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Krankenversicherung – Kostenerstattung für Massagen und Fangopackungen

LG Bonn – Az.: 8 S 170/16 – Urteil vom 14.02.2017

Auf die Berufung des Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers wird das am 14.06.2016 verkündete Urteil des Amtsgerichts Siegburg (128 C 102/15) unter Zurückweisung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Die Kosten beider Instanzen trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

(abgekürzt nach § 313 Abs. 1 ZPO)

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.

Abweichend von der Auffassung des Amtsgerichts geht die Kammer davon aus, dass der Erstattungsanspruch des Klägers für die verabreichten Massagen und Fangopackungen durch die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (im Folgenden AVB) des Beklagten der Höhe nach wirksam beschränkt ist. Der Kläger war unstreitig im Tarif 120 des Beklagten versichert. Dem liegen weiter unstreitig die AVB, bestehend aus den Musterbedingungen (MB/KK) und den Tarifbedingungen (TB/KK) zugrunde.

Auszulegen sind die AVB gem. § 305 ff. BGB so, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse an (Bach/Moser, Private Krankenversicherung, 5. Auflage, 2015, MB/KK § 4, Rn. 7). Dem Wortlaut der Klausel ist in diesem Zusammenhang besondere Beachtung zu schenken. Der verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (Bach/Moser, Private Krankenversicherung, 5. Auflage, 2015, MB/KK § 4, Rn. 8). Die Formulierung des § 4 Ziff. 1 lit. a) Teil II (TB/KK), welcher sich auf § 4 Abs. 1 Teil I (MB/KK) bezieht, lässt erkennen, dass sämtliche Versicherungsleistungen, unabhängig von der Person des Behandlers, der Höhe nach auf die GOÄ beschränkt sein sollen. Es wird ausdrücklich nicht danach unterschieden, ob die medizinische Leistung von einem Arzt oder einem sonstigem Mitglied eines medizinischen oder Heil-Berufes vorgenommen wird. Zwar ist dem Amtsgericht darin zuzustimmen, dass es sich bei der GOÄ nicht um die jeweils gültige Gebührenordnung für die Behandlung durch einen Physiotherapeuten handelt. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts führt dies jedoch nicht dazu, dass die GOÄ als mathematische Berechnungsgrundlage auch für andere medizinische – z.B. physiotherapeutische – Leistungen ausscheidet. Einem verständigen Versicherungsnehmer muss sich erschließen, dass es sich bei der in Frage stehenden Klausel um eine Beschränkung der Höhe der zu erbringenden Leistungen handelt, wobei es dem Versicherungsnehmer freisteht, durch welchen Angehörigen eines medizinischen Berufes er die medizinische Behandlung vornehmen lassen möchte. Anders als das Amtsgericht erschließt sich der Sinn der Leistungsbegrenzung – Kostenkontrolle und -ersparnis – einem verständigen Versicherungsnehmer. Hinzu kommt, dass physikalisch-medizinische Leistungen iSd GOÄ üblicherweise immer dann vorliegen, wenn sie von einem in eigener Praxis tätigen Masseur, Masseur und medizinischen Bademeister, Krankengymnasten oder Physiotherapeuten ausgeführt werden (Bach/Moser, Private Krankenversicherung, 5. Auflage, 2015, MB/KK § 4, Rn. 98), Leistungen iSd GOÄ müssen nicht notwendig von einem Arzt erbracht werden. Ist der Versicherungsnehmer nicht mit einer Begrenzung der Erstattung auf die Sätze der GOÄ einverstanden, ist ihm unbenommen, einen entsprechenden anderen Versicherungstarif zu wählen. Nach alledem ergibt die Inhaltskontrolle, dass eine Begrenzung des Erstattungsumfanges auf die Höchstsätze der GOÄ in den AVB rechtlich zulässig ist.

Krankenversicherung – Kostenerstattung für Massagen und Fangopackungen
(Symbolfoto: Microgen/Shutterstock.com)

Zudem stellt es keine unangemessene Benachteiligung dar, dass der Beklagte zunächst für einen gewissen Zeitraum die Kosten für Massagen und Fangobehandlungen pauschal mit 25 % über den Maximalgebühren der GebüHh erstattete, von dieser Praxis mit der Abrechnung vom 07.05.2014 jedoch erstmalig abwich. Eine vertragliche Grundlage für die pauschale und kulante Erstattung mit 25 % über den Maximalgebühren der GebüHh ist dem Versicherungsvertrag des Klägers nicht zu entnehmen. Der Beklagte unterlag auch keinen gesonderten Hinweispflichten gegenüber dem Kläger im Hinblick auf die Änderung seiner Abrechnungspraxis. Spätestens mit der erstmaligen Abweichung von dem früheren Erstattungsverhalten des Beklagten unter entsprechendem Hinweis, hätte der Kläger erkennen können, dass zukünftig nicht mehr mit dieser kulanten Abrechnungspraxis zu rechnen ist. Insofern verstößt das Verhalten des Beklagten auch nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, § 242 BGB. Der Beklagte hat sein Recht, sich auf die vertraglichen Bestimmungen zu berufen, aufgrund seines früheren Erstattungsverhaltens nicht verwirkt. Selbst bei Bejahung des Zeitmoments ist doch das „Umstandsmoment“ für eine Verwirkung nicht erfüllt. Aufgrund der eindeutigen vertraglichen Bestimmungen hätte sich der Kläger nicht allein durch die anstandslose Zahlung durch den Beklagten darauf verlassen dürfen, diese Zahlungen seien bis in alle Zukunft gesichert. Insofern hat der Kläger keine weiteren Umstände vorgetragen, die ein derartiges Vertrauen begründen würden.

Eine Entscheidung, ob hier eine übliche Vergütung nach § 612 Abs. 2 BGB zu erfolgen habe, kann aufgrund der Geltung der in Frage stehenden AVB dahinstehen.

Ebenso ist eine Beweiserhebung, ob die Behandlungen medizinisch notwendig waren und ob P ein Kurort ist, irrelevant, da der Beklagte die Leistungen wenigstens teilweise reguliert hat.

Die Anschlussberufung des Klägers in Höhe von 51,20 EUR ist damit ebenfalls unbegründet. Davon unabhängig ist die Differenz in Höhe des o.g. Betrages damit zu erklären, dass auf die Rechnung des Hotel L vom 25.01.2015 seitens des Beklagten tatsächlich 256,00 EUR erstattet wurden, zur Auszahlung aufgrund der Selbstbeteiligung für das Jahr 2015 (20 %) jedoch 51,20 EUR in Abzug gebracht wurden. Der Kläger ging daher bei der Bezifferung seines Klageantrages fälschlich davon aus, ihm seien zu Unrecht lediglich 204,80 EUR erstattet worden.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO bestand keine Veranlassung. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

 

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