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Werkverkehr-Versicherung – wahrheitswidrige Angaben eines Mitarbeiters

LG Frankfurt, Az.: 3-10 O 45/15, Urteil vom 12.08.2016

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche aus einer bei der Beklagten bestehenden Werkverkehr-Versicherung geltend.

Die Parteien schlossen eine Werkverkehr-Versicherung mit Vertragsbeginn 05.04.2012. Hinsichtlich des konkreten Inhalts und der Einzelheiten wird auf den Versicherungsvertrag (Anlage K2, Anlagenband) Bezug genommen.

Versichert waren auf bestimmten Tiefladern durch die Klägerin transportierte Baumaschinen.

Am 11.10.2012 kam es auf der Autobahn A3 in Höhe Kirchroth zu einem Unfall, bei dem ein auf einem Tieflader der Klägerin transportierter Kompressor beschädigt wurde, da ein Spanngurt riss und der Kompressor von der Ladefläche stürzte. Der Kompressor war mit drei Spanngurten gesichert.

Der Fahrer der Zugmaschine plus Tieflader mit dem transportierten Kompressor, der klägerische Mitarbeiter H, führte unter dem 11.10.2012 in seiner polizeilichen Anhörung aus, dass er den Kompressor mit drei Spanngurten gesichert habe. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den polizeilichen Anhörungsbogen (Anlage K7, Anlagenband) Bezug genommen.

Die Klägerin als Versicherungsnehmerin meldete den Schaden an dem Kompressor der Beklagten als Versicherer mit Schadensmeldung vom 17.10.2012 (Anlage K3, Anlagenband), auf die Bezug genommen wird.

Hierauf beauftragte die Beklagte den Sachverständigen Dipl.-Ing. X mit der Klärung der Schadensursache. Der Sachverständige führte am 19.10.2012 eine Besichtigung des Kompressors durch. Gegenwärtig waren auch der Geschäftsführer der Klägerin und der klägerische Mitarbeiter H. Der klägerische Mitarbeiter H. gab gegenüber dem Sachverständigen Dipl.-Ing. X wahrheitswidrig an, dass der Kompressor mit vier Spanngurten gesichert gewesen sei. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das schriftliche Sachverständigengutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. X (Anlage K4, Anlagenband) Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 24.10.2012 (Anlage K5, Anlagenband), auf das Bezug genommen wird, erklärte die Beklagte, unter Bezugnahme auf einen Zwischenbericht des Sachverständigen Dipl.-Ing. X den Schadenfall vom Grunde her anzuerkennen.

Im Folgenden beauftragte die Beklagte nochmals einen weiteren Sachverständigen mit der Ermittlung zu Hergang, Ursache, Umfang und Höhe des Transportschadens. Der beauftragte Sachverständige G stellte in seinem Gutachten klar, dass der Kompressor nur mit drei und nicht mit vier Spanngurten gesichert war. Er kam zu dem Ergebnis, dass die Ladungssicherung mit drei Spanngurten ungenügend und mangelhaft gewesen sei, was als schadensursächlich anzusehen sei. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das schriftliche Sachverständigengutachten des Sachverständigen G vom 13.02.2013 (Anlage K8, Anlagenband) Bezug genommen.

Mit anwaltlichen Schreiben vom 14.10.2013 (Anlage K9, Anlagenband) wies die Beklagte die von der Klägerin geltend gemachten Deckungsansprüche aus der Versicherung bzgl. des beschädigten Kompressors zurück und verweigerte eine Deckung. Mit weiterem anwaltlichen Schreiben vom 05.11.2013 (Anlage K10, Anlagenband) erklärte die Beklagte die Anfechtung ihres Anerkenntnisses aus dem Schreiben vom 24.10.2012.

Die Klägerin hält die Beklagte aus dem Versicherungsvertrag für einstandspflichtig. Dies ergebe sich auch aus dem Anerkenntnis der Beklagten dem Grunde nach. Die Anfechtung greife nicht durch.

Die Klägerin beantragt,

– die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 58.500,- Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag i.H.v. 43.878,44 Euro seit dem 28.03.2014 sowie aus einem weiteren Betrag i.H.v. 14.621,56 Euro seit dem 07.10.2014 zu zahlen,

– die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 25.592,23 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 455,57 Euro seit dem 28.03.2014, einem weiteren Betrag von 5.064,00 Euro seit dem 14.06.2014, einem weiteren Betrag von 1.065,10 Euro seit dem 13.01.2015, einem weiteren Betrag von 6.880,74 Euro seit dem 17.01.2015 und einem weiteren Betrag von 11.046,82 Euro seit Klagezustellung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass sie von ihrer Leistungspflicht aus dem Versicherungsvertrag gem. Ziffer 6.4 AVB Werkverkehr 2008 frei geworden sei, da die Klägerin im Hinblick auf die bewusst wahrheitswidrigen Angaben zur Ladungssicherung arglistig gegen ihre Obliegenheiten aus Ziffer 11.4 AVB Werkverkehr 2008 verstoßen habe, um die Beklagte arglistig zu täuschen. Aus gleichem Grunde habe die Beklagte ihr Anerkenntnis wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlungen wegen des Verkehrsunfalls vom 11.10.2012 im Hinblick auf den dadurch beschädigten Kompressor aus der Werkverkehr-Versicherung.

