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Wohngebäudeversicherung – Dachbeschädigung durch Hagelschlag

OLG Dresden – Az.: 4 U 1487/17 – Beschluss vom 12.01.2018

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.

2. Die Klägerin hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Sie sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.

3. Es ist beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 15.752,36 EUR festzusetzen.

Gründe

Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch – einstimmig gefassten – Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung der Klägerin bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.

Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von Versicherungsleistungen aus dem zwischen den Parteien unstreitig abgeschlossenen Wohngebäudeversicherungsvertrag mit der Versicherungsschein-Nr. … vom 03.02.2009 wegen des von der Klägerin behaupteten Hagelschadens am Nebengebäude ihres Wohnhauses vom 11.09.2011.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht einen solchen Anspruch verneint. Die Berufungsbegründung zeigt keine hiergegen durchgreifenden Gesichtspunkte auf, die eine abweichende Entscheidung oder auch nur eine erneute bzw. ergänzende Beweiserhebung gebieten.

Im Einzelnen:

Wohngebäudeversicherung - Dachbeschädigung durch Hagelschlag
(Symbolfoto: Suzanne Tucker/Shutterstock.com)

1. Nachdem die Parteien nicht mehr darüber streiten, ob das streitgegenständliche Nebengebäude unter den vorbezeichneten Versicherungsvertrag fällt oder nicht, und nachdem unstreitig Hagelschäden gemäß Ziffern 4.1.3 i.V.m. Ziffer 8.3 und 8.4 der zwischen den Parteien mitvereinbarten „Wohngebäudeversicherungsbedingungen der …-Privatpolice (WGB F 01/08)“ zu den versicherten Risiken gehören, ist das Landgericht durch Vernehmung von Zeugen, der Einholung eines schriftlichen meteorologischen Gutachtens sowie der Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens aus dem Bereich des Dachdeckerhandwerks nebst schriftlichen Ergänzungsgutachten und mündlicher Anhörung des Sachverständigen sowie der Vernehmung des sachverständigen Zeugen T. in dessen Eigenschaft als Verfasser des von der Beklagten in Auftrag gegebenen vorgerichtlichen Sachverständigengutachtens vertieft der Frage nachgegangen, ob am streitgegenständlichen Dach tatsächlich ein Hagelschaden eingetreten ist. Für diese Behauptung und damit für den Eintritt des Versicherungsfalles ist die Klägerin allgemeinen Beweislastregeln folgend beweispflichtig (vgl. BGH, Urteil vom 27.06.1994, IV ZR 129/93, juris Rz. 15; Prölss/Martin, VVG 29. Aufl., Einleitung Rz. 353 m.w.N.). Nach Ziffer 8.2.1 i.V.m. 8.3 des zwischen den Parteien vereinbarten WGB F 01/08) liegt ein bedingungsgemäßer Hagelschaden dann vor, wenn durch Hagel, d.h. durch einen „festen Witterungsniederschlag in Form von Eiskörnern“ und durch dessen unmittelbare Einwirkung auf versicherte Sachen ein Schaden entsteht. Dieser Nachweis ist der Klägerin nicht gelungen. Die zu dieser Frage vom Landgericht vorgenommene Beweiserhebung und anschließende Würdigung gibt keinen Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der landgerichtlichen Tatsachenfeststellung. Die Berufungsbegründung zeigt hiergegen sprechende durchgreifende Gesichtspunkte nicht auf.

