Sogenannte Schreibtischklausel vom BGH für unwirksam erklärt
In Deutschland sichern sich unzählige Menschen mittels einer Berufsunfähigkeitsversicherung davor ab, dass sie im Falle einer Erkrankung oder eines Unfalls ihrer Berufstätigkeit nicht mehr nachgehen können. Dieser Umstand ist nur zu verständlich, da der Beruf und das damit verbundene Erwerbseinkommen ja schließlich den Lebensunterhalt sichert. Die wenigsten Versicherungsnehmer jedoch werfen einen genaueren Blick in die exakten Versicherungsbedingungen und werden daher auch nicht wissen, dass es eine sogenannte Schreibtischklausel in den besagten Versicherungsbedingungen gibt.
Einschränkende Leistungspflicht des Versicherungsgebers
Bei der sogenannten Schreibtischklausel handelt es sich um eine vertragliche Einschränkung, die sich auf die Leistungspflicht der Versicherungsgesellschaft im Falle einer tatsächlichen Berufsunfähigkeit des Versicherungsnehmers bezieht. Mit dieser besagten Klausel hat der Versicherungsgeber den Eintritt der Leistung an die Bedingung geknüpft, dass die ausgeübte Tätigkeit des Versicherungsnehmers zu mindestens 90 Prozent an einem Schreibtisch durchgeführt wird. Diese Einschränkung wurde in der gängigen Praxis in nahezu jeden Versicherungsvertrag von jedem Versicherungsnehmer herein geschrieben und galt als Standard – unabhängig davon, welchen Beruf der Versicherungsnehmer tatsächlich ausübt oder welche Berufsbezeichnung in dem Versicherungsvertrag aufgeführt wurde. Für einen Handwerker konnte dies zur Folge haben, dass im Fall einer Berufsunfähigkeit der Versicherungsgeber die Leistung verweigert. Als Begründung konnte angegeben werden, dass die ausgeübte berufliche Tätigkeit eben nicht als Schreibtischtätigkeit deklariert werden kann und somit überhaupt keine Leistungspflicht besteht.
BGH kippt die Klausel
Bereits zu Anfang des Jahres 2017 hat sich der Bundesgerichtshof mit der besagten Schreibtischklausel in Berufsunfähigkeitsversicherungen beschäftigt und diesbezüglich ein Grundsatzurteil gesprochen. Mit dem Urteil, welches auf den 15.02.2017 datiert und das Aktenzeichen IV ZR 91/16 trägt, wurde die Unwirksamkeit der Schreibtischklausel deutlich gemacht. In einfachen Worten bedeutet dies, dass bei einem Vertrag, welcher die Bezeichnung „Berufsunfähigkeitsversicherung“ trägt, der Versicherungsnehmer auch von einer tatsächlichen Berufsunfähigkeitsversicherung für seinen angegebenen Beruf ausgehen darf. Die bislang angewandte Praxis mit der einschränkenden Klausel wurde als intransparent für den Versicherungsnehmer tituliert und damit für gänzlich rechtlich unwirksam befunden. Tatsächlich sind Klauseln, welche rechtlich gesehen ein Berufsbild definieren und damit gewisse Berufsfelder abstrakt einschränken, vollständig unwirksam. Mit seinem Urteil folgte der Bundesgerichtshof den vorangegangenen Urteilen des Berliner Landgerichts sowie des Kammergerichts. Der Klagegegnerin, einer Versicherung, wurde die zukünftige Verwendung der Schreibtischklausel bei Neuabschlüssen gerichtlich verboten.
