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Wohngebäudeversicherung – Granitbodenbelagsneuverlegung

Granitbodenbelag: Neuverlegung abgelehnt

Im Fall vor dem Landgericht Leipzig (Az.: 3 O 2168/22) wurde über die Forderung einer Klägerin gegenüber ihrer Gebäudeversicherung entschieden. Die Klägerin forderte die Übernahme der Kosten für die komplette Neuverlegung eines Granitbodenbelags im Erdgeschoss nach einem Schadensfall, argumentierend, dass nur eine vollständige Erneuerung den optischen Einheitseindruck wiederherstellen könne.

Die Versicherung lehnte diese Forderung ab, da bereits eine Zahlung für die Reparatur- und Instandsetzungsarbeiten geleistet wurde und argumentierte, dass eine vollständige Erneuerung vertraglich nicht geschuldet sei. Das Gericht wies die Klage ab, da die Klägerin nicht nachweisen konnte, dass eine ausreichende Ähnlichkeit des neuen Granits zum Original nicht erreichbar ist und eine vollständige Erneuerung somit notwendig wäre.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 3 O 2168/22 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  1. Die Klägerin forderte von ihrer Wohngebäudeversicherung die Kostenübernahme für die Neuverlegung eines Granitbodenbelags.
  2. Die Klage wurde abgewiesen, da die Klägerin die Notwendigkeit einer kompletten Erneuerung nicht beweisen konnte.
  3. Das Gericht folgte der Argumentation der Versicherung, dass bereits gezahlte Leistungen die vertraglich geschuldeten Reparaturarbeiten abdecken.
  4. Eine vollständige Neuverlegung des Bodenbelags im gesamten Erdgeschoss wurde als nicht vertraglich geschuldet betrachtet.
  5. Es wurde betont, dass Versicherungsbedingungen aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers interpretiert werden müssen.
  6. Die Entscheidung berücksichtigte auch, dass Naturprodukte wie Granit natürlichen Schwankungen unterliegen.
  7. Die Klägerin trug die Kosten des Rechtsstreits und das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung.
  8. Die Wertminderung, nicht die komplette Erneuerung, könnte in solchen Fällen eine angemessene Entschädigung darstellen.

Aktuelle Entwicklungen zur Wohngebäudeversicherung bei Granitbodenbelägen

Die Wohngebäudeversicherung ist für Hausbesitzer ein wichtiger Schutz vor finanziellen Schäden durch Ereignisse wie Feuer, Sturm oder Hagel. Auch Schäden am Fußboden sind in der Regel versichert. Allerdings kann es bei der Schadensregulierung zu Streitfällen kommen, insbesondere bei hochwertigen Bodenbelägen wie Granit.

Sicherheit im Blick: Wohngebäudeversicherung & Granitbodenbelag
(Symbolfoto: alexandre zveiger /Shutterstock.com)

Zu den rechtlichen Herausforderungen in diesem Zusammenhang gehören Fragen der Beweislast, des Umfangs der Entschädigung und der Zumutbarkeit von Reparaturmaßnahmen. So muss der Versicherungsnehmer nachweisen, dass der Schaden durch ein versichertes Ereignis verursacht wurde und dass die geltend gemachten Kosten für die Reparatur notwendig und angemessen sind.

Im Zentrum des Rechtsstreits vor dem Landgericht Leipzig stand die Forderung einer Klägerin nach weiteren Leistungen von ihrer Wohngebäudeversicherung. Diese bezogen sich auf die Kosten für die Neuverlegung eines Granitbodenbelags im Erdgeschoss ihres Gebäudes, nachdem ein Schadensfall eingetreten war. Die Klägerin argumentierte, dass die bestehende Versicherungspolice die Kosten für eine solche Maßnahme abdecken müsste, insbesondere da der vorhandene Bodenbelag aus einem einheitlich aus einem Block geschnittenen Granit bestand und die Reparatur zu sichtbaren optischen Abweichungen führen würde.

