OLG Hamm – Az.: 20 U 30/19 – Beschluss vom 11.09.2019
Die Berufung des Klägers gegen das am 19.12.2018 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Essen wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 10.635,91 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass ein zwischen den Parteien ursprünglich bestehender Vertrag über eine Berufsunfähigkeitsversicherung trotz einer von der Beklagten erklärten Anfechtung fortbesteht.
Der Kläger, der seinerzeit als Maler, Lackierer, Maurermeister und Montagehelfer tätig war, beantragte am 24.08.2006 den Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung bei der Beklagten. Den Antrag hatte er zuvor gemeinsam mit dem Versicherungsmakler S ausgefüllt. Im Antrag wurde unter anderem unter Nr. 3 folgende Frage gestellt:
„3. Sind Sie in den letzten 5 Jahren untersucht, beraten oder behandelt worden hinsichtlich: Herz, Kreislauf, innere Organe, Harnwege, Bluthochdruck, Atmungsorgane, Gefäße, Drüsen, Gehirn, Nerven, Psyche, Blut, Zucker, Stoffwechsel, Krebs, Tumore, Knochen, Gelenke, Wirbelsäule, Muskeln, Augen, Ohren, Haut, Allergien, Infektionen, Verletzungen, Vergiftungen, Alkohol- oder Drogenkonsum?“
Der Kläger kreuzte im Antragsformular bei dieser Frage die Antwort „ja“ an und gab im weiteren Verlauf unter dem Punkt „Erläuterungen, nur falls eine oder mehrere Fragen zu 2 – 7 bejaht werden“, dazu eine Aknebehandlung am Oberkörper an. Wiederum darunter kreuzte der Kläger ferner den Satz an: „Da der zur Verfügung stehende Platz nicht ausreicht, ist ein gesondertes Blatt beigefügt“.
Auf diesem gesonderten Blatt findet sich folgender vom Kläger unterzeichnete Text:
„Alle im Antrag gemachten Angaben zu den Gesundheitsfragen habe ich als medizinischer Laie nach bestem Wissen und Gewissen getätigt.Auf die Angabe kurzzeitiger, jahreszeitlich bedingter Grippeerkrankungen oder gelegentlichen Unwohlseins habe ich, da nicht chronisch, verzichtet und nur diejenigen Erkrankungen im Antrag angegeben, die nach meiner Erinnerung einer Behandlung durch einen Arzt bedurften.Für weitergehende Fragen wenden Sie sich bitte an meinen Hausarzt.“
Wegen der Einzelheiten wird auf das Antragsformular (Blatt 37 – 39 der elektronischen Gerichtsakte, im Folgenden: eGA) verwiesen.
Die Beklagte nahm den Antrag an, wobei wegen der von ihm angegebenen Aknebehandlung ein Ausschluss für ekzematöse, allergische und entzündliche Hauterkrankungen vereinbart wurde.
Am 04.12.2014 zeigte der Kläger der Beklagten den Eintritt von Berufsunfähigkeit an, die er auf einen Knorpelschaden in der rechten Schulter sowie darauf beruhende Schmerzen und Bewegungseinschränkungen stützte.