Grundsatzwirkung auch auf andere Klauseln
Zwar behandelte der Bundesgerichtshof in dem aktuellen Fall lediglich die Schreibtischklausel, jedoch hat das Urteil Signalwirkung für die gesamte Versicherungsbranche. Leistungseinschränkende Klauseln, die sich auf den Beruf des Versicherungsnehmers beziehen, sind nach Auffassung des BGH generell unwirksam und dürfen dementsprechend zukünftig nicht mehr fester Bestandteil eines Versicherungsvertrages werden. Insbesondere die sogenannten berufsdefinierenden Klauseln gelten nunmehr als ein strikter Verstoß gegen die geltenden gesetzlichen Vorgaben. Insbesondere im Hinblick auf das Versicherungsvertragsgesetz, immerhin die gesetzliche Grundlage eines jeden Versicherungsvertrages, stellten die einschränkenden Klauseln ohnehin seit langer Zeit ein Verstoß dar. Die Versicherungsgeber haben jedoch in der Vergangenheit regelrecht standardmäßig von dieser Vorgabe abgewichen, um das Leistungsrisiko zu ihren Gunsten zu minimieren.
In eben jenem Versicherungsvertragsgesetz wird eindeutig festgelegt, dass die Leistungspflicht eines Versicherungsgebers von dem gesundheitlichen Zustand eines Versicherungsnehmers abhängig gemacht werden muss. Der Hauptfokus dieser gesetzlichen Vorgabe liegt hierbei auf der Definition der Berufsunfähigkeit an sich und nicht auf der Definition des Berufs. Ist ein Versicherungsnehmer aufgrund seines gesundheitlichen Zustandes nicht mehr in der Lage den Beruf, der zuletzt ausgeübt wurde, in der gleichen Form wie ein gesunder Mensch auszuüben, dann liegt eine Berufsunfähigkeit und damit auch eine Leistungspflicht des Versicherungsgebers vor. Das abstrakte Berufsbild hat hierbei keinerlei einschränkende Rolle gespielt. Die einzige Einschränkung der Leistungspflicht, welche das Versicherungsvertragsgesetz kennt, ist die Prüfung der tatsächlichen Berufsausübungsfähigkeit.
Es war zwar für die Versicherungsgeber durchaus möglich von dieser Vorgabe abzuweichen, allerdings gibt es für eine Abweichung sehr strenge gesetzliche Grenzen. Der Versicherungsnehmer musste bislang durch die Abweichung von dem Versicherungsvertragsgesetz durch den Versicherungsgeber derartig stark benachteiligt werden, dass die Abweichung als unzumutbar gilt. Da nunmehr der BGH jedoch mit dem Verbot der Schreibtischklausel ein grundsätzliches Urteil gesprochen hat, wird sich die gesamte Versicherungsbranche künftig umorientieren müssen. Einschränkende Klauseln, die sich auf das abstrakte Berufsbild des Versicherungsnehmers beziehen, gelten als intransparent und somit auch als unangemessene Benachteiligung für den Versicherungsnehmer. Bemerkenswert ist hierbei auch, dass sich die Entscheidung des BGH nicht nur auf die Zukunft und damit neu abgeschlossene Verträge bezieht, sondern vielmehr sämtliche Berufsunfähigkeitsverträge betroffen sind. Für Versicherungsnehmer, die sich aktuell in einem juristischen Streit mit ihrem Versicherungsgeber befinden, dürfte dies eine hervorragende Nachricht sein.
Wer bislang noch keinen genauen Blick in seinen Berufsunfähigkeitsvertrag geworfen hat sollte dies dringend nachholen. Ist in dem Vertrag eine einschränkende Klausel, die sich auf das Berufsbild bezieht, enthalten sollte der Versicherungsgeber dringend auf das Urteil des BGH hingewiesen werden. Mit dem Hinweis, dass diese Klausel für unwirksam erklärt wurde, kann ein Versicherungsnehmer einen neuen Versicherungsvertrag von seinem Versicherungsgeber verlangen. Die Frage ist nur, wie sich die Versicherungsgeber in Zukunft im Hinblick auf das für sie negative juristische Urteil des BGH verhalten werden und ob nicht andere Einschränkungen ihren Weg in den Vertrag finden.
Haben Sie Probleme mit Ihrer BU-Versicherung?
Oder haben Sie Fragen zu etwaigen Klauseln in Ihrem Vertrag? Gerne beraten wir Sie umfassend!
Rufen Sie uns an: 02732 791079 oder schreiben Sie uns!