Der Kern des Streits: Neuverlegung versus Reparatur

Die Klägerin vertrat die Ansicht, dass die Neuverlegung des gesamten Bodenbelags notwendig sei, um den einheitlichen und hochwertigen Erscheinungsbild des Erdgeschosses wiederherzustellen. Sie berief sich dabei auf die Versicherungsbedingungen, die vorsehen, dass die Versicherung bei Beschädigung versicherter Sachen für die Kosten der Reparatur oder Wiederherstellung, bis zum Höchstwert der versicherten Teile, aufkommt. Der Versicherungsnehmer könne demnach die Kosten für die komplette Neuverlegung verlangen, wenn dies im Verhältnis zur optischen Beeinträchtigung angemessen erscheine. Die Beklagte hingegen argumentierte, dass bereits gezahlte Leistungen für die Reparatur- und Instandsetzungsarbeiten ausreichend seien und eine vollständige Erneuerung des Bodenbelags vertraglich nicht geschuldet sei.

Rechtliche Herausforderungen und Interpretationen

Die rechtliche Auseinandersetzung fokussierte sich auf die Interpretation der Versicherungsbedingungen und die Frage, inwiefern die Notwendigkeit und Zumutbarkeit einer vollständigen Neuverlegung gegeben sei. Die Beklagte stellte in Frage, ob tatsächlich ein nennenswert sichtbarer Farb- und Musterunterschied entstehen würde, der eine komplette Neuverlegung rechtfertigen könnte. Zudem wurde argumentiert, dass das einheitliche Erscheinungsbild des Erdgeschosses weder eine versicherte Sache noch ein versichertes Risiko darstelle.

Das Urteil des Landgerichts Leipzig

Das Gericht wies die Klage ab und folgte der Argumentation der Beklagten, dass die Klägerin nicht nachweisen konnte, dass eine ausreichende Ähnlichkeit des neu verlegten Granits zum Originalboden nicht hergestellt werden kann und somit eine komplette Neuverlegung erforderlich sei. Es wurde betont, dass Versicherungsbedingungen aus der Perspektive eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers ohne spezielle rechtliche Kenntnisse zu interpretieren sind. Daraus folgte, dass Kosten, die nicht unmittelbar der Reparatur des beschädigten Gebäudes oder der Sache dienen, nicht ersatzfähig sind.

Juristische Feinheiten und die Entscheidungsfindung

Die Entscheidungsgründe des Gerichts beleuchteten die juristischen Feinheiten der Auslegung von Versicherungsbedingungen und der Beurteilung von Schadensfällen. Die Urteilsbegründung reflektierte die Notwendigkeit einer sorgfältigen Prüfung der Erforderlichkeit und Zumutbarkeit von Reparaturmaßnahmen. Das Gericht berücksichtigte auch die natürlichen Schwankungen von Natursteinen wie Granit und die daraus resultierenden optischen Unterschiede, die bei der Reparatur auftreten können.

Das Landgericht Leipzig entschied, dass die Forderung der Klägerin nach einer vollständigen Neuverlegung des Granitbodenbelags nicht durch die bestehenden Versicherungsbedingungen gedeckt ist. Die Klägerin konnte nicht nachweisen, dass die optischen Abweichungen eine vollständige Neuverlegung unumgänglich machen, und muss die Kosten des Rechtsstreits tragen.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Wie wird der Schadensersatz bei der Neuverlegung von Bodenbelägen berechnet?

## Berechnung des Schadensersatzes bei Neuverlegung von Granitfußboden

Die Berechnung des Schadensersatzes bei der Neuverlegung von Granitfußboden hängt von verschiedenen Faktoren ab. Zunächst ist zu klären, ob es sich um einen Mangel handelt, der beseitigt werden muss, oder ob Schadensersatz geleistet werden soll. Im Falle eines Mangels kann der Auftraggeber grundsätzlich die Mängelbeseitigung verlangen. Sollte eine Mängelbeseitigung nicht möglich oder unverhältnismäßig sein, kommt ein Schadensersatzanspruch in Betracht.