Die Beklagte trat in die Leistungsprüfung ein. In deren Zuge stellte sie fest, dass der Kläger im Zeitraum von August 2002 bis zur Antragstellung mehrfach einen Arzt aufgesucht und diesem gegenüber angegeben hatte, an Rückenschmerzen zu leiden. Daraufhin lehnte die Beklagte eine Regulierung gegenüber dem Kläger ab und erklärte durch Schreiben vom 07.07.2015 die Anfechtung ihrer auf den Vertragsschluss gerichteten Willenserklärung wegen arglistiger Täuschung.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass der Versicherungsvertrag ungeachtet der von der Beklagten erklärten Anfechtung wirksam fortbesteht, sowie ferner den Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten. Er hat behauptet, den Arztterminen hätten tatsächlich keine Rückenschmerzen zugrunde gelegen; vielmehr habe er solche nur vorgegeben, um vom Arzt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erhalten, weil er seinerzeit als Bezieher existenzsichernder Leistungen vom Jobcenter zu „zahllosen Maßnahmen gedrängt“ worden sei, denen er sich auf diese Weise habe entziehen wollen. Er ist der Ansicht, dass deshalb die Arztbesuche im Antrag nicht anzugeben gewesen seien. Zudem hätte die Beklagte wegen der beigefügten Erklärung nachfragen müssen, da der Kläger seine Angaben im Antragsformular dort „ausdrücklich relativiert“ habe. Im Übrigen habe er nicht arglistig gehandelt. Er habe nicht die Absicht gehabt, Arzttermine zu verschweigen, was aus der Anlage zum Antragsformular deutlich werde.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Kläger habe die Beklagte bei Vertragsschluss getäuscht, weil er objektiv falsche Angaben gemacht habe. Die Arztbesuche seien auch dann anzeigepflichtig gewesen, wenn der Kläger – wie von ihm behauptet – gegenüber den Ärzten die Beschwerden nur vorgetäuscht haben sollte. Die Täuschung sei auch arglistig erfolgt. Unter Berücksichtigung aller Umstände und nach Anhörung des Klägers sei die Kammer davon überzeugt, dass der Kläger die Arztbesuche verschwiegen habe, um Einfluss auf die Entscheidung der Beklagten zu nehmen. Selbst wenn der Kläger tatsächlich keine Beschwerden gehabt haben sollte, sei ihm doch jedenfalls bewusst gewesen, dass er bei einer Angabe aller Arztbesuche den Versicherungsschutz nicht oder jedenfalls nicht so schnell und ohne Nachfragen erhalten hätte.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in erster Instanz, der Anträge, des Tenors und der Begründung des Urteils wird auf dieses Bezug genommen (eGA 184 ff.).
Mit seiner Berufung verweist der Kläger weiter darauf, dass den Arztbesuchen tatsächlich keine Beschwerden zugrunde gelegen hätten, weshalb sie nach seiner Ansicht im Antragsformular nicht anzugeben gewesen seien. Der Kläger behauptet, er habe die Arztbesuche dem Makler zudem „überschlägig“ mitgeteilt, woraufhin dieser ihm erklärt habe, diese müssten nicht angegeben wer- den. Schließlich sei er – der Kläger – davon ausgegangen, dass die Beklagte ohnehin im Zweifel eigene Nachforschungen auf der Grundlage der von ihm erteilten Schweigepflichtentbindung anstellen werde. Es sei ihm deshalb nicht darauf angekommen, Einfluss auf die Entscheidung der Beklagten zu nehmen. Wegen der Berufungsbegründung im Einzelnen wird verwiesen auf den Schriftsatz des Klägers vom 09.04.2019 (eGA 317 ff.).
Der Kläger beantragt in Abänderung des erstinstanzlichen Urteils,
1. festzustellen, dass die von der Beklagten mit Schreiben vom 07.07.2015 erklärte Anfechtung der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung (Versicherungs-Nr. ###) unwirksam ist und dieser Vertrag daher fortbesteht;
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.100,51 EUR außergerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.10.2018 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.
Der Senat hat durch Beschluss vom 30.04.2019 darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Selbst wenn man zugunsten des Klägers seine Behauptung als richtig unterstelle, dass den Arztbesuchen tatsächlich keine Beschwerden zugrunde lagen, habe es sich um Umstände gehandelt, die auf die Antragsfrage hin anzugeben gewesen wären. Entgegen der Auffassung des Klägers habe auch keine Obliegenheit der Beklagten bestanden, wegen des vom Kläger hinzugefügten Beiblattes Nachfragen zu stellen. Schließlich sei der Senat auch, ebenso wie das Landgericht, aufgrund der Gesamtumstände davon überzeugt, dass die Täuschung arglistig erfolgte. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss des Senats vom 30.04.2019 (eGA 334 ff.) verwiesen.