1.

Die Klägerin kann sich zur Anspruchsbegründung nicht erfolgreich darauf berufen, dass die Beklagte mit Schreiben vom 24.10.2012 „den Schadenfall vom Grunde her anerkannt“ (K5) hat.

Die Beklagte hat ihre Willenserklärung bzgl. dieses Anerkenntnisses nämlich wirksam mit anwaltlichen Schreiben vom 05.11.2013 wegen arglistiger Täuschung durch die Klägerin gem. § 123 BGB angefochten, wonach diese Willenserklärung gem. § 142 I BGB von Anfang an nichtig ist.

Die Klägerin hat die Beklagte vor Abgabe deren Anerkenntnisses arglistig über die Umstände der Ladungssicherung bzgl. des beschädigten Kompressors getäuscht.

Dabei erfolgte die arglistige Täuschung der Beklagten dadurch, dass die Klägerin durch ihren Mitarbeiter H gegenüber dem von der Beklagten beauftragten Sachverständigen X vorsätzlich wider besseres Wissen falsche Angaben zur Ladungssicherung bzgl. des beschädigten Kompressors machte. Unstreitig war der Kompressor nämlich nur mit drei Spanngurten gesichert, was der Mitarbeiter der Klägerin, Herr H, in seiner schriftlichen polizeilichen Sachverhaltsschilderung (K7) vom 11.10.2012 auch ausdrücklich so geschildert hat. Bei der vom Sachverständigen X nur wenige Tage später durchgeführten Besichtigung des Kompressors am 19.10.2012 erklärte der klägerische Mitarbeiter H gegenüber dem Sachverständigen X nunmehr bewusst wahrheitswidrig ausdrücklich, dass der Kompressor mit vier Spanngurten gesichert gewesen sei. Angesichts dessen, dass sowohl das Unfallereignis am 11.10.2012 sowie die polizeiliche Aussage des Herrn H nur wenige Tage zurücklagen, kann ausgeschlossen werden, dass es sich um ein „bloßes Versehen“ gehandelt hat. Vielmehr ist von einer Erklärung wider besseres Wissen auszugehen.

Danach ist die arglistige Täuschung zwar nicht durch die Klägerin selbst, also durch ihren Geschäftsführer erfolgt, jedoch hat sich die Klägerin die arglistige Täuschung durch ihren Mitarbeiter H zurechnen zu lassen. Dabei ist auch unerheblich, ob die Klägerin selbst die Täuschung kannte. Insbesondere ist vorliegend die Anfechtbarkeit nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Täuschung durch einen Dritten im Sinne von § 123 II BGB erfolgt ist. Der klägerische Mitarbeiter H ist nämlich gerade nicht Dritter im Sinne von § 123 II BGB. Jenseits von Vertretern und autorisierten Verhandlungsführern oder -gehilfen kann ganz allgemein von einem Dritten dann nicht gesprochen werden, wenn „dessen Verhalten dem Erklärungsempfänger wegen besonders enger Beziehungen zwischen beiden oder wegen sonstiger besonderer Umstände billigerweise zugerechnet werden muss“. Dritter ist mithin nicht, wer im Lager des Erklärungsempfängers steht und als dessen Vertrauensperson erscheint, sofern dies dem Erklärungsempfänger zurechenbar ist (vgl. MüKo-Armbrüster, BGB, 7. Aufl., 2015, § 123 Rn. 64). So liegt der Fall hier. Herr H steht als Mitarbeiter der Klägerin in deren Lager. Er war es gerade, der herangezogen worden ist, um über die Umstände des Unfalls und der Ladungssicherung für die Klägerin gegenüber dem Sachverständigen X Angaben zu machen. In diesem Zusammenhang ist Herr H als Vertrauensperson der Klägerin aufgetreten.

Die Täuschung ist auch gegenüber der Beklagten erfolgt. Zwar erfolgte die unmittelbare Täuschung gegenüber dem Sachverständigen X. Jedoch war sowohl dem Geschäftsführer der Klägerin als auch Herrn H klar und bekannt, dass der Sachverständige X von der Beklagten beauftragt worden war und dieser gegenüber das Gutachten erstellen wird, in dem selbstverständlich auch die (wahrheitswidrigen) Angaben des klägerischen Mitarbeiters H verwertet werden würden. Insoweit liegt eine ausreichende mittelbare Täuschung der Beklagten vor.

Die Täuschung war auch kausal für die Abgabe des Anerkenntnisses durch die Beklagte. Die Ausführungen des Sachverständigen X zur Ladungssicherung beruhen auf den wahrheitswidrigen Angaben des klägerischen Mitarbeiters H. Das Anerkenntnis der Beklagten beruht ausweislich ihres Schreibens vom 24.10.2012 wiederum auf den Annahmen des Sachverständigen X. Diese mittelbare Kausalität ist ausreichend.