Bei der Berechnung des Schadensersatzes sind die Kosten für die Neuverlegung des Granitbodens anzusetzen. Dazu gehören die Materialkosten für den neuen Granitfußboden sowie die Arbeitskosten für das Entfernen des alten Belags und das Verlegen des neuen Bodens. Die genauen Kosten können je nach Qualität des Granits, der Flächengröße und den regionalen Preisunterschieden variieren.

Es ist auch zu berücksichtigen, ob durch die Neuverlegung ein Mehrwert entsteht. Gemäß § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB ist Mehrwertsteuer nur zu erstatten, wenn sie tatsächlich angefallen ist. Sollte der neue Bodenbelag eine Wertsteigerung der Immobilie zur Folge haben, kann dies bei der Schadensersatzberechnung eine Rolle spielen.

Zusätzlich können Kosten für die Entsorgung des alten Materials und für die Vorbereitung des Untergrunds anfallen. Bei der Ermittlung des Schadensersatzes ist auch der Zustand des beschädigten Bodens vor dem Schaden zu berücksichtigen. War der Boden bereits abgenutzt oder beschädigt, kann dies den Schadensersatz mindern.

In manchen Fällen kann es sinnvoll sein, ein Sachverständigengutachten einzuholen, um den Schaden und die Höhe des Schadensersatzes genau zu beziffern. Ein solches Gutachten kann auch bei Streitigkeiten vor Gericht als Beweismittel dienen.

Zusammenfassend setzt sich der Schadensersatz aus den Kosten für das Material, die Arbeitsleistung, eventuelle Mehrwertsteuer und mögliche Zusatzkosten zusammen. Ein genauer Betrag kann nur auf Basis eines konkreten Angebots oder Kostenvoranschlags ermittelt werden.

Welche Rolle spielt die Zumutbarkeit bei der Schadensregulierung in der Wohngebäudeversicherung?

Die Zumutbarkeit spielt bei der Schadensregulierung in der Wohngebäudeversicherung eine wesentliche Rolle, insbesondere im Hinblick auf die Pflichten des Versicherungsnehmers nach Eintritt eines Schadensfalls. Diese Pflichten umfassen unter anderem die Schadensminderung, die Einhaltung von Sicherheitsvorschriften und die Kooperation mit dem Versicherer bei der Schadensaufnahme und -bewertung.

Schadensminderungspflicht

Versicherungsnehmer sind verpflichtet, nach Eintritt eines Schadensfalls alles Zumutbare zu tun, um den Schaden möglichst gering zu halten. Dies kann beispielsweise das provisorische Abdichten eines undichten Fensters nach einem Unwetter sein, um weitere Schäden durch eindringendes Wasser zu vermeiden. Die Zumutbarkeit definiert hierbei, welche Maßnahmen vom Versicherungsnehmer erwartet werden können, ohne dass er sich selbst oder andere in Gefahr bringt.

Einhaltung von Sicherheitsvorschriften

Die Beachtung von einschlägigen Sicherheitsvorschriften ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt der Zumutbarkeit. Versicherungsnehmer müssen alle gesetzlichen, behördlichen sowie vertraglich vereinbarten Sicherheitsvorschriften erfüllen, soweit dies zumutbar ist. Verstöße gegen diese Vorschriften können die Schadensregulierung beeinflussen, insbesondere wenn die Nichteinhaltung der Vorschriften zum Schaden beigetragen hat.

Kooperation mit dem Versicherer

Versicherungsnehmer sind zudem verpflichtet, dem Versicherer jede zumutbare Unterstützung bei der Schadensaufnahme und -bewertung zu leisten. Dazu gehört die wahrheitsgemäße Beantwortung von Fragen, die Bereitstellung notwendiger Informationen und Belege sowie die Duldung von Untersuchungen durch den Versicherer oder beauftragte Sachverständige. Die Zumutbarkeit begrenzt hierbei den Umfang der Mitwirkungspflichten des Versicherungsnehmers.