a) Dies gilt zunächst für den direkten Nachweis der Beschädigung der Dachziegel oder der Firstziegel durch Hagelkörner. Hierzu bekundete der Zeuge G., Ehemann der Klägerin, weder er noch die Klägerin hätten vom Hagel unmittelbar etwas mitbekommen, sondern vom Hagel nur nach dem Hörensagen von den Leuten im Dorf erfahren, weil er und die Klägerin an dem Tag im Urlaub gewesen seien. Der Zeuge R., unmittelbarer Nachbar der Klägerin, bekundete zwar, am Schadenstag seien etwa tischtennisballgroße Hagelkörner niedergegangen, an seinem in unmittelbarer Nähe gelegenen Dach seien allerdings ebenso wenig Schäden entstanden wie an seiner Fotovoltaikanlage. Er könne nur bekunden, dass er von seinem Hof das Dach mit den „Einschlägen“ sehen könne. Wenn er zuvor am Dach der Klägerin gewesen sei, habe er keine solchen Schäden gesehen. Jedenfalls sei ihm vorher nichts aufgefallen. Der Zeuge N. wiederum bekundete, ca. 200 m vom Haus der Klägerin entfernt zu wohnen und selber Hagelschäden erlitten zu haben. Allerdings könne er nicht sagen, ob durch diesen Hagel auch etwas am streitgegenständlichen Gebäude passiert sei. Zu dem Dach der Klägerin vor dem Hagelschaden wolle bzw. könne er nichts sagen. Ebenso wie der sachverständige Zeuge T., der ausgesagt hat, aufgrund des von ihm vorgefundenen Schadensbildes halte er Schäden durch Hagelkörner für im Grunde ausgeschlossen, weil Hagelkörner in aller Regel Brüche und Abplatzungen, nicht aber glatte Löcher verursachten, hat auch der Gerichtssachverständige Hagelschäden nicht eindeutig festgestellt. Er hat es zwar für möglich gehalten, dass einige Einschlagslöcher durch Hagelschlag verursacht worden sind, zumindest könne er dies nicht ausschließen, es sei aber umgekehrt auch keinesfalls sicher. Das Schadensbild sei eher untypisch, weil bei einem Hagelschaden flächiger und auch an umliegenden Gebäuden Hageleinschläge hätten vorhanden sein müssen. Im Übrigen hat auch er bestätigt, dass es sich bei zahlreichen Abplatzungen und Schadstellen sowie Löchern um alte Beschädigungen gehandelt haben müsse, was er auch im Einzelnen begründete. Bei dieser Beweislage ist die Annahme des Landgerichts, es sei nicht bewiesen, dass die Löcher im Dach durch Hagel verursacht worden seien, nicht nach § 529 ZPO zu beanstanden. Es gilt das Beweismaß des § 286 ZPO, wonach weniger als die Überzeugung von der Wahrheit für das Bewiesensein nicht ausreicht. Dass der Richter eine Behauptung für „eher wahr als falsch“ hält, also eine „überwiegende Überzeugung“ hat, genügt nicht (vgl. Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 286 Rz. 18, m.w.N.). Dies bedeutet, dass zwar absolute Gewissheit nicht verlangt wird, er muss aber subjektiv von der Wahrheit überzeugt sein (vgl. Zöller, aaO., Rz. 19, m.w.N.). Vorliegend konnte indes auch der Gerichtssachverständige eine wahrscheinliche Schadensverursachung durch Hagelkörner nicht feststellen. Dass sich das Landgericht auf dieser Grundlage subjektiv nicht von der Wahrheit der Behauptung überzeugt gesehen hat, rechtfertigt eine Beweisaufnahme in der Berufungsinstanz nicht.

b) Gleiches gilt für die Aussagen der Zeugen R. und G., das Dach sei vor dem Hagelschaden dicht gewesen: Wenn beide Sachverständige bekunden, angesichts des Zustandes des Dachstuhls und der sonstigen Schäden im Innenbereich des Daches sei von deutlich älteren Schäden und Undichtigkeiten auszugehen, durfte das Landgericht die Aussagen der Zeugen für widerlegt, zumindest aber für nicht bewiesen ansehen, zumal bei dem Zeugen G. das Interesse an einer der Klägerin günstigen Aussage auf der Hand liegt. Dass sich das Landgericht in den Gründen des angefochtenen Urteils vor diesem Hintergrund nicht mit den Aussagen der Zeugen im Einzelnen auseinandergesetzt hat, ändert hieran nichts. Damit ist auch eine vorangehende Dichtigkeit des Daches – welche ohnehin nur indirekte Rückschlüsse auf den nach den Versicherungsbedingungen erforderlichen unmittelbaren Hagelschaden zugelassen hätte – nicht bewiesen.

Das Landgericht war in diesem Zusammenhang auch nicht verpflichtet, im Wege der Zeugenvernehmung oder der Einholung eines Sachverständigengutachtens der Behauptung nachzugehen, das Dach habe in den drei Jahren zwischen Vertragsabschluss und behauptetem Schadensereignis keine erhebliche bzw. keine Verschlechterung erlitten. Selbst wenn diese Behauptung bewiesen würde, könnte daraus ebenso gut der Schluss gezogen werden, dass das Dach auch vor dem Dreijahreszeitraum bereits undicht und in sanierungsbedürftigem Zustand war. Jedenfalls hat auch die Klägerin nichts dazu vorgetragen, wie die von beiden Sachverständigen festgestellte erhebliche Verfallsstufe und Fäulnis im Dachstuhl durch den behaupteten Hagelschaden entstanden sein soll.