Mit anwaltlichen Schreiben vom 05.11.2013 hat die Beklagte ausdrücklich die Anfechtung gegenüber der Klägerin erklärt (§ 143 I BGB). Die Beklagte hat auch die Anfechtungsfrist des § 124 BGB eingehalten. Die Beklagte hat frühestens durch das Gutachten des Sachverständigen G vom 13.02.2013 (K8) Kenntnis von der arglistigen Täuschung erlangt. Danach erfolgte die Anfechtung vom 05.11.2013 in der Jahresfrist des § 123 I, II BGB, da die Jahresfrist ausgehend vom 13.02.2013 frühestens am 13.02.2014 abgelaufen war.

2.

Ein Zahlungsanspruch der Klägerin besteht jedenfalls deshalb nicht, weil die Beklagte von ihrer Leistungspflicht wegen einer arglistigen vorsätzlichen Obliegenheitspflichtverletzung durch die Klägerin frei geworden ist.

Dies gilt nach Auffassung der Kammer sogar auch dann, wenn man der Ansicht wäre, die Beklagte habe ihr Anerkenntnis dem Grunde nach nicht wirksam angefochten. Insoweit würde das Anerkenntnis nämlich nicht soweit gehen, der Beklagten alle Einwendungen abzuschneiden, die ihr bei Abgabe des Anerkenntnisses nicht bekannt waren, was jedenfalls für die Einwendungen gilt, dass die Klägerin als Versicherungsnehmerin arglistig bzw. vorsätzlichen gegen ihre Obliegenheiten bzgl. der Mitwirkung an der Aufklärung des Versicherungsfalles verstoßen hat.

Die Beklagte ist gem. Ziffer 6.4 der in den Versicherungsvertrag einbezogenen Allgemeinen Versicherungs-Bedingungen für Gütertransporte im Werkverkehr Fassung 2008 von der Verpflichtung zur Leistung frei geworden.

Gem. Ziffer 6.4 AVB Werkverkehr 2008 (vgl. auch § 28 II, III VVG) ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsnehmer oder seine Repräsentanten aus Anlass des Versicherungsfalls in arglistiger Absicht versucht haben, den Versicherer zu täuschen, auch wenn hierdurch dem Versicherer kein Schaden entstanden ist.

Zwar ist davon auszugehen, dass es sich bei dem klägerischen Mitarbeiter, dem Fahrer H, im Sinne des Versicherungsvertragsrecht weder um einen Repräsentanten noch einen Wissensvertreter der Klägerin als Versicherungsnehmerin gehandelt hat. Jedoch ist der klägerische Mitarbeiter H als Wissenserklärungsvertreter im Zusammenhang mit den Angaben über den Unfallhergang anzusehen, da er selbst auch die falschen Angaben über die verwendeten Spanngurte gegenüber der Beklagten bzw. dem Sachverständigen X gemacht hat und gerade nicht nur dem aus eigener Anschauung nicht unterrichteten Geschäftsführer als „Wissensquelle“ gedient hat (vgl. Prölss/Martin-Armbrüster, VVG, 29. Aufl., 2015, § 28, Rn. 158).

Gem. Ziffer 11.4 AVB Werkverkehr 2008 hat der Versicherungsnehmer alles zu tun, um bei der Aufklärung hinsichtlich der Umstände des Versicherungsfalls mitzuwirken.

Gegen diese Obliegenheit hat die Klägerin als Versicherungsnehmerin durch ihren Wissenserklärungsvertreter, ihren Mitarbeiter H, arglistig verstoßen. Arglist verlangt über das Wollen der Obliegenheitsverletzung hinaus, dass das Verhalten des Versicherungsnehmers zumindest bedingt vorsätzlich darauf gerichtet ist, dem Versicherer einen Nachteil zuzufügen. Dieser Nachteil muss nicht in einer ungerechtfertigten Zahlung bestehen. Eine Bereicherungsabsicht ist mithin nicht erforderlich. Daher genügt es als vom Versicherungsnehmer gewollter Nachteil des Versicherers, wenn das inkorrekte Verhalten des Versicherungsnehmers Beweisschwierigkeiten überwinden oder wenn der Versicherer davon abgehalten werden soll, an sich gebotene Ermittlungen über die Berechtigung des Anspruches anzustellen. Es genügt auch, wenn der Versicherungsnehmer lediglich die Regulierung beschleunigen wollte (Prölss/Martin-Armbrüster, VVG, 29. Aufl., 2015, § 28 Rn. 197, 198). So liegt der Fall hier. Durch die bewusst wahrheitswidrigen Angaben zur Ladungssicherung sollte die Beklagte davon abgehalten werden, weitere Ermittlungen über die Berechtigung des Anspruches anzustellen, insbesondere im Hinblick darauf, ob bei der Verwendung von nur drei Spanngurten die Ladung nicht ausreichend gesichert war. Mit der Falschangabe sollte gegenüber der Beklagten gerade dargelegt werden, dass eine ausreichende Ladungssicherung vorgelegen hat, um somit auch eine zügige Schadensregulierung zu erreichen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 I, 281 III 2 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 u. 2 ZPO.

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