Die Zumutbarkeit ist ein zentrales Kriterium bei der Schadensregulierung in der Wohngebäudeversicherung. Sie bestimmt das Ausmaß der Mitwirkungspflichten des Versicherungsnehmers und beeinflusst die Bewertung von Schadensfällen. Versicherungsnehmer müssen zumutbare Maßnahmen zur Schadensminderung ergreifen, Sicherheitsvorschriften einhalten und mit dem Versicherer kooperieren, um ihren Anspruch auf Leistungen aus der Versicherung nicht zu gefährden.

Inwiefern beeinflussen natürliche Materialschwankungen den Versicherungsschutz?

Natürliche Materialschwankungen können den Versicherungsschutz in mehreren Aspekten beeinflussen, insbesondere wenn es um die Versicherung von Gebäuden oder spezifischen Bauelementen wie Bodenbelägen geht. Diese Schwankungen beziehen sich auf die natürlichen Unterschiede in der Beschaffenheit von Baumaterialien, die aus natürlichen Ressourcen gewonnen werden, wie zum Beispiel Holz, Stein oder Granit. Solche Materialien können in ihrer Farbe, Maserung, Dichte und anderen physikalischen Eigenschaften variieren, was bei der Schadensregulierung berücksichtigt werden muss.

Einfluss auf die Schadensbewertung

Natürliche Materialschwankungen können die Bewertung von Schäden beeinflussen, da die einzigartigen Eigenschaften des Materials bei der Wiederherstellung oder dem Ersatz berücksichtigt werden müssen. Beispielsweise kann die Farb- und Maserungsübereinstimmung bei der Reparatur von Parkett oder Natursteinböden eine Rolle spielen. Die Kosten für die Beschaffung von Materialien, die in Aussehen und Qualität mit den beschädigten Materialien übereinstimmen, können variieren und somit die Höhe des Schadensersatzes beeinflussen.

Auswirkungen auf den Versicherungsschutz

Die Versicherungspolicen decken in der Regel die Wiederherstellung des beschädigten Zustands ab, jedoch können natürliche Materialschwankungen Herausforderungen bei der exakten Wiederherstellung darstellen. In einigen Fällen kann es schwierig sein, Materialien zu finden, die genau den ursprünglichen Materialien entsprechen, was zu Diskussionen über den Umfang des Versicherungsschutzes führen kann.

Berücksichtigung bei der Schadensregulierung

Versicherer und Sachverständige müssen bei der Schadensregulierung die natürlichen Materialschwankungen berücksichtigen. Dies kann die Notwendigkeit einer sorgfältigen Auswahl von Ersatzmaterialien oder speziellen Reparaturmethoden bedeuten, um eine möglichst nahtlose Wiederherstellung zu gewährleisten. Die Kosten für solche Maßnahmen müssen im Rahmen des Versicherungsschutzes berücksichtigt werden.

Natürliche Materialschwankungen stellen eine besondere Herausforderung bei der Schadensregulierung dar, insbesondere bei der Versicherung von Gebäuden und spezifischen Bauelementen. Versicherer und Sachverständige müssen diese Schwankungen berücksichtigen, um eine faire und angemessene Schadensregulierung zu gewährleisten. Die einzigartigen Eigenschaften natürlicher Materialien erfordern eine sorgfältige Bewertung und Auswahl von Reparaturmethoden und Ersatzmaterialien, um den ursprünglichen Zustand so genau wie möglich wiederherzustellen.

§ Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil

  • § 91 ZPO (Zivilprozessordnung): Regelt die Kostenpflicht im Falle einer unterliegenden Partei in einem Rechtsstreit. Im vorliegenden Urteil bedeutet dies, dass die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits tragen muss, da ihre Klage abgewiesen wurde.
  • § 709 ZPO: Bestimmt die Bedingungen für die vorläufige Vollstreckbarkeit eines Urteils gegen Sicherheitsleistung. Im Kontext des Urteils ermöglicht dies der Beklagten, die Vollstreckung zu betreiben, sofern die Klägerin eine Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
  • VGB 2017 (Versicherungsbedingungen für die Gebäudeversicherung): Enthält die spezifischen Bedingungen und Regelungen für Gebäudeversicherungsverträge. Diese Regelungen waren maßgeblich für die Entscheidung, dass die Beklagte nicht zur Zahlung weiterer Beträge für die Neuverlegung des Bodenbelags verpflichtet ist, da die Anforderungen an die Notwendigkeit und Zumutbarkeit der Maßnahme aus Sicht des Versicherungsnehmers nicht erfüllt waren.
  • Allgemeine Grundsätze zur Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB): Nach der Rechtsprechung des BGH sind AGB objektiv auszulegen. Dies bedeutet, dass die Versicherungsbedingungen unabhängig von den spezifischen Umständen des Einzelfalls und den Intentionen der beteiligten Parteien interpretiert werden müssen, was im vorliegenden Fall zur Anwendung kam.
  • Grundsätze zur Beweislast: Die Klägerin trägt die Beweislast für ihre Behauptung, dass ein den Originalzustand entsprechender Granitboden nicht mehr verfügbar ist. Da sie diesen Beweis nicht erbringen konnte, wurde ihre Forderung nach vollständiger Erneuerung des Bodenbelags nicht unterstützt.
  • Prinzipien der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit in der Schadensregulierung: Diese Grundsätze bestimmen, inwieweit Maßnahmen zur Schadensbeseitigung erforderlich und dem Versicherungsnehmer zumutbar sind. Im besprochenen Fall wurde entschieden, dass die vollständige Neuverlegung des Bodenbelags diese Kriterien nicht erfüllt, da geringfügige optische Abweichungen nicht zu einer unverhältnismäßigen Maßnahme führen sollten.


Das vorliegende Urteil

LG Leipzig – Az.: 3 O 2168/22 – Urteil vom 23.05.2023

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 39.607,65 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin, die bei der Beklagten eine Gebäudewohnversicherung unterhält, beansprucht von dieser auf Grund eines Ereignisses vom 02.07.2021 weitere Leistungen wegen der Kosten für eine – nach ihrer Auffassung notwendige – Neuverlegung eines einheitlichen Bodenbelags im Erdgeschoss.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte sei ihr zur begehrten Zahlung verpflichtet. Nach den vertraglichen Regelungen habe die Beklagte bei Beschädigung versicherter Sachen für die Kosten der Reparatur, höchstens jedoch für den versicherten Wert der betroffenen Teile, aufzukommen. Bei der Reparatur einer teilweise beschädigten Sache bemesse sich der Umfang der zu entschädigenden Reparaturkosten nach den Geboten der Erforderlich- und Zumutbarkeit. Entscheidend sei, was ein nicht versicherter Gebäudeeigentümer investieren würde. Deshalb könne der Versicherungsnehmer nach der Rechtsprechung die Kosten für die komplette Neuverlegung eines einheitlich mit hochwertigem Bodenbelag ausgestatteten Erdgeschossbereichs verlangen, wenn dies im Verhältnis zu der optischen Beeinträchtigung stehe die verbleibe, wenn z.B. nur der beschädigte Fußboden neu verfliest werde. „Soweit die Beklagten ausführen, dass der betroffene Granitboden im Fachhandel nach wie vor erhältlich sei und in Abrede stellen, dass überhaupt ein nennenswert sichtbarer Farb- und/oder Muster unterschied zum angrenzenden Eingangsbereich eintreten würde, ist dem nicht so. Wir hatten bereits vorgetragen, dass der streitgegenständliche Fußbodenbelag seinerzeit einheitlich aus einem zusammenhängenden Block geschnitten wurde. Dies wurde in der Klageerwiderung auch nicht in Zweifel gezogen. Es entstehen nun optische Abweichungen bei der Ausbesserung des originalen Granitbodens mit dem nach 20 Jahren im Handel erworbenen Stein. Naturstein ist ein natürliches Material und unterliegt natürlichen Schwankungen in Farbe, Struktur und Maserung. Selbst wenn es sich um den gleichen Typ von Granit handelt, weisen unterschiedliche Blöcke aus verschiedenen Abbaugebieten oder Zeiträumen zwangsläufig Abweichungen auf. Dies führt dazu, dass die ausgebesserten Stellen sich vom restlichen Granitbodenbelag im Erscheinungsbild deutlich abheben werden. … Im Übrigen ist auszuführen, dass die Ausgestaltung des Foyers mit ca. 40m2, in Verbindung mit der durch die beschriebene Achse zum Speisezimmer von ca. 35m2, für repräsentative Gästeempfänge konzipiert und auch aktiv benutzt wurde und wird. Um kostenbewusst die Sanierung durchzuführen, hat sich die Klägerin vorläufig für die Erhaltung der Trittstufen der Portaltreppe entschieden. Es wurden lediglich die Setzstufen mittels des neuen Materials des Bodens verkleidet, um so einen akzeptablen Gesamteindruck herzustellen. Auch wurde bislang davon abgesehen, die wie vor beschriebenen Granitabdeckungen zu wechseln. Diese Entscheidung der Klägerin ist jedoch nicht abschließend und wohl auch überobligatorisch“ (Schriftsatz vom 26.04.2023, I. 2. und I. letzt. Abs.).

