversicherung – ein objektiver Maßstab. Denn so wird ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer die Bedingungen bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen. Die Beurteilung hängt nicht von der Auffassung des Versicherungsnehmers oder des ihn behandelnden Arztes ab, sondern von den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt des Rücktransports.

Die Beurteilung, ob der von der Klägerin in Anspruch genommene Ambulanzflug – anstelle eines Linienflugs bei einem Transport mittels „Stretcher“ – ein „medizinisch notwendiger Rücktransport“ war, hängt daher von den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen zum Zeitpunkt des Rücktransports ab. Es genügt aber, wie auch in der Krankheitskostenversicherung, wenn die medizinischen Befunde und Erkenntnisse es im Zeitpunkt der Vornahme vertretbar erscheinen lassen, die Behandlung bzw. den Rücktransport als notwendig anzusehen (ständige Rechtsprechung seit BGH, Urt. v. 29.11.1978, IV ZR 175/77, VersR 1979, 221).

Maßgeblich hierfür sind – wie vor dem Senat erörtert – die seinerzeitigen Erkenntnismöglichkeiten des Versicherungsnehmers oder der für diesen handelnden Personen (ebenso bereits Urteil des Senats vom 29. 4. 2015 – 20 U 145/13, r+s 2015, 452 – ebenfalls zu einem Flugrücktransport). Dies ergibt die Auslegung der entsprechenden Versicherungsbedingungen nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers. Die Beklagte hat mit der Versicherung Versicherungsschutz für Notsituationen versprochen. Es liegt im Wesen einer Auslands-Krankenversicherung, welche die Kosten für einen Rücktransport umfasst, dass der Versicherungsnehmer im Versicherungsfall oftmals nur über stark begrenzte Erkenntnisquellen vor Ort verfügt, wenn er denn überhaupt in der Lage ist, sich über einen Rücktransport zu informieren.

Für die Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit eines Rücktransports sind somit zwar die objektiven Diagnosen, Befunde und sonstigen Umstände maßgeblich, es können aber – wenn mehrere Transportmöglichkeiten bestehen –  nur die Transportmöglichkeiten berücksichtigt werden, welche für den Versicherungsnehmer nach den ihm zugänglichen Erkenntnismöglichkeiten ersichtlich sind.

Hieraus ergibt sich, dass der Charterflug mit der B Versicherungs-AG medizinisch notwendig im Sinne von § 4 Nr. 2 Satz 1 der Vertragsbedingungen war. Es war aus ex ante Sicht und unter Berücksichtigung der Erkenntnismöglichkeiten der Klägerin aus objektiver Sicht zumindest vertretbar, den Rücktransport mit dem Charterflug des ADAC, der nach ihren Informationen die einzige Möglichkeit eines Rücktransports per Flugzeug darstellte, als notwendig anzusehen.

Auslandsreise-Krankenversicherung - Notwendigkeit Rücktransport mit Charterflugzeug
(Symbolfoto: Von Taljat David/Shutterstock.com)

Einer Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens hierzu bedarf es entgegen der Ansicht der Beklagten nicht.

Die Beklagte übersieht, dass lediglich die Transportmöglichkeiten berücksichtigt werden können, welche für die Klägerin nach den ihr damals zugänglichen Erkenntnismöglichkeiten ersichtlich waren. Die etwaige – von der Beklagten behauptete – Möglichkeit eines (ärztlich begleiteten) Liegendflugs aus der Hauptstadt des Nachbarstaates war für die Klägerin nicht erkennbar; sie war, nachdem ihr Vater sich wie geschehen informiert hatte, nicht gehalten nach einem solchen Rücktransportweg zu recherchieren oder recherchieren zu lassen.

Die Klägerin lag schwer verletzt im Krankenhaus. Es bestanden kaum zu überwindende Sprachbarrieren; selbst der Botschafter hatte sich eingeschaltet. Die Beklagte, von dem Vater der Klägerin telefonisch um Hilfe gebeten, hatte die Organisation des Rücktransportes mit dem – objektiv unzutreffenden – Hinweis abgelehnt, dass die Klägerin bald aus der stationären Behandlung entlassen werden könne. Der Vater der Klägerin hatte dann von der der B Versicherungs-AG die – zutreffende – Auskunft erhalten hatte, dass von den beiden in der Nähe des Krankenhauses liegenden Flughäfen in Rumänien mit Entfernungen von 125 km und 150 km keine Linienflugzeuge mit der Möglichkeit eines Liegendtransports starten würden. Die Klägerin war entgegen der Auffassung der Beklagten nicht gehalten, zu recherchieren, ob über die Landesgrenzen hinaus in einer ungleich größeren Entfernung (von über 300 km) Flughäfen existierten, welche Flüge mit einem Liegendtransport per Stretcher anbieten würden.

