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Zahlung Versicherungsleistung an Versicherungsnehmer Nachweis nur durch Kontoauszug

Versicherung scheitert mit Klage wegen Schadensersatzforderungen.

Eine Klage einer Versicherung auf Schadensersatz in Höhe von 90.654,81 Euro wegen angeblich mangelhafter Werkleistung beim Bau eines Wohn- und Geschäftshauses wurde abgewiesen. Die Versicherung hatte die Beklagte auf Zahlung von Schadensersatz verklagt, da sie als Versicherer ihrer angeblichen Versicherungsnehmerin nach einem Wasserschaden am streitgegenständlichen Gebäude den Gebäudeschaden, Sachverständigenkosten sowie einen Betriebsunterbrechungsschaden erstattet hatte. Die Klägerin konnte jedoch nicht darlegen, dass sie Leistungen an ihre angeblichen Versicherungsnehmerinnen erbracht hatte und die von ihr vorgelegten Abrechnungen stellten kein unmittelbares Beweismittel dar. Ein Anspruchsübergang fand nicht statt, da der Versicherer seine Leistung vorher erbringen muss. Die Klägerin hatte es bewusst unterlassen, taugliche Beweismittel wie Kontoauszüge vorzulegen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 101 Abs. 1 ZPO.


LG Berlin – Az.: 22 O 37/21 – Urteil vom 17.01.2023

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Streithelferin der Beklagten und die übrigen Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die klagende Versicherung nimmt die Beklagte gemäß § 86 VVG aus – angeblich – übergegangenem Recht ihrer – angeblichen – Versicherungsnehmerin auf Zahlung von Schadensersatz wegen – angeblicher – mangelhafter Werkleistung im Bereich der Heizungs-, Lüftungs- und Sanitärinstallation beim Bauvorhaben ###-Straße ### in ### in Anspruch.

Die ###-Straße ### GbR beauftragte die Beklagte mit der Erbringung von Leistungen des Gewerks Heizung – Sanitär – Lüftung und mit dem Einbau von Klimaanlagen auf dem Bauvorhaben „Wohn- und Geschäftshaus, ###-Straße ###, ### Berlin“. Die Beklagte ließ diese Leistungen durch ihre Streithelferin als Subunternehmerin erbringen. Im Juli 2019 wurde ein Wasserschaden in dem streitgegenständlichen Gebäude festgestellt.

Die Klägerin behauptet, der Schaden sei auf eine mangelhafte Werkleistung der Subunternehmerin der Beklagten zurückzuführen. Der schadensverursachende Wasseraustritt sei auf einen von der Beklagten bzw. der Streithelferin eingebauten beschädigten Kugelsiphon zurückzuführen. Zum Zeitpunkt des Schadenseintritts sei sie – die Klägerin – der Gebäudeversicherer der Invalidenstraße ### GbR und der Betriebsunterbrechungsversicherer der ### GmbH gewesen. Ihren Versicherungsnehmerinnen seien aufgrund der mangelhaften Werkleistung ein Gebäudeschaden und ein Betriebsunterbrechungsschaden entstanden. Aufgrund des Schadensfalles habe sie an ihre Versicherungsnehmerinnen und einen Sachverständigen folgende Zahlungen geleistet:

  • Gebäudeschaden 8.500,00 Euro
  • Sachverständigenkosten 2.317,51 Euro
  • Betriebsunterbrechungsschaden 79.837,00 Euro
  • insgesamt: 90.654,51 Euro

Klageforderung: 90.654,81 Euro

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 90.654,81 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.5.2020 zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 2.217,49 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.5.2020 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Streithelferin der Beklagten beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet das Bestehen eines – für einen Forderungsübergang nach § 86 VVG erforderlichen – Versicherungsverhältnisses zwischen der Klägerin und ihren angeblichen Versicherungsnehmerinnen. Die von der Klägerin vorgetragenen Zahlungen bestreitet sie mit Nichtwissen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird Bezug genommen auf den vorgetragenen Inhalt der eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus übergegangenem Recht gemäß § 86 VVG, denn sie hat schon nicht dargelegt und unter Beweis gestellt an ihre – angeblichen – Versicherungsnehmerinnen Leistungen erbracht zu haben.

Die Klägerin hat die von ihr behaupteten Leistungen an ihre angeblichen Versicherungsnehmerinnen nicht konkret vorgetragen, nicht belegt und nicht ausreichend unter Beweis gestellt.