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 39.607,65 € nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.07.2021 bis 13.05.2022 sowie 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 14.05.2022 zu zahlen und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 2.416,41 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, nach Erbringung von Leistungen in Höhe von 114.078,41 € auf die Reparatur- und Instandsetzungsarbeiten des Bodenbelages im Erdgeschoss zu keiner weiteren Zahlung verpflichtet zu sein. Eine Übernahme der Kosten für die vollständige Erneuerung des Bodenbelags im gesamten Erdgeschoss einschließlich des Esszimmers sei vertraglich nicht geschuldet. „Sofern tatsächlich durch die Neuverlegung des noch im Handel erhältlichen Granitbodens … überhaupt ein nennenswert sichtbarer Farb- und/oder Musterunterschied zum angrenzenden Eingangsbereich eintreten würde, was schon nicht gesichert ist und damit bestritten wird, kann allenfalls eine Wertminderung gefordert werden, die deutlich unter den allein aus Kulanzgründen angebotenen 10.000,00 € liegt. … Zudem stellt das von der Klägerin in den Vordergrund gestellte einheitliche Erscheinungsbild ausgewählter Zimmer im Erdgeschoss weder eine versicherte Sache noch ein versichertes Risiko noch versicherte Kosten dar. Mit dem Leistungsversprechen, die „notwendigen“ Reparaturkosten zu übernehmen, geht aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers eine Begrenzung auf die Erforderlichkeit der Kosten zur Schadensbeseitigung einher. Darüber hinaus wird er … eine Notwendigkeit im Sinne der Klausel in Ausnahmefällen verneinen, in denen die Kosten der (vollständigen) Beseitigung einer Substanzbeeinträchtigung der versicherten Sache völlig unverhältnismäßig sind, sodass kein Gebäudeeigentümer vernünftigerweise eine solche Schadensbeseitigung vornehmen würde. … Aber selbst unter der Prämisse, dass eventuell geringfügige Abweichungen in Farbe und Muster bei der Neuverlegung im Eingangsbereich eintreten könnten, zeigen die Umstände des konkreten Einzelfalls auf, dass dann keinesfalls ein unzumutbares und optisch untragbares Ergebnis eintritt. Als Anlage B11 bis Anlage B13 überreichen wir mehrere Fotos vom Eingangsbereich und vom Esszimmer. … Die Fotos zeigen klar auf, dass selbst wenn bei der Neuverlegung des noch im Handel erhältlichen Granits im Eingangsbereich tatsächlich geringfügige optische Abweichungen in Farbe und Muster zum Granitboden im Esszimmer ergeben sollten, diese allenfalls als gering einzustufen sind. … Der aktuelle Zustand des Erdgeschosses des versicherten Gebäudes ist unbekannt. Nach Mitteilung der Klägerin gegenüber dem vom Kläger eingeschalteten Sachverständigen Lehmann hat sie sich dazu entschieden, im Eingangsbereich und im Arbeitszimmer einen anderen Granit mit einem anderen Dekor zu verlegen. Dies, obwohl der ursprünglich verlegte Granit unstreitig am Markt noch zu erhalten ist. Im Übrigen aller Voraussicht nach nur in den Bereichen, in denen tatsächlich ein Schaden eingetreten war, also nicht im streitgegenständlichen Esszimmer. Dort wird – so die Vermutung des Beklagten – weiterhin der ursprünglich verlegte und unbeschädigte Granitboden liegen. Farb- und Musterabweichungen liegen bei der Wahl eines anderen Granits auf der Hand und allein in der Entscheidung der Klägerin, einen anderen Granitboden verlegen zu lassen“ (Klageerwiderung II. Abs. 1 ff.).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrages der Parteien wird auf die wechselseitig zur Akte gereichten Schriftsätze sowie deren insbesondere in Bezug genommenen Anlagen verwiesen.