2. Der Klägerin kommen auch keine Beweiserleichterungen oder gar eine Beweislastumkehr wegen einer Beweisvereitelung zugute. Solche Beweiserleichterungen bis zur Umkehr der Beweislast (vgl. BGH, NJW 2009, 360) setzen ein missbilligenswertes Verhalten vor oder während des Prozesses voraus, durch das die Beweisführung unmöglich gemacht oder erschwert wird (vgl. Zöller, ZPO, aaO., Rz. 14a m.w.N.). Soweit die Klägerin nun ein solches missbilligenswertes Verhalten in der nach den Aussagen des Gerichtsgutachters nicht ausreichenden Aufnahme des Hagelschadens durch den Versicherungssachverständigen und in dem nicht erfolgten Hinweis auf diesen Umstand sehen will, so greift dies nicht durch. Der Privatsachverständige hat zeugenschaftlich bekundet, dass nach seiner fachlichen Auffassung die vorgefundenen Löcher in den Ziegeln nicht von einem Hagelschaden herrühren können, weshalb aus seiner Sicht folgerichtig ein Ausbau und/oder eine Sicherstellung der wenigen überhaupt potentiell betroffenen Dachziegel nicht notwendig gewesen sei. Die Beklagte selbst hatte wiederum auf der Grundlage dieses Gutachtens keine Veranlassung, an der Richtigkeit und Vollständigkeit der sachverständigen Feststellungen zu zweifeln, weshalb ihr ebenfalls kein missbilligenswertes Verhalten vorzuwerfen ist. Weil kein objektiver Anhaltspunkt für die klägerische Behauptung besteht, die Beklagte habe bewusst eine nicht ausreichende Aufnahme des Hagelschadens vorgenommen oder vornehmen lassen, gibt es auch keinen Anhaltspunkt für die Annahme, die Beklagte habe „bewusst nur den Anschein einer Begutachtung gesetzt, um ihre Versicherungsnehmerin in Sicherheit zu wiegen und somit eine Beweisvereitelung in mittelbarer Täterschaft begangen“.

Im Übrigen war der Klägerin das Beklagtengutachten zeitnah nach dessen Erstellung bekannt. Es wäre für sie ohne Weiteres möglich gewesen, bereits zu diesem Zeitpunkt oder spätestens bei der vorgenommenen umfassenden Dachsanierung die aus ihrer Sicht durch den Hagel beschädigten Dachziegel sicherzustellen, ebenso wäre es ihr nach den Versicherungsbedingungen unbenommen gewesen, einen eigenen Sachverständigen zu benennen (Ziffer 14.2 der vereinbarten WGB F 01/08).

3. Schlussendlich bedarf es auch nicht der Vernehmung der Zeugin P. zur Frage des Zustandes des Daches zum Zeitpunkt der Vorbesichtigung. Denn selbst wenn – was der Kläger in erster Instanz noch nicht einmal ausdrücklich behauptet hat – die Zeugin P. selbst das Dach als dicht eingeschätzt haben sollte und selbst wenn deren Einschätzung der Beklagten zuzurechnen wäre, würden sich hieraus keine der Klägerin günstigen Rechtsfolgen herleiten lassen: Auch wenn die Beklagte „sehenden Auges“ ein altes, sanierungsbedürftiges Dach zum gleitenden Neuwert versichert haben sollte, so folgt daraus nicht, dass dem Versicherungsnehmer damit der Schadensnachweis im Einzelfall erspart bleiben sollte. Dass unter Umständen in einer Deckungszusage der Versicherung ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis im Hinblick auf deren Einstandspflicht gesehen werden kann (vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 17.07.2012, 11 O 394/11), hat mit der vorliegenden Konstellation nichts zu tun. Bei der Deckungszusage weckt die Versicherung unter Umständen berechtigte Erwartungen im Hinblick auf eine Selbstbindung in einem konkreten Schadensfall mithin in einem Einzelfall. Die Annahme, die Versicherung wolle mit ihrer Bereitschaft zur gleitenden Neuwertversicherung in jedem folgenden Einzelfall auf den Nachweis verzichten, die anlässlich der Schadensanzeige festgestellten Beschädigungen beruhten auch tatsächlich auf einem versicherten Ereignis, ist lebensfremd. Dann würden sämtliche mit Versicherungsabschluss ausgehändigten Belehrungen und allgemeinen Geschäftsbedingungen keinen Sinn ergeben. Wie auch immer die Zeugin P. das Dach bei der Vorbesichtigung eingeschätzt haben mag – die Klägerin ist zum Nachweis einer Dachbeschädigung durch ein versichertes Ereignis verpflichtet. Dieser Nachweis ist ihr im Verlaufe des Verfahrens gerade nicht gelungen.

Nach alledem rät der Senat der Klägerin zu einer Berufungsrücknahme, welche zwei Gerichtsgebühren spart.

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