Ein Anspruchsübergang findet nur statt, soweit der Versicherer seine Leistung erbracht hat. Vor der Leistungserbringung findet der Anspruchsübergang nicht statt, auch nicht durch das verbindliche Anerkenntnis des Versicherers, dass ein entschädigungspflichtiger Schaden oder eine Leistungspflicht des Versicherers bestehe (BGH VersR 1989, 730; Langheid/Wandt/Segger, 3. Aufl. 2022, VVG § 86 Rn. 117). Im Rahmen der Geltendmachung eines Anspruchs aus übergegangenem Recht gemäß § 86 VVG muss der Versicherer – hier die Klägerin – daher seine Leistung an seinen Versicherungsnehmer darlegen und gegebenenfalls beweisen. Dies hat die Klägerin trotz mehrfachen, ständigen Bestreitens der von ihr erbrachten Leistungen durch die Beklagte unterlassen.

Die Klägerin trägt vor, sie habe an ihre Versicherungsnehmerin am 4.10.2019 4.549,80 Euro und am 28.10.2019 2.220,25 Euro an ihre Versicherungsnehmerinnen, sowie am 21.11.2019 weitere 242,50 Euro an gezahlt. Darüber hinaus habe sie am 29.10.2019 1.487,75 Euro, sowie weitere 2.317,51 Euro an das Sachverständigenbüro ### gezahlt. Auf den Betriebsunterbrechungsschaden habe sie 79.837 Euro gezahlt. Zum Beweis für diese Zahlungen beruft sich die Klägerin auf entsprechende, eigene Abrechnungsschreiben und das Zeugnis eines über sie zu ladenden Herrn ###.

Eigene Abrechnungsschreiben stellen noch keine Leistung, sondern allenfalls ein – möglicherweise – verbindliches Anerkenntnis der Klägerin dar, welches noch keinen Anspruchsübergang begründen kann (vergleiche: Langheid/Wandt/Segger, 3. Aufl. 2022, VVG § 86 Rn. 117). Soweit die Klägerin sich zum Beweis für ihre Zahlungen auf das Zeugnis des Zeugen ### beruft, ist schon nicht dargelegt, welchen konkreten Sachverhalt dieser Zeuge bezeugen können soll. Darüber hinaus handelt es sich hierbei um ein untaugliches Beweismittel – jedenfalls dann, wenn die Zahlungen bereits Jahre zurückliegen und durch Überweisungen auf ein Konto vorgenommen worden sind. Ein Zeuge kann sich an Überweisungen, die bereits mehr als ein Jahr zurückliegen, aus eigener Erinnerungsfähigkeit und ohne Zuhilfenahme der diese Zahlungen dokumentierenden Unterlagen nicht erinnern. Dies übersteigt die menschliche Erinnerungsfähigkeit. Dies mag dann anders sein, wenn ein bestimmter Betrag an einem bestimmten Ort in bar bezahlt worden ist. Eine solche Barzahlung stellt einen Lebensvorgang dar, an den sich Zeugen möglicherweise erinnern können denn hierbei handelt es sich um einen selbst erlebten Vorgang, bei dem man sich mit einem anderen Menschen getroffen hat und Bargeld übergeben worden ist. Dieser Vorgang hat ein „Gesicht“ und ist ein Geschehen an einem konkreten Ort. Diese Qualität besitzt eine Überweisung nicht. Der Zeuge ### soll wohl – wie sich aus den Abrechnungsschreiben der Klägerin ergibt – der sachbearbeitende Mitarbeiter der Klägerin sein. Die Überweisung von Buchgeld von einem Konto auf ein anderes Konto – also der Überweisungsvorgang selbst – wird von der die Überweisung vornehmenden Person überhaupt nicht wahrgenommen. Die überweisende Person nimmt die Durchführung der Überweisung dadurch wahr, dass sie einen Kontoauszug, der die entsprechende Überweisung aufführt, oder eine Überweisungsbestätigung der Bank zur Kenntnis nimmt. Tatsächlich kann der Zeuge daher nur bekunden, dass er eine Überweisungsbestätigung der Bank oder einen Kontoauszug gesehen habe, in dem eine bestimmte Überweisung aufgeführt wird. Eine Überweisung, die – wie aus den Abrechnungsschreiben der Klägerin ersichtlich – von einem Konto auf ein anderes Konto vorgenommen worden sein soll, wird in zwei Kontoauszüge aufgenommen; einmal in den Kontoauszug der abführenden Bank – hier die Bank der Klägerin – und einmal in den Kontoauszug der den Betrag erhaltenden Bank – hier die Bank der Versicherungsnehmerinnen bzw. die Bank des Sachverständigen. Diese Kontoauszüge stellen das unmittelbare, den Geldfluss belegende Beweismittel – nämlich eine Beweisurkunde – dar. Beweisurkunden sind amtliche oder private Urkunden, die die zu beweisenden Tatsachen oder Vorgänge selbst enthalten oder verkörpern oder darüber berichten (Krauskopf-Waschull, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, 98. Ergänzungslieferung März 2018, § 60 SGB I Rn. 22); zum Beispiel behördliche Urkunden, Bescheide, Protokolle und auch Kontoauszüge (BSG, Urteil vom 19.2.2009 – B 4 AS 10/08 R -, Rn. 15; OLG Brandenburg, Beschluss vom 3.9.2014 – 13 WF 194/14 -). Die in den Kontoauszügen enthaltenen Daten geben Aufschluss über die Höhe der Ein- und Ausgänge, das Buchungsdatum, den Empfänger bzw. Absender der Buchung und im Regelfall auch über den Grund des Ein- bzw. Ausgangs der Zahlung. Der Kontoauszug ist damit eine Beweisurkunde (BSG, a.a.O., Rn. 15; MK-Smid, ZPO, 5. Aufl., § 850 I Rn. 5), und stellt das unmittelbare Beweismittel für einen Überweisungsvorgang dar. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Klägervertreter vorgetragen, die Vorlage von Kontoauszügen sei der Klägerin nicht möglich – ohne dies jedoch weiter zu begründen. Tatsächlich ist es jedem Kontoinhaber aufgrund der gesetzlichen Aufbewahrungspflichten möglich, jedenfalls innerhalb von 10 Jahren Kontoauszüge eines Girokontos zu erhalten. Aber auch für die Klägerin selbst besteht als Gewerbetreibende eine 10-jährige Aufbewahrungsfrist für Kontoauszüge. Soweit die Klägerin vorbringt, zur Vorlage von Kontoauszügen nicht in der Lage zu sein, ist dieser Vortrag schon unkonkret und nicht nachvollziehbar. Eine nähere Erläuterung dieser Schwierigkeiten ist nicht erfolgt. Tatsächlich muss der Klägerin die Vorlage von Kontoauszügen aus dem Jahre 2019 leicht möglich sein. Selbst wenn der Klägerin die Kontoauszüge nicht vorliegen würden, wäre die Einholung einer Zweitausfertigung der Kontoauszüge bei der kontoführenden Bank problemlos möglich. Zudem könnte sie über eine Nachfrage bei ihren Versicherungsnehmerinnen Kontoauszüge von deren Konten erhalten.