Beweis hat das Gericht nicht erhoben.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Die Beklagte ist der Klägerin nicht zur Zahlung eines weiteren Betrages für eine begehrte Erneuerung des gesamten Fußbodenbelages im Erdgeschoss aus dem streitgegenständlichen Versicherungsfall verpflichtet.

Die Klägerin ist bereits für ihre von der Beklagten bestrittene Behauptung, dass kein einen kaum nennenswerten Farb- und Musterunterschied aufweisender Granit im Handel (mehr) erhältlich ist, darlegungsbelastet geblieben.

Mit der Replik hat die Klägerin lediglich weiterhin geltend gemacht, dass seit dem Zeitpunkt als der ursprünglich verlegte – aus einem einheitlichen Block stammende – Granit geschnitten wurde 20 Jahre vergangen sind. Der Klägerin ist zwar zuzugeben, dass es sich bei dem Granit um ein Naturprodukt handelt und (deshalb) naheliegend ein nunmehr aus dem Gebiet zu erwerbender, von dem der ursprünglich für die Verlegung abgebaute herstammt, eine gewisse Veränderung im Aussehen erfahren haben dürfte. Einerseits steht damit jedoch insbesondere eine Unzumutbarkeit der möglichen Abweichung nicht fest. Andererseits besagt dies auch nichts darüber, dass kein eine ausreichende Ähnlichkeit aufweisender Granit überhaupt auf dem Markt erhältlich ist (vgl. zur Beweislast AG Münster Urteil vom 19.09.2019 – 15 S 23/15 II. 2. B Abs. 4 m.w.N. auch zur Gesamtproblematik).

Nach der Rechtsprechung des BGH „sind Allgemeine Geschäftsbedingungen objektiv ohne Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und des Willens der konkreten Parteien auszulegen“ (Urteil vom 20.04.2023 – I ZR 113/22 Rn. 14 m.w.N.). Auf von der Klägerin geltend gemachte Kenntnisse der Beklagten zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses kommt es deshalb – sofern keine hier nicht behauptete Individualabsprache vorliegt – nicht an.

Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Auch kommt es dabei auf die Verständnismöglichkeit eines Versichrungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse an. Die streitgegenständliche Regelung ist deshalb aus sich heraus zu interpretieren, wobei in erster Linie vom Wortlaut auszugehen ist. Zusätzlich sind der verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (vgl. BGH VersR 2012, 1149).