Der Kläger hat sich gegen die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung gewandt. Er vertritt weiterhin die Auffassung, aufgrund des Beiblattes sei die Beklagte zu Nachfragen gehalten gewesen, weil die Formulierung im Beiblatt nahe gelegt habe, dass die Angaben nicht vollständig gewesen sein konnten. Jedenfalls habe er nicht arglistig gehandelt. Er habe dem Makler die stattgefundenen Arztbesuche umfassend mitgeteilt, allerdings wahrheitsgemäß auch erklärt, dass dem tatsächlich keine Beschwerden zugrunde gelegen hätten, sondern es dem Kläger nur um den Erhalt der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen gegangen sei. Daraufhin habe der Makler ihm erklärt, solches müsse nicht angegeben werden, worauf er vertraut habe. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 11.06.2019 (eGA 368 ff.) verwiesen.
Der Senat hat durch weiteren Beschluss vom 28.06.2019 darauf hingewiesen, dass der Senat für den Fall, dass der Kläger tatsächlich dem Makler gegenüber alle Arztbesuche „umfassend“ offenbart haben sollte, von einer dem Kläger zu- rechenbaren Arglist des Maklers überzeugt sei. Wegen der Einzelheiten wird verwiesen auf den Beschluss des Senats vom 28.06.2019 (eGA 376 ff.).
Auf die ihm gewährte Gelegenheit zur Stellungnahme hin hat der Kläger hierzu nichts mehr erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in zweiter Instanz wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung erfordern und eine mündliche Verhandlung auch sonst nicht geboten ist.
Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Berufungsangriffe des Klägers aus der Berufungsbegründung vom 09.04.2019 (eGA 317 ff.) sowie seinem Schriftsatz vom 11.06.2019 (eGA 368 ff.) greifen nicht durch.
1.
Der Kläger kann nicht die Feststellung begehren, dass der zwischen ihm und der Beklagten geschlossene Versicherungsvertrag fortbesteht. Denn dieser Vertrag ist dadurch, dass die Beklagte im Schreiben vom 07.07.2015 ihre auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung wirksam angefochten hat, rückwirkend unwirksam worden (§§ 22 VVG, 123 Abs. 1, 142 Abs. 1 BGB).
a)
Der Kläger täuschte die Beklagte im Antrag vom 24.08.2006.
aa)
Unstreitig gab der Kläger auf die im Antrag enthaltene Frage, ob er in den letzten 5 Jahren untersucht, beraten oder behandelt worden war, lediglich die erfolgte Aknebehandlung an. Ebenso unstreitig suchte er aber in dem betreffenden Zeitraum etliche Male seinen Hausarzt auf, der ihn daraufhin wegen Rückenbeschwerden im Sinne der Antragsfrage beriet und auch behandelte.
Damit beantwortete der Kläger die Antragsfrage in objektiver Hinsicht selbst dann falsch, wenn man zu seinen Gunsten seine Behauptung als richtig unterstellt, er habe tatsächlich gar keine Rückenbeschwerden gehabt, sondern diese nur vorgegeben, um jeweils Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zu erhalten. Die Antragsfrage ist – in zulässiger Weise – umfassend formuliert und erfasst jegliche Untersuchung oder Beratung hinsichtlich der sodann genannten Körperteile. Selbst wenn der Kläger seine Beschwerden nur vorgetäuscht haben sollte, wurde er dennoch jedenfalls hinsichtlich der Wirbelsäule und der Muskeln vom Arzt untersucht und beraten, ganz abgesehen davon, dass sich aus den Behandlungsunterlagen auch ergibt, dass mehrmals eine „Deblockierung“ der Wirbelsäule und damit auch ein Behandlungsversuch der vermeintlichen Beschwerden erfolgte.
Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, dass die zahlreichen Arztbesuche auch dann offenkundig gefahrerheblich und deshalb anzugeben waren, wenn tatsächlich in Wahrheit gar keine Beschwerden des Klägers bestanden. Denn auch in einem solchen Fall besteht aufgrund der Häufigkeit der Arztbesuche ein Interesse des Versicherers, die Möglichkeit erhalten, den Sachverhalt durch entsprechende Nachfragen bei dem Arzt näher aufzuklären.
bb)
Das vom Kläger seinem Antrag beigefügte Blatt mit der gesonderten Erklärung, er habe auf die Angabe „gelegentlichen Unwohlseins“ verzichtet und „nur diejenigen Erkrankungen im Antrag angegeben, die nach [seiner] Erinnerung einer Behandlung durch einen Arzt bedurften“, steht dem Vorliegen einer objektiven Täuschung nicht entgegen. Denn das Beiblatt änderte nichts daran, dass in der Antragsfrage umfassend nach Beratungen, Untersuchungen und Behandlungen gefragt war und die zahlreichen Arztbesuche aus den oben genannten Gründen anzugeben gewesen wären.
Der Vortrag des Klägers, es habe eine Obliegenheit der Beklagten bestanden, beim Kläger näher nachzufragen, führt zu keiner anderen Beurteilung. Erstens verliert der Versicherer das Recht zur Arglistanfechtung ohnehin nicht schon deshalb, weil er seine Nachfrageobliegenheit verletzt hat (BGH, Urteil vom 11.05.2011 – IV ZR 148/09, VersR 2011, 909, juris Rn. 15). Zweitens bestand aber auch eine solche Obliegenheit für die Beklagte hier nicht. Eine Nachfrage des Versicherers ist nur dann veranlasst, wenn der Versicherungsnehmer ersichtlich unvollständige oder unklare Antworten gibt, wenn also ernsthafte Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die bisher von dem Versicherungsinteressenten erteilten Auskünfte nicht abschließend oder nicht richtig sein können und deshalb weitere Informationen für eine sachgerechte Risikoprüfung erforderlich sind (BGH, Urteil vom 11.05.2011 – IV ZR 148/09, VersR 2011, 909, juris Rn. 14; BGH, Urteil vom 25.03.1992 – IV ZR 55/91, VersR 1992, 603, juris Rn. 30).
Daran fehlt es vorliegend. Für eine Fallgestaltung dahingehend, dass es zahlreiche Arztbesuche gab, in denen der Kläger nach seiner Behauptung konkrete Beschwerden vorgab, ohne dass es diese tatsächlich gab und ohne dass sie deshalb streng genommen einer Behandlung „bedurften“, bestanden keinerlei konkrete Anhaltspunkte. Sie ist so ungewöhnlich, dass die Beklagte sie nicht in Betracht ziehen musste. Die Antwort des Klägers war daher nicht unklar, sondern dahin zu verstehen, dass es im Antragszeitraum – abgesehen von der Aknebehandlung – keine ärztlichen Beratungen und Behandlungen gab, mithin schlicht falsch.
cc)
Die Behauptung des Klägers, der Zeuge S habe ausdrücklich die Frage des Klägers verneint, ob sämtliche Erkrankungen anzugeben seien, ändert nichts am Vorliegen einer Täuschung. Durch Angaben gegenüber einem Makler erfüllt der Versicherungsnehmer seine vorvertragliche Anzeigepflicht nicht, weil der Makler – zumindest im Regelfall und so auch hier – im Lager des Versicherungsnehmers steht, also gerade nicht Auge und Ohr des Versicherers ist (vgl. BGH, Urteil vom 12.03.2014 – IV ZR 306/13, VersR 2014, 565, juris Rn. 22; Prölss/Martin-Armbrüster, VVG, 30. Aufl. 2018, § 19 Rn. 73).
b)
Es bestehen keine konkreten Anhaltspunkte, die im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Zweifel an der Richtigkeit der Wertung des Landgerichts begründen könnten, der Kläger habe diese Täuschung arglistig verübt. Vielmehr ist auch der Senat selbst bei Würdigung aller Umstände davon überzeugt, dass der Kläger – oder ihm zurechenbar der Makler – arglistig handelte.