Der Zeugenbeweis ist hingegen untauglich, da Überweisungen – insbesondere für Mitarbeiter der Schadensabteilung einer Versicherung – einen alltäglichen Vorgang darstellen, der im Laufe eines Jahres in der Regel hundertfach, wenn nicht tausendfach geschieht. Es ist daher ausgeschlossen, dass sich ein Mensch nach einem Zeitablauf von mehreren Jahren noch an einen bestimmten Überweisungsvorgang erinnern kann. Gerade aus diesem Grund werden Kontovorgänge durch Kontoauszüge dokumentiert. Der als Zeuge benannte Versicherungsmitarbeiter kann sich nach Menschenvermögen nicht aufgrund eigener Erinnerungsfähigkeit an einen bestimmten Inhalt eines bestimmten Kontoauszuges erinnern. Das Gericht sieht das als ausgeschlossen an. Jeder Mitarbeiter der Klägerin kann Überweisungen der Klägerin nur anhand von Kontoauszügen konkret darlegen (vergleiche zu Vorstehendem auch: Landgericht Berlin, Urteil vom 12.6.2018 – 22 O 338/16).

Da die Klägerin bewusst die Vorlage des tauglichen Beweismittels unterlässt, ist sie schon hinsichtlich der Zahlung an ihre – angeblichen – Versicherungsnehmerinnen und den Sachverständigen beweisfällig geblieben.

Da der Hauptanspruch der Klägerin nicht besteht, besteht auch kein Anspruch auf Ersatz der mit dem Klageantrag zu 2.) geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 101 Abs. 1 ZPO; diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 Sätze 1 und 2 ZPO.

 

 

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