Ausgehend vom Wortlaut der in den Versicherungsvertrag einbezogenen VGB 2017, ersetzt die Beklagte „bei beschädigten Gebäuden oder sonstigen beschädigten Sachen die erforderlichen Reparaturkosten zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls“ (aaO. § 16 1. bb Satz 1).

Ein redlicher um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer wird deshalb nicht annehmen, dass Kosten, die nicht zur Reparatur des beschädigten Gebäudes oder der Sache dienen, ersatzfähig sind. Vielmehr zielt für den Versicherungsnehmer ersichtlich die Bestimmung auf die Begrenzung des subjektiven Risikos des Versicherers sowie trägt dem grundsätzlich geltenden Bereicherungsverbot Rechnung. Jedenfalls durch die Formulierung „erforderlichen“ wird ein Ersatz jeglicher Reparaturkosten im Zusammenhang mit dem Schadensfall ausreichend klar ausgenommen. Demgemäß geht die Rechtsprechung soweit ersichtlich davon aus, dass eine Gesamterneuerung nur gefordert werden kann, „wenn sich ein einheitlicher optischer Eindruck anders nicht herstellen lässt … und dies auch nur unter Berücksichtigung der Zumutbarkeit“ (OLG Köln Urteil vom 25.01.2005 – 9 U 85/04 Rn. 29 m.w.N. zu einem Versicherungsfall bei dem der Versicherungsnehmer den gesamten Boden bereits ersetzt hatte).

Die von der Klägerin in Anspruch genommene einheitliche ursprüngliche Planung und Umsetzung des einheitlichen Erscheinungsbildes vermag jedenfalls – sofern eine solches nach einem möglichen Austausch ggf. nicht mehr in einem Maß wie vorher gegeben wäre – die von der Klägerin begehrte Leistung der Beklagten nicht ohne weiteres zu begründen. Ein wirtschaftlich denkender Versicherungsnehmer wird vorliegend bei verständiger Würdigung und Erwägung keine wie von der Klägerin beanspruchte, ggf. von dieser beabsichtigte vollständige, Erneuerung vornehmen (vgl. LG Münster aaO. Abs. 12 sowie zur Notwendig- und Zumutbarkeit OLG Saarbrücken Urteil vom 17.02.2023 – 5 U 30/22 Rn. 17 auch zur Gesamtproblematik).

Die Wertung des Gerichts (vgl. zur allgemeinen Problematik geringe optische Abweichungen OLG Celle Urteil vom 15.02.2023 – 14 U 166/21) wird vorliegend dadurch, dass die Klägerin trotz Schadenseintritts am 02.07.2021 bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung – ohne dafür einen wie auch immer gearteten Grund zu benennen – bislang tatsächlich davon absah, den Granitboden im beanspruchten Umfang zu wechseln. Sie verlor sich dazu in den Ausführungen, dass die Entscheidung jedoch nicht abschließend und wohl auch überobligatorisch sei, was nicht geeignet war eine abweichende Beurteilung zu begründen. Es ist jedenfalls weder dargetan noch ersichtlich, wenn sie denn einen – wie beansprucht – solchen Wert auf die ursprünglich geplante und umgesetzte Einheitlichkeit des Bodens legt, die entsprechenden Maßnahmen zwischenzeitlich nicht durchführte und/oder wenigstens solches unmittelbar beabsichtigt.

Die Nebenforderungen teilten das Schicksal des Hauptanspruchs.

Ein Anspruch auf Ersatz der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten scheitert zudem daran, dass schon zum dafür notwendigen Umfang der ursprünglichen Mandatierung weder etwas Ausreichendes vorgetragen noch ersichtlich ist (vgl. zur Gesamtproblematik BGH NJW-RR 2019, 1332 ff. Nr. 43 m.w.N. sowie zur fehlenden Erforderlich-/Zweckmäßigkeit OLG Dresden Urteile vom 20.12.2022 – 4 U 1178/22 und 29.11.2022 – 4 U 1266/22).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Der Ausspruch hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

 

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