aa)
Arglist erfordert – neben der bewussten Falschbeantwortung der Antragsfrage – zumindest bedingten Vorsatz, durch die Täuschung auf die Entschließung des Versicherers Einfluss zu nehmen, also das Bewusstsein der Möglichkeit, dass jener den Antrag bei wahrheitsgemäßer Beantwortung nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen annehmen werde (Prölss/Martin-Armbrüster, a.a.O., § 22 Rn. 7). Da es sich um eine innere Tatsache handelt, ist der Nachweis der Arglist in der Regel nur über Indizien möglich. Für ein arglistiges Verhalten spricht es, wenn Umstände verschwiegen werden, deren Gefahrerheblichkeit auf der Hand lag (Prölss/Martin-Armbrüster, a.a.O., § 22 Rn. 15).
bb)
Gemessen daran ist der Senat überzeugt, dass entweder der Kläger selbst oder aber ihm zurechenbar der eingeschaltete Makler arglistig handelte.
(1)
Sollte der ursprüngliche Vortrag des Klägers in der Berufungsbegründung zutreffen, wonach der Kläger die wiederholten Arztbesuche dem Makler „überschlägig“ mitgeteilt habe (eGA 323), bestehen für den Senat keine Zweifel an einem arglistigen Verhalten des Klägers selbst. Denn selbst wenn die Behauptung des Klägers zutreffen sollte, dass die Arztbesuche trotz vollständiger Beschwerdefreiheit nur zu dem Zweck stattfanden, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zur Vorlage beim Arbeitsamt zu erhalten, lag es auf der Hand, dass der Versicherer angesichts der Vielzahl der Besuche jedenfalls weitere Erkundigungen angestellt hätte und der Antrag damit nicht wie geschehen, sondern erst später und womöglich auch überhaupt nicht angenommen worden wäre. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger intellektuell nicht in der Lage gewesen sein soll, diesen für jeden durchschnittlichen Versicherungsnehmer auf der Hand liegenden Schluss zu ziehen, sind nicht ersichtlich.
Es trifft zwar zu, dass es gegen Arglist sprechen kann, wenn der Versicherungsnehmer auf die Angaben eines Vermittlers vertraut und deshalb bestimmte Angaben unterlässt (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 16.06.2010 – 5 U 272/08, zfs 2012, 704). Entscheidend sind aber stets die Umstände des Einzelfalls. Falls der Kläger den Makler S nicht umfassend über seine Arztbesuche informierte, sondern nur „überschlägig“, musste ihm bewusst sein und war ihm nach Überzeugung des Senats auch bewusst, dass er nicht allein aufgrund der notwendigerweise pauschalen Aussage des gar nicht umfassend informierten Maklers darauf vertrauen konnte, die Arztbesuche in ihrer Gesamtheit seien ungeeignet, die Entscheidung des Versicherers zu beeinflussen. Umstände, weshalb der Kläger nicht in der Lage gewesen sein soll, diese auf der Hand liegende Bewertung anzustellen, sind nicht ersichtlich. Ebenso offensichtlich ist, dass das ausdrückliche Verneinen der Frage, ob „jegliche Erkrankungen aufgezählt werden“ müssen, nicht bedeutet, dass die Angabe einer Vielzahl von Arztbesuchen entbehrlich ist. Bei einer Gesamtschau all dieser Umstände bestehen für den Senat keine Zweifel, dass der Kläger – wenn es ihm auch womöglich nicht zielgerichtet darauf ankam – so doch zumindest als möglich erkannt hatte und billigend in Kauf nahm, durch die Nichtangabe der Arztbesuche zumindest weiteren Nachfragen der Beklagten aus dem Wege zu gehen. Aus den bereits dargelegten Gründen ist dies für die Annahme von Arglist im Sinne von § 123 Abs. 1 BGB ausreichend.