Auch die Beklagte hat – auch auf entsprechende Frage in der Verhandlung vor dem Senat – nicht aufgezeigt, dass die Klägerin bestimmte, ihr damals zugängliche Erkenntnismöglichkeiten unbeachtet gelassen oder damals nach ihren Erkenntnismöglichkeiten eine falsche Entscheidung zum Rücktransport getroffen hätte. Derartiges ist auch sonst nicht ersichtlich.

Die Notwendigkeit ist hiernach gegeben, unabhängig davon, dass die die Klägerin behandelnde Ärztin aufgrund der Lungenverletzungen einen Liegendtransport der Klägerin in einem Linienflugzeug nicht gestattet hatte. Auch dies wäre indes – ohne dass der Senat im Streitfall darauf abstellt – in die Vertretbarkeitsentscheidung mit einzubeziehen ist, wenn der Patient über keine anderen Erkenntnisquellen verfügt (vgl. Senatsurteil vom 29.04.2015, aaO, Rn. 31; Voit in Prölss/Martin, Kommentar zum VVG, 30. Aufl. 2018, § 192 Rn. 147).

b)

Auch aus der Regelung in § 4 Nr. 2 Satz 4 der Versicherungsbedingungen, wonach der Versicherungsnehmer das  jeweils  kostengünstigste Transportmittel zu wählen hat, soweit nicht medizinische Gründe entgegenstehen, ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten keine andere Wertung. Nach den Erkenntnismöglichkeiten der Klägerin – aus ex ante Sicht – gab es schlicht kein anderes geeignetes Transportmittel.

Da diese Klausel aufgrund des ihr zugrunde zu legenden Verständnisses keine Anwendung findet, kann dahingestellt bleiben, ob sie eine sogenannte verhüllte Obliegenheit darstellt und welche Rechtsfolgen sich bei einer solchen Qualifizierung ergeben würden.

c)

Der Klageforderung steht nicht entgegen, dass nach § 4 Nr. 2 der Bedingungen eine „ärztliche Anordnung“ des Rücktransports Voraussetzung für die Kostenerstattung und nach § 6 Nr. 3 die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung über die Notwendigkeit des Krankentransports Anspruchsvoraussetzung sein soll. (Hierauf hat sich die Beklagte im Übrigen auch nicht berufen.) Diese Klauseln sind unwirksam; sie halten einer Inhaltskontrolle nicht stand. Sie benachteiligen den Versicherungsnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen, § 307 Abs. 1 S. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 2 BGB. (vgl. Voit in Prölss/Martin, Kommentar zum VVG, 30. Aufl., § 192 Rn. 147, OLG Stuttgart, Urteil vom 7. 11. 2013 – 7 U 3/13, r + s 2014, 81 sowie OLG Karlsruhe, Urt. v. 7. 4. 2015 – 12 U 146/14, r+s 2015, 364, jeweils mwN).

d)

Unerheblich ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch, dass die Klägerin sich nach Hamburg hat fliegen lassen anstatt zu dem ihrem Wohnort am nächsten gelegenen Flughafen Münster.

Zwar muss nach § 4 Nr. 2 S. 3 der Bedingungen die Rückführung an den ständigen Wohnsitz oder in das von dort nächst erreichbare Krankenhaus erfolgen. Hierauf kann sich die Beklagte aber nicht berufen. Die Berufung auf § 4 Nr. 2 S. 3 verstößt gegen Treu und Glauben. Durch die Entscheidung der Klägerin, sich nach Hamburg fliegen zu lassen, wurden schutzwürdige Interessen der Beklagten nicht berührt (vgl. hierzu Schubert in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2019, BGB § 242 Rn. 522). Wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unstreitig geworden ist, sind durch den Flug nach Hamburg und den Weitertransport in die dort befindliche Klinik, in welcher die Weiterbehandlung der Klägerin erfolgte, im Vergleich zu einem Flug nach Münster keinerlei Mehrkosten entstanden. Auch ein Flug nach Münster nebst Weitertransport in ein Krankenhaus hätte 16.800 EUR gekostet. Die Klägerin hat – unbestritten – nachvollziehbare Gründe für ihre Entscheidung, sich nach Hamburg fliegen und sich dort behandeln zu lassen, angegeben (Empfang und Betreuung durch ihren dort lebenden Vater sowie eine spezialisierte Fachklinik).

2.

Nach alledem ist die Berufung der Beklagten mit den aus den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO ergebenden Nebenentscheidungen zurückzuweisen.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

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