(2)
Sollte der Kläger demgegenüber, wie von ihm zuletzt auf den ersten Hinweisbeschluss des Senats hin behauptet, die Arztbesuche sogar „umfassend“ gegenüber dem Makler angegeben haben, bestünden nach Überzeugung des Senats keine Zweifel, dass dann der Makler arglistig handelte, was dem Kläger zurechenbar wäre.
Wenn aus den dargelegten Gründen schon für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmers auf der Hand lag, dass die Arztbesuche für die Entscheidung des Versicherers von Relevanz waren, gilt dies erst Recht für einen in Versicherungsfragen erfahrenen Makler. Umstände, die geeignet wären, dieses gewichtige Indiz dafür, dass in diesem Fall der Zeuge S als möglich erkannt und zumindest billigend in Kauf nahm, durch das Verschweigen der Arztbesuche die Entscheidung der Beklagten zu beeinflussen, sind nicht ersichtlich. Auch der Kläger hat solche auf den zweiten Hinweisbeschluss des Senats vom 28.06.2019 hin nicht vorgebracht.
Die Arglist des Zeugen S als Makler, der hier den Antrag persönlich unterschrieben hat, wäre dem Kläger aber zuzurechnen (vgl. BGH, Beschluss vom 12.03.2008 – IV ZR 330/06, VersR 2008, 809, juris Rn. 8 a.E.; BGH, Urteil vom 12.03.2014 – IV ZR 306/13, VersR 2014, 565, juris Rn. 22).
c)
Die arglistige Täuschung des Klägers war schließlich auch kausal für die Abgabe der Willenserklärung der Beklagten. Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang zunächst, dass der Kläger bestreitet, dass die Beklagte den Vertrag „bei Kenntnis der Vorerkrankungen des Klägers nicht abgeschlossen hätte“. Abgesehen davon, dass der Kläger gerade behauptet, abgesehen von der im Antrag auch angegebenen Akne überhaupt keine Vorerkrankungen gehabt zu haben, ist es für die Kausalität zwischen der Täuschung und der Abgabe der Willenserklärung nicht erforderlich, dass die Willenserklärung ohne die Täuschung überhaupt nicht abgegeben worden wäre; ausreichend ist vielmehr, dass sie jedenfalls nicht mit dem Inhalt oder zu der Zeit, insbesondere ohne weitere Prüfungen, abgegeben worden wäre.
Dass dies vorliegend der Fall war, steht fest. Der Kausalitätsnachweis kann nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises geführt werden (Prölss/Martin-Armbrüster, a.a.O., § 22 Rn. 46). Jedenfalls dann, wenn – wie hier – die Gefahrerheblichkeit der verschwiegenen Umstände auf der Hand liegt, kann es ausreichen, wenn diese nach der Lebenserfahrung nicht ohne Einfluss auf die Entscheidung des Versicherers geblieben wären (BGH, Urteil vom 12.05.1995 – V ZR 34/94, VersR 1995, 1496; vgl. auch OLG Saarbrücken, Urteil vom 17.05.2017 – 5 U 52/16, VersR 2017, 667, juris Rn. 30). Vorliegend spricht der erste Anschein dafür, dass die Beklagte die zahlreichen Arztbesuche jedenfalls zum Anlass für weitere Nachforschungen genommen und den Antrag nicht wie geschehen sogleich angenommen hätte. Konkrete Umstände, welche ernsthaft für die Möglichkeit eines atypischen Ablaufs sprächen und daher geeignet wären, diesen Anschein zu erschüttern, hat der Kläger nicht vorgetragen.
2.
Da dem Kläger der geltend gemachte Feststellungsanspruch nicht zusteht, kann er auch nicht Ersatz seiner vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten beanspruche, da sich die Beklagte weder im Verzug befand noch sonst eine vertragliche Nebenpflicht verletzt hat.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO; die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung dieses Beschlusses ergibt sich unmittelbar aus § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO.